Die Gefühle besser im Griff

Wut, Stress, Frust: Für Kinder ist der Umgang mit den eigenen Gefühlen eine Herausforderung. Doch Selbstregulation lässt sich leicht üben. Davon profitieren die Kinder ihr ganzes Leben.
Ein weinender Junge.

Die Erzieherin stellt eine Schüssel voll Nudeln auf den Tisch. Paul wird ganz hubbelig, will am liebsten sofort loslegen. Doch er greift nicht nach dem Löffel, sondern wartet ab. Er hat gelernt, dass erst alle Kinder ihre Teller füllen. Danach heißt es „Guten Appetit“. Und erst danach wird gegessen. Das Beispiel des Zweijährigen zeigt: Schon die Jüngsten verfügen über Fähigkeiten zur Selbstregulation.

Gefühlskontrolle fällt schwer

Doch meist fällt es ihnen noch schwer, ihre Gefühle zu kontrollieren. Greta heult laut los, weil sie die Knete haben will – und zwar sofort. Justus schleudert vor Wut das Auto in die Ecke, weil es immer vom Turm fällt. „Die Selbstregulation ist extrem wichtig für die Entwicklung der Kinder“, erklärt die Sport- und Neurowissenschaftlerin Sabine Kubesch vom Institut Bildung plus in Heidelberg. Diese Fähigkeit sei für den Lernerfolg später in Schule und Beruf wichtiger als Intelligenz. „Das Schöne ist“, fügt sie hinzu, „dass man die Selbstregulation im Alltag ständig fördern kann.“

Die Fähigkeiten zur Selbstregulation werden im Stirnhirn gesteuert. Dieser Bereich lerne und entwickle sich langsam, sagt die Neurowissenschaftlerin. Doch was dort einmal gespeichert sei, gehe nicht mehr verloren. Wie Schwimmen oder Radfahren. „Das nimmt man fürs ganze Leben mit.“ Die Selbstregulation werde im Alltag ständig trainiert. Gezielte Spiele, Übungen und Strategien könnten viel bewirken.„Bis zum Erwachsenwerden haben Kinder und Jugendliche unendlich viele solcher Übungsmöglichkeiten“, so Sabine Kubesch.

Kurz
gesagt!

  • Verschiedene Hirnregionen steuern die Selbstregulation
  • Umgang mit Gefühlen ist ein Lernprozess
  • Erzieherinnen und Erzieher können die Entwicklung fördern
  • Einmal Erlerntes geht nicht verloren

Hemmungen erwünscht

Bei der Selbstregulation, erklärt die Wissenschaftlerin, gehe es darum, Verhalten, Aufmerksamkeit und Emotionen bewusst zu regulieren. Dafür ist die sogenannte Inhibition wichtig, mit anderen Worten: sich hemmen können. Diese Fähigkeit können Erzieherinnen und Erzieher fördern. Zum Beispiel sollen die Kinder langsam bis zwölf zählen, bevor sie nach draußen stürmen. Oder warten, bis das letzte Körnchen der Sanduhr durchgerieselt ist. Auch ein Kinderspiel wie „Alle Vögel fliegen hoch“ bietet ein gutes Training, die Impulse zu regulieren. Kinder müssten lernen, ihre Aufmerksamkeit anhaltend zu steuern, so Sabine Kubesch. Egal, ob beim Puzzeln oder Zuhören.

Wichtige Voraussetzung für die Selbstregulation ist auch die kognitive Flexibilität. Also die Fähigkeit, sich auf neue Situationen einzustellen. Ein Beispiel: Wenn die Glocke zum Mittagessen läutet, hören die Kinder mit Spielen auf und beginnen mit dem Tischdecken. Oder nach dem Toben im Garten sind sie drinnen wieder leise. Eine bedeutende Rolle spielt auch das Arbeitsgedächtnis. Sprich, sich etwas einzuprägen – und mit der gespeicherten Information zu arbeiten. Bei den Jüngsten geht es erst einmal darum, sich eine Regel zu merken und daran zu halten. Auch Versteckspiele bieten sich an. Bei älteren Kindern ist Memory eine gute Übung. Oder ein Spiel wie „Ich packe meinen Koffer“, bei dem das Gedächtnis trainiert wird. Die Neurowissenschaftlerin sagt, dass sich anhand der Leistung des Arbeitsgedächtnisses einschätzen lässt, wie gut ein Kind später in Mathe oder Deutsch ist.

Erfolgsfaktor Selbstregulation

Doch Selbstregulation sei nicht nur wichtig für den Schulerfolg, betont Sabine Kubesch, sondern ebenso für die sozial-emotionale Entwicklung. Dadurch wird auch der Alltag in der Kita angenehmer. Die Kinder haben sich besser im Griff, können Konflikte leichter lösen. Das ist gut für alle. Übrigens auch für die Chancengleichheit, sagt die Wissenschaftlerin. Langzeitstudien zeigten, dass Kinder mit einer höheren Fähigkeit zur Selbstregulation als Erwachsene gesünder, zufriedener, beruflich erfolgreicher und weniger häufig straffällig werden. Und zwar unabhängig von sozialer Herkunft, Geschlecht oder Intelligenz.

 

 

WEITERE INFOS

Kubesch, S.(Hrsg.): Exekutive Funktionen und Selbstregulation.

Neurowissenschaftliche Grundlagen und Transfer in die pädagogische Praxis. Hogrefe Verlag. 39,95 Euro.

Liebers, A., Kubesch,
S., Hansen, S.: Die Drei aus Hirnschmalz.

In der Reihe gibt es Bilderbücher mit Geschichten, Wissensteil und Übungen. Verlag Bildung plus.

www.verlag-bildungplus.org

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