Eine Kita in Kiel heißt auch Kinder mit chronischen Erkrankungen oder zusätzlichem Förderbedarf herzlich willkommen. Erzieherinnen und Krankenschwestern betreuen die Gruppen gemeinsam.

In einem großen Haus  im Westen der Stadt Kiel dreht sich alles um Familien. Hinter der grasgrünen Fassade spielen und lernen 85 Kinder in der Kita der DRK-Heinrich-Schwesternschaft e. V. Das Besondere: Neun von ihnen haben eine chronische Erkrankung, benötigen eine spezielle Pflege oder Förderung, weil sie beispielsweise zu früh auf die Welt gekommen sind, unter Diabetes mellitus leiden, eine Hüftfehlstellung oder einen Herzfehler haben. Hier toben sie ganz selbstverständlich zwischen den anderen Kindern.

 

KURZ GESAGT!

  • Kinderkrankenschwestern sind Teil des Kitateams
  • Gegenseitige Fortbildung und ständige Kommunikation zwischen pädagogischen und medizinischen Fachkräften
  • Bei Bedarf Unterstützung durch Externe

 

Kitaplätze für alle

Das Konzept hat Geschichte: Seit über 100 Jahren ist die Schwesternschaft in der Kinderkrankenpflege in Akutkliniken tätig. Lange vor Gründung der Kita rief sie das „Brückenteam“ ins Leben, einen Zusammenschluss von Kinderkrankenschwestern, Hebammen sowie Ärztinnen und Ärzten, die Familien mit Unterstützungsbedarf begleiten sowie chronisch und schwerstkranke Mädchen und Jungen zu Hause versorgen. „Dabei fiel immer wieder auf, dass Eltern dieser Kinder keinen Betreuungsplatz finden“, erzählt Oberin Maria Lüdecke.

Seit zehn Jahren betreibt die Schwesternschaft nun selbst eine Kita, die barrierefrei gebaut wurde. „Wir klären zunächst in einem Vorgespräch mit den Eltern, was ein Kind benötigt. Das eine hat vielleicht eine Entwicklungsverzögerung, das nächste ist mehr kognitiv als motorisch begabt, das dritte braucht Medikamente“, so Maria Lüdeke. Nur aufgrund einer Erkrankung hätten sie noch kein Kind ablehnen müssen. „Wir überlegen vielmehr, ob wir die individuelle Betreuung im Rahmen unserer personellen Möglichkeiten leisten können.“ Zusätzliches Personal wird von der Stadt nicht finanziert. Zwei Stellen hat die Schwesternschaft jedoch statt mit pädagogischen Fachkräften mit Kinderkrankenschwestern besetzt, nach dem Konzept der School Nurse/Schulgesundheitspflege, das auch die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt. Das Konzept sieht vor, dass sich in einer Bildungseinrichtung eine Pflegefachperson um chronisch erkrankte Kinder sowie die medizinische Prävention und Akutversorgung kümmert.

Für Mädchen und Jungen mit einem speziellen Frühförderungsbedarf beschäftigt die Einrichtung zudem eine Heilpädagogin oder holt sich externe Unterstützung ins Haus. Manche Kinder mit einer Pflegestufe bringen eine persönliche Pflegeassistenz mit. Immer wieder versucht die Einrichtung über Spenden und Stiftungen Gelder für Personalstunden zu bekommen.

Austausch im Team

Doch über die Erkrankungen und Symptome der Kinder müssen nicht nur die Pflegekräfte, sondern alle Beschäftigten Bescheid wissen – auch weil die Kita offene Gruppen hat. „Kommunikation ist bei uns das A und O“, bestätigt Kitaleiterin Jannecke Ohl. „Das erfordert viel Engagement.“ In den wöchentlichen Dienstbesprechungen bilden sich die medizinischen und pädagogischen Beschäftigten gegenseitig fort. Außerdem sind Informationsbriefe im Umlauf (zum Beispiel über Vereinbarungen aus Elterngesprächen), die nach dem Lesen gegengezeichnet werden müssen. Zum Teil ist das pädagogische Personal auch speziell geschult, etwa im Hinblick auf Diabetes. „Mittags ist eine Mitarbeiterin zum Beispiel speziell für ein Kind mit Diabetes da, wiegt das Essen mit ihm ab und hilft ihm, das Insulin zu dosieren“, erklärt Jannecke Ohl. Die Mahlzeiten werden in der Küche des Pflegeheims der Schwesternschaft nebenan zubereitet. So kann die Kita zum Teil auf Nahrungsmittelallergien oder Unverträglichkeiten Rücksicht nehmen.

Ein Plan für den Notfall

Der rege Austausch im Team zahlt sich aus: „Alle wissen, welche Symptome bei welchem Kind auftreten können, was sie selbst machen dürfen und wann eine Kinderkrankenschwester dazugeholt werden muss“, so die Kitaleiterin. Die Medikamentengabe übernehmen die Kinderkrankenschwestern auf Basis eines Attests der Kinderärztin oder des -arztes. Es regelt auch, was im Notfall zu tun ist. So konnten die Beschäftigten bisher jede Situation alleine bewältigen, ohne den Notruf wählen zu müssen. „In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt: Das Konzept ist machbar – wenn alle im Team mit dem Träger an einem Strang ziehen“, sagt Maria Lüdeke. „Wir wollen das ganz normale Leben widerspiegeln. Denn jedes Kind ist auf seine eigene Weise besonders.“

 

BETREUUNG VON CHRONISCH KRANKEN KINDERN: DARAUF KOMMT ES AN!

  • Alle Betreuungskräfte müssen wissen, welche Symptome bei einer  Erkrankung auftreten können und was dann zu tun ist. Die Informationen sollten schriftlich festgehalten werden.
  • Dafür ist ein enger Kontakt zu den Eltern wichtig. Sie kennen ihr Kind am besten und sollten dem Kitateam typische Symptome und Situationen aus ihrem Alltag beschreiben, schon vor der Aufnahme des Kindes.
  • Die behandelnde Kinderärztin oder der Kinderarzt sollte schriftlich in einem Attest die Dosierung von Medikamenten festlegen.
  • Mehr Sicherheit gewinnen pädagogische Fachkräfte, indem sie Fortbildungen zum Umgang mit bestimmten Erkrankungen besuchen. Organisiert werden Schulungen zum Beispiel an Kinderkliniken (etwa in Darmstadt, Hamburg) oder Vereinen wie „Hilfe für Kinder und Jugendliche bei Diabetes mellitus e. V.“: www.diabetes-kinderhilfeverein.de/projekt.html
  • Sehr gut ist ein interdisziplinäres Team aus Pädagogen und Pflegefachpersonen/Schulgesundheitspflege.
  • Lesetipp: „Medikamentengabe in Kindertageseinrichtungen“; DGUV Information 202-092, Download und Bestellung unter: publikationen.dguv.de, Webcode: p202092

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