Es geht auf die Mittagspause zu. Die Kinder freuen sich aufs Essen. Aber auch Tiere haben Hunger. Erzählen Sie doch die Geschichte, wie verschiedene Tiere an ihr Futter kommen. Dann machen Sie die Bewegungen vor und die Kinder ahmen sie nach. Das macht Spaß und entspannt Rücken, Nacken und Schultern.
„Die Giraffe … frisst die Blätter ganz oben von den Bäumen.“
Arme so weit es geht nach oben strecken.
„Die Eule … schaut sich in allen Richtungen nach ihrem Futter um.“
Arme anlegen und Oberkörper ganz weit nach links und dann ganz weit nach rechts drehen.
„Der Vogel … sucht sein Futter aus der Luft.“
Arme zur Seite strecken und wie Flügel auf und ab bewegen.
„Die Schlange … schlängelt sich zum Futter.“
Arme anlegen und mit dem Körper eine Schlangenbewegung machen.
Das IfSG ist in typischem Amtsdeutsch geschrieben. Welche Passagen sollten Kitabeschäftigte dennoch kennen?
Alle für Kitas besonders relevanten Passagen stehen im 6. Abschnitt. Dieser regelt beispielsweise, bei welchen Krankheiten ein Betretungsverbot für die Kita gilt und dass die Kitabeschäftigten regelmäßig über die Infektionsschutzmaßnahmen belehrt werden müssen. Paragraf 36 gibt vor, dass Kitas sogenannte innerbetriebliche Verfahrensweisen zur Infektionshygiene festlegen müssen. Das ist ein kurzer Satz, aus dem sich viel ableitet, etwa dass die Kitaleitung einen Hygieneplan für die Einrichtung erstellen muss.
Wie macht sie das?
Es gibt Rahmenhygienepläne, mit deren Hilfe die Kitaleitung einen für die eigene Einrichtung angepassten Hygieneplan aufstellen kann. Dazu muss sie sich einmal intensiv damit befassen. Sollte sie dabei unsicher sein, ist das örtliche Gesundheitsamt eine gute Anlaufstelle. Wichtig ist, dass der Hygieneplan regelmäßig überprüft und falls nötig an neue Gegebenheiten angepasst wird.
Das IfSG regelt auch, Sie sprachen es an, dass Kinder mit bestimmten ansteckenden Krankheiten die Kita nicht besuchen dürfen. Muss die Kita dies dem Gesundheitsamt melden?
Das Betretungsverbot gilt nicht nur für Kinder, sondern generell für alle Personen, die an einer im IfSG genannten Infektionskrankheit erkrankt oder dessen verdächtig sind, und sogar für Personen, die im gleichen Haushalt mit Erkrankten leben. Ist ein Kind oder jemand aus dem Haushalt ansteckend erkrankt, sind die Eltern verpflichtet, der Kita das mitzuteilen. Die Kitaleitung ist dann in der Pflicht, das für die Einrichtung zuständige Gesundheitsamt über diesen Sachverhalt zu informieren. (Im Detail betrifft dies die unter § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 5 und unter § 34 Abs. 1, 2 und 3 des IfSG gelisteten Erkrankungen.) Die Form der Übermittlung der Daten hingegen ist nicht vorgegeben – beispielsweise wäre ein einfacher Anruf beim zuständigen Gesundheitsamt möglich, das – falls erforderlich – gezielt alle fehlenden Angaben abfragen kann.
In welchen Fällen muss die Kita das Gesundheitsamt außerdem informieren?
Etwa bei einer Häufung von gleichartigen, schwerwiegenden Erkrankungen. Wenn es in der Einrichtung zeitgleich zwei oder mehr Betroffene mit gleicher oder ähnlicher Symptomatik gibt, zum Beispiel Durchfall unklarer Ursache, ist die Leitung verpflichtet, diese Information an das Gesundheitsamt zu geben. Die Paragrafen 6 und 34 listen viele Krankheiten auf und welche Maßnahmen sich jeweils ableiten – das ist für eine Kitaleitung jedoch nur schwer überschaubar. Deshalb können wir nur dazu raten, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zum örtlichen Gesundheitsamt zu pflegen und lieber einmal zu oft anzurufen als einmal zu wenig. Hier sitzen die Fachleute, die beratend zur Seite stehen, wenn etwas im Einzelfall unklar sein sollte.
Gibt es eine Regelung, in welcher Form Eltern über ansteckende Krankheiten informiert werden müssen?
Nein. Das Gesetz gibt die Form nicht vor. Die Kitaleitung muss sich überlegen, über welchen Weg möglichst alle Eltern am besten informiert werden können. Das Konzept kann bei Bedarf ebenfalls mit den Fachleuten des örtlichen Gesundheitsamts abgestimmt werden. Aushänge, Mail oder Messenger – prinzipiell sind alle möglich, auch parallel.
Die Fragen beantworteten Dr. Ursula Kaspar und Dr. Sebastian Thole vom Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen.
Rahmenhygienepläne finden Sie in der Regel auf den Webseiten der Landesgesundheitsämter. Der für NRW ist vorbildlich: https://kurzlinks.de/vvdq7
_Bastelmaterial muss ungefährlich und für Kinder geeignet sein
_Das Alter und die Fähigkeit der Kinder berücksichtigen
_Vorsicht bei Kleinteilen – praktische Schablone hilft, das Risiko zu prüfen
Mit der Schere schneiden die Kinder kleine Igel aus brauner Pappe aus, kleben Stöckchen als Stacheln und Wackel augen darauf, zum Schluss wird mit rotem Filzstift ein lachender Mund aufgemalt. Derweil stapfen die Krippenkinder durch den Garten, sammeln Blätter und Kastanien. Auch sie wollen Herbstbilder fürs Fenster basteln: Dafür pinseln sie Klebstoff auf Pergamentpapier und drücken die bunten Blätter darauf. Wichtig ist, die Kinder beim Basteln gut im Blick zu haben: Die Gefahr ist groß, dass sie etwas in den Mund stecken und verschlucken oder sich anderweitig verletzen. Deshalb gilt es in Kitas, genau darauf zu achten, für welches Alter das Bastelmaterial geeignet ist.
Ob Scheren, Prickelnadeln, Kleber oder Kleinteile: Das Internetportal „Sichere Kita“ der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen – www.sichere-kita.de – empfiehlt, so etwas nur dann in die Hände von Kindern unter drei Jahren zu geben, wenn eine erhöhte Aufsicht sichergestellt wird. Das kann in altersgemischten Gruppen zu Konflikten führen, weil die Kleinen am liebsten den Großen alles nachmachen. Deshalb müssen die pädagogischen Fachkräfte vorher gut abwägen: Wie können sie die Selbstständigkeit aller Kinder in der Kita fördern, aber zugleich Risiken vermeiden? Das hängt im Einzelfall davon ab, wie viel Personal zur Verfügung steht und welche Alternativen möglich sind.
Nur gesundheitsverträgliches Material nutzen
Wichtig ist, nur lösemittelfreie Kleber, Malfarben und Stifte zu verwenden. Generell sollte Bastelmaterial so ausgewählt werden, dass davon – bei ordentlichem Gebrauch – keine Gefahr ausgeht. Ein wichtiger Hinweis dafür ist das CE-Zeichen mit der Angabe, ab welchem Alter das Produkt für Kinder geeignet ist. Zudem sollten Kitas darauf achten, dass die Materialien auf Sicherheit geprüft wurden. Davon zeugt zum Beispiel das Siegel „spiel gut“ mit dem roten Kreis, die Buchstaben des GS-Siegels stehen für geprüfte Sicherheit.
Egal welches Alter: Kinder lieben es, mit ihren Händen zu matschen und etwas zu gestalten. Dafür eignen sich Sandknetmasse, lufthärtende Modelliermasse oder Ton. Aber auch aus Materialien wie Salzteig lassen sich tolle Anhänger basteln. Vorsicht bei Modellgips! Weil die Temperatur während des Aushärtens extrem steigt, besteht die Gefahr schwerer Hautverbrennungen. Deshalb niemals Hände und Füße vollständig mit Gips umschließen! Als Alternativen zum Abformen sollten in Kitas nur hautfreundliche Silikon- oder Alginatprodukte zum Einsatz kommen. Für alle Produkte gilt, dass immer die technischen Merkblätter, Produktblätter und Sicherheitshinweise zu beachten sind. Außerdem dürfen sie nur entsprechend den Herstellerangaben und nicht für andere Zwecke verwendet werden.
Achtung Kleinteile
Bunte Federn, Stoffreste, Knöpfe, Bierdeckel und Holz-kugeln, alles schön sortiert in kleinen Bechern oder Gläsern: Sinnvoll ist es, geeignete Materialien so zu präsentieren, dass die Kinder direkt Lust aufs Basteln bekommen. Zu vermeiden sind überfüllte Regale und geöffnete Schränke. Ungefährliches Material sollte leicht zugänglich sein. Alles andere muss sicher aufbewahrt werden, damit es nicht in die Hände von Kleinkindern gelangt. Dazu zählen Plastiktüten, Luftballons, Seile sowie scharfe und spitze Gegenstände. Auch Bügelperlen, Muggelsteine, Figuren von Brettspielen und andere Kleinteile stellen eine Gefahr dar: Kleinkinder können sie leicht verschlucken und daran ersticken. Ob Kleinteile gefährlich sind, hängt von ihrer Größe und Form ab. Mit einem Zylinder und einer Schablone lässt sich leicht prüfen, ob sie ein Risiko darstellen. Praktisch: Das Internetportal „Sichere Kita“ der Unfallkasse NRW stellt eine Vorlage als PDF bereit unter: www.sichere-kita.de, Webcode: W12.
Außerdem warnt die Unfallkasse Nord eindringlich vor Wasserperlen: Die kleinen Gelkügelchen sind im trockenen Zustand nur wenige Millimeter groß, sobald sie mit Wasser in Kontakt kommen, quellen sie auf und vergrößern sich um das Hundertfache. Werden die Perlen verschluckt, in Ohr oder Nase gesteckt, drohen schwere gesundheitliche Schäden.
Aber fest steht: Mit Sicherheit macht Basteln vielen Kindern großen Spaß – und schult nebenbei die unterschiedlichsten Fähigkeiten. Kinder verwandeln Kastanien in lustige Männchen, sie falten Drachen aus Papier, bekleben Laternen mit Blättern, stellen selbst Knete her, legen Mandalas aus Naturmaterial – und, und, und. Herbst ist Bastelzeit für große und kleine Kinder.
_ Inklusion ist (noch immer) ein stetiger Lernprozess
_ Das Erlernen der Gebärdensprache ist für Taube Kinder essenziell für die Teilhabe
Uljana und Ela sind ein Herz und eine Seele. Es gibt sie nur im Doppelpack. Die beiden Mädchen tanzen quiekend und hüpfend durch den Flur, nachdem sie zuvor hingebungsvoll Bilder mit Glitzerkleber verziert haben: Einhörner und Regenbögen sind gerade hoch im Kurs. Wenn Ela ihre Freundin beschreibt, dann reibt sie sich in einer kreisenden Bewegung über die Wange, während sie kichert: „Uljana ist so lustig!“ Die kleine Geste ist Uljanas Gebärdenname. Alle Kinder und Erwachsenen in der Fröbel-Kita „Wangener Höhe“, einer Regelkita im Stuttgarter Osten, haben einen solchen. Uljana sucht ihn bereits für die Krippenkinder aus: Was passt zu dem Kind? Was ist unverwechselbar? Die Vierjährige hat einen ganz präzisen Blick, sodass der Gebärdenname oft eine klitzekleine Charakterisierung der Person ist. Uljana ist Expertin im Gebärden, es ist ihre Muttersprache, denn sie ist Taub.
Im Kita-Alltag helfen ihr abwechselnd drei Assistenzkräfte. Das ist nicht selbstverständlich. Nur mit viel Durchhaltevermögen konnten die Eltern bei den entsprechenden Stellen durchsetzen, dass ihre Tochter bis zum Schuleintritt ganztägig durch eine gebärdensprachunterstützende Assistenz begleitet wird. Es war den Eltern wichtig, dass diese ebenfalls gehörlos ist, damit Uljana merkt: Ich bin nicht allein „anders“ und meine Assistentinnen sind selbstbewusste und selbstständige Frauen – das kann ich auch werden. Den hörenden pädagogischen Fachkräften zufolge ist sie diesbezüglich auf dem besten Weg. „Uljana ist ein tolles Kind mit einer fantastischen Selbstwirksamkeit“, meint etwa Melanie Ammann, die stellvertretende Leiterin der Kita. „Es freut mich zu sehen, dass sie ein so lebendiges, fröhliches und resilientes Kind ist.“
Erst durch Uljana, ihre Familie und die Assistentinnen hat das Team – besonders unter der seit einem knappen Jahr tätigen Leitung von Vivien Zmuk und Melanie Ammann – Inklusion als ein Kernthema für ihre Einrichtung entdeckt. „Wir sind noch auf dem Weg, aber wir meinen es ernst und wollen in Zukunft für weitere gehörlose Kinder eine gute Umgebung schaffen und bilden uns dazu fort“, erklärt Kita-leiterin Vivien Zmuk. Perspektivisch soll die Kita „Wangener Höhe“ die Kita in der Region werden, die sich der Inklusion gehörloser Kinder annimmt.
Cochlea-Implantat vereinfacht für Hörende vieles
Da Uljana Cochlea-Implantate (CI) hat, kann sie Lautsprache „hören“ und auch gut in Lautsprache sprechen. Das erleichtert vieles. Die Gebärdensprachdolmetscherin Petra Daalmann, die als Geschäftsführerin von TalaMano auch die Assistenzkräfte von Uljana organisiert, verdeutlicht: „Durch ein CI können gehörlose Menschen zwar hören, aber es sind zunächst nur Geräusche. Aus diesem ‚Brei‘ müssen sie die wichtigen Informationen herausfiltern und dann noch den Sinn verstehen. Auch ist es schwierig, die Richtung eines Geräuschs auszumachen. Das alles ist – gerade für Kinder – sehr anstrengend.“ Ein CI ist zwar ein gutes Hilfsmittel, trotzdem gilt es, die Barrieren für gehörlose Menschen so gering wie möglich zu halten, etwa durch das zusätzliche Verwenden visueller Signale.
