Aktiv gegen sexuellen Missbrauch: Schutzkonzepte sorgen in Kitas für Sicherheit.
Illustration von drei Kindern, die auf einer Wiese liegen.

Der Auslöser ist oft ein ungutes Gefühl. Eine Erzieherin oder ein Erzieher beobachtet in der Kita eine merkwürdige Situation oder stellt fest, dass sich ein Kind anders verhält als sonst. „Die pädagogischen Fachkräfte sind sehr nah dran an den Kindern“, sagt Inga Hansen vom PETZE-Institut für Gewaltprävention in Kiel. „Sie merken oft schnell, wenn etwas nicht stimmt.“ Doch beim Verdacht des sexuellen Missbrauchs ist die Verunsicherung groß.

 

KURZ GESAGT!

  • Jede Kita braucht ein Schutzkonzept
  • Es bietet den Kindern Sicherheit
  • Es hilft den pädagogischen Fachkräften, sich richtig zu verhalten
  • Fürs Konzept das Team und externe Experten hinzuziehen

 

Die rechtliche Seite ist klar: Seit 2012 schreibt das Bundeskinderschutzgesetz vor, dass alle Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen konkrete Schutzmaßnahmen ergreifen müssen. Das Ziel: Kitas und andere Betreuungseinrichtungen sollen ein sicherer Ort für Kinder sein. Eine Vorgabe ist die Erarbeitung von Schutzkonzepten. Diese sollen den pädagogischen Fachkräften dabei helfen, sich in solch schwierigen Situationen richtig zu verhalten.

Schutzkonzepte

Die Schutzkonzepte sind eine Konsequenz aus Missbrauchsskandalen in Institutionen wie der Odenwaldschule. Das Bundeskinderschutzgesetz verlangt, dass die Einrichtungen durch verschiedene Maßnahmen das Risiko senken, zum Tatort sexueller Gewalt zu werden. Zudem sollen Kitas bei dem Thema so kompetent sein, dass sie Kindern auch dann helfen können, wenn sie zum Beispiel in der Familie von Missbrauch betroffen sind.

Das achte Sozialgesetzbuch im Kinder- und Jugendhilfegesetz schreibt ebenfalls einen Handlungsauftrag bei Kindeswohlgefährdung fest. „Doch bei Schutzkonzepten geht es um sehr viel mehr“, betont Ulli Freund, Mitarbeiterin im Arbeitsstab des Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM). So spielt zum Beispiel die Prävention eine große Rolle. Und der Fokus liegt klar auf sexueller Gewalt. „Das ist sehr sinnvoll“, sagt Marlena Beckmann von der Beratungsstelle Wagemut in Flensburg. Im Gegensatz zu anderen Formen der Kindeswohlgefährdung – wie Vernachlässigung oder Misshandlung – habe sexueller Missbrauch eine ganz andere Dynamik. „So eine Tat ist in der Regel geplant. Das Vertrauen der Kinder wird missbraucht und sie werden oft unter Druck gesetzt, niemandem etwas zu verraten.“

Vorhandene Bausteine nutzen

Jede Kita braucht laut Bundeskinderschutzgesetz ihr eigenes Schutzkonzept. Die Fachleute raten erst einmal zu einer Bestandsaufnahme: Welche Kooperationen mit Fachberatungsstellen gibt es bereits, welche Präventionskonzepte? Viele Bausteine seien in den Kitas vorhanden, sagt Ulli Freund. Sie müssten nur zusammengesetzt und an der einen oder anderen Stelle verbessert werden. „Viele Einrichtungen sind schon recht weit.“

Dabei ist es ganz wichtig, dass das Team einbezogen werden muss. „So ein Schutzkonzept muss gelebt werden“, betont Marlena Beckmann. „Sonst besteht die Gefahr, dass es nur im Ordner im Regal landet.“ Beim Verhaltenskodex zum Beispiel gilt es, gemeinsam den Umgang mit Nähe und Distanz zu definieren. Ist es erlaubt, Kinder zu küssen? Sie nackt zu fotografieren? Türen beim Wickeln zu schließen? Ganz wichtig: Diese Regeln gelten für alle, auch für Frauen, sagt Inga Hansen von PETZE.  Meist würden vor allem männliche Erzieher misstrauisch beäugt. Ein Generalverdacht sei aber ebenso falsch, wie anzunehmen, es gebe keine weiblichen Täter.

Schutzkonzepte, erklärt Ulli Freund, machten Kitas sicherer und professioneller. Für alle Einrichtungen ist ratsam, sich Hilfe zu holen. Fachberatungsstellen wie PETZE und Wagemut bieten Unterstützung an. Die Fachleute sind überzeugt, dass sich der Aufwand lohnt. „Viele Kitas haben Angst, im Ernstfall nicht richtig zu reagieren“, sagt Inga Hansen. „Die Arbeit am Schutzkonzept erleben sie eher entlastend als belastend.“

 

DAS GEHÖRT INS SCHUTZKONZEPT:

Leitbild: Präventionsverantwortung festschreiben.
Verhaltenskodex: Wie viel Nähe ist erlaubt? Grenzen der Kinder respektieren, Regeln für risikoreiche Situationen festlegen.
Ansprechpartner für den Kinderschutz benennen.
Fortbildungen: Externe Referenten einladen, Angebote des Jugendamts nutzen.
Präventionsangebote für Kinder und Eltern: Im Kita-Alltag soll thematisiert und gelebt werden, dass ein Nein akzeptiert wird und Hilfeholen kein Petzen ist.
Partizipations- und Beschwerdeverfahren für Kinder: Kinder werden in Entscheidungen einbezogen und dürfen sagen, wenn ihnen etwas nicht gefällt. Das stärkt das Selbstbewusstsein.
Notfallplan: Besprechung im Team, Gespräch mit Kitaleitung bzw. Träger. Wann sind Jugendamt und Polizei einzuschalten?
Kooperationen mit externen Fachberatungsstellen, Jugendamt etc.

Beispiele:

  • Schutzkonzept der Kindertagesstätten der Gemeinde Henstedt- Ulzburg: www.henstedt-ulzburg.de, Suchbegriff: „Schutzkonzept der Kindertagesstätten“
  • Schutzkonzept der Kitas der Pestalozzi-Stiftung Hamburg: www.pestalozzi-kita.de > Leistungen

 

WEITERE INFOS

Initiative „Kein Raum für Missbrauch“
www.kein-raum-fuer-missbrauch.de

Auf der Homepage der Initiative des Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs gibt es unter anderem kostenlose Materialien für Kitas zu Schutzkonzepten.

Hilfetelefon Sexueller Missbrauch:
0800 / 22 55 530

Bundesweite, kostenfreie und anonyme Anlaufstelle für Betroffene von sexueller Gewalt, für Angehörige sowie Personen aus dem sozialen Umfeld von
Kindern, für Fachkräfte und für alle Interessierten.

Hilfeportal Sexueller Missbrauch
www.hilfeportal-missbrauch.de

Das Portal informiert Betroffene, ihre Angehörigen und andere Menschen, die sie unterstützen wollen. Die bundesweite Datenbank zeigt, wo es in der eigenen Region Hilfsangebote gibt.

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