Zähneputzen – so normal wie Händewaschen

KURZ GESAGT!

_Jede Kita kann mit Kindern das Zähneputzen üben

_Wichtig: regelmäßige, niederschwellige Infos an die Eltern

_Weiterer Baustein: gesunde, zuckerarme Ernährung

Jeden Donnerstag ist in der Kita Sankt Nikolaus in Waldmühlbach Zahnputztag. Dann gehen die Kinder in Sechsergruppen ins Bad, nehmen sich ihren Zahnputzbecher mit Zahnbürste aus dem Becherregal sowie einen Klecks Zahnpasta und putzen unter der Anleitung eines Erziehers oder einer Erzieherin gründlich die Zähne. „Leider können wir nur einmal in der Woche mit den Kindern die Zähne putzen, täglich wäre optimal. Das ist aber zeitlich und organisatorisch nicht durchführbar“, erklärt Kitaleiter Michael Schüle mit Bedauern. Trotzdem ist ihm die Zahngesundheit seiner Schützlinge eine echte Herzenssache. Dieser Zahnputztermin ist nicht verhandelbar. Dr. Bernd Krämer, Zahnarzt aus Heilbronn, findet die Lösung dennoch vorbildlich. „Oft höre ich: Das geht bei uns nicht. Das Beispiel zeigt: Doch, es geht, wenn die Kitaleitung es will. Hauptsache, die Kinder üben regelmäßig das Zähneputzen. Selbst wenn es nur einmal in der Woche ist.“

Auch hygienische Bedenken gegen das gemeinschaftliche Zähneputzen lässt der Zahnarzt nicht gelten: „Das lässt sich etwa mit speziellen Becherständern lösen. Aber selbst wenn sich Zahnbürsten der Kinder berührt haben oder gar vertauscht wurden: Das ist nicht unhygienischer als die Bauklötze, die tage- oder wochenlang durch Dutzende von ungewaschenen Kinderhänden gehen.“ Er möchte pädagogische Fachkräfte dazu ermutigen, das gemeinsame Zähneputzen in der Kita (wieder) zu wagen. Es komme nicht darauf an, dass die Kinder ihre Zähne perfekt putzen, sondern dass sie es überhaupt tun – und dabei eine Ritualisierung einsetze, etwa wie beim Händewaschen. „Man kann nicht davon ausgehen, dass alle Kinder regelmäßig zu Hause die Zähne putzen oder gar von den Eltern nachgeputzt bekommen. Kindertagesstätten können hier einen Beitrag zur Chancengleichheit leisten“, führt Dr. Krämer aus.

Kariesprophylaxe gelingt nur gemeinsam

Das sieht auch die Prophylaxefachkraft Marion Hoffmann aus dem Neckar-Odenwald-Kreis so. Sie geht seit mehr als 13 Jahren in Kitas, um dort den Kindern spielerisch mit Handpuppen, Experimenten, kindgerechtem Anschauungsmaterial sowie – natürlich – einem übergroßen Gebiss und Zahnbürstedas richtige Putzen der Zähne beizubringen.

„Viele Kinder putzen nur im Kindergarten die Zähne. In ihren Familien gibt es meistens weitere und tiefergehende Probleme.“ Trotzdem sei es wichtig, Eltern regelmäßig über die Wichtigkeit guter Zahn- und Mundhygiene zu informieren. „Wir nutzen dafür zum Beispiel Kita-Apps, die inzwischen weitverbreitet sind.“ Einige ihrer Kolleginnen bieten während der Abholzeiten auf Tischen Infomaterial an und gehen so niederschwellig auf die Eltern zu.

In der Kita Sankt Nikolaus wird die Zahngesundheit auch immer bei einem Elternabend thematisiert. Nach Erfahrung von Kitaleiter Schüle wissen nämlich manche Eltern gar nicht, wie man die Zähne richtig putzt. „Wie sollen sie es dann den Kindern beibringen?“ Wenige Minuten reichen schon aus, meint Schüle: „Es geht vor allem darum, kurz wachzurütteln und daran zu erinnern, dass gerade auch Milchzähne regelmäßige Pflege brauchen.“ Zusätzlich gibt er allen Eltern das Formular „Empfehlung zur zahnärztlichen Untersuchung“ mit und fordert es auch ausgefüllt zurück.

Neuanfang nach Corona

Prophylaxefachkraft Marion Hoffmann versucht indessen mit Ideen und einfach umsetzbaren Vorschlägen, den Fachkräften „das Thema wieder schmackhaft zu machen“. Denn Corona war auch in diesem Bereich ein scharfer Einschnitt. „Heute weiß man, dass das Zähneputzen kein Infektionsrisiko dargestellt hat.“ Trotzdem wird es nach wie vor in vielen Kitas nicht gemacht. „Das ist schade“, findet Marion Hoffmann. Gleichzeitig hat sie Verständnis, wenn ihr die Kitateams zurückmelden, dass durch die personelle Situation und Arbeitsbelastung das Thema als eher nachrangig betrachtet wird. „Ich erkläre dann, dass Gesundheitserziehung – und damit auch Zahn- und Mundhygiene – zum Bildungsauftrag der Einrichtungen zählt. Zudem schult das Putzen mit der Handzahnbürste die Feinmotorik und die Hand-Auge-Koordination. Abgesehen davon erleben sich die Kinder beim Zähneputzen als selbstwirksam, sie übernehmen in immer stärkerem Maß Verantwortung für ihre Körperpflege, werden selbstständig und sind stolz: ‚Das kann ich schon‘.“ Marion Hoffmann ergänzt: „Es wird zu einem Ritual, das den Kindern Spaß macht.“

Kita-Fachkräfte, die dabei Unterstützung brauchen, dieses Ritual neu zu beleben, können an in der Regel kostenlosen (Web-)Seminaren der Landesarbeitsgemeinschaften für Zahngesundheit teilnehmen. Sie erhalten hier viel Input und Hintergrundinformationen – etwa, dass auch zahngesunde Ernährung eine wichtige Rolle spielt.

Putzen die Kinder in der Kita Sankt Nikolaus auch nur einmal wöchentlich zusammen die Zähne – gefrühstückt wird dort jeden Tag. Klar, dass Michael Schüle und sein Team einen genauen Blick darauf haben, dass nur (zahn)gesunde Lebensmittel mitgebracht werden. Das lernen die Eltern rasch. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Über Kuchen, Muffins oder Berliner freuen sich alle umso mehr, wenn Geburtstag oder ein anderes Fest gefeiert wird. Dass hinterher die Zähne besonders gründlich geputzt werden, versteht sich von selbst.


Den Flyer „Gesunde Kinderzähne“ der Landesarbeitsgemeinschaft Zahngesundheit Baden-Württemberg gibt es in vielen verschiedenen Sprachen zum Verteilen an die Eltern:
kurzelinks.de/vfuk

Mundgesundheit der Kinder kann nur gemeinschaftlich gelingen. Fachkräfte können dazu diese kurzweiligen Lehrfilme (ca. 9 min) nutzen – und auch an die Eltern weiterempfehlen:
kurzelinks.de/x0pk

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