Uljana steht mit ihrer Assistentin Sonja* in stetem Augenkontakt, etwa wenn ihr in einer Situation etwas unklar ist. Sonja gebärdet dann eine Erklärung. Zu Hause lernt Uljana die Deutsche Gebärdenspräche – eine anerkannte eigenständige Sprache mit eigener Grammatik. Sonja ist für die Vierjährige somit auch ein gebärdensprachliches Vorbild, mit dem sie außerhalb der Lautsprache kommunizieren kann, ein wichtiger Aspekt der Inklusion. Es fällt auf, dass einige der pädagogischen Fachkräfte auch im Umgang mit anderen Kindern ihre Worte mit Gebärden begleiten. Darauf angesprochen lacht Melanie Ammann: „Wir sind darin noch nicht sehr gut. Sonja und die anderen Assistentinnen bringen uns viel bei und wir werden täglich besser.“ Zur Frage, ob ein Teil des Teams die Gebärdensprache systematisch erlernen möchte, sagt sie: „Das Interesse ist auf jeden Fall vorhanden!“ Sie empfindet diese Sprache als sehr wirkmächtig. „Auch Kinder, die akustisch sprechen können, verwenden zunehmend die Gebärdensprache in ihrer Kommunikation mit anderen Kindern – so wird Inklusion intuitiv in der frühen Kindheit gelebt.“
Hilfreich ist sicherlich, dass man überall im Gebäude auf Piktogramme mit Bildern und den entsprechenden Gebärden stößt: die Zahlen, die Buchstaben, die Wochentage und Monate, der Ausdruck für verschiedene Gefühle. Es gibt eine Gebärde der Woche und an jedem Eigentumsfach hängt neben dem Namen und dem Foto des Kindes auch eines mit der dazugehörigen Gebärde.
Gebärdensprachdolmetscherin für komplexe Gespräche
Die Verständigung zwischen den pädagogischen Fachkräften und den Assistenzkräften erfolgt mithilfe von bereits gelernten Gebärden, Pantomime oder auch mal schriftlich. Für angekündigte komplexere Gespräche, zum Beispiel das Entwicklungsgespräch mit Uljanas Eltern, kommt eine Gebärdensprachdolmetscherin oder ein -dolmetscher hinzu. Da Uljana beide Sprachen gut beherrscht – die Lautsprache sowie die Gebärdensprache –, käme sie notfalls auch allein gut zurecht. „Da hat sie große Vorteile“, gebärdet Sonja. Dass sie selbst gehörlos ist, stellt in der täglichen Arbeit kein Hindernis dar. „Inzwischen wissen das alle und stellen sich darauf ein.“
Ideal wäre es, wenn es in einer Kita nicht nur ein einzelnes gehörloses Kind gäbe, sagt Petra Daalmann. „Dann haben die Kinder untereinander die Möglichkeit des Austauschs und wissen: Ich bin mit meiner Besonderheit nicht allein“, erläutert sie. Zudem stärke dies den Aufbau der Kompetenzen eines Teams im Hinblick auf die Bedürfnisse Gehörloser.
Inklusion ist ein Prozess
Sonja begleitet ihren Schützling Uljana bereits seit den ersten Tagen in der Kita „Wangener Höhe“. Zunächst war die Einrichtung nur rudimentär auf die Aufnahme eines Tauben Kindes vorbereitet und so waren die Anfänge für alle ein Lernprozess. Vivien Zmuk, die zu der Zeit noch in einer anderen Kita beschäftigt war, sieht sich und ihr Team auf einem guten Weg. Der Träger unterstützt dabei mit großzügigen Regelungen für Fortbildungen, schließlich ist Inklusion auch als zentrales Thema in den Qualitätskriterien benannt. So hat erst kürzlich das gesamte Kitateam über die Fröbel-Fachberatung an einer ganztägigen Schulung zur Sensibilisierung zum Umgang mit Menschen mit Hörbeeinträchtigungen teilgenommen. „Dadurch haben wir neue Standards für uns entwickelt“, erläutert Melanie Ammann. Vieles sei dennoch „Learning by Doing“. Vivien Zmuk betont, dass es zwingend einer objektiven Grundhaltung der Fachkräfte zu Inklusion und inklusiver Pädagogik bedürfe, um einem behinderten Kind positiv entgegenzutreten. „Wir leben das aufgrund unserer Vorbildfunktion den Kindern und Eltern vor. Aber es ist von Beginn bis heute ein Prozess.“
Melanie Ammann spricht allen Fachkräften Mut zu, die bei der Überlegung noch zögern, die Einrichtung für Gehörlose zu öffnen. „Es ist machbar, und es ist auf so vielen Ebenen bereichernd!“ Kitaleiterin Zmuk wünscht sich, „all das, was wir aufgebaut haben und weiter aufbauen werden, weitergeben und leben zu kön-nen. Auch dann, wenn Uljana in zwei Jahren in die Schule kommt und nicht mehr bei uns im Haus ist.“
Aber noch tobt Uljana mit ihren Freundinnen durch die Räume und Flure. Mittendrin, so wie es sein soll.
AHA
Gehörlose sind auf andere als akustische Signale angewiesen. Warnsignale, etwa der Feueralarm, müssen deshalb für sie auch über andere Sinne (Lichteffekte, Vibrationen) wahrnehmbar sein. Bei den Gefährdungsbeurteilungen müssen die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen – egal ob Beschäftigte oder Kinder – berücksichtigt werden. Wie eine solche aussehen könnte, ist beispielhaft in diesem PDF „Inkludierte Gefährdungsbeurteilungen“ dargestellt: https://kurzlinks.de/1nec
Frühförderung, Hilfen zur Erziehung oder Frühe Hilfen? Die Frühförderung bzw. heilpädagogische Leistungen richten sich ganz konkret an das Kind. Um sie in Anspruch nehmen zu können, ist eine Diagnostik notwendig. Dies ist für Hilfen zur Erziehung nicht der Fall. Beides sind Antragsleistungen. Frühe Hilfen sind niedrigschwellig, richten sich an Familien mit Kindern von null bis drei Jahren und können ohne Antrag in Anspruch genommen werden. Eine genaue Übersicht haben wir für Sie zusammengestellt unter: www.kinderkinder.dguv.de/fruehehilfen
Die Diakonie Pfalz beschreibt in ihrem Projektbericht „Herausforderungen durch Verhalten im pädagogischen Alltag professionell bewältigen“ praxisnahe Strategien zur Prozessentwicklung. Entwickelt und evaluiert durch das Projekt „Offensive Bildung“, bietet die Broschüre die Übersicht über ein empirisch fundiertes Curriculum mit Fortbildungsmodulen und Prozessbegleitungen, um Fachkräften individuelle Handlungsstrategien zu vermitteln. Ziel ist die Förderung optimaler Entwicklungschancen für Kinder und die Unterstützung der Fachkräfte bei ihrer täglichen Arbeit. Die Broschüre gibt es als PDF kostenlos unter: https://kurzelinks.de/ats8
Die systemische Sicht auf herausforderndes Verhalten birgt den großen Vorteil, Zuschreibungen an das Kind zu vermeiden. Denn nach Auffassung vieler Pädagoginnen und Pädagogen zeigt ein Kind immer sein bestmögliches Verhalten. Das beschreibt gut der Kita-Fachtext „Jedes Verhalten macht Sinn. Herausfordernde Situationen in der Kita systemisch betrachtet“, der hier zum Download bereitsteht: https://kurzelinks.de/q4bz
Wie beschrieben ist ein zentraler Punkt im Umgang mit Kindern, die herausforderndes Verhalten zeigen, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Eltern. Einen Leitfaden für Elterngespräche und weitere hilfreiche Materialien gibt es auf dem Internetportal der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): https://kurzelinks.de/lur7
In dem hörenswerten Podcast „Schätze finden – statt Fehler suchen. Herausforderndes Verhalten verstehen“ unterhalten sich Kindheitspädagogin Kathrin Hohmann und Fortbildnerin Anja Cantzler darüber, welche Gründe hinter kindlichem Verhalten stehen und wie Fachkräfte es handlungsleitend begleiten können: https://kurzelinks.de/r473
_Zuschreibungen an die Kinder vermeiden, Ressourcen fördern
_Unterstützung durch das Team oder Fachberatungen suchen
_Sensibel die Eltern ins Boot holen
Heute läuft es richtig gut mit Juri. Bislang. Später wird er draußen mit Sand nach anderen Kindern werfen, seinen Freund Oskar so fest umarmen, dass dieser vor Schmerz zu weinen beginnt, und wütend ein Brettspiel vom Tisch fegen, weil er zu verlieren droht.
„Juri ist eigentlich ein toller Junge, ein echter Sonnenschein, der sich für alles interessiert und viele gute Ideen hat. Aber es ist oft sehr, sehr anstrengend mit ihm“, meint Erzieherin Alessia. An manchen Tagen sprengt er praktisch alle Regeln. Er ist laut, redet ständig hinein, rennt weg, ärgert die anderen Mädchen und Jungen. Alessia sieht sich langsam an einer Grenze, obwohl sie ein großes Herz und starke Nerven hat: „Ich habe ja noch mehr als dieses Kind in der Gruppe. Ich kann mich doch nicht nur um Juri kümmern!“
Unterstützung durchs Team
Wenn Kinder die pädagogischen Fachkräfte mit ihrem Verhalten herausfordern, kann das viele Gründe haben. Spätestens, wenn sich die Erzieherinnen und Erzieher zunehmend dabei ertappen, das Kind mit einem imaginären Etikett zu versehen („Er/Sie ist immer …“), sollten sie die Unterstützung ihres Teams suchen. Denn natürlich ist der eigene Blick auf ein Kind stets subjektiv und geprägt von der eigenen Biografie sowie Vorstellungen davon, was „normal“ ist. Aus der Perspektive anderer mag das Verhalten abweichend bewertet werden. Alessia bespricht sich zunächst mit ihren Teamkolleginnen. Auch sie finden Juris Verhalten oft schwierig. Vielleicht braucht er zusätzliche und andere Hilfe? In den nächsten Tagen und Wochen beobachten Alessia und die Kolleginnen Juris Verhalten sehr genau – wann genau wird es als anstrengend empfunden und wann nicht? Dies ist nicht nur wesentlich, um im Team Hilfen zu entwickeln, sondern auch, um das diffus Empfundene konkret zu machen und dann professionell mit den Eltern ein Gespräch zu suchen. Das wirkt der eigenen Abwehrspirale entgegen und spiegelt auch den Eltern, dass ihr Kind wahrgenommen wird und es auch viele tolle Seiten hat.
Eltern sensibel einbeziehen
Am Anfang jeder Intervention steht ein Elterngespräch. Dabei ist Fingerspitzengefühl gefragt; es sollte gut vorbereitet sein. Die Fachkräfte sollten signalisieren: „Wir machen uns Sorgen. Wir wollen mit Ihnen zusammen das Beste für Ihr Kind.“ Es ist sinnvoll, von den eigenen Beobachtungen zu berichten und nach der Sicht der Eltern zu fragen. Wie erleben sie ihr Kind? Haben sie Ideen, warum es sich in der Kita so verhält? Was tun sie in vergleichbaren Situationen? Was könnte dem Kind helfen? Sollen weitere Personen oder Unterstützungssysteme herangezogen werden? Nur mit Mitwirkung und Einwilligung der Eltern ist eine gute Lösung für das Kind zu erreichen, ohne Zustimmung dürfen externe Fachstellen nicht kontaktiert werden. Ein weiterer Grund für eine sensible Vorgehensweise, die auch die Unterschiedlichkeit von Erziehungs- und Lebensvorstellungen würdigt.
Hilfreich ist es, den oftmals überforderten Eltern konkrete Adressen oder Kontakte nennen zu können: Wer kann sie – abgesehen von der Kinderärztin oder dem Kinderarzt – beraten? Oft gibt es regionale, unabhängige Erziehungsberatungsstellen – manche arbeiten auch online. Diese können die Familie strukturiert über das weitere Vorgehen informieren und in konkreten Situationen unterstützen. Wo gibt es geeignete Sportvereine? Welche therapeutischen Einrichtungen (von Logopädie über Ergotherapie bis hin zu Psychotherapie) existieren in Wohnortnähe? Wohin können sich Eltern wenden, wenn sie bei Sprachbarrieren Unterstützung brauchen, um sich im Dschungel der Zuständigkeiten zurechtzufinden? Jede Einrichtung erleichtert sich selbst die Arbeit, solcherlei Kontakte im Sozialraum abrufbar und aktuell zu halten. Vielleicht kann man sich dafür mit weiteren Einrichtungen aus der Nachbarschaft zusammenschließen, um präventiv gemeinsam „Netzwerklisten“ zu erstellen – das Rad muss nicht jedes Mal neu erfunden werden.
Tipp!
Es gibt durch Kitas organisierte und durchgeführte Programme, die Eltern dabei unterstützen, die sozio-emotionalen Kompetenzen ihrer Kinder zu fördern. Eines ist „Schatzsuche“. Die pädagogischen Fachkräfte der Kita leiten die Eltern durch Workshops und geben ihnen konkrete Handlungshilfen an die Hand, um sie in ihrer Erziehungsarbeit zu begleiten.
Mehr Infos unter: www.schatzsuche-kita.de
Das Gespräch mit Juris Eltern läuft gut. Sie sehen ein, dass ihr Sohn den Kita-Alltag durcheinanderwirbelt und deutlich mehr Unterstützung bei der Selbstregulation benötigt als Gleichaltrige. Die Kita empfiehlt, Juris Kinderärztin zu kontaktieren und eine nterdisziplinäre Frühförderstelle oder ein sozialpädiatrisches Zentrum aufzusuchen. Dort kann eine umfassende Diagnostik erfolgen, um den Förderbedarf sicher festzustellen. Da der Prozess auch schon mal Monate dauern kann, vereinbaren die Erzieherinnen mit den Eltern außerdem verschiedene Maßnahmen, die Juri – aber auch die Fachkräfte und die anderen Kinder – entlasten sollen. Der Kontakt zu den Eltern sollte in dieser Phase sehr eng sein. Denn für sie stellt die drohende Diagnose einer Behinderung einen existenziellen Einschnitt dar.
