Kranke Kinder bleiben zu Hause?

Warum regelt der Träger, also in Ihrem Fall das Bayerische Rote Kreuz, kurz: BRK, nicht einheitlich für die Kitas in seiner Trägerschaft, wann ein Kind zu krank für den Kitabesuch ist?

Hermine Brenauer: Es gibt dazu durchaus von unserer Seite Empfehlungen. Wir tun uns aus Trägersicht allerdings schwer, verbindliche Vor­gaben zu machen, da es keine klare Aussage auf Gesetzesebene gibt. Die einzige gesetzliche Grundlage ist das Infektionsschutzgesetz – das deckt zwar viel, aber eben nicht alles ab, was die Kolleginnen und Kollegen in den Kitas zu sehen bekommen. Außerdem mag eine Vorgabe für die eine Einrichtung passen, aber für die andere überhaupt nicht, weil dort die Gegeben­heiten andere sind. Es gibt etwa ein benachbar­tes Seniorenheim, das es erforderlich macht, auf etwas besonders zu achten. Es besteht eine große Vielfalt, wodurch es für uns als Träger schwierig ist, eine einheitliche Regelung vorzugeben. So liegt es wieder bei den einzelnen Ein­richtungen, wie sie es handhaben und inwiefern auch die örtlichen Gesundheitsämter involviert sind.


Lea Erhard: Beim Roten Kreuz haben wir einen Rahmenvertrag für alle Kitas, dem eine Beleh­rung zum Infektionsschutzgesetz beiliegt. Darin sind die Krankheiten aufgelistet, bei denen die Kinder nicht in die Kita kommen dürfen. In Bayern muss jede Kita einen Hygieneplan erstellen, der unter anderem auch Empfehlungen gibt, wie lange die Kinder bei welcher Krankheit zu Hause bleiben sollten, ob ein Attest erforderlich ist und so weiter.* Damit haben wir Erzieherinnen etwas an der Hand, das wir den Eltern rauskopieren und auf das wir uns berufen können.

Damit können Sie die Diskussionen mit den Eltern sicher abkürzen.


Lea Erhard: Ich führe die Diskussionen trotzdem, auch wenn es von der Aufnahme des Kindes an völlig klar ist, welche Regeln bei uns diesbezüglich gelten. Man­che wollen es nicht verstehen, aber manche können es auch nicht verstehen – schlicht, weil es eine sprachliche oder kulturelle Barriere gibt. Was noch hinzukommt: Wir sind keine Ärzte. Wir wissen nicht, woher beispielsweise der Durchfall beim Krippenkind kommt – vom Zahnen oder einem Infekt? Also lassen wir das Kind lieber abho­len. Das ist ein schmaler Grat und oft schwierig für die Zusammenarbeit mit den Eltern.


Wäre es hilfreich, wenn jede Kita – zum Beispiel mit dem Gesundheitsamt – eigene Hausregeln dazu als Anlage zum Betreuungsvertrag formuliert und damit eine gewisse Verbindlichkeit herstellt?


Lea Erhard: Das kann ich mir schon als entlastend für die Kitafachkräfte in den Gruppen vorstellen. Aber ob es an den Betreuungsvertrag gekoppelt sein muss? Wich­tig wäre vor allem, solche Hausregeln in verschiedenen Sprachen oder rein visuell zu gestalten und so kurz und einfach wie möglich. Man könnte einen solchen Zettel regelmäßig in die Fächer oder auch als Info in die Willkommensmappe legen. Das könnte sich positiv auswir­ken, aber klar: Viele Eltern lesen es auch gar nicht.


Sehen Sie Alternativen?


Lea Erhard: Jede Kita hat einen Hygieneplan, der alle ein bis zwei Jahre erneuert wird. Die Einrichtungen haben dafür ihre Ansprechpersonen, die die dazugehörende Begehung machen. Vielleicht könnte man das Thema dort anbringen und den Hygieneplan ergänzen.

