Ein wenig erstaunt war Kitaleiterin Silvia Härtel schon: „Wir haben gedacht, dass sich sowohl die Erzieherinnen und Erzieher als auch die Kinder bei uns ohnehin schon viel bewegen.“ Denn Bewegung sei im Konzept ein wichtiger Baustein. Dann nahm ihre AWO-Kita Lindennest aus Limmersdorf wie elf andere Kitas aus den Regionen Coburg und Nürnberg / Erlangen an einem Forschungsprojekt teil. Und schon bald merkte Silvia Härtel: Da ist noch einiges mehr möglich.
QueB heißt das Projekt der Hochschule Coburg und der Universität Bayreuth, die Abkürzung steht für „Qualität entwickeln mit und durch Bewegung“. Die zentrale Fragestellung dabei lautet: Wie gelingt es, dass die Bewegungsmöglichkeiten für alle Kinder – aber auch für die pädagogischen Fachkräfte – gefördert werden und sich alle mit Spaß bewegen?
KURZ GESAGT!
- Projektziel: Bewegungsförderung mit Spaß
- Anregungen für nachhaltig mehr Bewegung betreffen auch die Organisation
- Trotz Corona: Teilnehmende Kitas waren weiterhin „bewegt“
Workshops, die Vernetzung und der Austausch der Kitas untereinander sowie die Entwicklung eines Zertifizierungsverfahrens zur „Bewegten Kita“ waren Teil des Projekts. „In den Kitas wird jetzt mehr für ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Ruhe und Bewegung getan“, fasst Christina Müller zusammen, die QueB an der Hochschule Coburg von Anfang an betreute.
Deutlich aktiver und bewegter
Beispielsweise hat das Forscherteam die Schrittzahlen gemessen. Ergebnis: Kinder machten in den Kitas durchschnittlich 100 Schritte mehr pro Stunde als vor dem Projekt. Bei den Erzieherinnen und Erziehern waren es sogar 150 Schritte mehr. Auch die Aktivität wurde überprüft: Lag die Dauer der moderaten oder intensiven Aktivität bei der ersten Messung im Jahr 2018 bei durchschnittlich 41 Minuten pro Tag, steigerte sich die Dauer im vergangenen Jahr auf 57 Minuten – die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO liegt bei einer Stunde. Für die Kita Lindennest bringt es Silvia Härtel auf den Punkt: „Wir konnten einen großen Fortschritt feststellen.“
Den Ist-Zustand hatte sie zu Beginn des Projekts über die „Kita-Check-App“ ermittelt. Dieser Fragenkatalog, den die Uni Bayreuth entwickelt hat, beinhaltet neun praxisnahe Kategorien: von den räumlichen Gegebenheiten über die Ausstattung bis hin zur Kitakultur und Elternarbeit. Hat man die zutreffenden Antworten angeklickt, kommt prompt das Ergebnis, wie aktiv die eigene Kita ist. „Das hat uns weitergeholfen“, sagt Härtel. Daran habe sie ablesen können, was ohnehin schon gut laufe, was noch möglich sei und wo man an Grenzen stoße.
Veränderungen in Räumen und in der Einstellung
Einige Veränderungen hat die Kita Lindennest daraufhin angestoßen. Sichtbar sind sie beispielsweise im Gruppenraum. „Wir haben ein paar Schränke rausgeschafft und Spielsachen aussortiert“, sagt Silvia Härtel. Jetzt können sich die Kinder freier bewegen und ausleben.
Nicht sichtbar, aber mindestens genauso wichtig: Die Einstellung des Teams hat sich durch die Teilnahme am QueB-Projekt verändert. „Man muss ja gar nicht immer mit den Kindern am Tisch sitzen zum Spielen“, veranschaulicht Härtel. Jetzt spielen die Kinder viel am Boden, sie werden kreativer, bauen sich zum Beispiel Höhlen aus Decken.
Auch auf dem Außengelände der Kita ist das Umdenken auf einem naturnahen Spielplatz, der mit Baumstämmen gestaltet ist, spürbar. „Die Erzieherinnen und Erzieher haben mehr Mut, trauen den Kindern mehr zu“, hat Silvia Härtel beobachtet. Klettern und balancieren ausdrücklich erwünscht: „Je mehr sich die Kinder bewegen, desto mehr spüren sie sich selbst und machen wertvolle Körpererfahrungen.“ Ein Plumpser vom Baumstamm gehört auch mal dazu.
DAS QUEB- PROJEKT
Das Projekt wird seit 2015 an der Hochschule Coburg unter Leitung von Prof. Dr. Holger Hassel vom Institut für angewandte Gesundheitswissenschaften (IaG) durchgeführt mit dem Ziel, nachhaltig mehr Bewegung in den Kita-Alltag zu integrieren. Gefördert wird QueB vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Die Lust an der Bewegung ebbte bei den am QueB-Projekt teilnehmenden Kitas auch während Corona nicht ab: „Es freut uns zu sehen, dass die erschwerten Bedingungen der Coronapandemie nicht zu einem Einbruch geführt haben und die Kitas weiter am Ball geblieben sind“, sagt Christina Müller.
„Wir wollen den Weg fortsetzen“, unterstreicht auch Silvia Härtel. Mehr noch. Die Kita Lindennest hat sich fest vorgenommen, den Bewegungsraum noch häufiger zu nutzen, Yoga- und Entspannungsübungen in den Kita-Alltag zu integrieren und regelmäßig Ausflüge in die Natur zu unternehmen und dabei die Eltern mitzunehmen. Härtels Fazit nach dem Projekt: „Wir konnten die Kinder zu mehr Bewegung motivieren und dazu beitragen, dass sie lernen, sich gesund zu verhalten.“
Digitale Bewegungs-Checks
Mit der kostenfreien Kita-Check-App können Kitas herausfinden, wie gut ihre Bewegungsangebote bereits sind und wo es noch Verbesserungspotenzial gibt. Die Webversion ist hier zu finden:
https://queb.eu/kca/
Für Android-Geräte gibt es die App außerdem im Google Play Store.
Der Schnellcheck-Bewegung ist eine vereinfachte Version zum Ausprobieren:
https://queb-schnellcheck.de