An- und ausziehen, gewickelt werden, essen und schlafen – das alles sind Situationen, in denen Fachkräfte die Kinder feinfühlig und liebevoll begleiten müssen, damit diese sie gut bewältigen können.

KURZ GESAGT!

  • Die gezielte Analyse von Mikroübergängen lohnt sich – auch für die Fachkräfte
  • Gerade Situationen mit Wartezeiten sind für alle herausfordernd
  • In Mikroübergängen liegt ein großes Lernpotenzial

Amy weint. Gerade hat die Eineinhalbjärhige noch auf dem Bauteppich gespielt, jetzt heißt es: Alle gehen raus in den Garten. Nicht nur, dass sie ihr Spiel unterbrechen soll, jetzt wird es auch wieder wuselig und laut, weil Schuhe, Jacken und Sonnenhüte angezogen werden müssen. Für Amy ist das der pure Stress.

Mikrotransitionen, also die kleinen Übergänge im (Kita-)Alltag sind gerade für Krippenkinder enorme Herausforderungen. Werden die Kleinen dadurch quengelig, unruhig oder zeigen ihre Überforderung durch konflikthafte Interaktionen, überträgt sich das wiederum häufig auf die pädagogischen Fachkräfte, die weniger gelassen reagieren, als sie möchten und es angemessen wäre. Deshalb ist es wichtig, dass sich die pädagogischen Fachkräfte intensiv mit den kleinen Übergängen beschäftigen und Wege finden, sie behutsam und sensibel zu begleiten. Das sollte nicht „en passant“ geschehen, findet Fortbildnerin Helia Schneider. Sie plädiert dafür, sich im Team gezielt dafür Zeit zu nehmen und typische Übergangssituationen zu analysieren.

Sicherheit durch Skripte

Kinder brauchen Routinen und Rituale. Sie wissen etwa: Wenn ich dieses bestimmte Lied höre, wird gleich aufgeräumt und etwas Neues beginnt. Im pädagogischen Fachjargon spricht man davon, dass sie innere „Skripts“ zu den verschiedenen Situationen und Übergängen bilden (Nelson 2009, Gutknecht 2015)*. Diese vermitteln Struktur, Verlässlichkeit, Orientierung – und damit Sicherheit. Durch eine durchdachte Gestaltung von Alltagsroutinen unterstützen die Fachkräfte die Bildung dieser inneren Drehbücher. Sind sie fest verankert, kann sich ein Kind auch nach und nach davon lösen. Es wird selbstständiger und kann sich besser selbst regulieren. Ein wichtiger Lernprozess. „Zunächst sollten die Abläufe ohne größere Veränderungen immer gleich gestaltet sein, um die Kontinuität zu wahren, vor allem bei jungen Kindern“, sagt Helia Schneider. Rituale, die Kindern helfen, die Übergangsgestaltung gut zu bewältigen, können auch auf sinnlicher Ebene verankert werden, zum Beispiel durch einen Klang, einen Geruch, mit einer Bewegung, einem Lied oder einem Spruch. Manche Teams verständigen sich deshalb darauf, dass von allen Fachkräften die gleichen Gesten, Sprüche oder Lieder verwendet werden. Schneider indes sieht das eher kritisch: „Das finde ich persönlich einschränkend, denn es kann dazu führen, dass sich Fachkräfte unauthentisch verhalten.“ Davon habe niemand etwas.

Wartezeiten sind kritisch

Will sich ein Team gezielt die Alltagssituationen und Übergänge vornehmen und das Thema bearbeiten, sollte es Schritt für Schritt vorgehen. „Zählen Sie doch einmal an einem Tag die Wartezeiten der Kinder in Minuten zusammen“, schlägt die Expertin vor. „Wo lässt sich Wartezeit reduzieren?“ Denn während des Wartens kippt ganz häufig die Stimmung. „Besonders die Garderobensituation wird immer wieder von vielen Fachkräften als sehr stressig empfunden.“ Gerade hier entstehen oft Wartezeiten, die die Kinder als frustrierend und quälend wahrnehmen. Was also tun? „Der wichtigste Tipp: Die Gruppe teilen. So entsteht von vornherein weniger Gewusel und die Fachkraft kann sich dem einzelnen Kind zuwenden und sich auch mehr Zeit nehmen zu assistieren, zu erklären, über das Wetter und die richtige Kleidung zu sprechen.“ Nach und nach werden dann auch die übrigen Kinder der Gruppe an die Garderobe geschickt. Für die Kinder, die bereits fertig sind, sollte ein Ankerplatz in der Nähe sein. Den Begriff hat die Kindheitspädagogin Dorothee Gutknecht geprägt. Er meint einen festgelegten Ort etwa im Flur, an dem attraktives Material dazu einlädt, die Wartezeit spielend zu überbrücken. Geeignet sind da etwa Wandpaneele, Drehscheiben, Spiegel, eine Bücherkiste oder auch ein Aquarium, um Fische zu beobachten. Von diesem Ankerplatz aus geht es dann nach draußen. Ankerplätze sind generell ein wertvolles Mittel, um bestimmte Übergänge, die mit dem Wechsel von Räumen und Aktivitäten zu tun haben, zu strukturieren. Es zeigt sich immer wieder, dass räumliche Gegebenheiten die Gestaltung von Mikrotransitionen maßgeblich beeinflussen und bei deren Planung oder Reflexion berücksichtigt werden müssen.

In Mikrotransitionen liegt ein großes Bildungspotenzial. Sind sie gut gestaltet, bieten sie Kindern eine Vielzahl an Lernerfahrungen. Dies zu erkennen und zu fördern ist die Aufgabe und die Kompetenz der pädagogischen Fachkräfte.

* Nelson, K. (2009): Young minds in social worlds: Experience, meaning, and memory. Cambridge: Harvard University Press. Gutknecht, D. (2015): Bildung in der Kinderkrippe. Wege zur professionellen Responsivität. Stuttgart: Kohlhammer.

Fragen zur Gestaltung von Übergängen

  • In welcher Situation befindet sich das Kind gerade? Ist es vertieft in ein Spiel, ist es hungrig?
  • Wer kündigt den Übergang an? Die pädagogische Fachkraft selbst? Ein von ihr beauftragtes Kind? Eine Kollegin? Eine „magische Figur“ oder Puppe?
  • Über welchen Wahrnehmungsweg kündigt sich der Übergang an: durch einen Klang, ein visuelles Zeichen, eine Berührung, einen Duft?
  • In welche Situation kommt das Kind anschließend und wie ist diese Situation vorbereitet? Gibt es eine Kollegin, die die Kinder empfängt? Welcher Vorbereitung bedarf der Raum bzw. Platz (Wickelplatz, Schlafraum, Waschraum, Morgenkreis)? Gibt es hilfreiche Markierungen in der neuen Situation (z. B. Sitzkissen)? Kommen die Kinder in einen dunklen oder hellen Raum? Welchen Wahrnehmungsreizen ist das Kind ausgesetzt? Soll die Atmosphäre beruhigend und spannungsabbauend oder anregend sein?

Quelle: Dorothee Gutknecht: Mikrotransitionen: Kleiner Wechsel, große Wirkung – Übergänge im Krippenalltag sensibel gestalten, Entdeckungskiste 1 / 2013, Verlag Herder

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