Herr Aumüller ist da. Frau Bart auch. Und Herr Walter. Die Anwesenheitskontrolle mit Nachnamen ist für die Vorschulgruppe der Kita Scheidt ein großer Spaß. Gleichzeitig erproben die Kinder dabei eine neue Rolle: Sie sind die Großen in der Kita und werden bald zu richtigen Schulkindern.
Nur wenige Meter liegen in dem Stadtteil von Saarbrücken zwischen Kita und Grundschule. Die große Nähe spiegelt sich auch in der engen Zusammenarbeit der beiden Bildungseinrichtungen wider. Erzieherinnen und Erzieher bilden zusammen mit einer Lehrkraft ein pädagogisches Tandem. Sie treffen sich jeden Donnerstagvormittag und betreuen gemeinsam die sogenannte SchuKi-Gruppe.
KURZ GESAGT!
- Kita und Schule gestalten ganzes Vorschuljahr gemeinsam
- Zusammenarbeit auf Augenhöhe
- Kindern und Eltern positives Bild der Schule vermitteln
- Kinder sollen neugierig, selbstbewusst und angstfrei in die Schule starten
Neugierig und selbstbewusst
Hier in Scheidt läuft jetzt das zweite Halbjahr. Bisher hat sich die SchuKi-Gruppe in der Kita getroffen, seit ein paar Wochen haben sie ihr Programm an die Grundschule verlegt. Leise – und sehr selbstsicher – bewegen sich die Fünf- bis Sechsjährigen durch die Flure des Schulgebäudes. Es geht zwei Treppen hinab, vorbei an einigen Viertklässlern im Foyer, die auf kleinen Teppichen liegend mit Unterrichtsmaterial arbeiten und kaum den Kopf heben. Normalität an der zweizügigen Grundschule.
„Die Kinder sollen neugierig, selbstbewusst und angstfrei in die Schule starten“, sagt Kitaleiterin Susanne Kunz. Schulleiterin Jessica Krebs ergänzt: „Wir wollen ein positives Bild von Schule vermitteln und einen sicheren Übergang ermöglichen.“ Um dies zu ermöglichen kooperieren Kita und Schule eng miteinander. Die Kinder können sich selbst ein Bild machen von dem, was sie erwartet.
Dieses Kooperationsjahr wurde im Saarland mit dem Schuljahr 2016/2017 flächendeckend eingeführt. Sowohl die Lehrkräfte als auch die pädagogischen Fachkräfte haben dafür ein zusätzliches Stundenkontingent – je nach Gruppengröße von bis zu zwei Stunden pro Woche. Entwickelt wurde das Projekt bereits vor 15 Jahren hier in Scheidt gemeinsam von der Kita und der Grundschule.
Feste Rituale
Die SchuKi-Gruppe ist inzwischen in einem Betreuungsraum der Ganztagsgrundschule angelangt. Die Vormittage haben feste Rituale mit einem klaren Anfang und Ende. Zum Start gehört ein Bewegungsspiel. Dabei benennen die Kinder, was für sie das Wichtigste in der Schule ist: „Spaß!“, „Freunde!“, „Ein Ranzen!“. Die Botschaft ist klar. Schule ist positiv besetzt.
Das ist zu Beginn des Kindergartenjahres häufig anders. Beim ersten Treffen in der Turnhalle sortieren sich die SchuKis bei einem Spiel in drei Gruppen: eine, die sich auf die Schule freut, eine, die sich nicht freut, und eine, die noch unentschlossen ist. „Für die Kinder ist es eine große Befreiung, wenn sie spüren, dass die Erzieherinnen und Erzieher wertfrei mit ihren Äußerungen umgehen und sie offen sagen können: „Ich habe Angst!“, erzählt Susanne Kunz.
Um mögliche Ängste ab- und Vertrauen aufzubauen, lernen die Kinder die Lehrkraft in den ersten Monaten in der Kita kennen. Diese hat anfangs eine stark beobachtende Rolle. Sie baut Beziehungen auf, lernt die Kinder kennen, indem sie diese bei einem Waldtag begleitet oder bei Alltagsproblemen, wie dem Schuhebinden, hilft.
Die führende Rolle übernehmen die pädagogischen Fachkräfte. Dadurch wächst die Lehrerin oder der Lehrer allmählich in die Gruppe hinein. Bis zum Ende des Kindergartenjahres findet schrittweise ein Rollenwechsel statt: Dann leitet die Lehrkraft die SchuKi-Gruppe und die pädagogischen Fachkräfte begleiten und betreuen.
„Für uns ist das eine Chance“, sagt Schulleiterin Jessica Krebs. Die Lehrkräfte erleben die Kinder in dem vertrauten Umfeld der Kita sehr selbstbewusst und lernen deren Stärken und Bedürfnisse kennen. „Wenn wir das Sozialverhalten der Kinder kennen, ihre Interessen und Schwierigkeiten, können wir viel gezielter auf sie eingehen“, sagt Jessica Krebs. Auch auf die besonderen Bedarfe von Kindern kann sich die Schule frühzeitig einstellen.
