Hinz und Kunz gehen lieber erst einmal in Deckung. Wer weiß, was da gleich auf sie zukommt? Cindy und Bert macht es dagegen nichts aus, im Mittelpunkt zu stehen. Falls doch, lassen sie sich nichts anmerken. Das rege Treiben um sie herum und die vielen Streicheleinheiten nehmen sie an diesem sonnigen, aber kühlen Frühlingsmorgen mit stoischer Gelassenheit hin. Buchstäblich mit einer Eselsruhe. Denn genau das sind Cindy und Bert, Esel. Immer wieder, wenn auch nicht sonntags, kommen Kitakinder zur „Farm For Kids“. Den Umgang mit den kleinen Besuchern sind Cindy und Bert also ebenso gewohnt wie die anderen Tiere: Hühner, Hasen, Ziegen oder die Schafe Hinz und Kunz, die sich wenig später doch aus ihrem Versteck trauen.
KURZ GESAGT!
- Beim Ausflug auf den Bauernhof lernen die Kinder, Verantwortung zu übernehmen
- Freie Entfaltung bedeutet nicht, dass es keine Regeln gibt
- Insbesondere für Stadtkinder sind Naturerlebnisse wichtig
Alpakawolle für zu Hause
Die heimlichen Stars sind die drei Alpakas. Mateo jedenfalls ist Fan von den gemütlichen Tieren. „Das Füttern“, sagt der Dreijährige auf die Frage, was ihm am besten an den Alpakas gefalle, und hält dem plüschigen Bobbel eine Handvoll Heu hin. „Und dass sie so flauschig sind.“ Im Sommer, wenn die Tiere geschoren werden, dürfen die Kinder etwas Alpakawolle mit nach Hause nehmen. Das fühlt sich dann immer ein bisschen wie Bauernhof an – und es riecht auch danach.
Dabei bedeuten die Tage auf dem Bauernhof in Bad Schwalbach mehr als nur schöne Erlebnisse. Für die „Terminal for Kids gGmbH“ (TfK), zu der neben dem SpaceShip in Wiesbaden noch 17 weitere Kitas in Hessen und NRW gehören, sind Ausflüge, Bewegung und tiergestützte Pädagogik wesentliche Bestandteile des Konzepts. „In allen Kompetenzbereichen werden die Kinder hier auf der Farm gefördert. Sie können viele wertvolle Erfahrungen sammeln“, sagt Birgit Werner, die stellvertretende Leiterin des SpaceShips. „Das ist für Kinder wie eine Schatzkiste.“
Was sie darin finden, ist zunächst einmal: viel Mist. „Die Ziegenkacka müssen wir wegmachen. Los geht’s!“, sagt Birgit Werner. Aber sie braucht die Kinder gar nicht zu motivieren. Drei von ihnen sind schon mit kleinen Schippen eifrig dabei, die kaffeebohnengroßen Hinterlassenschaften in die Schubkarren zu schaufeln, mit denen zwei andere Kinder hinter ihnen hertapsen. Sie lernen, was Verantwortung für Tiere bedeutet: sich um sie zu kümmern, sie zu füttern und eben auch sauber zu machen. „Wir als Fachkräfte erleben die Kinder hier noch einmal ganz anders als im Gruppenraum in der Kita“, erklärt Werner.
Auf der „Farm For Kids“ sollen sich die Kinder frei entfalten. Lena Dörr, die den Biobauernhof zusammen mit ihrem Mann Simon bewirtschaftet, bezeichnet deshalb als eine der größten Herausforderungen, „die Erzieherinnen und Erzieher zurückzuhalten, damit sie die Kinder einfach mal Kinder sein lassen“. Man müsse die Kinder nicht animieren, sagt Lena Dörr: „Das ist das Tolle hier: Die Kinder nehmen einfach mal einen Stock in die Hand und bohren in der Erde.“ Nicht immer stehen für sie die Esel oder Alpakas im Mittelpunkt. Manchmal toben sie bei Regen im Matsch, klettern und balancieren auf Baumstämmen oder es geht für sie darum, wer auf der Wiese den kleinsten Regenwurm entdeckt.
