Das „Familienzentrum Ludwig-Uhland-Straße“ im hessischen Maintal ist Sieger des Deutschen Kita-Preises 2018. Ein Schwerpunkt der pädagogischen Arbeit liegt auf der Projektarbeit.
Vier Mädchen sitzen mit ihrer Erzieherin im Sand und reden miteinander.

Hoch oben auf dem Klettergerüst steht Pablo und schreit. Er ist verzweifelt, weiß nicht mehr, wie er runterkommt. Ein anderer Tag, eine andere Situation: Safia bricht in Tränen aus, als ihre Mama sie das erste Mal in der Kita allein lässt. Es gibt viele Dinge, die Kindern Angst machen können. Auch in der Rasselgruppe der Kita „Familienzentrum Ludwig-Uhland-Straße“ war die Angst irgendwann Thema Nummer eins.

Die Kinder sprachen viel über ihre Ängste. Sie merkten, dass die anderen auch verschiedene Situationen und Dinge als bedrohlich empfanden. Durch den Austausch mit den anderen konnten sie so ihre eigenen Gefühle besser einordnen. Dabei ging es zuerst um Ängste, die den Kindern im Alltag begegneten. „Für uns war klar, dass wir daraus ein Projekt entwickeln können. Denn Angst betrifft alle“, erklärt Edith Kepper, Erzieherin in der Rasselgruppe. „Es ist wichtig, dass die Kinder sich damit auseinandersetzen.“

 

KURZ GESAGT!

  • Wichtige Themen der Kinder werden in Projekten bearbeitet
  • Pädagogische Fachkräfte wecken den Forscherdrang der Kinder
  • Kinder können Erfahrungen teilen und Ängste einordnen
  • Zusammenhalt der Kinder wird gefördert

 

Forscherdrang wecken

Projektarbeit ist in der Kita fester Bestandteil des pädagogischen Konzeptes. Ob „Schreibwerkstatt“, „Kräfte messen“ oder „Wenn ich groß bin, dann …“: Die Kinder beschäftigen sich in ihren Gruppen immer mit einem Thema, das sie aktuell bewegt. Dann fertigen sie mit ihren Erzieherinnen und Erziehern als Erstes eine Wissenslandkarte an, in der sie festhalten, was sie bereits über das Thema wissen.

Die Erzieherinnen und Erzieher gestalten das Projekt so, dass der Forscherdrang der Kinder geweckt wird. Mit Erfolg: Die Kinder sind begeistert mit dabei, wenn es darum geht, Dinge zu hinterfragen und Neues zu entdecken. In täglichen Runden reflektieren sie gemeinsam das Erlebte des Vortages und planen den neuen Tag. Am Ende der Projektzeit werden Fragen wie „Was haben wir heute erforscht?“ und „Was haben wir gelernt?“ besprochen.

Bei dem Projekt „Die Sache mit der Angst“ sprachen die Kinder viel über ihre Gefühle und fragten sich, was Angst überhaupt ist. Sie thematisierten, wovor sie sich im Alltag fürchteten. Sie erzählten von Albträumen, Streit der Eltern oder dem Verlust eines geliebten Spielzeugs. Dabei gaben die Kinder stets die Richtung an, sie bestimmten wie das Projekt ablief.

Wie wichtig das Thema ist, zeigte sich sehr schnell: Nach und nach kamen weitere Kinder aus anderen Gruppen dazu, die auch über ihre Ängste sprechen wollten. So auch die Kinder einer Flüchtlingsfamilie, die seit einigen Monaten die Einrichtung besuchten. Sie sprachen über ihre Erlebnisse und Ängste auf der Flucht und wie sehr sie ihre Heimat vermissten. „Sie erzählten und malten Bilder wie alle anderen Kinder auch. Nur war ihre Dimension der Angst eine ganz andere“, erklärt die Erzieherin.

Unterstützung durch Psychologin

Eine Besonderheit der Einrichtung ist, dass sie mit einer Psychologin zusammenarbeitet. Sie ist vor allem für die präventive Entwicklungsberatung da und unterstützt bei Bedarf Eltern, Kinder und pädagogische Fachkräfte. Sie wird von der Stadt finanziert und steht allen Einrichtungen in Maintal zur Verfügung. „Die Zusammenarbeit von Kitas mit einer Psychologin haben wir uns in Finnland abgeguckt und das große Glück, dass die Stadt hinter der Idee steht“, so Gabriele Steltner-Merz, Leiterin der Einrichtung. Ihr ist der Austausch mit Kitas in anderen Ländern wichtig: Einflüsse und Ansätze fließen in die Arbeit mit ein. So stammt die Idee für ihre Projektarbeit aus Italien.

Die Kinder haben einen engeren Kontakt untereinander geknüpft.

Durch das Projekt „Die Sache mit der Angst“ konnten die Kinder nicht nur ihre Erlebnisse teilen und ihre Ängste einordnen. Es hat ihnen auch die Auseinandersetzung damit erleichtert und ein Stück weit beim Überwinden der Ängste geholfen. „Die Kinder haben einen engeren Kontakt untereinander geknüpft“, sagt Edith Kepper. Ganz nebenbei haben die Flüchtlingskinder beim vielen Reden ihre Sprachkenntnisse verbessert.

 

KITA DES JAHRES 2018

Das „Familienzentrum Ludwig-Uhland-Straße“ ist Sieger des deutschen Kita-Preises 2018. 140 Kinder im Alter von drei bis zehn Jahren besuchen die Einrichtung im hessischen Maintal. In seiner Laudatio lobte Jury-Mitglied Prof. Dr. Wassilios E. Fthenakis den modernen, sozialintegrativen Bildungsansatz und das Einbinden von kultureller Vielfalt in das Konzept der Einrichtung.

Mehr zum deutschen Kita-Preis unter:
www.deutscher-kita-preis.de

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