Der blaue Drache misst imposante drei Meter. Angst haben muss trotzdem niemand vor ihm. Denn er sieht nicht nur furchtbar freundlich aus, sondern er mag es sogar, wenn Kinder mit ihm spielen. Oder besser: auf ihm spielen. Es handelt sich nämlich um den „Klangdrachen“ der katholischen Kita St. Georg in Stätzling bei Augsburg.
Die Kinder entdecken an drachenförmigen Klangwand aus Holz Trommeln, ein Glockenspiel, eine Wandmarimba, einen Gong und viele Instrumente mehr. „In unserer Kindertagesstätte ermöglichen wir den Kindern von Anfang an einen spielerischen Zugang zur Musik“, sagt Kitaleiterin Marisa Abbrancati. „Sie können sich dadurch entfalten, mitteilen und erleben aktiv die Vielfalt der Musik.“
Musik findet sich überall in der Kita. Das fängt schon im Morgenkreis an, wenn die Woche besprochen wird. „Jeder Tag hat einen eigenen Klang“, veranschaulicht Marisa Abbrancati. Zum Montag wird eine Trommel geschlagen, zum Sonntag eine feine Triangel, die Rassel steht für den Freitag. „Das Lernen der Tage wird verknüpft mit Musikinstrumenten, um es lebendiger zu machen.“
Auch darüber hinaus sind die Kinder von Musik und Rhythmen umgeben. Wollen die Erzieherinnen beispielsweise, dass die Kinder gezielt zuhören, nutzen sie Klatschspiele und singen dazu. Lesen die pädagogischen Fachkräfte aus Büchern vor, wird das häufig mit Liedern untermalt. In der Fastenzeit studieren die Erzieherinnen mit den Eltern und Kindern sogar jedes Jahr ein Musical ein, das dann Ostern mit Tanz und Musik in der Kirche aufgeführt wird. In diesem Jahr hieß das Thema „Arche Noah“.
Das Highlight ist aber der Klangdrache, der dem Logo der Kita nachempfunden ist. Das Auge mögen die Kinder besonders. Dort finden sie das große Becken. „Das klingt wie eine ganz große Triangel, mit einem sanften, langen Klang – aber sehr laut“, beschreibt Marisa Abbrancati. Vor allem, wenn man mit vollem Elan zu fest aufs Auge schlägt. Dann tut es schon mal in den Ohren weh. Solche Fehler lassen die Erzieherinnen der Kita St. Georg ganz bewusst zu, um das Gehör der Kinder zu sensibilisieren. „Musik ist selbsterklärend“, sagt die Kitaleiterin. Es sei nicht entscheidend, etwas richtig oder falsch zu machen. „Wenn etwas gut klingt, hört es das Kind. Wenn jemand zu schnell oder zu laut trommelt, hört es das auch. Aus Fehlern lernen die Kinder und sie entwickeln ein Taktgefühl.“
Selbstverständlich sei es wichtig, den Kindern am Anfang zu erklären, wie ein Instrument funktioniere, sagt Marisa Abbrancati. Möglichst bildhaft, um es den Kindern zu erleichtern. Da kann eine Geschichte rund um einen schönen Sommermorgen helfen: „Wir hören die Sonne, die aufgeht und die Bäume und Blumen berührt. Wir hören die Schmetterlinge fliegen.“ Und dann sind die Ideen und Kreativität der Kinder gefragt. „Schaut mal den Klangdrachen an: Welches Instrument könnte für die Sonne stehen, welches für den Schmetterling?“ Wird die Geschichte dann noch einmal erzählt, spielen sie das jeweilige Instrument.
Der Klangdrache ist eine Spezialanfertigung des Instrumentenbau-Unternehmens „Marimba“ aus dem mehr als 550 Kilometer entfernten Bielefeld, finanziert durch den Elternbeirat der Kita St. Georg. Die Instrumente sind fein aufeinander abgestimmt. Gleichzeitig ist die Klangwand robust, weil die Kinder nicht immer zimperlich damit umgehen. Jeder Gruppe steht einmal in der Woche der Raum zur Verfügung, in dem der Klangdrache steht. Fünf Kinder können wie eine kleine Band gleichzeitig am Klangdrachen spielen. Mittwochs ist außerdem gruppenübergreifender Musiknachmittag.
„Musik ist für alle Kinder zugänglich und deshalb besonders niederschwellig“, erklärt Marisa Abbrancati. Das gelte auch für Kinder mit Behinderung oder für Kinder mit Migrationshintergrund. Inklusion durch Musik. „Alle Kinder finden ihren Platz, es gibt keine Hürde“, fasst Marisa Abbrancati einen weiteren Vorzug des musikpädagogischen Ansatzes zusammen.
Musikpädagogik fördert…
- soziale Kompetenz: Gemeinsames Singen und Musizieren stärkt die Kontakt- und Gruppenfähigkeit. Die Kinder lernen dabei auch das Einhalten von Regeln und Vereinbarungen.
- Sprachkompetenz: Musik ist für Kinder ein ideales Medium, um sich mitzuteilen. Beim Singen sinkt auch bei Kindern mit Defiziten in der Sprachentwicklung die Hemmschwelle sich auszudrücken, Sprachbarrieren werden einfacher überwunden. Außerdem stärkt Musik die Wahrnehmung, indem die Kinder lernen, gezielt und konzentriert zuzuhören.
- motorische Kompetenz: Kinder haben die Gelegenheit, sich selbstständig, rhythmisch und gemeinsam zur Musik zu bewegen – also zu tanzen. Auch gezielte Kreisspiele sind möglich.
- emotionale Kompetenz: Kinder können durch Musik ihre Gefühle ausdrücken, auch nonverbal. Rhythmik- und Musikangebote in der Gruppe erhöhen die Frustrationstoleranz, dadurch wird die Regulation von Gefühlen gefördert.