Entlastende Maßnahmen
Aber auch wenn die Eltern und externe Stellen mit an Bord sind, können sich die Fachkräfte in der täglichen Auseinandersetzung aufreiben und erleben das Verhalten nicht nur als störend, sondern als belastend. Das kann dazu beitragen, dass ungewollt Kinder ausgegrenzt oder auch stigmatisiert werden. Alessia meint dazu: „Ich versuche wirklich, Zuschreibungen zu vermeiden und immer auf die Stärken der Kinder zu sehen. Aber ich weiß auch: Ein Kind, das ständig Probleme macht, hat Probleme. Es hilft nicht, das schönzureden.“
Es ist in Ordnung sich und anderen gegenüber einzugestehen, dass man an die eigenen Belastungsgrenzen gelangt. Es kann bereits helfen, sich im Kreis der Kolleginnen und Kollegen auszutauschen. Auch bewusstes, langsames Atmen, dabei mental zurücktreten und innehalten, kann in akuten Situationen davor bewahren, dem Kind gegenüber unprofessionell zu agieren. Trotzdem sollten sich Kitateams konzeptionell auf ein systematisches Vorgehen verständigen, das über individuelle Strategien hinausgeht.
Eine sinnvolle Maßnahme ist laut dem Psychologen Klaus Fröhlich-Gildhoff (siehe Beitrag „Auffallend herausfordernd), zu einem gezeigten Verhalten eine zentrale Hypothese aufzustellen und anhand derer konkrete Handlungen abzuleiten. Dabei sollte nicht nur das Kind, sondern auch das „System“ (wie Familie, Kita) betrachtet werden. Das kann etwa im Rahmen der kollegialen Fallberatung geschehen, die sich gut eignet, um über vermeintlich „schwierige“ Kinder ins Gespräch zu kommen (siehe Infokasten). Diese Besprechungsrunden entlasten alle pädagogischen Fachkräfte. Sie haben den Vorteil, dass sie ins Handeln kommen und sich nicht länger hilflos fühlen. Wenn das gesamte Team die Verantwortung übernimmt, um die herausfordernde Situation professionell zu bewältigen, nimmt dies den Druck von einzelnen Personen.
Von der Diagnose zur Frühförderung
Schließlich erhält Juris Familie tatsächlich eine Diagnose. Sie lautet, dass der Junge Förderbedarf im sozial-emotionalen Bereich hat. Er ist noch zu jung, als dass ADHS sicher diagnostiziert werden kann, aber es gibt dafür viele Hinweise. Es wird nun ein detaillierter, interdisziplinärer Förder- und Behandlungsplan aufgestellt, dabei sind auch die pädagogischen Fachkräfte der Einrichtung gefragt. Zusammen mit fachärztlichen Stellungnahmen kann die Familie nun einen Antrag auf die Kostenübernahme für die heilpädagogische Behandlung bzw. Eingliederungshilfe stellen. In der Regel ist dafür das Jugend- oder Sozialamt zuständig. Läuft es optimal, unterstützen die Kitafachkräfte die Familie bei der Antragstellung – und beim notwendigen Widerspruch gegen den ersten Bescheid. Bei Juri wird schließlich ein erhöhter Förderbedarf (I-Status A) festgestellt, was bedeutet, dass der Kita 15 bis 20 zusätzliche Fachkraftstunden pro Woche zur Verfügung stehen, die vom Amt finanziert werden.
WICHTIG: Jedes Bundesland koordiniert und gestaltet die Frühförderung auf eigene Weise, die übergeordneten rechtlichen Grundlagen sind aber immer das SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe), das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG), das SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen) sowie die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK).
Alessia und die Kitaleiterin koordinieren die Zusammenarbeit mit der Integrationsfachkraft, die in das Kitateam integriert wird. Sie stellen gemeinsam sicher, dass die Maßnahmen des Förderplans umgesetzt werden. Regelmäßige Treffen mit den Eltern und Fachstellen dienen der Überprüfung und Anpassung der WICHTIG: Jedes Bundesland koordiniert und gestaltet die Frühförderung auf eigene Weise, die übergeordneten rechtlichen Grundlagen sind aber immer das SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe), das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG), das SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen) sowie die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Alessia und die Kitaleiterin koordinieren die Zusammenarbeit mit der Integrationsfachkraft, die in das Kitateam integriert wird. Sie stel-len gemeinsam sicher, dass die Maßnahmen des Förderplans umgesetzt werden. Regelmä-ßige Treffen mit den Eltern und Fachstellen dienen der Überprüfung und Anpassung der WICHTIG: Jedes Bundesland koordiniert und gestaltet die Frühförderung auf eigene Weise, die übergeordneten rechtlichen Grundlagen sind aber immer das SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe), das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG), das SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen) sowie die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK).
Alessia und die Kitaleiterin koordinieren die Zusammenarbeit mit der Integrationsfachkraft, die in das Kitateam integriert wird. Sie stellen gemeinsam sicher, dass die Maßnahmen des Förderplans umgesetzt werden. Regelmäßige Treffen mit den Eltern und Fachstellen dienen der Überprüfung und Anpassung der Maßnahmen. Auch im Hinblick auf den Übergang zur Schule bleibt Alessia gefragt, denn dieser kritische Moment muss gut und früh geplant werden, damit er reibungslos verlaufen kann: Von der Erstellung eines Übergangsplans mit der Frühförderstelle und den Eltern bis zur Vorbereitung aller notwendigen Dokumente – das alles sind im Rahmen der Inklusion notwendige Schritte, damit Juri auch weiter möglichst gut unterstützt werden und sein Potenzial entfalten kann.
Sie erfolgt nach einem klaren Schema – es finden keine offenen Diskussionen statt. Eine Person (es muss nicht die Leitung sein) moderiert und behält die Zeit im Blick.
Wer Rat sucht, beschreibt in eigenen Worten in 5 Minuten die Situation und formuliert Fragestellung an das Team, das Team hört zu und macht Notizen.
Das Team fragt nach, der / die Ratsuchende antwortet möglichst differenziert. Das Team wertet und interpretiert nicht. (15 Minuten)
Das Team formuliert Hypothesen, Vermutungen und Eindrücke – aber noch keine Lösungsvorschläge. Der / Die Ratsuchende ist in dieser Phase passiv. (10 Minuten)
Nach Abschluss der Runde nimmt der/die Ratsuchende Stellung, die beratende Gruppe korrigiert evtl. ihre Hypothesen. (5 Minuten)
Die Gruppe formuliert Lösungsvorschläge, der / die Ratsuchende kommentiert nicht, sondern hört intensiv zu. (10 Minuten)
Der / Die Ratsuchende erklärt der Gruppe, welche Vermutungen zutreffen könnten und welche Lösungsvorschläge er / sie umsetzen möchte. (10 Minuten)
Die gesamte Gruppe gibt ein Feedback und tauscht sich abschließend über das Verfahren aus („Was habe ich mitgenommen?“). (5 Minuten)
Wegen meiner Behinderung kann ich nichts Schweres mehr heben und hatte Schwierigkeiten, einen Job zu finden. Mir ist es aber wichtig, einer Arbeit nachzugehen. Deshalb bin ich froh, die Stelle im Kindergarten bekommen zu haben. Zu meinen Aufgaben gehört es hier, die Temperatur des Essens zu kontrollieren, die Geschirrspülmaschine einzuräumen und die Teller zu füllen. Ich finde es schön, den Kindern das Essen bringen zu können. Wenn eine Schale leer ist, dann holen sie sich bei mir in der Küche gerne einen Nachschlag ab. Überhaupt bereitet mir der Kontakt zu den Kindern große Freude. Beim Vorlesetag durfte ich ihnen im Morgenkreis schon einmal ein Buch in meiner Muttersprache „Persisch“ vorlesen.
Kathrin Hohmann: Durch seelische und körperliche Präsenz, durch eine spiegelnde, einfühlende und unterstützende Begleitung – so kann das Kind seine emotionale Stabilität zurückerlangen. Diese Emotionsarbeit ist von unfassbarem Wert, sodass sie in der pädagogischen Arbeit einen großen Stellenwert hat. Natürlich ist dies mit mehreren Kindern in einer Gruppe eine herausfordernde Aufgabe, in der jedoch sehr viel Potenzial für eine gesunde Emotionsentwicklung steckt. Es ist wichtig, dass Kinder jedes Gefühl haben dürfen und lernen, damit umzugehen, anstatt es zu unterdrücken. Dies können Kinder allein noch nicht – je jünger sie sind und je intensiver das Gefühl, desto weniger. Deshalb brauchen sie Erwachsene, die ihre Gefühle und Bedürfnisse in eine gewaltfreie Sprache übersetzen. Der Schlüssel zu erfolgreicher Co-Regulation ist dabei die Selbstregulation.
Können Sie das erläutern?
Wenn eine Fachkraft sich in einer Situation überfordert fühlt, kann es zu Überreaktionen kommen. Daher ist es wichtig, die eigenen Bedürfnisse und Gefühle wahrzunehmen und achtsam mit ihnen umzugehen. Nur wenn wir in der Lage sind, unsere eigenen Impulse, Handlungen, Erregungen und Gefühle zu steuern, können wir die emotionalen Stürme der Kinder begleiten und sie co-regulieren. Im Zustand der Übererregung ist dies jedoch nicht möglich.
Wie begleitet man gefühlsstarke Kinder?
Zunächst sollte man sich bewusst machen, dass Kinder immer das bestmögliche Verhalten zeigen, zu dem sie gerade fähig sind. Grundsätzlich sind Kinder an Kooperation interessiert. Lehnen sie diese ab, dann nur, weil sie nicht anders können. Kinder jammern, schreien oder schlagen nicht, um Grenzen zu verletzen oder uns zu ärgern, sondern um ihre eigenen Grenzen zu verteidigen. Eine häufige Reaktion auf ein wütendes oder schreiendes Kind ist, ihm eine Auszeit zu verordnen, bis es sich beruhigt hat. Ohne die co-regulierende Unterstützung lernt das Kind jedoch nicht, wie es zukünftig besser mit solchen Situationen umgehen kann. Statt „Time-out“ ist es besser, in einen intensiven Kontakt zu gehen, wie es das „Time-intensive“ beschreibt. Wichtig ist herauszufinden, was hinter dem Verhalten steckt, besonders wenn es gehäuft auftritt.
Was ist weniger hilfreich?
Die Frage nach dem Warum. „Warum hast du das gemacht? Warum bist du so wütend?“ Darauf finden Kinder oft keine Antworten, weil dazu ein großes Maß an Selbstreflexion nötig ist. Außerdem kann die Frage nach dem Warum wie eine Schuldzuweisung wirken. Besser ist es, sich einzufühlen, Gefühle und Bedürfnisse zu vermuten und das Kind zu fragen, ob diese Vermutungen zutreffen.
Halten Sie es für sinnvoll, „Gefühle“ im Kita-Alltag zu thematisieren?
Unbedingt. Erst wenn Kinder über einen ausreichenden Wortschatz verfügen, können sie ihre eigenen Gefühle verstehen und artikulieren. Pädagogische Fachkräfte sollten als Sprachvorbilder fungieren. Sie können ihre eigenen Gefühle benennen: „Ich bin heute erschöpft, weil ich schlecht geschlafen habe“, und ihre Bedürfnisse ausdrücken: „Deshalb brauche ich Ruhe und schaue euch beim Fußballspielen zu.“ Gefühls- und Bedürfniskarten können den Kindern zusätzlich helfen, ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen und Gefühle besser auszudrücken.
Was macht eine gute Zusammenarbeit der pädagogischen Fachkräfte mit den Eltern eines verhaltensauffälligen Kindes aus?
Dr. Eliane Retz: Es hilft nicht, wenn sich Eltern und Fachkräfte gegenseitig die Schuld für das Verhalten des Kindes zuweisen und sich so die Fronten verhärten. Wichtig ist, dass beide Seiten das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt stellen und sich zusammen überlegen, was sie jeweils dazu beitragen können, dass es dem Kind besser geht.
Wie kann das gelingen?
Über das Ziel herrscht meist Einigkeit, über den Weg dahin nicht immer. Eine gute Erziehungspartnerschaft ist aber genau dadurch gekennzeichnet, dass es beide Seiten dann schaffen, einen Schritt auf die andere zuzugehen und sich wieder anzunähern. Jedes Kind und jede Familie ist individuell zu betrachten. Deshalb gibt es kein Patentrezept, Fachkräfte müssen flexibel auf die Herausforderungen eingehen. Es kommt auch darauf an, warum das Kind sein herausforderndes Verhalten an den Tag legt. Und auch, wo es das tut – in der Kita oder zu Hause.
Ist es für die Fachkräfte nicht unerheblich, wenn sich das Kind zu Hause problematisch verhält? Es stört damit den Betriebsablauf in der Kita ja nicht.
Nicht unbedingt. Es kann zum Beispiel sein, dass sich ein Kind in der Kita nicht wohlfühlt, sich aber den Tag über zusammenreißt. In der Familie gerät es dann in einen dysregulierten Zustand, was sich etwa in starken Wutausbrüchen ausdrücken kann. Das hängt unter Umständen mit der Qualität der Betreuung zusammen und sollte von der Kita hinterfragt werden. Auch störendes Verhalten in der Kita kann verschiedenste Ursachen haben. Vielleicht müsste ein U3-Kind einfach früher schlafen und ist deshalb mittags so müde, dass es dann mit dem Essen wirft. Man sollte als Einrichtung also erst einmal über-legen, ob man an einigen Stellschrauben drehen kann, damit sich das Kind wohler und sicherer fühlt.
Und wenn es nicht daran liegt, sondern das Kind wieder holt beim Mittagessen stört und sogar aggressiv gegenüber anderen Kindern wird? Wie spreche ich das Verhalten am besten bei den Eltern an?
Formulierung und Ansprache sind wichtig. Es passiert leider, dass pädagogische Fachkräfte zu Eltern beispielsweise sagen, ihr Kind habe ADHS oder eine autistische Störung. Dabei liegen solche Zuschreibungen oder Diagnosen gar nicht in ihrem Kompetenzbereich. Außerdem sind negative Rückmeldungen immer ein ganz heikler, verletzlicher Punkt. Denn die Kinder sind schließlich das, was die Eltern am meisten lieben. Also kann ich dann lieber vorsichtig eine Vermutung äußern: „Uns ist aufgefallen, dass euer Kind gerade gestresst wirkt.“ Oder: „Es wäre ganz gut, wenn ihr mit dem Kinderarzt mal über das Thema sprechen würdet.“ Eine wohlwollende Haltung spüren die Eltern in der Regel schnell.