Frustration bewältigen
Die SchuKi-Gruppe teilt sich jetzt in kleine Gruppen auf. Eine Handvoll Kinder hospitiert in einer ersten Klasse, anfangs eng um ihre Erzieherin geschart. Nach und nach entdecken sie bekannte Gesichter, Kinder, die die Kita vergangenes Jahr verlassen haben. Auf dem Stundenplan steht Deutsch, ein Umlaut wird eingeführt. Die Klassenlehrerin holt die Kinder auf ihrem Niveau ab. Worte mit „au“? Ein SchuKi weiß „Baumhaus“. „Das ist ein wichtiger Erfolg für die Kinder, sie erzählen nachher: „Ich hab in der Schule was gewusst!“, berichtet Erzieherin Aenne Hilpert.
Um Zahlen und Sport geht es in einer anderen Gruppe der SchuKis. Im Bewegungsraum der gebundenen Ganztagsschule kann geturnt werden: Purzelbäume, Kniebeugen oder Runden laufen. Einige Kinder werfen einen Würfel und führen die Übungen entsprechend oft aus. Andere schaukeln oder toben über die Matten.
Die pädagogischen Tandems treffen sich jede Woche, tauschen sich über die Vorschulkinder aus und planen gemeinsam die Gruppenarbeit. „Wir begegnen uns auf Augenhöhe“, sagt Susanne Kunz. Die Kita ist genauso wie die Schule eine Bildungseinrichtung. „Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte bringen ihre Stärken ein und lernen voneinander“, bekräftigt Jessica Krebs. Ein multiprofessionelles Team, das sich gegenseitig befruchtet.
Die Kinder werden besonders im letzten Kitajahr darin bestärkt, Frustration zu bewältigen und immer mehr Eigenverantwortung zu übernehmen. Zum Lernprozess des SchuKi-Jahres gehört auch, dass sie eine motivierte Arbeitseinstellung entwickeln. Manche Aufgaben zu Ende zu führen, gehört für ein SchuKi dazu, auch wenn sie keinen Spaß machen.
Gemeinsame Elternarbeit
Ina Hossfeld, die Lehrerin des diesjährigen Kooperationsprojektes, stellt einem anderen Teil der SchuKi-Gruppe das leere Klassenzimmer der Viertklässler vor. Die Kinder begutachten, was da an den Wänden hängt. „Ganz anders als bei uns“, sagt ein Junge. Weniger Bilder, dafür viel Geschriebenes. Dann malen die SchuKis ein Zickzackbild und ordnen verschiedenen Flächen Zahlen und Farben zu. „Kiki-einfach“, tönt ein Mädchen. Eine Übung, die sie aus der Kita kennt. Neu für die Kinder sind die Rituale und Regeln der Schule, die sie hier beiläufig erlernen: anderen zuhören. Erst melden, dann reden. Wenn die Lehrerin die Klangschale schlägt, leise sein. Zumindest für eine kurze Zeit.
Dabei behalten alle im Blick: Das Projekt fällt in die Kindergartenzeit, es ist kein vorgezogenes Schuljahr. „Die Kinder sollen keine Arbeitsblätter abarbeiten und wir machen auch kein Schneidetraining, wenn es da noch hapert“, sagt Susanne Kunz.
Ein fester Bestandteil des Kooperationsjahres ist die Elternarbeit, das pädagogische Tandem veranstaltet gemeinsam einen Elternabend. Dabei hilft das gewachsene, vertrauensvolle Miteinander von Eltern und Kita, die Lehrkräfte sind oft noch Fremde. Die Erzieherinnen und Erzieher können auch hier Brücken zur Schule bauen.
Die enge Verzahnung der beiden Bildungssysteme trägt Früchte – selbst wenn manche Kinder schließlich eine andere Grundschule besuchen. „Die Kinder entwickeln Vertrauen, dass sie bewältigen können, was auf sie zukommt“, sagt Susanne Kunz. Und die Erfahrung der Lehrerinnen und Lehrer in Scheidt zeigt: Die Kinder fühlen sich beim Start in die Schule emotional sicher und haben deshalb den Kopf frei, um zu lernen.
INFO
Die Broschüre „Von der Kita zur Grundschule – Impulse für das Gelingen des Übergangs“ stellt vom Bundesministerium für Bildung geförderte Projekte vor und bietet Impulse für den Umgang mit Kindern im letzten Kitajahr. Kostenlose
Bestellung unter:
publikationen@bundesregierung.de
KOOPERATIONSJAHR
Weiterführende Informationen zum Kooperationsjahr von Kita und Schule im Saarland unter:
www.saarland.de/172647.htm