Wie kommt das Landesreferat des BRK in dieser Sache ins Spiel?


Hermine Brenauer: Wir stellen unseren Einrichtungen vor allem Informationen und unterstützende Handlungs­leitfäden über das Intranet zur Verfügung. Hier lassen sich viele Dokumente herunterladen, die dann auch an die Eltern weitergegeben werden können. Außer­dem haben wir eine interne Rechtsabteilung, die zum Beispiel Einwände von Eltern zu Vertragsbestandteilen oder sonstige Beschwerden prüft. Und da komme ich auch noch mal auf die Verbindlichkeit von Hausregeln zurück: Wenn Eltern uneinsichtig sind, ist unser Hand­lungsspielraum begrenzt. In meiner Position kann ich die Kolleginnen und Kollegen in den Einrichtungen aber mit Informationen und Empfehlungen versorgen und sie damit unterstützen.

Die Fragen stellte Stefanie Richter

 

 

Aktualisierte Empfehlungen für entsprechende Hausregeln gibt es auf unserer Webseite: www.kinderkinder.dguv.de/hausregeln-kranke-kinder/

Die Gesprächspartnerinnen

Hermine Brenauer ist Landesreferentin für Kindertageseinrichtungen des Bayerischen Roten Kreuzes, das mehr als 330 Kinder tages- und Schulkindbetreuungseinrichtungen in (Mit-)Trägerschaft hat. Sie berät Träger und Kitaleitungen in sämtlichen Belangen – auch was den Umgang mit kranken Kindern betrifft.

Lea Erhard ist Einrichtungsleiterin und Kinderschutzfachkraft der integrativen Tagesstätte „Zirbelzwerge“ in Augsburg.

*Transparenzhinweis: In der ursprünglichen und gedruckten Version heißt es, in Bayern sei im Rahmenhygieneplan eine Empfehlung zum Umgang mit Kinder mit ansteckenden Krankheiten enthalten. Dies war missverständlich formuliert und wurde online geändert.

Einer krank, alle krank

Linus steht verloren in der Tür zur Gruppe. Normalerweise läuft der schmächtige Junge sofort zu seinem besten Freund, um mit ihm zu spielen. Doch heute geht es ihm nicht gut. Linus’ Husten ist in der letzten Woche schlimmer geworden. Seit Tagen kann er deswegen kaum mehr schlafen. Seine Bezugserzieherin Barbara merkt sofort, dass es ihm nicht gut geht und nimmt sich den Jungen auf den Schoß.

Eigentlich gehört Linus in diesem Zustand ins Bett. Aber die Erzieherin kennt die Mutter gut und weiß, dass sie Angst vor einem Krisengespräch mit ihrem Chef hat, wenn sie schon wieder nicht zur Arbeit kommt. Also wiegt Barbara den hustenden Linus auf ihrem Schoß und streichelt seinen Rücken – während 18 andere Kinder um sie herum wuseln und sich balgen – es herrscht Chaos. Die Erzieherin spürt kalten Schweiß aufsteigen.

Kurz
gesagt!

  • Kranke Kinder stecken in der Kita andere an
  • Ihre Betreuung bedeutet eine zusätzliche Arbeitsbelastung
  • Erklären Sie den Eltern, weshalb das Kind zu Hause bleiben muss
  • Stellen Sie Hausregeln zum Thema „Kranke Kinder“ auf

Allzeit Erkältungszeit

Im Winterhalbjahr ist diese Situation vermutlich Alltag in jeder Kita. Erkältungszeit ist sogar das gesamte Jahr über. Gerade bei Kindern, deren Immunsystem noch nicht ausgereift ist, können die Folgen einer nicht auskurierten Infektion gravierend sein – ein grippaler Infekt kann zum Beispiel in eine Herzmuskelentzündung und Husten in eine Lungenentzündung münden. Werden die oft weinerlichen, anhänglichen kranken Kinder in die Kita geschickt, stecken sie zudem andere Kinder an.

