Bildungsort GarderobeWeit mehr als nur An- und Ausziehen

Erst Morgenkreis, danach Ausflug zum Spielplatz, dann Mittagessen, anschließend in den Garten. Und zwischendurch: raus aus den Klamotten, rein in die Klamotten. Die Garderobensituation sollte dabei nicht als Nebensache abgetan werden. Denn sie ist pädagogisch wertvoll.
Garderobe in einer Kita

KURZ GESAGT!

_Kinder lernen motorische und kognitive Fähigkeiten

_Garderobensituation als pädagogische Situation planen

_Auswahl des Garderobenortes und der ­-möbel von Anfang an berücksichtigen

Paul quengelt, Nina drängelt. Mia ist sauer, weil es nicht klappt mit den Gummistiefeln. Und eigentlich will sich die Erzieherin doch um Burak kümmern und ihm in die Jacke helfen. Chaos, Hektik, Stress. „Der ‚Augen-­zu­-und­-durch-­Modus‘ wird oft zum Normalzustand“, sagt Erziehungswissenschaftlerin Kira Daldrop. Sie weiß aus ihren Fortbildungen und aus eige­ner Erfahrung als stellvertretende Leiterin einer Leipziger Kita: „Das An­ und Ausziehen der Kin­der ist für viele Fachkräfte die stressigste Situa­tion des Tages.“


Grund genug, sich näher mit der Garderoben­situation zu beschäftigen. Sie gehört zu den Mikrotransitionen, zu den kleinen Übergängen (siehe KinderKinder 2/2021). Von einer Aktivi­tät zur anderen, von einem Raum oder Ort zum anderen. Die Kinder lernen dabei viel: moto­risch, wie sie sich selbst an- und ausziehen. Kognitiv, wie sie sich einen Überblick verschaf­fen, wo ihre Kleidung ist und was sie je nach Wetter und Aktivität brauchen. „In der Gardero­bensituation steckt jede Menge Bildung“, sagt Kira Daldrop. Und sie habe viel Potenzial, weil sie mehrere Male täglich wiederkehre.


Anziehzeit ist Beziehungszeit


Außerdem ist Anziehzeit auch immer Bezie­hungszeit, in der die Fachkräfte viel mit den Kindern kommunizieren können. „Du hast ja einen neuen Pullover, der ist ganz flauschig.“ Oder: „Fühl mal, die Regenjacke ist ganz glatt und kühl.“ Kindern helfe es in der Entwicklung nicht, passiv angezogen zu werden, erklärt Kira Daldrop. Lieber so: „Schau mal, ich stelle den Stiefel hier hin. Du kannst mit beiden Händen an den Seiten festhalten und mit dem Fuß hineinschlüpfen.“


Die Fachkräfte sollten also individuell auf die Kinder eingehen können. Dafür muss die Garde­robensituation als pädagogische Situation ein­geplant werden. Die zentrale Fragestellung für die Umsetzung in der Praxis formuliert die Kindheitspädagogin so: „Wie gelingt das in unserer Kita mit unserer Personalsituation und mit unse­ren räumlichen Gegebenheiten?“


Ist die Garderobe in einem weitläufigen Flur mit Spielgeräten, kann das die Kinder leicht ablen­ken. „Ihnen fällt es dann schwer, sich auf das An­- und Ausziehen zu konzentrieren“, erläutert Kira Daldrop. Zu klein sollte der Platz nicht sein, sonst können durch die Beengtheit Konflikte entstehen, die die Erzieherinnen und Erzieher entschärfen müssen.


Klar ist aber: An den Räumlichkeiten lässt sich selten etwas ändern, die Kitas müssen das Beste daraus machen. Ankerplätze, an denen Kinder mit kleinen Aktivitäten ein wenig Warte­zeit überbrücken können, sind eine mögliche Entlastung. Oder das Herstellen von Schleusen: Kinder gehen nach dem Anziehen direkt in den Garten und werden dort in Empfang genommen. „Klare Absprachen sind nötig: Wer hat welche Kinder und welchen Raum im Blick?“, unter­streicht Kira Daldrop.

Die Erziehungswissenschaftlerin empfiehlt, möglichst kleine Gruppen aus Kindern mit unterschiedlichem Assistenzbedarf zu bilden: „Das gibt Erzieherinnen und Erziehern die Mög­lichkeit, sich den Kindern zuzuwenden, die mehr Unterstützung brauchen.“


Wichtig: sicheres und sinnvolles Mobiliar


Zudem wollen die Garderobenmöbel sinnvoll ausgewählt und gemäß den Sicherheitshinwei­sen der Hersteller aufgestellt sein, damit alles reibungslos und sicher klappt. Typisch sind Bänke, Kleiderhaken und Regale oder Fächer, die wichtige Utensilien wie Schals oder Müt­zen enthalten. Kommen die Kinder selbst gut an alles heran oder ist es gefährlich, wenn sie in Socken oder Matschschuhen hochklettern müssen? Bietet die Bank genügend Fläche, damit die Kinder dort sicher und mit den Füßen auf dem Boden sitzen können? Ist die Sitzflä­che nutzbar oder wird sie von Kleidungsstücken versperrt, die an den Haken hängen? „Auch die pädagogischen Fachkräfte benötigen in der Gar­derobe Mobiliar, das sie entlastet, damit sie sich entspannt dem Kind zuwenden können“, betont Kira Daldrop. Höhenverstellbare Rollho­cker, ein Podest mit Stufen oder ein Stehwickel­tisch könnten Lösungen sein.


Neben den Sicherheitsstandards – stand-­ und kippsichere Anbringung der Garderobe, rutsch­hemmender Bodenbelag, Vorsicht bei Quetsch­stellen, Kanten und vorstehenden Haken – soll­ten auch die Licht­ und Farbgestaltung sowie die Akustik berücksichtigt werden, rät Kira Daldrop. „So lässt sich Ruhe reinbringen und eine Stim­mung erzeugen, die bei der Interaktion hilft.“ Schließlich werde beim An-­ und Aus­ziehen wichtige pädagogische
Arbeit geleistet, um Kompe­tenzen fürs Leben aufzu­bauen. Und das klappt am besten stressfrei. „Die Garderobensitua­tion ist nicht nur Mittel zum Zweck. Sie kann und darf auch Spaß machen“, zieht Kira Dal­drop das Fazit.

Zur Person:
Kira Daldrop studierte Kindheitspädagogik und Erziehungswissenschaften, in ihren Abschlussarbeiten beschäftigte sie sich mit der Garderobensituation in Kitas. Sie war stellvertretende Leiterin einer Leipziger Kita und arbeitet jetzt in der Familienbegleitung sowie in dem von ihr gegründeten InFanT Institut in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von pädagogischen Fachkräften.

Eine Checkliste, was zu einer sicheren Garderobe gehört, finden Sie hier: http://www.kinderkinder.dguv.de/so-werden-garderoben-sicher

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