Wie gelingt eine gute Fehlerkultur? Sabine Margraf leitet die Kita „Apfelzwerge“ im hessischen Wehrheim. Ein Gespräch über klare Regeln, Gerüchte in Whats App­ Gruppen und warum auch eine Leitungskraft kritikfähig sein muss.
Zwei Jungen liegen auf dem Kita-Gelände im Gras.

Frau Margraf, Sie leiten die Kita „Apfelzwerge“ seit 25 Jahren. Was ist das für eine Einrichtung?

Zu meinem Team gehören zwölf Mitarbeiterinnen. Wir sind für 90 Kinder in fünf Gruppen verantwortlich. Ich selbst bin für meine Aufgaben als Leiterin freigestellt.

Wann werden Fehler für Sie zum Problem?

Wenn nicht miteinander gesprochen wird. Wenn Missverständ­nisse nicht geklärt, Unstimmigkeiten nicht offen ausgetragen und Probleme nicht aufgearbeitet werden.

Gibt es einen Weg, um Fehler möglichst von vorneherein zu vermeiden?

Für mich spielen da Regeln eine große Rolle. Wir haben ein gro­ßes Außengelände. Deshalb gilt bei uns: Die Erzieherinnen müs­sen sich über das gesamte Gelände verteilen. Eine ist für das Klettergerüst verantwortlich, eine andere für die Röhrenrutsche. Eine weitere Regel: Die Kinder dürfen im Turnraum nur mitma­chen, wenn sie rutschfeste Schläppchen anhaben. Durch klare Regeln, die für alle gelten, ist das Miteinander für pädagogische Fachkräfte, Kinder und Eltern einfacher.

Wer stellt diese Regeln auf?

Hierbei ist Partizipation ganz wichtig – auch wenn Diskussionen manchmal anstrengend sein können. Wenn das Team hinter den Regeln steht, werden sie besser umgesetzt. Die Regeln sind bei uns schriftlich fixiert. Trotzdem sind sie nicht unverrückbar. Man­ches muss hinterfragt und neu diskutiert werden.

Welche Rolle haben Sie als Leitung?

Manchmal braucht es jemand, der die Verantwortung übernimmt, das letzte Wort hat und sagt: „So wird das gemacht.“ Das bedeu­tet auch: Ich darf nicht den Wunsch haben, es allen recht zu ma­chen. Das gelingt sowieso nicht. Ich muss bereit sein, Konflikte einzugehen. Für mich ist eine gute Leitungskraft wie ein Gelän­der, das dem Team Halt gibt und es stark macht.

Wie gehen Sie im Alltag mit Fehlern um – beispielsweise wenn eine Erzieherin sehr unfreundlich zu einem Kind ist?

Ich führe ein Vier­-Augen­-Gespräch. Das Gespräch muss offen und angstfrei sein. Es geht nicht um ein Tribunal oder um Schuld­zuweisungen. Fehler werden nicht mit Absicht gemacht. Trotz­dem muss klar sein, dass bestimmte Dinge nicht gehen. Ich ver­suche zu verstehen, warum sich die Mitarbeiterin so verhalten hat und was wir tun können, damit sie in Zukunft anders handelt.

Und wenn ein Kind einen Unfall hat?

Dann besprechen wir das im Team. Wir reflektieren gemeinsam, was gut gelaufen ist und wo wir uns in Zukunft anders verhalten sollten. Wichtig ist, dass alle offen und wertschätzend mitein­ander sprechen. Allen muss bewusst sein, dass es darum geht, Lösungen zu finden und nicht einen Schuldigen. Wenn das gelingt, sind Fehler eine echte Chance, um zu lernen.

Warum ist eine gute Fehlerkultur so wichtig?

Sie ist die Voraussetzung dafür, dass die pädagogischen Fach­kräfte in ihren Gruppen selbstständig arbeiten und eigene Ent­scheidungen fällen. Wer Angst vor Fehlern hat, traut sich auch nicht, eigenverantwortlich zu arbeiten.

Wann beziehen Sie Ihren Träger ein?

Natürlich immer dann, wenn ein Problem in seine Zuständigkeit fällt. Zum Beispiel wenn wir ein zusätzliches Sonnensegel brau­chen, damit die Kinder auf dem Außengelände ausreichend vor UV­-Strahlung geschützt sind. Ich beziehe den Träger auch ein, wenn es im Team Konflikte gibt, die ich nicht lösen kann und eine Supervision plane. Und ich informiere den Träger, wenn nach einem Unfall ein Krankenwagen gerufen wurde. Da kommt es manchmal zu Gerüchten und Nachfragen, auf die der Träger ant­worten können muss.

Wenn ein Kind einen Unfall hatte, gibt es auch an die Kita oft viele Fragen …

Hier ist eine offene Kommunikation wichtig. Wenn ein Kind mit ei­nem Krankenwagen abgeholt wird, ist das für die anderen Kinder ein Schock. In ihrer Vorstellung, in ihren Erzählungen ist dieses Kind manchmal so gut wie tot – selbst wenn es direkt aus dem Krankenhaus entlassen wird und abends schon wieder quickle­bendig daheim spielt. Da ist es wichtig, den Eltern zu erzählen, was tatsächlich passiert ist. Manchmal braucht es auch einen El­ternbrief.

Kommen die Eltern denn mit ihren Sorgen und ihrer Kritik direkt auf Sie zu?

Natürlich nicht immer. Auch bei uns gibt es Eltern­ Whats-App-­Gruppen, in denen gelästert wird. Deshalb spreche ich bei Eltern­abenden an, dass man das direkte Gespräch mit uns suchen soll. Im Dialog mit uns lassen sich viele Dinge ganz einfach klären. Oft liegt einfach ein Missverständnis vor. Und nur so haben wir die Chance, etwas zu ändern, wenn wir tatsächlich Fehler machen.

Wie wichtig ist es, dass Sie selbst Kritik annehmen können?

Das ist ganz wichtig. Auch, dass ich eingestehen und ausspre­chen kann: „Ihr habt recht. Ich habe das falsch gemacht. Wir machen das anders.“ Einen guten Umgang mit Fehlern muss ich als Leitung meinem Team vorleben.

Interview mit Sabine Margraf. Sie leitet seit 25 Jahren die Kita Apfelzwerge in Wehrheim. Außerdem war die Erzieherin 20 Jahre Mitglied im KinderKinder­-Redaktionsbeirat.

 

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