Wie erkennen die pädagogischen Fachkräfte, dass ihre Grenzen erreicht sind?
Wenn ein einzelnes Kind durch sein Verhalten unverhältnismäßig viele Ressourcen auf sich zieht oder die Stimmung in der Gruppe leidet, wenn also andere Kinder vielleicht Ängste entwickeln und nicht mehr gerne in die Kita kommen. Ich finde es gut, wenn die Kita dann ein paar Adressen parat hat, die sie den Eltern empfehlen können: eine gute Stelle für eine Familienberatung, ein guter Heilpädagoge oder eine gute Kinderpsychotherapeutin. Das ist gleichzeitig eine freundliche Aufforderung an die Eltern, aktiv zu werden – auch wenn die Wartezeiten mitunter lang sein können.
Wie kann ich reagieren, wenn die Eltern dichtmachen? Wenn sie also sagen: „Stimmt nicht, unser Kind ist doch nicht aggressiv!“
Als Fachkraft habe ich eine Fürsorgepflicht. Dem Kind gegenüber, dem es nicht gut geht und das durch sein Verhalten auffällt. Aber auch den anderen Kindern gegenüber. Ab einem gewissen Punkt wird es aber zu einer Angelegenheit für die Kitaleitung. Die ist dann mit Führung und Klarheit gefragt. In dem Moment, wo die Leitung mit ins Boot geholt wird, bekommt ein Gespräch für die Eltern eine ganz andere Tragweite und Relevanz. Die Leitung sollte die Gruppe in den Vordergrund rücken und deutlich ansprechen, dass es mit dem Verhalten ihres Kindes so nicht weitergehen kann in der Einrichtung.
Haben Sie Tipps, wie Eltern und Fachkräfte ein besseres Verständnis füreinander entwickeln können?
Ich weiß, dass pädagogische Fachkräfte kaum Ressourcen haben. Aber falls es geht, ist es immer gut, einen Hausbesuch anzubieten. So können sie die Familie besser kennenlernen und das Kind in seiner natürlichen Umgebung erleben. Solche Begegnungen helfen, den persönlichen Kontakt zu verbessern und Schwierigkeiten in der Kommunikation zu umschiffen. Umgekehrt kann es eine gute Idee sein, Eltern in der Kita hospitieren zu lassen. Dann können sie ihr Kind in Interaktion mit anderen Kindern erleben. Daraus kann eine größere Einsicht erwachsen – wenngleich man berücksichtigen muss, dass sich das Kind in Gegenwart der Eltern möglicherweise anders verhält.
_Den Fokus nicht nur auf das Kind richten, sondern auch sich selbst als Fachkraft oder Einrichtung miteinbeziehen
_Ein pädagogisches Konzept zum Umgang mit herausfordernden Verhal-tensweisen gibt Handlungssicherheit
Ein fiktives Beispiel einer Situation beim Essen: Michael tanzt immer wieder aus der Reihe. Der Vierjährige schreit und wirft mit Essen. „Michael ist aggressiv“, sagt Frau Schmidt zu ihrer Kollegin. Damit hat die Erzieherin dem Jungen den Stempel „verhaltensauffällig“ aufgedrückt. Und gleichzeitig ausgedrückt: Das Problem liegt beim Kind, vielleicht auch im familiären Umfeld, hat aber nichts mit unserer Kita zu tun.
Besser wäre, Frau Schmidt würde es gegenüber ihrer Kollegin anders formulieren: „Wie Michael sich beim Essen verhält, empfinde ich als aggressiv.“ Ein Perspektivenwechsel mit großer Wirkung, der Fokus liegt nicht mehr ausschließlich auf dem Kind, sondern auf dessen Verhalten. Die Fragen, die sich ergeben: Warum fühlt sich Frau Schmidt so herausgefordert? Und wie sehen das die Kolleginnen und Kollegen? „Mit diesem Ansatz kann ich etwas verändern“, sagt Prof. Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff, Psychotherapeut für Kinder- und Jugendliche. „Dieser Blick auf das Kind und die Situation macht mich als Fachkraft, uns als Team und als ganze Einrichtung handlungsfähiger.“
Auffälligkeiten zeigen sich manchmal laut, aber meistens leise
Bei etwa 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen besteht das Risiko für psychische Auffälligkeiten. Diese drücken sich vor allem auf zwei Arten aus: Entweder ziehen sich Kinder über einen längeren Zeitraum zurück, sie weinen, meiden den Kontakt zu anderen oder sind ängstlich (internalisierendes Verhalten). Oder sie werfen mit Gegenständen, schlagen und beißen, verletzen sich und andere (externalisierendes Verhalten). „Das macht zwar nur ein Drittel der Kinder, die auffällig werden“, sagt Fröhlich-Gildhoff, „aber diese Kinder stören und bekommen deshalb vorrangig die Aufmerksamkeit der Fachkräfte.“ Sein Appell: „Vergesst auch die Mehrheit der stillen, zurückgezogenen Kinder nicht!“
Kitas fehlt häufig ein pädagogisches Konzept
Als Co-Leiter des Zentrums für Kinder- und Jugendforschung der Evangelischen Hochschule Freiburg hat Fröhlich-Gildhoff eigene Studien zum Thema durchgeführt. Nur jede fünfte Kita hat demnach ein pädagogisches Konzept zum Umgang mit herausfordernden Verhaltensweisen. „Dabei schätzen Fachkräfte die eigene Belastung als höher ein, je geringer sie ihre eigene Kompetenz erleben“, betont Fröhlich-Gildhoff. Also wäre ein systematisches und methodisches Vorgehen wichtig, um die Handlungssicherheit der Fachkräfte zu stärken.
Fehlt ein solches Konzept, passiert oftmals etwas, das Fröhlich-Gildhoff als „Abkürzungspädagogik“ bezeichnet: Ein Kind verhält sich störend, die Fachkraft handelt intuitiv. Aber eine nachhaltige Verbesserung der Situation lasse sich so nicht erzielen. „In Akutsituationen, wenn ein Kind etwa ein anderes beißt, muss ich natürlich sofort handeln“, räumt der Psychologe ein.
Der Kreislauf professionellen Handelns
Fröhlich-Gildhoff hat für den Kita-Alltag ein Handlungskonzept zum Umgang mit herausforderndem Verhalten entwickelt (HeVeKi), das die Kompetenzen der Fachkräfte stärkt. In unserem Beispiel könnte das so aussehen:
Beobachten: Michael gerät in Essenssituationen unter Stress, schreit und wirft mit Essen.
Analysieren / Verstehen: Warum verhält sich Michael so? Was können Frau Schmidt und das Team tun? Gemeinsam stellen die Fachkräfte zwei Annahmen auf: Entweder braucht Michael a) mehr Bindungssicherheit oder b) mehr Orientierung in der Großgruppensituation Mittagessen.
Handlungsplanung: Das Team plant gemeinsam die nächsten Schritte. Entweder beschäftigt sich a) Frau Schmidt regelmäßig einzeln mit Michael oder b) die Essenssituation wird entzerrt, indem Michael an einen Tisch mit weniger Kindern platziert wird oder indem sich Frau Schmidt beim Essen neben ihn setzt.
Handlung: Das Team hat sich für Annahme a) entschieden. Frau Schmidt wendet sich sechs Wochen lang dreimal am Tag für zehn Minuten Michael zu. Das Team hält ihr dafür den Rücken frei.
Überprüfen: Hat sich die Situation verbessert, sodass sich Michael nicht mehr mit störendem Verhalten ausdrücken muss? Falls nicht, kann das Team zu Variante b) der Analyse zurückkehren, Michael an einen Tisch mit weniger Kindern setzen und nach vier bis sechs Wochen überprüfen, ob das eine Verbesserung bewirkt hat.
Für den Erfolg seien ein offener Blick auf das Kind und ein wertschätzender, ehrlicher Umgang im Team entscheidend, so Fröhlich-Gildhoff. „Wichtig ist, dass sich die Kitas auf den Weg machen, sich zu qualifizieren und systematisch zu handeln.“ Das erleichtere den Fachkräften die Arbeitsbedingungen. „Wenn sie sich als handlungsfähiger erleben, geht es ihnen besser und die Arbeit macht mehr Spaß.“
Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff war bis 2020 Professor für Entwicklungspsychologie und Klinische Psychologie an der Evangelischen Hochschule Freiburg und gehört dem Leitungsteam des dort angesiedelten Zentrums für Kinder- und Jugendforschung (ZfKJ) an. Er ist Autor zahlreicher Publikationen zu den Themen Prävention, Gesundheitsförderung und Resilienz. Im Jahr 2021 erschien sein Fachbuch „Kinder mit herausforderndem Verhalten in der KiTa – Eine Handreichung für ressourcenorientiertes Handeln“ (zusammen mit Prof. Dr. Rieke Hoffer und Prof. Dr. Maike Rönnau-Böse).
_Vorüberlegung: Bedarf ermitteln und Partner mit ins Boot holen
_Pädagogisches Konzept und Schutzkonzept für den Kitastandort erstellen
_Aufsichtsführung spielt in Waldkitas eine entscheidende Rolle
Sie haben das Für und Wider gegeneinander abgewogen und wollen eine Waldkita gründen? Dann sollte einer Ihrer ersten Wege zum Jugendamt oder zu der Behörde führen, die in Ihrem Bundesland für die Erteilung einer Betriebserlaubnis zuständig ist. Kommen Sie aus Bayern, genauer aus Bad Tölz-Wolfratshausen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie mit Andrea Estermann sprechen werden. Denn als Fachaufsicht berät sie für das dortige Landratsamt Kindertagesstätten und erteilt Betriebserlaubnisse – sofern Kitas die Anforderungen erfüllen. Exemplarisch erklärt sie, worauf es bei der Gründung von Waldkitas ankommt, die sie als „wunderbare Ergänzung des pädagogischen Angebots“ schätzt.
Zeitrahmen: Mindestens ein Jahr von der Idee zur Eröffnung
Zunächst klärt sie mit dem Träger: Gibt es überhaupt genügend Eltern, die ihre Kinder zur Betreuung in den Wald schicken würden? Wie steht die Kommune oder Gemeinde dazu? Und was wird benötigt, damit das Projekt zu einem Erfolg wird? Dafür müssen verschiedene Institutionen mit ins Boot geholt werden, etwa die Untere Bauaufsichtsbehörde (für das Errichten eines Schutzraums) und das Forstamt (für die Auswahl des Waldgebiets). „Der Träger muss sich bewusst sein, dass die Gründung einer Waldkita keine schnelle Lösung ist, um Betreuungsplätze zu schaffen“, sagt Andrea Estermann. Ein Jahr würde es von der Idee über die Planung und Genehmigung bis zur Eröffnung mindestens dauern.
Parallel zu den technischen und organisatorischen Planungen geht es für die Kitaträger an die konkreten inhaltlichen Überlegungen. „Jede Einrichtung muss ein pädagogisches Konzept und ein Schutzkonzept vorlegen“, sagt die Fachaufsicht. Sie prüft, ob das pädagogische Konzept die Anforderungen des bayerischen Bildungs- und Erziehungsplans erfüllt und die Kinder auf die Schule vorbereitet. Das Schutzkonzept, das auf den Ergebnissen der Gefährdungsbeurteilung basiert, muss Risiken benennen und Gegenmaßnahmen aufzeigen. „Der Fokus auf den Wald muss in beiden Konzepten klar erkennbar sein“, sagt Estermann.
Kälte, Hitze und Unwetter berücksichtigen
Eine große Rolle spielen bei den Gefährdungen die Umweltbedingungen: Kälte im Winter, Hitze und UV-Strahlung im Sommer sowie Gewitter, Starkregen oder Stürme. „Wir haben im Wald fast keine Kita, die ohne einen Rückzugsraum wie eine Schutzhütte oder einen Bauwagen auskommt“, sagt Estermann. Dort können außerdem Essen und Getränke sowie Kleidung gelagert werden.
Im Schutzraum ist auch ein Verbandskasten untergebracht. „Zusätzlich hat jede pädagogische Fachkraft im Wald Verbandsmaterial dabei“, sagt Estermann. „Wir erwarten für die Erteilung einer Betriebserlaubnis, dass alle Betreuungspersonen – auch aushelfende Eltern – die Rettungskette kennen und Erste Hilfe leisten können, nicht nur eine Person pro Gruppe.“ Ein aufgeladenes Mobiltelefon, über das Notrufe abgesetzt sowie Eltern, Ärzte und die Giftzentrale erreicht werden können, gehört zur Standardausrüstung.
Straßen, Bahnlinien und Gewässer können Ausschlusskriterien sein
Ein weiterer entscheidender Faktor für die Sicherheit ist die Standortwahl. „Man muss das immer individuell betrachten. Es muss jedoch ausgeschlossen werden, dass es eine Gefährdung der betreuten Kinder zum Beispiel durch stark befahrene Straßen oder durch nahe gelegene Eisenbahnstrecken gibt. Auch Seen oder fließende Gewässer nahe dem Hauptaufenthaltsbereich können ein Ausschlusskriterium sein“, sagt Arne Schröder. Als Aufsichtsperson der Kommunalen Unfallversicherung Bayern (KUVB) berät er Kitas zu Sicherheitsfragen. „Wir bringen unsere Expertise gerne ein und helfen bei Maßnahmen, um den Standort sicherer zu machen.“
Ein wesentlicher Aspekt: „In der freien Natur muss ich alles durch Aufsichtsführung regeln können“, sagt Arne Schröder. Damit dies gesichert ist, wird die Anzahl der Betreuungspersonen in Bayern häufig in der Betriebserlaubnis geregelt. Auf eine pädagogische Fachkraft kommen dabei im Durchschnitt weniger Kinder als in Regeleinrichtungen. Eine besondere Qualifikation der Fachkräfte ist zwar nicht vorgeschrieben, sie wird aber aus nachvollziehbaren Gründen erwartet. „Wenn ich nicht weiß, was der UV-Index ist oder welche Pflanzen giftig sind, dann habe ich in der Waldkita ein Problem“, veranschaulicht Schröder.
