„Digitale Medien gehören dazu wie Bilderbücher“

Mit der Kamera seltene Blumen fotografieren oder die Theatervorführung filmen: In der Kita Senfkorn in Gera lernen die Kinder von klein auf den Umgang mit Neuen Medien.

Am Anfang haben sich alle Kinder auf die Computer gestürzt. Die Erzieherinnen mussten einen Wecker stellen, damit jedes an die Reihe kam. Doch die Aufregung legte sich schnell. „Die Computer sind für un­sere Kinder zur Normalität geworden“, sagt die Leiterin der Kita Senfkorn in Gera, Antje Neuge­bauer. An manchen Tagen werden die Rechner in der Einrichtung der Diako Thüringen gar nicht eingeschaltet, weil alle Kinder in andere Spie­le vertieft sind. Genau so soll es sein, findet die Pädagogin. „Unser oberstes Ziel ist es, dass die Kinder sorgsam mit Medien umgehen.“

Die Kita legt Wert darauf, sich an der Lebens­welt der Mädchen und Jungen zu orientie­ren. Und Medien gehörten ganz selbstver­ständlich zur modernen Kindheit dazu, betont Antje Neugebauer. Viele können schon im Kindergartenalter mühelos das Smartphone der Eltern bedienen, gucken Filme auf YouTube oder spielen mit Apps. Die Kitaleiterin ist über­zeugt: „Verteufeln bringt nichts.“ Stattdessen gelte es, schon von klein auf Medienkompe­tenz zu vermitteln. So lernen die Mädchen und Jungen in der Kita, nicht allen Inhalten im Netz blind zu vertrauen. Und dass nicht alle Seiten für Kinder geeignet sind. Einmal haben sie zum Bei­spiel im Kindergarten selbst eine Werbung für Süßigkeiten gedreht. „Dabei haben sie erfah­ren, wie Manipulation funktioniert“, sagt die Pädagogin, „und dass nicht alles wahr ist.“

 

KURZ GESAGT!

  • Kindern lernen, sorgsam und verantwortungsvoll mit digitalen Medien umzugehen
  • Für die Kita Senfkorn auch eine Frage der Bildungs­gerechtigkeit
  • Technik wird mit Aktivi­täten verbunden und ist kein Selbstzweck

 

 

Die Einrichtung hat den Umgang mit Neuen Medien bereits seit 15 Jahren als Schwer­punkt im Konzept verankert. Am Anfang waren viele Eltern skeptisch – und auch einige Erzie­herinnen taten sich zunächst etwas schwer damit. Immer wieder bekam die Leiterin zu hören: „Computer im Kindergarten? Was soll das? Die Kinder sollen spielen und nicht vor dem Bildschirm hocken!“ Etwas Mut sei schon erforderlich gewesen, räumt Antje Neugebauer ein. Doch die Pädagogin war überzeugt, dass Neue Medien zur pädagogischen Arbeit der Einrichtung passen: „Die Kinder sollen so gut wie möglich aufs Leben vorbereitet werden.“ Hinzu kam die Frage nach Bildungsgerechtig­keit. Viele Kinder hätten zu Hause schlichtweg keinen Laptop oder keine Digitalkamera, die sie einfach mal so ausprobieren könnten.

Also schaffte die Kita für jede Gruppe ein Tab­let an, außerdem Computer, Fotodrucker und Digitalkameras. Die Leiterin betont, dass alle Medien eine große Rolle spielten, auch Bücher und Lexika. Zudem achten die Erzieherinnen darauf, die Technik stets mit Aktivitäten zu ver­binden. So denken sich die Kinder zum Beispiel zum Märchen der drei kleinen Schweinchen Zilli, Billi und Willi ein Theaterstück aus – und filmen die Aufführung mit der Digitalkamera. Sie tanzen zum YouTube­-Video auf der Wiese oder fotografieren einen selbst gebauten Turm aus Bauklötzen.

In erster Linie kommen digitale Medien im Alltag zum Einsatz. Wenn die Kinder auf einem Spazier­gang eine seltene Blume entdecken, fragt die Erzieherin: „Wie können wir herausfinden, wie sie heißt?“ Die Mädchen und Jungen machen ein Foto von der Pflanze, drucken es in der Kita am Farbdru­cker aus, vergleichen das Bild mit Abbildungen in Büchern oder Lexika. Nichts gefunden? Da hilft der gemeinsame Blick ins Internet. „Es geht darum, dass die Kinder möglichst viel selbst ausprobieren“, sagt Antje Neugebauer.

In der Kita machen alle Vorschulkinder einen Computerführerschein: Dafür lernen sie, den Rechner einzuschalten, sich mit ihrem Namen anzumelden und ein Lernspiel zu starten. Der Computer steht bewusst etwas abseits in einem Nebenraum, damit sich die Kinder in Ruhe zurückziehen können. Gute Erfahrungen macht die Einrichtung mit der kostenfreien Lernsoftware „Schlaumäuse“: Mädchen und Jungen ab fünf Jahren entdecken dabei erste Buchstaben, ordnen Gemüsesorten zu oder spielen Hör­-Memory.

Die Skepsis der Eltern hat sich schnell gelegt. „Sie staunen, was alles möglich ist“, so Antje Neugebauer, „wenn man Geduld und Zeit hat.“ Und den Kindern zutraut, die teure Digital­kamera selbst zu bedienen. Auch die Erzie­herinnen wollten längst nicht mehr darauf verzichten, jederzeit ein Tablet griffbereit zu haben. Wenn es passt. „Digitale Medien gehö­ren zum Kita-­Alltag dazu wie Bilderbücher“, sagt die Leiterin, „ganz normal.“

 

Was für Kinder geeignet ist

Ob Fußball, Wildtiere oder Abenteuer, ob spielen oder lernen: Die Seite klick-tipps.net – ein Angebot von jugendschutz.net – stellt tolle Apps und Homepages für Kinder vor.

Das Deutsche Jugendinstitut hat eine Datenbank erstellt mit über 500 Rezensionen zu Kinder­Apps, bewertet nach pädagogischen Kriterien: www.dji.de

Auch analog können Kinder spielerisch den Umgang mit digitalen Medien üben: Viele Praxisideen und Tipps für den Kita­-Alltag bietet der Medienkindergarten (MeKi): medienkindergarten.wien

Ab dem Vorschulalter geeignet: Material für das Training allererster Medienkompetenzen in Form eines Stationenlernens: www.dguv-lug.de, Webcode: lug1003414

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