Vorbereitet auf das, was hoffentlich nie eintritt

Zu Beginn eine ganz grundsätzliche Frage: Was ist ein Notfall, worauf sollten sich Kitas einstellen und wie sollten sie entsprechend vorsorgen?

Ganz allgemein gesprochen ist ein Notfall ein unvorhergesehenes Ereignis, bei dem Menschen, Sachen oder auch Tiere zu Schaden kommen können und man deshalb schnell handeln muss. Das beginnt bei Verletzungen, reicht über Gewaltsituationen bis hin zu Bränden oder Großschadensereignissen innerhalb und außerhalb der Kita. Das wiederum könnten eine Überschwemmung oder ein Stromausfall sein. Die Liste ist lang. Der Träger ist verpflichtet, ein Notfallmanagement zu implementieren. Das heißt, Einrichtungen müssen sich konkret überlegen, was im Falle eines Falles zu tun ist. 

Das gilt für alle Kitas, ganz gleich in welcher Trägerschaft?

Ja. Die Trägerlandschaft in Deutschland ist sehr bunt mit beispielsweise kommunalen Trägern, kirchlichen, die der freien Wohlfahrtspflege und Elternvereinen. Aber völlig unabhängig vom Träger: Ein Notfallmanagement muss vorhanden sein.

Sind die Einrichtungen damit nicht überfordert?

Sie können sich anhand von Vorlagen recht gut damit befassen. In Thüringen gibt es etwa den Notfallkalender, eine Handreichung sowie die Broschüre „Erste Hilfe am Kind“, die jeder Einrichtung zur Verfügung stehen. Auch andere Bundesländer haben ähnliche Angebote. Daran können sich Kitas orientieren und sie an ihre eigenen Rahmenbedingungen anpassen. Ohnehin sind die Einrichtungen – vielmehr auch hier wieder: die Träger – verpflichtet, Gefährdungsbeurteilungen vorzunehmen und anhand dieser solche etwaigen Notfallszenarien zu beurteilen.

Bei Fragen, die trotzdem unklar bleiben, unterstützen etwa die Fachaufsicht, Polizei, Feuerwehr, Fachkraft für Arbeitssicherheit, betriebsärztliche Dienste und Unfallkassen. In Thüringen gibt es zum Beispiel Checklisten zu Gefährdungsbeurteilungen in Kitas, andere Unfallkassen haben ähnliche Angebote. Für die Qualifikation und die Unterweisung der Beschäftigten ist im Übrigen ebenfalls der Träger verantwortlich.

Die Beschäftigten müssen zum Notfallmanagement unterwiesen werden?

Ja! Auf jeden Fall zu besonderen Aspekten des Notfallmanagements, zum Beispiel dem Verhalten im Brandfall. Und hier genügt auch keine theoretische Unterweisung, sondern es gilt, eine Evakuierungsübung durchzuführen, also den „Probealarm“ durchzuspielen.

Wann ist es Zeit, die angepassten Notfallpläne erneut anzupacken? Genügt es, die Angaben bei Bedarf zu aktualisieren?

Nein, es sollte einen regelmäßigen Turnus geben, in dem alles auf Aktualität und Sinnhaftigkeit überprüft wird. Vor allem müssen die Angaben immer dann aktualisiert werden, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, etwa die Konzeption, die Raumaufteilung, oder bauliche Veränderungen erfolgten. Gerade wenn Kleinkinder auf-genommen werden, sind größere Anpassungen und Ergänzungen der Pläne notwendig: Wie evakuiert man die Jüngsten? Das alles ist vorab zu berücksichtigen.

Gibt es bei Notfällen besondere Informationspflichten, denen die Kitaleitung nachkommen muss?

Wenn ein Kind so zu Schaden gekommen ist, dass eine medizinische Behandlung notwendig wurde, ist der zuständige gesetzliche Unfallversicherungsträger zu informieren – bestenfalls innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis. Bei Beschäftigten ist ein Unfall mit mehr als drei Tagen Arbeitsunfähigkeit anzuzeigen. Sehr schwere oder gar tödliche Unfälle sind unmittelbar zu melden. Darüber hinaus gibt es Fälle, in denen etwa das Jugendamt, die Polizei oder die Fachaufsicht zu unterrichten sind. Diese Informationen weiterzugeben, ist Aufgabe des Trägers, der in der Regel aber nicht vor Ort ist. In der Praxis koordiniert also die Kitaleitung die erforderlichen Maßnahmen in enger Absprache mit dem Träger und dem Team. Sollte die Leitung allerdings nicht greifbar sein, müssen die Fachkräfte trotzdem wissen, was zu tun ist. Auch die transparente und sachliche Kommunikation in Richtung Elternschaft ist ganz wichtig.

Wie geht es in der Regel nach einem Notfall weiter?

Das lässt sich pauschal nicht beantworten, es kommt auf den Einzelfall an. Wenn Fachkräfte oder Kinder ein schlimmes Ereignis miterleben, kann sie das allerdings aus der Bahn werfen und seelisch sehr belasten. Einige Unfallkassen bieten deshalb eine telefonisch-psychologische Beratung an, meist gibt es innerhalb weniger Tage bereits einen ersten Termin. Bevor man eine vergleichbare Beratung bei einer Therapeutin oder einem Therapeuten vor Ort bekommt, können mitunter Wochen oder gar Monate vergehen. Es lohnt sich also – am besten, bevor ein Notfall eintritt –, beim zuständigen Unfallversicherungsträger nachzufragen, ob es dort ein solches Angebot gibt.

