Es ist ein ehemaliger, großer Schulhof, auf dem die Kinder der Kita Lernwerft in Kiel ihrem Bewegungsdrang freien Lauf lassen können. Riesige Bäume und Sträucher, Hochbeete und alte Baumstämme – der Außenbereich ist nicht nur sehr groß, er ist auch naturbelassen. Nach Rutsche und Klettergerüst sucht man vergebens. Zwei Jungs bauen sich gerade eine Höhle in den Büschen, ein Mädchen liegt bäuchlings im Matsch und zwei andere spielen auf alten, ausrangierten Ruderbooten. Zum Toben, Fangen und Verstecken ist viel Platz.
KURZ GESAGT!
- Kita Lernwerft Kiel hat ein Rollerprojekt durchgeführt
- Trainiert werden Geschicklichkeit, Gleichgewicht und Geschwindigkeit
- Eltern geben positives Feedback
- Freude am Rollerfahren hält bei den Kindern an
Auch zum Rollerfahren ist der Außenbereich prädestiniert – ein breiter Plattenweg führt in den hinteren Teil des Hofs. „Das Rollerfahren ist in Vergessenheit geraten“, sagt Sabine Neve, Leiterin der Kita Lernwerft. Vollkommen zu Unrecht, meint sie. „Geschicklichkeit, Gleichgewicht und Geschwindigkeit werden trainiert und im Gegensatz zum Laufrad kann das Kind die Schnelligkeit besser kontrollieren.“ Alle Roller der Kita verfügen über eine Hand und Fußbremse. Notfalls können die Kinder aber auch einfach absteigen und den Roller fallen lassen, ohne dass sie sich verletzen. Ein weiterer Voreil zum Laufrad: Die Erzieherinnen und Erzieher müssen das Fahrgerät nicht auf die Größe des Kindes einstellen. „Wir haben kleine und große Roller in vielen Farben.“ So findet jedes Kind den passenden.
Ein Balanceakt
Zwei Wochen im Juni 2019 durften die Kinder der Schiffgruppe und der Mondgruppe das täglich üben. Zusammen mit der Unfallasse Nord hatte die Kita das Rollerprojekt „Sicher rollern – besser radeln!“ durchgeführt. Die 3- bis 6Jährigen sind über den zehnmeterlangen Plattenweg gefahren, haben Bremsübungen gemacht, sind Slalom und über Kreise und Linien gerollt. Manche haben sich getraut, das Standbein zu ändern, verschiedene Untergründe auszuprobieren und über eine eigens gebaute Wippe zu fahren. Die Großen fahren ganz lässig mit beiden Füßen auf dem Trittbrett. Ein richtiger Balanceakt.
Egal, welches Niveau und welches Alter: Alle 44 Kinder haben Fortschritte gemacht. „Das Rollerfahren bietet eine Menge Steigerungsmöglichkeiten. Das macht den Kindern unheimlich viel Freude“, sagt Ole Ophey, der für das Rollerprojekt verantwortlich war. „Am schönsten war es, unter dem Flatterband entlangzufahren“, erinnert sich die 5-jährige Felicitas.
Beim Rollerfahren haben die Mädchen und Jungen zudem ihre motorischen Fähigkeiten verbessert. „Sechs Kinder haben in den Sommerferien Radfahren gelernt, eines davon war anfangs beim Rollerfahren extrem unsicher“, erinnert sich Ole Ophey. Viele andere Kinder haben jetzt auch zuhause einen Roller. Morgens kommen manche damit sogar zur Kita.
Ganz nebenbei erwerben die Kinder auch weitere Kompetenzen: Rücksicht zu nehmen, abzuwarten, bis der Parcours befahrbar ist, und zu akzeptieren, dass jemand schneller oder langsamer ist als man selbst. „Das ist gerade für unsere Vorschulkinder wichtig“, findet Ole Ophey. Für die Großen ist auch Verkehrserziehung ein Thema. „An einem Tag haben wir auch mal einen Zebrastreifen auf den Plattenweg gemalt.“ Das Rollerfahren befähigt die Kinder, sich sicherer in ihrem Umfeld zu bewegen.
Wahrnehmung schulen
Ole Ophey hat zu Beginn des Projekts eine Fortbildung besucht, die ihn für das Projekt qualifiziert hat. Dabei ging es um die kindliche Entwicklung und um altersgemäße Fähigkeiten in Bezug aufs Rad und Rollerfahren. „Im Praxisteil sind die Lehrkräfte und pädagogischen Fachkräfte selbst Roller gefahren, um die eigene Wahrnehmung zu schulen“, berichtet er.
Das Besondere: Bereits bei der Fortbildung waren zwei Elternvertreter dabei. „Wir wollten die Eltern von Anfang an mit im Boot haben“, sagt Sabine Neve. So wurde dann auch bei einem Elternabend das Rollerprojekt vorgestellt und eine Kinderärztin hat über die Vorteile des Rollerfahrens informiert. „Die Eltern waren begeistert von den Plänen“, sagt Sabine Neve. „Das hat die Zusammenarbeit gefördert.“
Großer Erfolg
Damit alles so glattlaufen konnte, war gute Vorarbeit nötig. Bereits bei der Fortbildung hat sich Ole Ophey Gedanken darüber gemacht, wie er die Übungen in den Kita-Alltag integriert, den Elternabend und den Rolleraktionstag vorbereitet. „Wir haben das Rollerprojekt 2013 schon einmal durchgeführt und konnten zum Glück von unseren alten Kontakten profitieren.“
Die Mühe hat sich gelohnt: Die Freude am Rollerfahren hält bis heute an. „Das hat auch mit dem abschließenden Rolleraktionstag zu tun“, sagt Ole Ophey. Die Kinder haben eine Urkunde von einer Polizistin überreicht bekommen. „Das war natürlich etwas ganz besonderes und viele haben zuhause davon begeistert berichtet.“
Dementsprechend positiv war auch das Feedback der Eltern. „Die Beteiligung der Polizistin, der Kinderärztin und der Unfallkasse untermauert den fachlichen Hintergrund des Projekts“, sagt Sabine Neve. Eine gelungene Mischung, von der die Eltern schnell überzeugt waren.
„Das Rollerprojekt war ein großer Erfolg, der bis heute nachhallt“, resümiert Sabine Neve. Die Kita hat zwölf neue Roller angeschafft. Auch heute stellen sich die Kinder spontan Verkehrshütchen auf und bauen sich so ihren eigenen Parcours. „Der Wert des Rollers ist entdeckt worden. Wir könnten uns gut vorstellen, das Projekt in zwei, drei Jahren zu wiederholen.“
DIE VORTEILE DES ROLLERFAHRENS
- Motorische Entwicklung wird gefördert
- Altersgemäßes Heranführen an Verkehrssituationen
- Geringe Unfallgefahr (Umfallen mit dem Roller passiert seltener als mit dem Fahrrad), geringere Fallhöhe
- Schnelles Absteigen ohne Probleme
- Einfache, robuste Technik
- Der Aktionsradius wird vergrößert
WEITERES ZUM THEMA:
DGUV Information „Sicherheit beim Roller und Laufradfahren in der Kita“
Herunterzuladen unter:
www.dguv.de > Webcode d1181550