Geräte sind vom TÜV geprüft
Natürlich ist auch der Bauernhofbesuch für alle Beteiligten nicht frei von Regeln. Das Kitapersonal darf dabei seine Aufsichtspflicht nicht vernachlässigen. Der Bauernhof, der ein großes Areal speziell auf die Kinder zugeschnitten hat, hat die Sicherheit der Spiel- und Klet-termöglichkeiten vom TÜV prüfen lassen. Und für die Kinder gilt: „Bei uns ist es klar, dass die Tiere sich aussuchen, ob sie gestreichelt werden möchten oder nicht“, sagt Lena Dörr. „Unsere Tiere sind nicht auf Futter konditioniert wie in vielen Streichelzoos.“ Die Kinder lernen schnell: Was bedeutet diese und jene Ohrstellung beim Esel? Was heißt es für mich, wenn die Ziege einen Buckel macht? Achtsamkeit eben.
Gemeinsames Frühstück als festes Ritual
Insbesondere für Stadtkinder sind die Erfahrungen auf dem Bauernhof wichtig, weiß Erik Hensgen. „Viele Erlebnisse und Naturerfahrungen können sie in der Stadt gar nicht machen“, sagt der Erzieher, der eine Zusatzausbildung zum Erlebnispädagogen gemacht hat und dreimal in der Woche auf der „Farm For Kids“ im Einsatz ist. „Es gibt Kinder, die hierherkommen und vor jedem kleinen Käfer Angst haben. Wir können ihnen vermitteln: Natur ist dein Freund und nicht dein Feind.“
Zur Natur gehören die Elemente. Auch damit machen die Kinder ihre Erfahrungen. Bei Wind und Wetter steuern die „Terminal for Kids“-Kitas den Bauernhof an, mindestens einmal im Monat. „Wenn der Nordostwind pfeift, ist es hier oben wirklich kalt“, sagt Hensgen. Wird es zu ungemütlich, können sich die Erzieherinnen und Erzieher mit den Kindern in einen Bauwagen aus Holz zurückziehen, in dem es reichlich Spiel-, Bastel- und Malmaterial gibt.
Ein festes Ritual ist das gemeinsame Frühstück nach der Ankunft am Hof, noch bevor es zu den Tieren geht. Erwachsene und Kinder sitzen an einer Feuerstelle auf Hockern aus Baumstämmen zusammen, schon die Kleinsten wissen: Näher ans Feuer heran dürfen wir nicht. Dann verteilen die Erzieherinnen das Essen, das sie vorbereitet haben. An diesem Tag gibt es Laugenbrezel sowie Gurken, Paprika, Tomaten und Käse.
Aber auch über das Ausflugsziel Bauernhof hinaus legt die „Terminal for Kids gGmbH“ auf Ausflüge viel Wert, meist in den Wald oder auf Spielplätze in der Umgebung. Schon bei den Aufnahmegesprächen erklären sie das im SpaceShip den Eltern und geben ihnen eine Liste mit, was das Kind benötigt. „Matschhosen, Gummistiefel, all diese Dinge. Die Eltern wissen schon genau, was auf sie zukommt“, sagt Erzieherin Birgit Werner. Sie selbst weiß das ebenfalls: „Je öfter man Ausflüge macht, desto mehr Routine hat man.“ Deshalb haben sie in der Kita zum Beispiel schon fertig gepackte Kisten mit Erste-Hilfe-Tasche, Handtüchern, Ersatzkleidung, Trinkbechern und Wasserflaschen parat stehen.
Auf der Farm neigt sich der Ausflug dem Ende entgegen. „Können wir uns eine Schubkarre holen?“, fragt Noan. Zum Abschluss wollen der Dreijährige und die anderen Kinder das Ziegengehege noch einmal sauber machen. Die Tiere sollen es schließlich schön haben. Kurz darauf geht es für alle in den Bus und wieder zurück ins SpaceShip. Mit vielen Erlebnissen, die die Kinder als ihre Schätze mitnehmen.