Auch der Betreuungsaufwand wird um ein Vielfaches höher und intensiver. Erzieherinnen und Erzieher die Nasen putzen, Durchfallwindeln wechseln und Erbrochenes wegwischen, haben natürlich auch ein großes Risiko, selbst krank zu werden. Es gibt pädagogische Fachkräfte, die sich dennoch zur Arbeit schleppen, um ihre Kolleginnen und Kollegen nicht im Stich zu lassen. Doch dabei reichen sie ihre Krankheitserreger an das Team weiter. Ein Teufelskreis droht, wenn kranke Kinder und Erwachsene nicht konsequent zu Hause bleiben. Die Gründe, weshalb kranke Kinder in die Kita geschickt werden, sind unterschiedlich. Eine Ursache kann beispielsweise sein, dass beide Elternteile berufstätig sind und voll im Job gefordert werden.

Ihre Kita – Ihre Hausregeln

Emotional aufgeladene Gespräche mit den Eltern darüber, ob das Kind nun krank ist oder nicht, lassen sich durch sogenannte Hausregeln vermeiden. Diese verbindlichen Regelungen erstellt die Kita-Leitung zusammen mit ihrem Team und dem zuständigen Gesundheitsamt. Die Hausregeln kann sich die Kita-Leitung beispielsweise von den Eltern unterschreiben lassen und dem Betreuungsvertrag als Anlage beifügen. Die Regeln legen auch fest, in welchen Fällen Kinder abgeholt werden müssen. Dazu gehören Fieber, Erbrechen oder entzündete Augen. Geregelt ist auch, bei welchen Krankheiten ein ärztliches Attest bei der Rückkehr in die Kita notwendig ist.

Die Hausregeln müssen für alle Eltern täglich sichtbar sein. Ein geeigneter Ort für den Aushang ist das schwarze Brett oder die Eingangstür. Mit dem Hinweis auf die Hausregeln sind die Eltern zusätzlich dafür sensibilisiert, dass ihre kranken Kinder nach Hause und nicht in die Kita gehören. Die Kita darf als Gemeinschaftseinrichtung laut Infektionsschutzgesetz Kinder mit bestimmten Krankheiten auch gar nicht aufnehmen. Durch eine gute Kommunikation mit den Eltern steht gesunden Kindern und Beschäftigten in der Kita nichts im Wege.

Checkliste Krankheit und Hygiene

  • Prüfen Sie regelmäßig, ob die Telefonnummern der Eltern aktuell sind.
  • Bringen Sie ein krankes Kind in einen ruhigen Nebenraum, bis es abgeholt wird.
  • Ziehen Sie beim Wickeln oder Beseitigen von Stuhl oder Erbrochenem Schutzhandschuhe an.
  • Waschen oder desinfizieren Sie Ihre Hände regelmäßig.
  • Hängen Sie bei aktuell auft retenden, ansteckenden und meldepflichtigen Krankheiten ausführliche Informationen über die Krankheit, deren Verlauf, Symptome, Inkubationszeit und Ansteckungswege aus.
  • Verteilen Sie ergänzend dazu Elternbriefe, bei Bedarf in verschiedenen Sprachen

WEITERE INFOS

Informationen zum Infektionsschutzgesetz sowie zu meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserregern gibt es unter:
www.rki.de > Infektionsschutz sowie beim zuständigen Gesundheitsamt.

Ein Muster für einen möglichen Aushang mit Hausregeln, den Sie an Ihre eigenen Gegebenheiten anpassen sollten, finden Sie (in mehreren Sprachen) zum direkten Download hier: Hausregeln: Kranke Kinder

Sie können dazu – ebenfalls in sechs Sprachen – Plakate bei der DGUV bestellen: https://publikationen.dguv.de/praevention/allgemeine-informationen/4686/hausregeln-kranke-kinder