Risiko wagenWild und gewagt spielen

Kinder lieben und suchen Herausforderungen und das Risiko. Besonders fasziniert sind sie von solchen Spielen, bei denen sie Grenzen austesten und sich selbst beweisen können. Das ist sinnvoll, denn „Risky Play“ leistet einen wichtigen Beitrag zur kindlichen Entwicklung.
Ein Kind hängt kopfüber an einem Klettergerüst.

KURZ GESAGT!

_Risky Play bedeutet wildes und gewagtes Spiel

_Es ist für die kognitive, motorische und sozio-emotionale Entwicklung der Kinder wichtig
_Riskante Spiele sollten auch in Kitas möglich sein, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind

Wass genau ist Risky Play, das auch mit „wildem und gewagtem Spiel“ übersetzt wird? Welche Vorteile bietet es für die kindliche Entwicklung, und wie können Erzieherinnen und Erzieher in Kindertageseinrichtungen Möglichkeiten für dieses Spiel schaffen, ohne dabei die Sicherheit der Kinder aus dem Blick zu verlieren?

Was ist Risky Play?

Ganz allgemein kann ein Spiel als riskant bezeichnet werden, das von Kindern als spannend und aufregend erlebt wird, bei dem aber auch das Risiko von körperlichen Verletzungen besteht. Dazu gehören zum Beispiel Klettern, schnelles Rennen, Laufrad fahren und Fechten mit Stöcken. Helen Sandseter von der Universität Trondheim, die zu Risky Play forscht, unterscheidet sechs Kategorien solcher Spiele 1: 1. große Höhen, 2. hohe Geschwindigkeit, 3. Umgang mit gefährlichen Werkzeugen, 4. Spiel neben gefährlichen Elementen (Feuer, Wasser), 5. Rauf- und Tobespiele sowie 6. das Spiel in Bereichen, in denen Kinder von Erwachsenen nicht gesehen werden können. Diese Spiele finden vor allem im Freien statt, wenn Kinder sich frei bewegen können, und beinhalten häufig, dass sich Kinder bei ihren Aktivitäten zunehmend an die Grenzen ihres Könnens und des Zutrauens in ihre eigenen Fähigkeiten herantasten. Zum Beispiel schiebt ein Kind ein Laufrad auf einen Hügel und fährt mich hochgehobenen Beinen immer schneller den Hügel herunter. Oder Kinder schaukeln zunächst im Sitzen, um dann ins stehende Schaukeln überzugehen bis hin zum Absprung von der Schaukel.

Welche Vorteile hat Risky Play für das Kind?

  1. Motorische und kognitive Entwicklung: Beim Klettern, Balancieren oder Springen verbessern Kinder ihre Koordination, Kraft und Beweglichkeit. Zudem lernen sie, Risiken realistisch einzuschätzen und damit Risikokompetenz zu erwerben.
  2. Aufbau von Selbstvertrauen: Erfolgserlebnisse wie das Bewältigen einer schwierigen Situation stärken das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.
  3. Entwicklung sozialer Kompetenzen: Besonders in Rauf- und Tobespielen lernen Kinder, mit anderen zu interagieren, Regeln auszuhandeln und Konflikte zu lösen.
  4. Angstbewältigende Wirkung: Riskante Spiele können Kindern helfen, Ängste abzubauen. Durch wiederholtes Annähern an für sie schwierige Situationen lernen sie, diese zu bewältigen und später auch größere Herausforderungen zu meistern.

Sicherheit und Rahmenbedingungen

Eine sichere Umgebung und ein Erfahrungsraum, der auch Risky Play zulässt, müssen sich nicht widersprechen. Es ist Aufgabe von Kitaträgern, Leitungen und pädagogischem Personal, Rahmenbedingungen zu schaffen, die einen Ausgleich zwischen der Sicherheit von Kindern auf der einen Seite und ihren Bedürfnissen nach gewagten Spielaktivitäten auf der anderen Seite ermöglichen. Hier sind folgende Aspekte zu nennen:

Sichere Umgebung

Spielplatzgeräte und Spielmaterial sollten so gestaltet sein, dass sie Herausforderungen bieten, ohne unkalkulierbare Gefahren darzustellen. Orientierung bietet hier das Vorschriften- und Regelwerk der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).

Aufsicht durch Fachkräfte

Erzieherinnen und Erzieher sollten Kinder aufmerksam begleiten und bei Bedarf eingreifen, ohne sie in ihrer Eigenverantwortung einzuschränken. Das erforderliche Maß der konkreten Ausgestaltung der Aufsichtspflicht ist dabei insbesondere von deren Entwicklungsstand sowie der konkreten Situation abhängig. Die Juristen Simon Hundmeyer und Burghard Pimmer-Jüsten führen hierzu aus: „Je nach Situation und Entwicklungsstand kann auch ein gelegentliches, stichprobenartiges Kontrollieren genügen. Je weniger jedoch der Aufsichtspflichtige das Kind kennt, je unzuverlässiger es sich in der Vergangenheit erwiesen hat, je gefährlicher ein Spiel oder eine Situation ist und je wahrscheinlicher es ist, dass Gebote und Verbote missachtet werden, desto beständiger und umfänglicher wird ein Kind überwacht werden müssen.“2
Festlegungen treffen

Erzieherinnen und Erzieher legen partizipativ mit den Kindern fest, welche Formen von Risky Play möglich / erlaubt sind, welche Regeln hierfür erforderlich sind (z. B. bei körperbetonten Spielen) und wie hierfür Raum, Zeit und Material zur Verfügung gestellt werden.

Kommunikation mit Eltern

Viele Eltern sind skeptisch gegenüber riskanten Spielen. Eine offene Kommunikation über die Vorteile solcher Spiele und die Sicherheitsvorkehrungen der Einrichtung kann Ängste abbauen.

Fazit

Riskante Spiele sind ein wertvoller Bestandteil der kindlichen Entwicklung. Sie fördern motorische, emotionale und soziale Kompetenzen und bereiten Kinder darauf vor, mit Risiken verantwortungsvoll umzugehen. Indem Kindertageseinrichtungen sichere, aber herausfordernde Umgebungen bieten und Kinder in ihrem Spiel begleiten, tragen sie zu einer ganzheitlichen Entwicklung bei.

Arne Schröder, M. A. Kindheits- und Sozialwissenschaften, Aufsichtsperson bei der Kommunalen Unfallversicherung Bayern (KUVB)

  1. Sandseter, E. B. H. (2009): „Characteristics of risky play“. In: Journal of Adventure Education and Outdoor Learning, S. 3–5. ↩︎
  2. Hundmeyer, S.; Pimmer-Jüsten, B. (2019): Aufsichtspflicht in Kindertageseinrichtungen. Aufsichtsflicht, Haftung und Versicherungsschutz. 10., überarb. Aufl., Köln: Carl Link. ↩︎

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