Wie funktioniert Co-Regulation im Kita-Alltag?
Kathrin Hohmann: Durch seelische und körperliche Präsenz, durch eine spiegelnde, einfühlende und unterstützende Begleitung – so kann das Kind seine emotionale Stabilität zurückerlangen. Diese Emotionsarbeit ist von unfassbarem Wert, sodass sie in der pädagogischen Arbeit einen großen Stellenwert hat. Natürlich ist dies mit mehreren Kindern in einer Gruppe eine herausfordernde Aufgabe, in der jedoch sehr viel Potenzial für eine gesunde Emotionsentwicklung steckt. Es ist wichtig, dass Kinder jedes Gefühl haben dürfen und lernen, damit umzugehen, anstatt es zu unterdrücken. Dies können Kinder allein noch nicht – je jünger sie sind und je intensiver das Gefühl, desto weniger. Deshalb brauchen sie Erwachsene, die ihre Gefühle und Bedürfnisse in eine gewaltfreie Sprache übersetzen. Der Schlüssel zu erfolgreicher Co-Regulation ist dabei die Selbstregulation.
Können Sie das erläutern?
Wenn eine Fachkraft sich in einer Situation überfordert fühlt, kann es zu Überreaktionen kommen. Daher ist es wichtig, die eigenen Bedürfnisse und Gefühle wahrzunehmen und achtsam mit ihnen umzugehen. Nur wenn wir in der Lage sind, unsere eigenen Impulse, Handlungen, Erregungen und Gefühle zu steuern, können wir die emotionalen Stürme der Kinder begleiten und sie co-regulieren. Im Zustand der Übererregung ist dies jedoch nicht möglich.
Wie begleitet man gefühlsstarke Kinder?
Zunächst sollte man sich bewusst machen, dass Kinder immer das bestmögliche Verhalten zeigen, zu dem sie gerade fähig sind. Grundsätzlich sind Kinder an Kooperation interessiert. Lehnen sie diese ab, dann nur, weil sie nicht anders können. Kinder jammern, schreien oder schlagen nicht, um Grenzen zu verletzen oder uns zu ärgern, sondern um ihre eigenen Grenzen zu verteidigen. Eine häufige Reaktion auf ein wütendes oder schreiendes Kind ist, ihm eine Auszeit zu verordnen, bis es sich beruhigt hat. Ohne die co-regulierende Unterstützung lernt das Kind jedoch nicht, wie es zukünftig besser mit solchen Situationen umgehen kann. Statt „Time-out“ ist es besser, in einen intensiven Kontakt zu gehen, wie es das „Time-intensive“ beschreibt. Wichtig ist herauszufinden, was hinter dem Verhalten steckt, besonders wenn es gehäuft auftritt.
Was ist weniger hilfreich?
Die Frage nach dem Warum. „Warum hast du das gemacht? Warum bist du so wütend?“ Darauf finden Kinder oft keine Antworten, weil dazu ein großes Maß an Selbstreflexion nötig ist. Außerdem kann die Frage nach dem Warum wie eine Schuldzuweisung wirken. Besser ist es, sich einzufühlen, Gefühle und Bedürfnisse zu vermuten und das Kind zu fragen, ob diese Vermutungen zutreffen.
Halten Sie es für sinnvoll, „Gefühle“ im Kita-Alltag zu thematisieren?
Unbedingt. Erst wenn Kinder über einen ausreichenden Wortschatz verfügen, können sie ihre eigenen Gefühle verstehen und artikulieren. Pädagogische Fachkräfte sollten als Sprachvorbilder fungieren. Sie können ihre eigenen Gefühle benennen: „Ich bin heute erschöpft, weil ich schlecht geschlafen habe“, und ihre Bedürfnisse ausdrücken: „Deshalb brauche ich Ruhe und schaue euch beim Fußballspielen zu.“ Gefühls- und Bedürfniskarten können den Kindern zusätzlich helfen, ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen und Gefühle besser auszudrücken.
Kathrin Hohmann ist Kindheitspädagogin M.A., Arbeit als Kitaleiterin, Pädagogin und promoviert zurzeit im Bereich der pädagogischen Psychologie. Daneben ist sie Fortbildnerin, Beraterin für Familien und Fachkräfte, Autorin („Ich sehe, was du brauchst“) und Podcasterin.