Was ist Ihre Kernbotschaft an die Einrichtungen?

Es ist wichtig, sich ernsthaft auf Notfälle vorzubereiten, bevor sie eintreten – etwa durch Gefährdungsbeurteilungen und regelmäßige Unterweisungen oder Übungen. Es gibt zahlreiche Unterstützungsmöglichkeiten, die man nutzen kann und sollte. Die Informationen sind stets aktuell zu halten. Das hat einen entscheidenden positiven Nebeneffekt: Jedes Mal, wenn sich das Team mit diesen Themen beschäftigt, erlangt es mehr Sicherheit und wird handlungsfähiger, falls der Notfall tatsächlich eintritt. Was hoffentlich nicht passieren wird.

Die Fragen stellte Stefanie Richter.

TIPP

Kostenloses Material für Kitas zur Erstellung von Notfallplänen finden Sie hier. Es muss aber immer an die jeweilige Einrichtung angepasst werden.

Echt praktisch

Die Folge 7 des Podcasts „Gut abgesichert“ der Unfallkasse Thüringen gibt kurz und knapp Infos zu Notfallstörungen. Was ist im Vorfeld zu tun? Wie sieht eine gute Handlungsanleitung für Notfälle aus? Als Beispiel wird ein Stromaus-fall „durchgespielt“:  www.kurzelinks.de/w5oy

Im Podcast wird auf eine Handreichung verwiesen (PDF): www.kurzelinks.de/9rhx. Eine aktualisierte Fassung – der Notfallkalender – ist nur direkt über das Bildungsministerium Thüringen erhältlich. Allerdings sind die folgenden Publikationen inhaltlich nahezu identisch:

Wie es dazu kam, dass sich ein Kitaträger intensiver mit dem Thema Notfallmanagement auseinandergesetzt hat, schildert dieser Fachbeitrag (PDF): www.kurzelinks.de/d6zm

Bei der Erstellung der Notfallpläne sind die Begebenheiten in der jeweiligen Einrichtung zu beachten. Dazu ist eine Gefährdungsbeurteilung unerlässlich. Die BGW hat dafür ein praktisches Online-Tool entwickelt: www.kurzelinks.de/url0

Ein Notfall kann ein psychologisches Trauma hinterlassen. Auch seelische Verletzungen sollen den Unfallversicherungsträgern gemeldet werden. Wie das geht, erläutert das Informationsblatt „FBGIB-004: Meldung von traumatischen Ereignissen“ der DGUV: www.kurzelinks.de/llri

Für Betroffene von Notfallsituationen gibt es externe Hilfestellen, an die sie sich anonym wenden können. Unter folgender Rufnummer ist das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ erreichbar: 116016, das Hilfetelefon „Gewalt an Männern“ hingegen unter der 0800 1239900

Erste Hilfe bei Wunden und körperlichen Beschwerden kennen alle. Das Konzept der Ersten Hilfe bei einem psychischen Notfall, die sogenannte Mental Health First Aid, wird erst nach und nach bekannt. Mehr dazu hier: www.kurzelinks.de/0l59

Was Sie für Ihr Notfallmanagement brauchen

Speziell für Kitas gibt es Bei der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen einen dreiteiligen Notfallordner. Auf dieser Grundlage können (und sollen!) Träger und Führungskräfte das Notfallmanagement spezifisch für die eigene Einrichtung anpassen. Gleichzeitig kommen sie damit ihrer gesetzlichen Pflicht zur Implementierung eines Notfallmanagements nach. Das Material liegt ausschließlich digital als offenes Word-Dokument vor.

https://www.sichere-kita.de/leitung/organisation/notfallmanagement

Die Unfallkasse Thüringen hat zusammen mit anderen Akteuren eine Registerbroschüre zu Notfällen erarbeitet, die jede Kindertageseinrichtung in Thüringen bereits erhalten haben sollte. Ist das nicht der Fall, kann sie bei der Unfallkasse Thüringen bzw. dem Thüringischen Bildungsministerium angefordert werden. Die Broschüre ist ausschließlich für Einrichtungen in Thüringen erhältlich.
Mehr Informationen unter: https://bildung.thueringen.de/bildung/kindergarten/empfehlungen/notfallmanagement

Für Kitas in Berlin gibt es eine Broschüre „Verhalten in Notfällen“, die jedoch auch für Einrichtungen in anderen Bundesländern hilfreich ist. Zu finden ist sie als PDF-Download im Abschnitt „Erste Hilfe und Notfälle“ auf der Webseite der Unfallkasse Berlin: https://www.unfallkasse-berlin.de/sicherheit-und-gesundheitsschutz/kindertagesstaetten/broschueren-und-faltblaetter

Informationen der Unfallkasse Sachsen zu dem Thema gibt es unter:
https://www.uksachsen.de/sicherheit-gesundheit/notfallmanagement

Die Unfallkasse Hessen hat unter dem Suchbegriff „Notfallplan“ eine ganze Reihe von Informationsblättern im Angebot, die spezielle medizinische Notfälle in den Fokus nehmen, etwa Asthma und Epilepsie. https://www.ukh.de/medien