Einander nah trotz Corona

Wochenlang waren die Kitas für fast alle Kinder komplett geschlossen. Mit vielen kreativen Ideen gelang es Einrichtungen, den Kontakt zu den Familien zu halten. Für beide Seiten ein Gewinn.
Ein kleiner Junge legt während der Corona-Zeit am Zaun vor seinem geschlossenen Kindergarten einen bemalten Stein unter ein Plakat mit Regenbogen, auf dem steht "Alles wird gut".

Pflanztöpfchen zum Abholen, Bastelideen im Briefkasten, Singkreis per Videochat und ein kurzes Hallo vor der Haustür: Kitas haben sich viel einfallen lassen, um während der Corona-Pandemie mit den Familien in Kontakt zu bleiben. „Wir legen grundsätzlich großen Wert auf ein sehr gutes Verhältnis“, betont die Leiterin des Katholischen Kinderhauses St. Michael in Ingelheim, Verena Luzius. „Es wäre super schade gewesen, wenn der Kontakt jetzt abgebrochen wäre.“ Jede Woche schrieb ihr Team den Familien eine Nachricht, die Botschaft: „Wir vermissen euch!“ Und sie bereiteten für die insgesamt 90 Kinder stets ein Bastelangebot vor. Die Mädchen und Jungen konnten sich jede Woche im Kindergarten ein Päckchen abholen, darin eine Anleitung samt Glitzersteinen und Buntpapier.

 

KURZ GESAGT!

  • Kontakt während der Schließzeit erleichtert das Wiederankommen
  • Viele kreative Ideen: Basteleien und Videobotschaften
  • Ganze Familie sehen: Kitas konnten aus der Ferne unterstützen

 

Spaziergang zur Kita als kleines Ritual

An Ostern wartete auf jedes Kind ein Körbchen mit einem Gruß vom Osterhasen, plus Rezept für einen Möhrenkuchen. Ein andermal lagen Holzblumen und Vogelhäuser zum Anmalen bereit. „Uns war wichtig, dass die Kinder den Weg zum Kindergarten immer mal gehen“, sagt die Leiterin. Zum einen hatten die Familien stets einen schönen Grund, um einen Spaziergang zu machen. Zum anderen konnten die Erzieherinnen und Erzieher so den direkten Kontakt zu den Kindern halten. Am Zaun wechselten sie ein paar Worte oder winkten durchs Fenster. „Das hilft den Kindern sehr, wenn sie zurückkommen“, sagt Verena Luzius. „Wir merken, dass sie kaum Startschwierigkeiten haben.“

Die Kinder aus dem Kinderhaus Schwalbacher Straße des Kinderschutzbunds in Wiesbaden bekamen ebenfalls jede Woche Post. Darin steckten kleine Geschichten und Ausmalbilder vom Entenküken oder dem kleinen Bären, die aus dem Kita-Alltag gut bekannt sind. „Gerade in so einer unsicheren Situation sollen die Kinder etwas Vertrautes haben“, erklärt Erzieherin Miriam Gräff. Außerdem schnürte das Team fleißig Päckchen und lieferte sie persönlich zu Hause ab. Natürlich mit Abstand. Die Erzieherinnen und Erzieher bastelten für alle 72 Kinder zum Beispiel winzige Bärchen aus Filz und kleine Möwen aus Papier. Oder brachten Bücher aus der Kita-Bibliothek vorbei. „So gab es regelmäßig ein kleines Wiedersehen.“ Die Familien freuten sich riesig. „Das war sehr schön“, sagt die Sozialpädagogin, „beidseitig schön.“

Jede Menge Spaß per Videokonferenz

Außerdem überlegte das Team, wie online Treffen möglich sein könnten. So entstand die Idee, das Sprachangebot „Lilo Lausch“ per Videokonferenz anzubieten. Im Schnitt dreimal pro Woche fand das Sprachangebot daraufhin in einem virtuellen Raum statt, mit einer Erzieherin – und Elefantendame Lilo. „Die Kinder finden es toll, die Handpuppe wiederzusehen“, berichtet Miriam Gräff. Eine Erzieherin brachte zum Beispiel eine Geschichte, ein japanisches Erzähltheater, ein Instrument oder einen Tanz mit. Die Kinder hüpften und klatschten dazu im Wohnzimmer. „Das macht unglaublich viel Spaß.“ Sowohl den Familien als auch den Erzieherinnen und Erziehern.