Weniger Unfälle in Waldkitas
Mehr Unfälle mit Verletzungen ereignen sich in Waldkitas nicht – im Gegenteil, wie ein KUVB-interner Vergleich der Unfallzahlen mit Regelkitas zeigt. „In der Regelkita ist die Sicherheit stark durch die Gestaltung der Räumlichkeiten und eines eingezäunten Außengeländes vorgegeben“, veranschaulicht der Präventionsexperte. „Im Wald sind die Kinder aufmerksamer und achten mehr auf ihre Umwelt.“ Sie würden nirgendwo so gut wie in der Natur lernen, Risiken und sich selbst realistisch einzuschätzen, sagt Schröder, der das Fazit zieht: „Waldkitas sind eine gute Möglichkeit, die Kompetenzen von Kindern ganzheitlich zu fördern und ihren Bedürfnissen gerecht zu werden.“
_In Waldkindergärten gibt es viel Freispiel und trotzdem klare Regeln
_Die Kinder lernen im Wald alle Fertigkeiten, die sie für die Schule brauchen
_Die Kommunikation und Zusammenarbeit mit den Eltern sind sehr eng
Lena hält mit ihrer behandschuhten Hand eine Zahl hoch: eine Sechs. So kalt ist es heute früh um neun Uhr auf der kleinen Lichtung im Wiesbadener Dambachtal, wo sich der Wanderkindergarten zum Morgenkreis zusammengefunden hat. Bis die Jungen und Mädchen um halb eins wieder abgeholt werden, wird es nicht viel wärmer werden, auch wenn es schon Ende April ist. Den Kindern macht das nichts aus, sie sind dick im Zwiebellook angezogen, manche mit Matschhosen, viele mit Regenkappen, alle mit wasserfesten Schuhen. Der Wanderkindergarten trifft sich bei Wind und Wetter, und anders als viele andere Waldkindergärten hat er keinen Bauwagen, keine Hütte, in die man sich bei Regen oder Schnee zurückzieht. „Ist Sturm oder Gewitter angesagt, machen wir einen Ausflug ins Museum oder in die Bibliothek. Wir könnten auch in die Räume einer Kita ausweichen“, erklärt die Leiterin des Wanderkindergartens, Melanie Remmers. Einige Wanderhütten im Wald bieten Schutz bei einem Regenguss. Heute ist es einigermaßen trocken und weil Elias Geburtstag hat, darf er sich wünschen, wohin die Gruppe wandert.
Zum „Rutscheloch“ soll es gehen – einer Senke im Wald, die man prima auf dem Popo herunterrutschen kann. An anderen Tagen entscheidet die Kindergruppe gemeinsam über den Platz, den sie ansteuern will.
Alles Wichtige ist im Radanhänger dabei
„So, dann holt mal eure Rucksäcke“, heißt es bald und die Mädchen und Jungen stürmen los. Erzieherin Nadin Al Tamimi packt noch das Material vom Morgenkreis in den Radanhänger, mit dem als „Packesel“ allerlei Nützliches und Wichtiges transportiert wird: zum Beispiel Wasser, Seife und Handtuch, Windeln und Tücher für die beiden Wickelkinder, der Erste-Hilfe-Pack, Spielmaterial wie ein Schwungtuch, kindgerechte Schnitzmesser sowie ein Schippchen, um das große Geschäft verbuddeln zu können. „Bei den Kindern stellt sich die Verdauung aber schnell so ein, dass sie meistens nur zum Pipimachen hinter die Büsche huschen müssen“, weiß Melanie Remmers aus ihrer langjährigen Erfahrung.
An Haltestellen wird gewartet
Auf dem Weg zum Rutscheloch kommt man am Wichtelpostkasten vorbei – gleichzeitig die erste sogenannte Haltestelle. Remmers erklärt: „Auf allen häufig genutzten Strecken gibt es Stellen, an denen wir aufeinander warten müssen. Erst wenn alle da sind, dürfen die Kinder weitergehen. Das ist eine der Regeln, die sie als Erstes lernen.“ Denn natürlich haben die Kinder ein unterschiedliches Tempo – je nach Länge der Beine, Tagesform und dem, was sie unterwegs entdecken und genauer untersuchen möchten. Obwohl der Wald viele Möglichkeiten zum Verstecken und Abtauchen im Grün bietet, verlieren die beiden Erzieherinnen und ihr Kollege Justus Barton nicht den Überblick. Von Vorteil ist sicherlich der gute Betreuungsschlüssel von zwei bis drei Fachkräften für die 15 Kinder zwischen drei und sechs Jahren.
Immer in Bewegung
An der nächsten Haltestelle wird es turbulent. Mattea nimmt Anlauf und saust dann mit einem lauten „Aus der Bahn!“ quer über den Weg auf eine dicke Buche zu, deren bemooster Stamm etwas schief steht. Wie hoch kommt sie heute? Auch Karl und Samson machen mit und nachdem Felicitas eine Weile zugeguckt hat, legt sie ihren Rucksack ab. „Jetzt will ich auch mal mein Glück versuchen“, sagt sie und stellt sich in die Reihe. Erst als niemand mehr Lust hat, geht die Gruppe des Wanderkindergartens weiter zur nächsten Station ihres heutigen Spaziergangs durch den Wald. Überhaupt nimmt man sich Zeit, niemand hetzt, man lässt sich eher von den Interessen der Kinder und dem leiten, was die Natur für Überraschungen bereithält. Melanie Remmers ist überzeugt: „Die Kinder sind geerdet. Wenn sie sich beispielsweise später in der Schule gestresst fühlen, wissen sie, was ihnen guttut und wie sie in der Natur zur Ruhe kommen können. Das ist ein unglaublicher Schatz.“
Der nächste Halt ist die Spielekreuzung. Mit selbst gemalten Karten für verschiedene Spiele entscheiden sich die Kinder für ein Bewegungsspiel – wobei sich diesmal wieder das Geburtstagskind etwas wünschen darf. Bewegung und damit motorische Sicherheit bekommen die Kinder auf jeden Fall ausreichend. Selbst die kleine Flora, das Nesthäkchen der Gruppe, wandert klaglos mit und stolpert auch abseits der befestigten Wege nicht. Ihre älteste Schwester Livia ist schon ein Vorschulkind. Sie darf auch mal Geheimwege gehen, ein Privileg für die „großen“ und verlässlichen Kinder.
Auch der Wald bereitet auf die Schule vor
Sechs Vorschulkinder entlässt die Gruppe im Sommer in die Schule: traditionell mit einer großen Wanderung und anschließender Zeltübernachtung im Kindergarten-Garten. Auf diesem gepachteten Gartengrundstück wird der Abschied im Kreis aller Familien gefeiert. „Es gibt eine Karikatur, die zeigt ein Waldkitakind, das in die Schreibtischplatte schnitzt, statt ins Heft zu schreiben. Das ist natürlich Quatsch“, schmunzelt die Pädagogin. „Unsere Arbeit basiert auf dem Bildungs- und Erziehungsplan wie in jeder anderen Kita auch.“ Doch im Wanderkindergarten lernen die Kinder die nötigen Fertigkeiten auf andere Weise. Nicht mit Schwungübungen auf Arbeitsblättern, sondern mit Bewegungsspielen und vielfältigen motorische Reizen, etwa auch Schnitzerfahrung und dem Legen von Naturmandalas. Teamarbeit, Kooperation, aufeinander achten und Rücksicht nehmen – ohne diese sozialen Kompetenzen ist ein Tag im Wald nicht denkbar.
„Außerdem haben wir jeden Freitag Kunsttag, an dem wir mit den Kindern malen, töpfern, basteln, werken oder filzen“, führt Melanie Remmers weiter aus. Zudem bestehe eine Kooperation mit einer Grundschule, die die Vorschulkinder aller Kitas im Umkreis an bestimmten Terminen besuchen, um schon mal in die Welt der Schule hineinzuschnuppern. Auch Portfolio-Arbeit gibt es in der Waldkita – statt in einem Ordner wird das Dokument für jedes Kind auf dem Tablet gepflegt und die Datei der Familie zwei bis dreimal im Jahr auf einem Speicherstick zum Anschauen und Ausdrucken überlassen.
Der Wald ist ein besonderer Lehrer: Alle, die hier viel Zeit verbringen, schätzen die enge Verbindung zur Natur, das Erleben der Jahreszeiten mit allen Sinnen, lernen Achtsamkeit sowie Respekt vor großen und kleinen Lebewesen. Nur bei Zecken hört die Liebe auf, auch wenn der sechsjährige Emil bereits weiß, dass die zu den Spinnentieren zählen und deshalb acht Beine haben. Zeckenstiche sind im Wald immer möglich, eine tägliche Kontrolle durch die Eltern ein Muss. „Wenn wir eine Zecke entdecken, entfernen wir sie, sofern wir dafür das Einverständnis der Eltern haben. Wir markieren die Stelle und informieren die Eltern beim Abholen“, führt Melanie Remmers aus, wie sie und ihre Kolleginnen und Kollegen mit dem Thema umgehen.
Während Hauskitas mit Aushängen über Kinderkrankheiten, Ausflüge und anderes informieren, nutzt man im Wanderkindergarten neben dem intensiven persönlichenKontakt gern auch digitale Kommunikationswege. „Aber wir verteilen auch Zettel. Einmal im Monat kommt unser Elternbrief ganz klassisch auf Papier“, gibt Erzieherin Nadin Al Tamimi ein Beispiel. Die Zusammenarbeit mit den Eltern ist eng und wichtig. Da insgesamt nur 15 Kinder betreut werden, ist die Verbindung zu den Familien und der Familien untereinander vielleicht sogar enger. Für kürzere Elterngespräche gibt es auch im Wald Gelegenheit – etwa während eines „Busch-und-Baum-Gesprächs“, das das Äquivalent zu den bekannten Tür-und-Angel-Gesprächen ist. Zu Elternabenden trifft man sich im Kindergarten-Garten, wo auch die Entwicklungsgespräche stattfinden. Letztere machen die Fachkräfte jedoch durchaus auch bei den Familien zu Hause. Die Zusammenarbeit mit den Eltern gestaltet sich inhaltlich nicht anders als in Einrichtungen mit Dach und Wänden.
Inzwischen ist die Kindergruppe am Leseplatz angekommen. Die Sonne linst für kurze Zeit hinter den Wolken hervor. Die Mädchen und Jungen setzen sich erwartungsvoll auf die Baumstämme, die einen großen Kreis bilden. Denn jetzt folgt ein geliebtes Ritual. Melanie liest vor. Da wird auch der muntere Leo ganz ruhig. Gleich geht es weiter durch den Wald, das Rutscheloch wartet schon.
Der Wanderkindergarten Wiesbaden e. V. ist der älteste Waldkindergarten Deutschlands: Er wurde bereits 1968 gegründet und nutzt noch immer das gleiche Waldgebiet an den Ausläufern des Taunus, das inzwischen aber naturnah bewirtschaftet wird. Zur Revierförsterei besteht ein enger Kontakt, ebenso zu den anderen Waldkitas Wiesbadens. Mehr Infos unter: https://kurzelinks.de/rhiy
Ihr Handbuch trägt den Titel „Naturraumpädagogik“. Was verstehen Sie unter dem Konzept?
Anke Wolfram: Zahlreiche Studien zeigen, dass sich Spiel- und Lernumgebungen in der Natur positiv auf die körperliche und geistige Entwicklung von Kindern auswirken. In der Natur können sich Kinder erholen und zur Ruhe kommen, gleichzeitig werden vielfältigste Bildungsprozesse angeregt.
Das Konzept, dass Kinder von und in der Natur lernen, gibt es doch schon eine ganze Weile.
Ja, man spricht hier oft von Waldpädagogik, die aus der Forstlichen Bildungsarbeit kommt und meist nur den Aspekt der Umweltbildung beinhaltet. Mein Ansatz verfolgt hingegen das Ziel, den Naturraum als umfassenden Bildungsraum zu verstehen und Kompetenzen zu stärken, so wie es in der Bildung für nachhaltige Entwicklung, kurz: BNE, verstanden wird.
Inwiefern?
BNE soll Kinder dazu befähigen, im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zu denken und zu handeln. Nehmen wir das Beispiel „Ressourcen“: Im Wald gibt es kein Spielzeug, sondern nur Naturmaterialien. Nach dem Motto „Weniger ist mehr“ lernen die Kinder, mit den begrenzten Ressourcen der Natur kreativ zu werden. So hat ein Holzstock zum Beispiel eine große Zuschreibungsvielfalt: Er kann als Kochlöffel, Zauberstab oder Steckenpferd fungieren.
Ganz ähnlich verhält es sich mit dem frischen Wasser, das wir zum Kochen und Händewaschen mit in den Wald nehmen. Da es nur begrenzt vorhanden ist, bekommen die Kinder ein Bewusstsein dafür, in einer Gruppe sparsam mit dem Verfügbaren umzugehen.
Sie schreiben, dass Kinder im Naturraum aktive Gestalter sind. Was meinen Sie damit?
Im Spiel in der Natur versinken die Kinder oft in ihren Bewegungen, Gedanken und Handlungen. Man kann in diesem „Urspiel“ oft beobachten, dass sie eine Art „Prozess der Zivilisation“ durchlaufen, indem sie Jäger, Bauern, Sammler, Werkzeugmacher oder Ähnliches verkörpern. Dies zieht eine hohe Gestaltungskompetenz nach sich, weil die Kinder sich ihrem Entwicklungsstand entsprechend ihre Umwelt erschließen und daraus lernen. Sie werden zu Entdeckern ihrer eigenen Bildungsgeschichte.
Wie kann man Ideen der Naturraumpädagogik in Hauskitas übertragen?
Schon bei der Materialauswahl in der Einrichtung gibt es Möglichkeiten: Erzieher und Erzieherinnen können überlegen, wie viel Spielzeug überhaupt nötig ist und welche Naturmaterialien man, zum Beispiel für Bastelarbeiten, von draußen nach drinnen holen kann.
Bei der Gestaltung von Außenflächen kann man darauf achten, Brachflächen zu integrieren und Teile eventuell verwildern zu lassen. Es ist nachgewiesen, dass naturnahes Gelände einen höheren Aufforderungscharakter hat als konstruierte Spielgeräte.
