Sind Beschäftigte über einen längeren Zeitraum einem Lärmpegel von 85 Dezibel ausgesetzt, gilt das als gehörschädigend. Das entspricht der Lautstärke von mittelstarkem Straßenverkehr oder einem Rasenmäher. In Kindertagesstätten wird dieser Wert im Tagesmittel selten oder gar nicht überschritten. Birte Weber, Zuständige für Lärmmessungen der Unfallkasse Nord, erklärt: „Dennoch belastet die dort herrschende Lautstärke Erziehende und Kinder. Die Ursache ist in den meisten Fällen eine unzureichende Raumakustik. Aus einer schlechten Akustik resultiert dann eine schlechte Sprachverständlichkeit: Alle sprechen automatisch immer lauter und lauter. Der Lärmpegel schaukelt sich hoch.“ Bei einer schlechten Raumakustik sind Kinder unaufmerksamer und können schlechter zuhören. Sie reden mehr durcheinander und müssen stärker um Aufmerksamkeit kämpfen. „Besonders Kleinkinder sind jedoch auf optimale Hörbedingungen angewiesen, um sprachliche Informationen verstehen und verarbeiten zu können“, sagt Birte Weber. Ansonsten könnten Probleme beim Spracherwerb die Folge sein.
KURZ GESAGT!
_Lärm ist ein bedeutender Stressfaktor – für alle
_Bauliche Maßnahmen können die Raumakustik deutlich verbessern
_Auch organisatorische und pädagogische Maßnahmen sind hilfreich
Wenn ein Raum „hallig“ klingt, spricht man von einer schlechten Raumakustik. Diese Halligkeit kennt man beispielsweise von leeren Räumen oder Bahnhofshallen. Damit es weniger stark und weniger lange nachhallt, müssen also „Schallschlucker“ in den Raum. Oder wie es die Expertin ausdrückt: „Die Schallreflexion von Oberflächen muss verringert und die Schallabsorption erhöht werden.“
TIPP
Filz unter Stühlen und Tischen oder in Schubladen hilft zusätzlich Lärm zu vermeiden.
Vorhänge und Teppiche lösen das Problem nicht
Um das zu erreichen, sind sehr gute Akustikdecken das A und O. „Viele Kitas fragen sich, ob man das Problem nicht auch mit Vorhängen und Teppichboden lösen kann.“ Doch das erhöht die Brandgefahr und „außerdem wird dadurch der Schallpegel nur minimal gesenkt. Vorhänge beispielsweise absorbieren nur 12 Prozent des auftreffenden Schalls. Im Vergleich: Eine gute Akustikdecke absorbiert bis zu 95 Prozent“, erklärt Birte Weber.
Ein häufiger Fehler beim Neubau oder der Sanierung von Kitas: In manchen Räumen wird auf den Einbau sehr guter Akustikdecken verzichtet, weil beispielsweise für einen Büroraum die Notwendigkeit nicht gesehen wird. Das wird dann zu einem Problem, wenn der Büroraum zum Gruppenraum umfunktioniert wird – in Kitas keine Seltenheit. Birte Weber vertritt daher den Punkt: „Alle Räume brauchen eine ausgezeichnete Akustik. Dazu gehören auch Mehrzweckräume, Sanitärräume und Flure.“ Und die Investition lohnt sich: „Damit gut und gesund gearbeitet und gelernt werden kann, müssen überall sehr gute Akustikdecken und bei Räumen mit einer Deckenhöhe von mehr als drei Metern zusätzlich sehr gutes Wandakustikmaterial installiert sein. Davon profitieren alle Beteiligten über Jahrzehnte.“
Immer noch zu laut?
Wenn es trotz guter Akustik noch immer zu laut ist, können die Räume in Bereiche eingeteilt werden. Schallabsorbierende Möbel eignen sich dafür als Raumteiler. Sinnvoll ist es ebenso, die Kinderanzahl in bestimmten Bereichen zu begrenzen oder die Gruppen zu teilen: Weniger Kinder bedeutet weniger Lärm.
Das Raumkonzept spielt ebenfalls eine wichtige Rolle: Das Raumangebot sollte nach Lautstärke angeordnet werden. Ein Ruheraum verliert zwischen Bewegungsraum und Außengelände, wo es laut werden kann und darf, schnell seinen Zweck. Überhaupt sollten lautes Spiel und möglichst viele Aktivitäten nach draußen verlegt werden.
Feste Ruhephasen, wie beispielsweise die Mittagszeit, sind ein wichtiges Instrument gegen zu viel Lärm. Wird es beim Raumwechsel oder einer Brückenzeit laut, können kleine Rituale wie Schleichspiele helfen. Und wenn es den Kindern selbst zu laut wird, können sie vereinbarte Handzeichen oder Handpuppen nutzen. Wichtig ist auch, drinnen ganz bewusst Zeiten einzuplanen, in denen die Kinder laut sein dürfen. Hierfür bieten sich Sing oder Bewegungsspiele an.
„Wichtig ist, bei den Kindern ein Lärmbewusstsein zu schaffen“, rät Birte Weber. Erzieherinnen und Erzieher können die Kinder spielerisch über die Ursachen
und Folgen von Lärm aufklären. Sie können Regeln wie „Wir fallen uns nicht
ins Wort“ gemeinsam erarbeiten und in Bildern darstellen. Hier gilt: sichtbare Regeln für alle. Denn nur, wenn sich auch die Erzieherinnen und Erzieher an die Regeln halten, tun es ihnen die Kinder gleich.
Weitere Informationen:
Broschüre der Unfallkasse Nord „Entspannung für alle Ohren“:
https://kurzelinks.de/mnn4
Broschüre der Unfallkasse Berlin: „Auf dem Weg zur leisen Kita“
https://kurzelinks.de/cnau
Ist Ihre Kita optimal gegen Lärm gedämmt?
www.ukh.de, Webcode: W439
DIN 18041 „Hörsamkeit in Räumen – Anforderungen, Empfehlungen und Hinweise für die Planung“
www.sichere-kita.de, Suche: Akustik