Auch die Kita Lernwerft in Kiel pflegte in der Corona-Krise intensiv den Kontakt zu den Familien. „Uns war ganz wichtig, dass das Band nicht abreißt“, sagt Kita-Leiterin Sabine Neve. So bereitete ihr Team zu Ostern kleine Töpfchen mit Saatgut für alle Kinder vor. Und die Erzieherinnen erstellten für jedes Geburtstagskind ein ganz persönliches Buch mit Glückwünschen der anderen Kinder und Fotos. Vor allem lag der Leiterin jedoch die persönliche Beziehung zu den Eltern am Herzen. „In dieser außergewöhnlichen Situation war die Verunsicherung groß.“ Jede Woche schrieb sie den Eltern einen Brief, informierte sie – und sprach ihnen Mut zu.

Außerdem rief Sabine Neve bei Familien an, fragte, wie es ihnen geht. Vor allem jene, die in prekären Verhältnissen leben oder alleinerziehend sind. Und bekam so schnell mit, wenn Eltern überfordert waren. In Absprache mit dem Jugendamt sorgte sie dafür, dass die Kinder ruckzuck einen Notbetreuungsplatz erhielten.

Wir denken an Euch| Leinwand mit Regenbogen an einer KiTa Einrichtung

Viele Familien waren am Limit

Eine Studie des Lehrstuhls für Elementar- und Familienpädagogik der Universität in Bamberg zeigt auf, wie sehr die Schließung der Kitas den Familien zu schaffen machte. In einer Befragung gibt weit mehr als die Hälfte der Eltern (66 Prozent) an, oft am Ende ihrer Kräfte zu sein. Fast drei Viertel (73 Prozent) fühlen sich häufig gestresst. Umso dankbarer sind sie, wenn die Kitas sie in dieser schwierigen Zeit unterstützen. Egal ob in Ingelheim, Wiesbaden oder Kiel: Alle berichten, dass die Familien viele Briefe und Fotos schickten. Im Kinderhaus St. Michael hat das Team alle an die Wänd gehängt. Darauf zu sehen sind Kinder, wie sie Möhrenkuchen backen oder Holzblumen anpinseln. „Wir bekommen ganz viele positive Rückmeldungen“, so Verena Luzius. „Das ist total schön!“

 

Foto: privat

Erzieherin Miriam Gräff aus Wiesbaden:

„Wir haben uns sofort viele Gedanken gemacht, wie wir den Kontakt zu den Familien gestalten können. Uns war bewusst, wie schwierig diese Zeit für sie ist. Deshalb waren wir gefordert – und haben zum Beispiel dafür gesorgt, dass es für die Kinder regelmäßig kurze Wiedersehen gibt, persönlich an der Haustür oder online im Videochat. Wir haben aber auch überlegt, was in dieser Zeit trotzdem glücklich macht: großes Glück, kleines Glück. So sind wir auf die Idee gekommen, schöne Erinnerungen zu sammeln. Die Familien haben uns Fotos geschickt, von Ausflügen in die Natur oder beim Pfannkuchenessen. Ganz entzückend. Daraus haben wir einen Film geschnitten. Das Ergebnis ist auf der Homepage des Deutschen Kinderschutzbunds Wiesbaden zu sehen: www.kinderschutzbund-wi.de und auf YouTube mit dem Titel ‚Glücksmomente – Hoffnungsbilder trotz Corona‘.“

 

Foto: privat

Kita-Leiterin Sabine Neve aus Kiel:

„Wir haben in der Kita schon allerlei erlebt, aber so eine Situation gab es noch nie: Der gesamte Kita-Alltag wurde komplett ausgehebelt. Am Anfang wussten wir gar nicht, wie wir damit umgehen können. Aber die Erzieherinnen sind super kreativ geworden. So erstellte unsere FSJlerin mit den Vorschulkindern zum Beispiel ein Corona-Bilderbuch. Die Kinder malten Bilder, was sie am meisten vermissen und womit sie sich beschäftigen – und konnten so ihre Erlebnisse verarbeiten. Oder Erzieherinnen brachten ihnen Webrahmen zu Hause vorbei, damit sie ihre Taschen fertigstellen konnten. Es war toll, wie viele Ideen zusammenkamen. Ich habe mein Team oft gelobt. Wir haben von den Eltern auch viel Wertschätzung erfahren. Sie haben Briefe geschrieben und Fotos geschickt. Das war schön. Und für uns auch eine Motivation: Es ist nicht egal, ob man etwas macht oder nicht.“

 

Foto: privat

Jeanette Wolff, pädagogische Fachkraft in einer U3-Gruppe einer Bremer Kita:

„Direkt am ersten Tag der Kita-Schließung hatte ich die Idee, den Kindern kleine Filme als Botschaft zu schicken. So entstanden nach und nach 70 Videoclips mit Morgenkreis, Fingerspielen und Liedern für ‚meine‘ Kinder (kurzelinks.de/jwolff). Videos zu produzieren ist erstaunlich zeitintensiv und aufwendiger, als ich zuerst dachte: Ideen entwickeln, Drehen, Schneiden – und dabei immer den Datenschutz beachten. Aber ich habe so viel positives Feedback bekommen, auch von der Leitung und dem Vorstand, das hat mich sehr motiviert. Besonders habe ich mich aber über die Reaktionen der Familien gefreut: Manche haben uns eigene Aufnahmen zurückgeschickt, die die Kinder beim Ansehen der Morgenkreis-Filme und beim Interagieren zeigen. Da ist mir richtig warm ums Herz geworden.“

 

Foto: privat

Janina Merz, ihre Tochter geht in den Advent-Kindergarten in der Heimstättensiedlung in Darmstadt:

„Jeden Tag schickten die Erzieherinnen uns Videos. Zum Beispiel vom Morgenkreis. Meine Tochter macht gerne mit – und freut sich immer riesig, ihre Erzieherin zu sehen. Einmal haben sie sich bei einer Fahrradtour gefilmt und uns Tipps gegeben, wo wir hinfahren können. Jeden Tag legen sie auch Bastelsachen vor den Kindergarten, damit die Kinder sie abholen können. Und drehen dazu Videos mit Bastelanleitung. Am tollsten fand meine Tochter die Schatzsuche: Jedes Kind erhielt eine Schatzkarte und konnte auf Schnitzeljagd durch die Heimstättensiedlung gehen. Zum Schluss wartete im Kindergarten auf jeden ein Schatz. Ob die Kinder so etwas noch einmal machen wollen? Jaaaaaaaa, hat meine Tochter laut gerufen. Wir sind richtig dankbar, dass sich die Erzieherinnen so viel einfallen lassen. Dafür haben wir ihnen auch kleine Geschenke gebracht, selbst gekochte Marmelade zum Beispiel. Sie haben sich so toll um alles gekümmert in dieser Zeit.“

 

Foto: privat

Carlota Morales lebt mit ihrer Familie in Hamburg:

„Unsere Kita hat wöchentlich eine E-Mail mit Infos zu organisatorischen Fragen geschickt. Zu Ostern bekam Nila Post mit einem Bastelvorschlag und dem Angebot, in der Kita anrufen zu können. Das wollte sie aber nicht, und mein Sohn Noyan ist noch zu klein und gerade erst eingewöhnt gewesen, als die Kita schließen musste. Vor einigen Tagen erhielten wir ein Tütchen mit Blumensamen. Das Säen hat den Kindern Spaß gemacht und sie sind gespannt, wann endlich etwas wächst. Die Kita möchte später eine Art Ausstellung mit Fotos der Blumen machen. Schön, wenn noch mehr solcher Anregungen gekommen wären.“

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