Ich plädiere dafür, die Tür nach draußen zu öffnen und so viel Zeit wie möglich im Freien zu verbringen. Immer mehr Kitas führen „Waldtage“ oder „Waldwochen“ ein. Dazu kann es hilfreich sein, Kooperationen mit anderen Kitas, etwa eine Patenschaft mit einem Waldkindergarten, ins Leben zu rufen. So können sich die Kinder gegenseitig besuchen und voneinander lernen. Diese Idee fördert auch auf der sozialen Ebene, unter den Fachkräften, ein vernetztes Denken und zudem eine nachhaltige Entwicklung der Einrichtung selbst, weil man sich Anregungen mit auf den Weg geben kann.
Ich kann mir vorstellen, dass Sie oft mit Fragen der Sicherheit und Hygiene konfrontiert sind, wenn es um den längeren Aufenthalt von Kindern im Freien geht.
Im Waldkindergarten gibt es natürlich feste Regeln und Vorschriften, die eingeübt und immer wieder kommuniziert werden. Was kürzere Aufenthalte im Freien angeht: Am besten packt man einen Bollerwagen mit dem Nötigsten wie Wechselkleidung, Trinkwasser, Erste-Hilfe-Ausstattung. Der steht dann immer für spontane Ausflüge bereit. Als pädagogische Fachkraft muss ich mich im Vorfeld etwa darüber informieren, wie es um die Beschaffenheit eines Waldstücks bestellt ist, welches Gelände man als Kitagruppe betreten darf, ob dafür eine spezielle Genehmigung notwendig ist. Natürlich gehört auch eine ausreichende Kommunikation mit den Eltern und deren Einverständnis dazu, wenn es darum geht, eine Waldwoche oder Ähnliches durchzuführen.
Wahrscheinlich haben einige Erzieher und Erziehrinnen noch wenig Berührungspunkte mit dem „Bildungsraum Natur“. Wie nähern sie sich dem Thema am besten an?
Die Erfahrung zeigt, dass pädagogische Fachkräfte Druck verspüren, etwas abliefern zu müssen, gerade was die vermeintliche Erwartungshaltung der Eltern angeht. Daraus ergibt sich ein durchgetakteter Alltag in der Kita, der nur schwer aufzubrechen ist. Ich empfehle, eine offene Haltung gegenüber dem Naturraum einzunehmen, schließlich ist ein Tag in der Natur nicht wirklich planbar. Es hilft, aufkommende Fragen der Kinder aufzugreifen, Assoziationen zuzulassen und gemeinsam mit ihnen über Phänomene in der Natur in einen Dialog zu treten. Das In-der-Natur-Sein begünstigt eine pädagogische Haltung, die sich auf spontane Begebenheiten einstellt, sei es der Bauer, der übers Feld fährt, oder der Regenwurm, der aus dem Waldboden kriecht.
Warum ist es für Kinder so wichtig, Erfahrungen in der Natur zu sammeln?
Die Natur kann die kindlichen Bedürfnisse nach neuen Erfahrungen und nach Stabilität sehr gut befriedigen. Das scheint erst einmal ein Widerspruch zu sein. Aber die Natur bekommt das extrem gut hin, besser als eine gebaute Umwelt wie ein Spielplatz. Einfaches Beispiel: Ein Baum sieht im Frühling anders aus als im Winter – durch Blüten, Blätter oder kahle Äste. Aber ich kann mich trotzdem immer darauf verlassen, dass er da ist.
Welche Vorteile bietet die Natur gegenüber Spielplätzen hinsichtlich der kindlichen Entwicklung?
In einer Studie an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde haben wir Spielplätze und drei Naturerfahrungsräume in Berlin miteinander verglichen. Diese Räume sind ein relativ neues Konzept. Dort gibt es keine Spielgeräte, sondern eigentlich nur eine Art „Wildnis“, wo die Kinder frei spielen können und sollen. Eine frühere Studie hatte schon gezeigt, dass die Kinder dort im Vergleich zu Spielplätzen stärker altersübergreifend spielen, dass sie in größeren Gruppen gemeinsam spielen und dass sie länger bei der Sache bleiben. Wir haben festgestellt, dass sie dort im Vergleich zu Spielplätzen kreativer werden und dass sie autonomer spielen, also dass Begleitpersonen oder Eltern weniger ins Spiel involviert sind.
Wie müssen die Naturerfahrungsräume denn gestaltet sein, damit sie sicher sind?
Die Räume sind mit Zäunen eingefasst, das ist versicherungstechnisch ganz wichtig. In Berlin gibt es für Naturerfahrungsräume sogenannte „Kümmerer“. Sie prüfen zum Beispiel die Sicherheit: Ist der Ast noch zum Klettern geeignet oder muss ich das Grünflächenamt verständigen? Im besten Fall verfügen diese Personen sowohl über biologische als auch über pädagogische Kompetenzen. So können die Kümmerer den Kindern einen Anstoß zum Spielen geben, wenn sie gar nicht wissen, wie sie mit dem Naturerfahrungsraum umgehen sollen. Das kommt vor und zeigt auch die Entfremdung von der Natur. Das Angebot war zunächst für Schulkinder von sechs bis zwölf Jahren gedacht, wird inzwischen aber auch gut von Kitas angenommen. Die pädagogischen Fachkräfte suchen die Orte während der Betreuungszeiten auf.
Wäre es also pädagogisch sinnvoll, wenn Kitas einfach ihre Außenspielbereiche verwildern lassen, statt sie zu pflegen und Spielgeräte aufzustellen?
Auf jeden Fall können sie ein paar Bereiche gezielt „verwildern“ lassen. Kinder lernen so, mit Unwägbarkeiten umzugehen und Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Zum Beispiel gibt es in einem der Naturerfahrungsräume Brennnesseln. Da merken die Kinder schnell: Wenn ich da reinmuss ziehe ich besser eine lange Hose an. Oder sie nutzen das Brennnesselfeld, um mal allein zu sein, weil sich die anderen nicht hineintrauen. Auf dem Kitagelände geben Naturmaterialien wie Holzstöcke, Laubhaufen, Steine oder Sand den Kindern die Möglichkeit, selbstwirksam zu werden und ihre Umwelt zu gestalten.
Die Fragen stellten Martyna Marzec und Holger Toth
Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gibt es für Waldkindergärten, welche Verhaltensregeln sollen verabredet werden und mit welchen Gefährdungen müssen die Fachkräfte rechnen? Zu diesen und anderen Fragen informiert die DGUV Information 202-074 „Mit Kindern im Wald“: publikationen.dguv.de, Webcode: p202074
„Rein in die Natur“ heißt eine kostenlose Broschüre der Fröbel-Gruppe, die der Bedeutung von Naturkontakt für Kinder nachgeht und viele Praxistipps für Kitas enthält. https://kurzelinks.de/di4h
Im Kita-Fachtext „Naturpädagogik konkret“ geht es um die Vorteile von Naturerfahrungen für Kinder und wie pädagogische Fachkräfte in ihrem Alltag Naturbegegnungen planen und organisieren können. Herunterzuladen unter: https://kurzelinks.de/qajn
Auf der Webseite des Bundesverbands der Natur- und Waldkindergärten finden Interessierte Hinweise zu Fortbildungen, Wissenswertes zum Thema Naturerziehung sowie viele Informationen, die wichtig für die Gründung einer Waldkita oder einer Waldgruppe sind. www.bvnw.de
Für diejenigen, die sich mit der Flora und Fauna im Wald noch nicht so gut auskennen, ist die kostenlose Wildnis-App des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz hilfreich. Sie ist eher für Fachkräfte, mit Anleitung aber auch für Kinder geeignet. Mehr Infos unter: https://kurzelinks.de/j1q9
Naturpädagogik ist eingebettet in Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). Wie diese in Kindertageseinrichtungen gestaltet werden kann, darüber gibt diese Webseite des Bundesbildungsministeriums mit vielen weiterführenden Infos Auskunft: https://kurzelinks.de/50ig
Dazu passend ist der Leitfaden „BNE in Kindertageseinrichtungen gestalten“. Zu finden unter: https://kurzelinks.de/6nd1
Alle Materialien und weitere Hinweise finden Sie wie immer in der Rubrik
„Echt praktisch“ auf www.kinderkinder.dguv.de.
_Konzept „Onboarding“ geht über die Einarbeitung hinaus
_Der Prozess beginnt vor dem ersten Arbeitstag und endet mit der erfolgreichen Eingliederung ins Team
_Gutes Onboarding gibt Sicherheit und reduziert psychische Belastungen
Wir haben viele tolle Konzepte für die Eingewöhnung der Kinder – aber an die Eingewöhnung der Beschäftigten denken Kitas oft nicht“, weiß Michaela Anders. Die Sozialpädagogin hat selbst zehn Jahre lang Kitas geleitet, bevor sie Personalentwicklung studierte, sich zur Trainerin ausbilden ließ und nun Kitas unter anderem dabei begleitet, Fachkräfte zu integrieren.
Für den gesamten Prozess von der Einstellung neuer Beschäftigter über deren Einarbeitung bis hin zur Integration ins Team gibt es eine Bezeichnung: Onboarding. „Mir gefällt der Begriff, weil darin viel mehr steckt als die bloße Wissensvermittlung, um seine Arbeit verrichten zu können“, sagt Michaela Anders. Nämlich an Bord zu kommen und willkommen geheißen zu werden.
Überforderung und Überlastung verhindern
Für die Gesundheit aller Beschäftigten ist es wichtig, die Neuen vernünftig an Bord zu holen und sie nicht – sei es aus Personalmangel – ins kalte Wasser zu werfen. Sonst drohen Unsicherheit, Überforderung und Überlastung. Das kann dazu führen, dass die neue Fachkraft aufgrund der psychischen Belastung erkrankt oder die Kita sogar bald wieder verlässt. Das wiederum bedeutet Mehrarbeit und Mehrbelastung für das vorhandene Personal – ein Teufelskreis. „Eine strukturierte Einarbeitung schafft ein Sicherheitsgefühl“, erklärt Michaela Anders. „Dadurch reduziere ich also die Gefahr von Überlastung und psychischen Erkrankungen.“
In einem schlechten Onboarding liegen noch andere Gefahren. „Ich muss mich auskennen, um in einer Kita – für mich und für die Kinder – sicher arbeiten zu können“, veranschaulicht Michaela Anders. Wo sind die Stühle für rückengerechtes Arbeiten? Welche Gefährdungen gibt es auf dem Außengelände? Wie ist die Aufsichtspflicht geregelt?
So gelingt der Onboarding-Prozess
Ein guter Onboarding-Prozess beginnt schon lange vor dem ersten Arbeitstag und dauert bis zum Ende der Probezeit. Michaela Anders unterteilt ihn in drei Phasen.
1. Vor dem ersten Arbeitstag
Wenn organisatorische Dinge geklärt sind, gibt das dem Neuling Sicherheit. Zum Beispiel: Wie und in welcher Gruppe werde ich eingesetzt? Wie sind die Arbeitszeiten? Gibt es Essen in der Kita? Wann wird das Gehalt überwiesen? Die Kitaleitung sollte signalisieren, als Ansprechperson zur Verfügung zu stehen, denn: „Am häufigsten scheitert Onboarding daran, dass die Kitaleitung keine Zeit hat, sich mit den neuen Fachkräften auseinanderzusetzen und ihnen Konzepte und Abläufe zu erklären“, weiß Michaela Anders.
2. Am ersten Arbeitstag
Ein Begrüßungstreffen mit dem Team erleichtert den Einstieg und trägt dazu bei, dass sich die neue Fachkraft willkommen fühlt. Beim Rundgang durchs Haus geht es zunächst nur um die Grundagen: Hier kannst du deine Tasche abstellen. Hier gibt es Kaffee. Diese erste Orientierung bringt Sicherheit.
Generell gilt für alle Kolleginnen und Kollegen: den Neuankömmling nicht mit zu vielen Informationen überfrachten, selbst wenn es vielleicht nett gemeint ist. Stattdessen nur kurz vorstellen und Offenheit signalisieren. Zum Beispiel: „Ich bin Kathrin und betreue die Nasenbär-Gruppe. Außerdem bin ich noch für unseren Garten zuständig. Wenn du Fragen hast, komm gerne auf mich zu.“
Kitaleitungen können die Einarbeitung gut an Mentoren – also andere pädagogische Fachkräfte – delegieren. Mit den Mentoren sollte sich die neue Fachkraft in der Anfangszeit regelmäßig austauschen.
3. In der Probezeit
„Es ist als Kitaleitung wichtig, Anker zu setzen“, erklärt Michaela Anders. Das kann beispielsweise durch das Festlegen von Gesprächsterminen erfolgen. Sie selbst habe als Kitaleitung neuem Personal einen Terminplan an die Hand gegeben: Gespräche zunächst alle zwei Wochen, dann alle zwei Monate. „Wir haben geklärt: Was fällt dir leicht? Womit tust du dich schwer? Wo hast du Unterstützungsbedarf? Dabei findet man weit mehr über die neue Fachkraft heraus als im Bewerbungsgespräch.“ Den eigenen Stärken entsprechend eingesetzt und wertgeschätzt zu werden, hilft beim Ankommen: Hat jemand zum Beispiel keinen grünen Daumen, kann dafür aber toll Gitarre spielen, sollte die Person eher bei Projekten zur musikalischen Früherziehung mitwirken als bei der Pflege des Gemüsebeets.
Für das Zugehörigkeitsgefühl ist es hilfreich, weitere Möglichkeiten zum kollegialen Austausch zu schaffen. Das können regelmäßige Meetings sein oder Team-Events außerhalb der Arbeitszeiten.
Das neue Teammitglied selbst sollte offen gegenüber der neuen Kita sein, damit das Onboarding gelingt. Faustformel: Erst sehen, dann urteilen und zum Schluss handeln. „Hat die Kita beispielsweise an der Garderobe ein ungewohntes Konzept, ist es nicht sinnvoll, schon beim ersten Teamgespräch Änderungen vorzuschlagen. Stattdessen sollte ich mir das erst einmal in Ruhe anschauen und mir ein Urteil über die Vor- und Nachteile bilden. Und dann erst handeln.“
Damit das Onboarding gelingt, haben wir eine Checkliste vorbereitet:
Was machen eigentlich Sicherheitsbeauftragte, kurz: Sibe?
