KURZ GESAGT!
_Vorüberlegung: Bedarf ermitteln und Partner mit ins Boot holen
_Pädagogisches Konzept und Schutzkonzept für den Kitastandort erstellen
_Aufsichtsführung spielt in Waldkitas eine entscheidende Rolle
Sie haben das Für und Wider gegeneinander abgewogen und wollen eine Waldkita gründen? Dann sollte einer Ihrer ersten Wege zum Jugendamt oder zu der Behörde führen, die in Ihrem Bundesland für die Erteilung einer Betriebserlaubnis zuständig ist. Kommen Sie aus Bayern, genauer aus Bad Tölz-Wolfratshausen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie mit Andrea Estermann sprechen werden. Denn als Fachaufsicht berät sie für das dortige Landratsamt Kindertagesstätten und erteilt Betriebserlaubnisse – sofern Kitas die Anforderungen erfüllen. Exemplarisch erklärt sie, worauf es bei der Gründung von Waldkitas ankommt, die sie als „wunderbare Ergänzung des pädagogischen Angebots“ schätzt.
Zeitrahmen: Mindestens ein Jahr von der Idee zur Eröffnung
Zunächst klärt sie mit dem Träger: Gibt es überhaupt genügend Eltern, die ihre Kinder zur Betreuung in den Wald schicken würden? Wie steht die Kommune oder Gemeinde dazu? Und was wird benötigt, damit das Projekt zu einem Erfolg wird? Dafür müssen verschiedene Institutionen mit ins Boot geholt werden, etwa die Untere Bauaufsichtsbehörde (für das Errichten eines Schutzraums) und das Forstamt (für die Auswahl des Waldgebiets). „Der Träger muss sich bewusst sein, dass die Gründung einer Waldkita keine schnelle Lösung ist, um Betreuungsplätze zu schaffen“, sagt Andrea Estermann. Ein Jahr würde es von der Idee über die Planung und Genehmigung bis zur Eröffnung mindestens dauern.
Parallel zu den technischen und organisatorischen Planungen geht es für die Kitaträger an die konkreten inhaltlichen Überlegungen. „Jede Einrichtung muss ein pädagogisches Konzept und ein Schutzkonzept vorlegen“, sagt die Fachaufsicht. Sie prüft, ob das pädagogische Konzept die Anforderungen des bayerischen Bildungs- und Erziehungsplans erfüllt und die Kinder auf die Schule vorbereitet. Das Schutzkonzept, das auf den Ergebnissen der Gefährdungsbeurteilung basiert, muss Risiken benennen und Gegenmaßnahmen aufzeigen. „Der Fokus auf den Wald muss in beiden Konzepten klar erkennbar sein“, sagt Estermann.
Kälte, Hitze und Unwetter berücksichtigen
Eine große Rolle spielen bei den Gefährdungen die Umweltbedingungen: Kälte im Winter, Hitze und UV-Strahlung im Sommer sowie Gewitter, Starkregen oder Stürme. „Wir haben im Wald fast keine Kita, die ohne einen Rückzugsraum wie eine Schutzhütte oder einen Bauwagen auskommt“, sagt Estermann. Dort können außerdem Essen und Getränke sowie Kleidung gelagert werden.
Im Schutzraum ist auch ein Verbandskasten untergebracht. „Zusätzlich hat jede pädagogische Fachkraft im Wald Verbandsmaterial dabei“, sagt Estermann. „Wir erwarten für die Erteilung einer Betriebserlaubnis, dass alle Betreuungspersonen – auch aushelfende Eltern – die Rettungskette kennen und Erste Hilfe leisten können, nicht nur eine Person pro Gruppe.“ Ein aufgeladenes Mobiltelefon, über das Notrufe abgesetzt sowie Eltern, Ärzte und die Giftzentrale erreicht werden können, gehört zur Standardausrüstung.
Straßen, Bahnlinien und Gewässer können Ausschlusskriterien sein
Ein weiterer entscheidender Faktor für die Sicherheit ist die Standortwahl. „Man muss das immer individuell betrachten. Es muss jedoch ausgeschlossen werden, dass es eine Gefährdung der betreuten Kinder zum Beispiel durch stark befahrene Straßen oder durch nahe gelegene Eisenbahnstrecken gibt. Auch Seen oder fließende Gewässer nahe dem Hauptaufenthaltsbereich können ein Ausschlusskriterium sein“, sagt Arne Schröder. Als Aufsichtsperson der Kommunalen Unfallversicherung Bayern (KUVB) berät er Kitas zu Sicherheitsfragen. „Wir bringen unsere Expertise gerne ein und helfen bei Maßnahmen, um den Standort sicherer zu machen.“
Ein wesentlicher Aspekt: „In der freien Natur muss ich alles durch Aufsichtsführung regeln können“, sagt Arne Schröder. Damit dies gesichert ist, wird die Anzahl der Betreuungspersonen in Bayern häufig in der Betriebserlaubnis geregelt. Auf eine pädagogische Fachkraft kommen dabei im Durchschnitt weniger Kinder als in Regeleinrichtungen. Eine besondere Qualifikation der Fachkräfte ist zwar nicht vorgeschrieben, sie wird aber aus nachvollziehbaren Gründen erwartet. „Wenn ich nicht weiß, was der UV-Index ist oder welche Pflanzen giftig sind, dann habe ich in der Waldkita ein Problem“, veranschaulicht Schröder.
Weniger Unfälle in Waldkitas
Mehr Unfälle mit Verletzungen ereignen sich in Waldkitas nicht – im Gegenteil, wie ein KUVB-interner Vergleich der Unfallzahlen mit Regelkitas zeigt. „In der Regelkita ist die Sicherheit stark durch die Gestaltung der Räumlichkeiten und eines eingezäunten Außengeländes vorgegeben“, veranschaulicht der Präventionsexperte. „Im Wald sind die Kinder aufmerksamer und achten mehr auf ihre Umwelt.“ Sie würden nirgendwo so gut wie in der Natur lernen, Risiken und sich selbst realistisch einzuschätzen, sagt Schröder, der das Fazit zieht: „Waldkitas sind eine gute Möglichkeit, die Kompetenzen von Kindern ganzheitlich zu fördern und ihren Bedürfnissen gerecht zu werden.“