Die Sibe unterstützen den Träger bei Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Sie arbeiten selbst in der Kita und sehen deshalb als Insider Gefahren oder Mängel, die dem Träger so nicht bekannt sind. Sie sind mit den internen Abläufen vertraut und können durch wertvolle, praxisnahe Vorschläge dazu beitragen, diese zu verbessern.
Warum sollte ich Sibe werden?
Die Sibe-Tätigkeit kann eine interessante Ergänzung der pädagogischen Arbeit sein. Die Verbindung „Kind, Sicherheit und Gesundheitsschutz“ bietet ein breites thematisches Spektrum. Themen wie altersgerechter Umgang mit Risiken, richtiges Sitzen oder Lärmbelastung sind Teil des pädagogischen Alltags und ermöglichen den Sibe, neues Wissen aus dem Arbeitsschutz direkt in ihre eigentliche Aufgabe einfließen zu lassen.
AHA!
Bei mehr als 20 Beschäftigten brauchen Unternehmen mindestens einen Sibe, ab 50 sind es zwei – bei Kitas zählen die Kinder übrigens zur Zahl der Beschäftigten dazu.
Wie eigne ich mir das nötige Wissen an?
In der Regel werden die neu bestellten Sibe zunächst wenig über das Thema Arbeitsschutz und Sicherheit in der Kita wissen. Grundinformationen vermitteln die zuständigen Unfallversicherungsträger – also Unfallkassen oder die BGW – mit zielgerichteten Seminaren.
Wie starte ich gut in das Ehrenamt?
Der erste praktische Schritt sollte eine Bestandsaufnahme des Arbeitsschutzes der Kita sein. Gemeinsam mit der Leitung sind folgende Fragen zu klären:
Wird die Einrichtung von einer Fachkraft für Arbeitssicherheit (Sifa) betreut?
Gibt es eine betriebsärztliche Betreuung?
Werden notwendige Prüfungen (für Elektroanlagen, elektrische Geräte, Steckdosen, Spielplatzgeräte) von Sachkundigen und befähigten Personen durchgeführt und dokumentiert?
Ist die Erste Hilfe ausreichend organisiert (Verbandsmaterial, Anzahl Ersthelfende)?
Wie sieht das Unfallgeschehen in der Einrichtung aus? Gibt es Unfallschwerpunkte?
Gibt es Unterweisungen zu relevanten Themen wie beispielsweise Impfschutz? Wer führt diese wann und wo durch?
Was gehört noch zu den Aufgaben?
Es ist sinnvoll, in einem gewissen Turnus gemeinsam mit der Leitung einen Rundgang durch die Kita und über das Außengelände zu machen und sich Gebäude, elektrische Geräte, Steck-dosen, Spielfahrzeuge und Spielplatzgeräte einmal kritisch anzuschauen. Ob Sie dies monatlich, vierteljährlich oder in einem eigenen Rhythmus tun, hängt von den Gegebenheiten der jeweiligen Einrichtung ab.
Entdecken Sie als Sibe Mängel, sollten Sie diese der Leitung mitteilen. Die Leitung kann sich dann mit dem Träger in Verbindung setzen, damit die Mängel behoben werden. Schwerwiegende Mängel – wie eine zerbrochene Steckdosenabdeckung – müssen natürlich unverzüglich gemeldet und bis zur Mängelbeseitigung ausreichend gesichert werden.
Welche Kompetenzen brauche ich als Sibe?
Für den Umgang mit Team, Leitung und Träger ist eine gewisse Kommunikationsfähigkeit wünschenswert. Denn als Sibe sind Sie über etliche Themen und Sachverhalte besser informiert als das übrige Team. Es ist deshalb wichtig, dass Sie Ihr Wissen in geeigneter Weise an Ihre Kolleginnen und Kollegen weitergeben – sei es durch Hinweise bei Teamsitzungen oder durch Auslegen von Fachzeitschriften und Infomaterial der Unfallversicherungsträger.
Sie sollten als Sibe gegebenenfalls auch auf Gefahren oder gefährliche Arbeitspraktiken hinweisen. Allerdings liegt auch hier die Betonung auf Ihrer Insiderrolle: Sibe sollen nicht als „Arbeitsschutzinspektoren“ gegenüber dem restlichen Team auftreten, sondern auf kollegialer Ebene motivieren.
Welches sind KEINE Aufgaben der Sibe?
In der Praxis gibt es vielfach überzogene Vorstellungen von der Tätigkeit der Sibe. Ausdrücklich nicht zu den Aufgaben gehören:
Durchführen von erforderlichen Prüfungen an Spielplatz-geräten oder Elektrogeräten. Dafür sind Sachkundige oder Sachverständige wie Spielplatzkontrolleure zuständig (Kita-beschäftigte können nach entsprechender Unterweisung lediglich die einfache Sichtprüfung von Spielplatzgeräten durchführen).
Kita-Kontrollbesuche. Dafür sind Fachkräfte für Arbeitssicher-heit zuständig.
Beseitigen bestehender Mängel
Beaufsichtigen von Firmen oder Handwerkern
Wie gehe ich mit Widerständen um?
Arbeitsschutz ist nicht immer einfach und „mal eben“ schnell gemacht – manchmal brauchen Dinge ihre Zeit. Sie werden auch damit leben müssen, dass Ihr Rat nicht immer Gehör findet. Hiervon sollten Sie sich nicht entmutigen lassen. Und denken Sie daran: Das Ehrenamt ist nicht mit einer Weisungsbefugnis verbunden – dafür tragen Sibe aber auch keine höhere Verantwortung als andere Teammitglieder. Ihr Ziel sollte die sichere und gesunde Kita sein. Darum sind Sie als Sibe unentbehrlich.
Mehr Infos
Unter dem Titel „SiBe – Wieso? Weshalb? Warum?“ finden Sie einen ausführlichen und anschaulichen Beitrag zum Thema auf der Internetseite der Unfall-kasse Hessen: www.ukh.de, Webcode: W431
Die Kinder werden weit über die vertraglich vereinbarte Zeit hinaus betreut. Wirkt sich das auf den Versicherungsschutz aus?
Nein. Wichtig für den Versicherungsschutz ist die Obhut, die die Kita übernimmt, und dass die Kinder im Rahmen der Veranstaltung gefördert werden – also etwa soziale Fertigkeiten erlernen und andere Zusammenhänge erfahren können. Die Übernachtung sollte daher in ein weiteres Programm eingebettet sein. Am besten umfasst dies – neben einer Vorbereitung – ebenfalls den Abend und den nächsten Morgen. Wenn eine Übernachtung in der Kita sich auf die Beaufsichtigung des Schlafens beschränkt, entfällt allerdings der Versicherungsschutz.
Darf man eine Nachtwanderung machen – auch außerhalb des Kitageländes?
Wie bei anderen von der Kita organisierten Ausflügen stehen die Kinder unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies gilt unabhängig davon, ob das Kitagelände verlassen wird oder nicht. Bei Nachtwanderungen oder nächtlichen Aufenthalten außerhalb der Einrichtung sollte beachtet werden, dass die abweichenden Umstände besondere Gefahren und Stressmomente ergeben können. Sie sollten daher sehr gewissenhaft vorbereitet und durchgeführt werden.
Was ist, wenn Kinder abgeholt werden müssen, zum Beispiel wegen Heimweh?
Auf den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz wirkt es sich nicht aus, dass es sich um einen ungeplanten Abbruch der Betreuungsmaßnahme handelt. Dies gilt selbstverständlich auch für den früheren Heimweg.
Gibt es eigentlich einen besonderen Betreuungsschlüssel bei Übernachtungen?
Der Betreuungsschlüssel muss der Situation angepasst sein, um Unfälle zu vermeiden und Gefahrenlagen erkennen zu können. Bei Übernachtungen ist zu berücksichtigen, dass sich besondere Bedürfnisse ergeben und Herausforderungen stellen können – sei es Heimweh oder die Erfahrung der Nachtwanderung. Zudem benötigt neben den Kindern auch das Personal Ruhephasen, um die Aufsicht für die gesamte Zeit gewähren zu können.
Gibt es etwas bei der Einrichtung der Schlaflager zu beachten?
Grundsätzlich muss auch während der Übernachtung in der Kita die Sicherheit der Kinder jederzeit gewährleistet werden. Die Aufsichtführenden sollten auf Notfälle vorbereitet sein. Wichtig ist, dass die Fluchtwege nicht durch Schlafsäcke oder Ähnliches versperrt werden. Immer auch an ausreichend viele Taschenlampen denken. Zum einen muss dann nicht das Deckenlicht eingeschaltet werden, wenn nachts ein Kind Zuwendung braucht, zum anderen hat man auch im Notfall unabhängig vom Stromnetz Helligkeit. Je nach räumlichen Voraussetzungen ist es sinnvoll, im Vorfeld eine Art Evakuierungsübung zu machen, natürlich ohne die Kinder zu beunruhigen. Ob für die Kita-Übernachtung eine Genehmigung erforderlich ist, sollte rechtzeitig mit der Gemeinde oder der Stadt, in der die Übernachtung geplant wird, abgeklärt werden.
Die Fragen beantworteten Anna-Maria Bruno, Referentin für Grundsatzfragen, und Georg Nottelmann, Abteilungsleiter Hochschulen und Kindertageseinrichtungen bei der Unfallkasse NRW.
Wenn ich meine Enkelin zur Kita bringe, fragen mich dort manchmal auch die anderen Kinder: „Oma, bleibst du heute hier?“ Ich glaube, ich habe einen guten Draht zu ihnen, und diese Bindung war mir immer wichtig. Deshalb helfe ich auch noch sehr gerne im Gruppendienst aus, wenn ich gebraucht werde. Am liebsten mag ich es, wenn ich den Kindern aus Büchern vorlesen oder Geschichten erzählen kann. Viele Märchen kenne ich auswendig und ich kann sie auch sehr lebhaft rüberbringen. Den Beruf würde ich immer wieder ergreifen, auch wenn er sich im Laufe der Jahre natürlich sehr verändert hat. Geblieben ist aber: Wenn du liebevoll mit den Kindern umgehst, geben sie dir sehr viel zurück. Das berührt mich, weil es bei ihnen von Herzen kommt.
wächst überwiegend an warmen Waldrändern, an Kahlschlägen und auf Lichtungen in Laub- und Laubmischwäldern. Alle Pflanzenteile sind sehr giftig. Bereits 1 bis 2 Beeren können bei Kindern zu Vergiftungserscheinungen führen, etwa zu Pupillenerweiterung, trockenem Mund, Hautrötung und Herzrasen oder auch Halluzinationen.
Bilsenkraut – Hyoscyamus niger
wächst in Laubwäldern, an Wegrändern, Schutthalden und an steinigen Abhängen. Schon das Essen weniger Blätter und Samen ruft Vergiftungssymptome hervor: Pupillenveränderungen, trockener Mund, Gesichtsröte, Herzbeschwerden oder auch Halluzinationen.
Seidelbast – Daphne mezereum
wird bis zu 1,5 Meter groß. Aus pinken Blüten entwickeln sich erbsengroße, eiförmige rote Früchte. Alle Pflanzenteile, mit Ausnahme des Fruchtfleisches, sind stark giftig. Schon 2 bis 3 Früchte sind für Kinder kritisch, wenn sie die Samen zerbeißen. Es führt unter anderem zu Brennen, Schwellung, Blasenbildung und Rötung im Bereich des Mundes.
Riesenbärenklau – Heracleum mantegazzianum
auch Herkulesstaude oder Herkuleskraut. Wird bis zu 4 Meter hoch. Sein Pflanzensaft ist fototoxisch, das heißt, die Berührung der Flüssigkeit führt bei Sonnenlicht zu Hautreaktionen wie Rötungen bis hin zur Blasenbildung. Ohne Lichteinwirkung ist die akute Giftigkeit gering.
_Kitakinder können Gefahren noch nicht einschätzen
_Ihre Sinne entwickeln sich erst noch, was die sichere Teilnahme am Straßenverkehr riskant macht
_Frühzeitiges, spielerisches Üben fördert Sinne und Sicherheit
Kinder im Straßenverkehr sind mit allen Sinnen gefordert. Sie müssen sehen, hören, sich mit anderen verständigen, Zeichen geben, beurteilen und Entscheidungen treffen. Im Kita-Alter sind sie damit schnell überfordert, weil ihr Wissens- und Erfahrungsschatz, aber auch die kognitiven Fähigkeiten noch eingeschränkt sind.
Geringere Gefahrenwahrnehmung im Kita-Alter
Kitakinder lassen sich im Straßenverkehr durch vieles ablenken. Gefahren können sie noch nicht erkennen, genauso wenig wie Gelerntes auf andere Situationen übertragen. Die Fähigkeit, Gefahren frühzeitig wahrzunehmen und darauf zu reagieren, entwickeln Kinder erst im Grundschulalter.
Kinder hören auch anders, sie können beispielsweise nicht erkennen, aus welcher Richtung ein Geräusch kommt. Außerdem verlassen sich jüngere Kinder viel mehr auf das, was sie sehen, als auf ihr Gehör. Kinder haben außerdem durch ihre Größe eine andere Wahrnehmung von Proportionen als Erwachsene: Autos sind fast doppelt so groß und Geschwindigkeiten von Fahrzeugen sind für sie nicht einschätzbar. Außerdem ist das Blickfeld von Kindern deutlich enger als das von Erwachsenen. Dinge, die Erwachsene im Augenwinkel noch wahrnehmen können, sehen Kinder zunächst nicht. Grundsätzlich sehen und hören Kinder „langsamer“ als Erwachsene. Denn Kinder brauchen länger, um Sinneseindrücke zu verarbeiten.
Kitakinder verunglücken im Auto, ältere auf dem Schulweg
Im Jahr 2023 kamen rund 26.900 Kinder unter 15 Jahren bei Unfällen im Straßenverkehr zu Schaden. Im Schnitt wurde 2023 fast alle 20 Minuten ein Kind bei einem Verkehrsunfall verletzt oder getötet. Dabei verunglücken unter 6-Jährige oft im Auto mit betreuenden Erwachsenen, 6- bis 14-Jährige dagegen besonders häufig auf dem Schulweg. Ein zentraler Ansatzpunkt, um dies wirksam zu verhindern, ist die frühestmögliche Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten bei Kindern. Diese Herangehensweise ist auch fester Bestandteil der Vision Zero, der Präventionsstrategie der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).
Mit Präventionsangeboten frühestmöglich ansetzen
Genau hier setzen die Unfallkassen mit ihren Präventionsangeboten an: Kinder jeden Alters werden entsprechend ihren Fähigkeiten auf die Anforderungen im Straßenverkehr vorbereitet. Mit spielerischen Verkehrsparcours können Kitakinder erste Erfahrungen sammeln: Sie lernen, auf andere Verkehrsteilnehmende zu achten und erste Verkehrseichen zu erkennen. Die Unfallkasse Baden-Württemberg (UKBW) hat sich dafür verschiedene Partner im Straßenverkehr gesucht (wie Landesverkehrswacht Baden-Württemberg e. V., Deutscher Verkehrssicher-heitsrat (DVR) e. V., Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen Baden-Württemberg oder Württembergischer Radsportverband e. V.), um flächendeckend, nachhaltig sowie altersklassenübergreifend Verkehrspräventionsaktionen durchzuführen. Hierzu zählen Verkehrserziehung für Kitakinder oder Fahrradtrainings im Grundschulalter.
Mit Eintritt ins Vorschulalter werden die Kinder selbstständiger und bewegen sich autarker im Straßenverkehr. Für diese Zielgruppe hat die UKBW zusammen mit der Landesverkehrswacht BW den Schulwegtrainer (www.schulwegtrainer.de) entwickelt. Das digitale Portal soll Wissen und Fertigkeiten vermitteln, damit sich Kinder selbstbewusst, eigenständig und sicher auf dem Weg zur Kita bewegen. Mit praktischen Tipps, Infos und unterhaltsamen Spielen zur Verkehrssicherheit werden Kinder, Eltern sowie Erzieherinnen und Erzieher unterstützt, den Weg zur Kita oder zukünftigen Schule einzuüben.
Der Schulwegtrainer wird vom Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen Baden-Württemberg gefördert und könnte als Modell für andere digitale Verkehrssicherheitsformate dienen, um Verkehrsprävention noch weiter in die Fläche zu tragen und Kinder im Straßenverkehr zu schützen.
Weitere Informationen
Der Bericht der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) „Stand der Wissenschaft: Kinder im Straßenverkehr“ fasst den aktuellen Kenntnisstand zusammen. Das PDF finden Sie HIER.
Auch der Fachbereich Bildungseinrichtungen hat umfangreiche Infos zur Verkehrserziehung in Kitas: www.dguv.de
Eine Erzieherin entdeckt eine Zecke, die bei einem Kind bereits fest in der Haut steckt. Was soll sie tun?
Zecken können ernste Krankheiten wie die Frühsommer-Meningoenzephalitis und die Lyme-Borreliose übertragen. Darum sollten sie nach ihrer Entdeckung zügig und fachgerecht entfernt werden. Anschließend muss die Stelle mit einem wasserfesten Stift markiert werden und die Eltern sind über den Zeckenstich zu informieren. Außerdem muss die Fachkraft den Vorfall im Verbandbuch oder Meldeblock dokumentieren. Allerdings brauchen die Fachkräfte eine wirksame Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten, um die Zecke entfernen zu dürfen.
Es ist bei einem Kind nicht klar, ob eine solche Einverständniserklärung vorliegt oder es gibt tatsächlich keine – was dann?
Dann müssen die Fachkräfte umgehend die Eltern über den Zeckenstich in Kenntnis setzen und sie auffordern, die Zecke selbst zu entfernen – oder es durch jemand anderen machen zu lassen.
Angenommen, die Erziehungsberechtigten sind nicht erreichbar. Wie verhält man sich richtig?
Im besten Fall wurde vorher zu einem solchen Fall etwas zwischen der Einrichtung und den Erziehungsberechtigten vereinbart. Ist ausnahmsweise nicht bekannt, wie die Erziehungsberechtigten darüber denken, dürfen die pädagogischen Fachkräfte im Sinne der Gesundheit des Kindes handeln und beispielsweise das Kind zu einem Arzt oder einer Ärztin bringen – oder auch die Zecke fachgerecht selbst entfernen.
Es gibt eine Einverständniserklärung, aber die Zecke st an einer schwer zugänglichen oder intimen Stelle und das pädagogische Personal traut sich nicht, das Tier zu entfernen. Was dann?
In dem Fall muss dem Kind anderweitig geholfen werden. Auch hier sind die Erziehungsberechtigten unverzüglich zu informieren und das weitere Vorgehen ist mit ihnen abzustimmen.
Das heißt, die Fachkraft ist nicht verpflichtet, eine Zecke zu entfernen?
Richtig. Jede Fachkraft entscheidet in eigener Verantwortung, ob sie es sich zutraut oder nicht. In jedem Fall muss man den Erziehungsberechtigten Bescheid sagen.
Was, wenn eine Fachkraft die Zecke nicht vollständig entfernen konnte und sich die Stelle entzündet oder es doch zu einer Infektion kommt?
Kommt es im Ausnahmefall durch die Zeckenentfernung zu einem Schaden, greift das Haftungsprivileg. Das bedeutet, dass das Betreuungspersonal nicht haftet. Weder können die Eltern des Kindes Schadenersatz verlangen noch kann die Unfallkasse ihre Aufwendungen geltend machen – es sei denn, es wurde grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt. Ebenso muss die Person keine strafrechtlichen Konsequenzen fürchten.
Welche weiteren Empfehlungen gibt es?
Pädagogisches Personal tut gut daran, ein konkretes Vorgehen zum Umgang mit Zeckenstichen festzulegen und dies bereits bei der Aufnahme in die Kita mit den Eltern abzustimmen. Zeckenkarte, -zange, Pinzette und ein Hilfsmittel zum Entfernen der Zecke im Nymphenstadium gehören zu jeder Erste-Hilfe-Ausstattung in den Einrichtungen dazu und sollten auch auf keinem Ausflug fehlen. Wie eine Zecke entfernt wird, sollte sich das Kitapersonal in den jährlichen Erste-Hilfe-Kursen zeigen lassen. Außerdem ist es sinnvoll, die Eltern immer wieder aufzufordern, ihr Kind auf Zecken abzusuchen, wenn die Kleinen draußen gespielt haben.
Die Fragen beantwortete Jörg Zervas, Leiter der Abteilung Sicherheit – Gesundheit – Teilhabe der Unfallkasse Rheinland-Pfalz.
Weitere Infos dazu gibt es in den DGUV-Publikationen „Vorsicht Zecken“ und „Zeckenstich – was tun?“, beide zu finden unter: www.kinderkinder.dguv.de/zeckenstich
Hier gibt es auch einen Vordruck für eine Einverständniserklärung zum
Entfernen von Zecken.
Kinder nur im Schatten spielen lassen – pralle Sonne unbedingt vermeiden!
Sonnenhut oder Kappe mit Nackenschutz tragen.
Möglichst viel Haut bedecken mit luftigen, möglichst langärmligen Oberteilen und langen Hosen (am besten mit UV-Schutz).
Alle nicht bedeckten Körperteile mit ausreichend viel Sonnencreme für Kinder (ab LSF 30) schützen – auch an die Hände und Füße denken! Wiederholt eincremen.
Achtung: Die Gesamtdauer für den ungefährlichen Aufenthalt in der Sonne erhöht sich dadurch nicht.
UV-Index checken: Ab UV-Index 3 ist Schutz erforderlich. Achtung: Auch bei Bewölkung kann der UV-Index hoch sein!
Wenn ich die Kinder fragen würde, was sie essen möchten, gäbe es wahrscheinlich nur Milchreis oder Pfannkuchen. Ich nehme zwar Rücksicht auf ihre Wünsche, deshalb gibt es einmal im Monat auch Pfannkuchen. Die Essenspläne schreibe ich dann aber doch lieber selbst, denn die Kinder sollen so viel wie möglich kennenlernen. Beim Zubereiten des Mittagessens helfen mir jeden Dienstag fünf bis sechs Kinder. Das dauert gut zwei Stunden. Die Geduld dafür aufzubringen, ist für sie das Schwierigste – kochen bedeutet ja auch, viel schneiden zu müssen. Das übernehmen die Kinder teilweise selbst, zum Beispiel haben sie letztens die Champignons für eine Tortellini-Pfanne geschnitten. Eine Erzieherin ist immer dabei, um den Überblick zu behalten. Schließlich hantieren die Kinder mit Messern und stehen an der Pfanne.
Was ist für Sie die wichtigste Botschaft, die die Fachkräfte den Eltern in Sachen Sonnenschutz mitgeben sollten?
Im Grunde ist es wortwörtlich kinderleicht: Im Schatten bleiben, längere und luftige Kleidung sowie eine Kopfbedeckung tragen und erst dann gilt es, alle Hautstellen, die nicht bedeckt sind, mit Sonnencreme einzureiben. Die meisten denken bei Sonnenschutz zuerst an Sonnencreme, aber die beiden anderen Punkte sind wichtiger. Während die Wirkung von Sonnencreme nachlässt, schützen Hemd und Sonnenhut konstant.
Zumeist bitten die Fachkräfte darum, die Kinder morgens eingecremt zu bringen, und cremen dann mittags oder bei Bedarf erneut nach. Oft gibt es Extrawünsche der Eltern im Hinblick auf die Präparate.
Nach unserer Erfahrung kommt es seltener zu Diskussionen, wenn die Kitas den Eltern gut erklären, warum sie für alle Kinder mit „gesunder“ Haut eine einzige Sonnencreme angeschafft haben. Und es wäre auch kein erheblicher Zusatzaufwand, wenn einzelne Kinder ihre eigene Creme nutzen – das sollte man ganz pragmatisch sehen. Wenn man zudem die Kleinen gut anleitet, können sich bereits viele Dreijährige mit ein bisschen Hilfe sorgfältig selbst eincremen. Das kann gern zu Hause geübt werden.
Sie raten dazu, dass Eltern ihren Kindern längere Kleidung anziehen – aber ist das bei Hitze nicht kontraproduktiv?
Es geht nicht um spezielle, eng anliegende UV-Schutz-Shirts oder -Hosen. Die haben ihre Berechtigung am Wasser und im Gebirge bei extremer und längerer UV-Belastung. Im Alltag sollten Kinder Shirts, luftige Hemden oder Blusen aus dicht gewebten Naturtextilien tragen, die mindestens die Schultern bedecken; vorteilhaft sind auch längere Hosen. Sinnvoll ist es sicherlich, bei den Hüten darauf zu achten, dass sie eine breite Krempe haben und UV-Strahlen gut abhalten, aber dennoch aus einem leichten, dünneren Material bestehen. Da kann sich die Anschaffung eines Hutes beispielsweise mit dem Prüfsiegel „UV-Standard 801“ lohnen.
Stichwort Kappen und Sonnenhüte – haben Sie einen Tipp, wie man Eltern dazu bringt, diese ihren Kindern konsequent aufzusetzen?
In unserem Programm „Clever in Sonne und Schatten“ lernen die Kinder ganz viel über Sonnenschutz und tragen dies auch in die Familien. Bestenfalls fordern die Kinder die Maßnahmen von den Eltern dann ein – dazu gehört nun mal ein Hut oder eine Kappe. Das ist natürlich der Idealfall. Es bleibt wohl unerlässlich, immer wieder zu informieren und an die Bedeutung ihrer Unterstützung zu erinnern. Wahrscheinlich hat jede Kita einen Vorrat an Ersatzhüten und -kappen. Wenn die nicht die allerschönsten sind, kann das durchaus dazu führen, an den eigenen, schickeren Sonnenhut zu denken und ihn mitzunehmen.
_Lebensbedrohliche Gefährdung durch Ersticken oder Darmverletzungen
_Symptome treten teilweise erst Tage nach dem Verschlucken auf
_Magnetisches Spielzeug regelmäßig prüfen
Magnete sind praktische Alltagshelfer. An der Pinnwand lassen sich mit ihnen schnell und einfach Aushänge für die Eltern oder Fotos des Frühlingsfests befestigen. Auch Kinder finden Magnete – im tatsächlichen wie im übertragenen Sinne – anziehend. Als Puzzles und Bausteine mögen Magnete offensichtlich und entsprechend groß sein, aber sie können beispielsweise auch in Steckfiguren, Muggelsteinen, Puppenkleidern oder Brettspielen verbaut sein. Verschlucken Kinder diese Gegenstände oder die herausgelösten Magnete, kann es lebensgefährlich werden.
Wenn die Anziehungskraft zum Problem wird
Erst recht, wenn es sich um „Supermagnete“ aus Neodym-Eisen-Bor-Legierung handelt. Denn diese haften extrem stark. „Diese Magnete können bis zum Hundertfachen ihres eigenen Gewichts halten“, weiß René Behrendt, Aufsichtsperson der Unfallkasse Brandenburg. Diese Eigenschaft nutzen Hersteller von Spielzeug, weil die Magnete auch in der Mini-Ausführung – kleiner als der Nagel des kleinen Fingers – eine große Wirkung entfalten.
Die geringe Größe kann tückisch sein. Die Erstickungsgefahr ist – wie bei allen Kleinteilen – das eine Problem. Das andere besteht in der großen Anziehungskraft der Magnete. Vor allem, wenn zwei oder mehr Magnete verschluckt werden, können sie sich im Magen-Darm-Bereich gegenseitig anziehen. Das kann zum Darmverschluss führen. Außerdem besteht die Gefahr, dass die Durchblutung gestört oder die Darmwand durch den Druck der Magnete sogar perforiert wird.
Tödlicher Unfall mit Spielzeugmagnet
Die Unfallkasse Brandenburg ist für dieses Thema besonders sensibilisiert. Vor einigen Jahren gab es dort einen tragischen Unfall, als ein Kind Magnete aus einem Spielzeug löste, sie verschluckte und später daran starb. „Die Erzieherinnen waren sich nicht darüber bewusst, dass die Magnete herausgelöst werden konnten“, sagt René Behrendt.
Wie das Beispiel zeigt: Eine Gefährdungsbeurteilung für das magnetische Spielzeug zu erstellen, ist für Kitas nicht nur eine Pflicht, sondern sinnvoll und unerlässlich. René Behrendt rät zu regelmäßigen Bestandsaufnahmen und Kontrollen: „Welches Spielzeug mit Magneten haben wir in unserer Einrichtung? Sitzen die verbauten Magnete noch fest oder muss das Spielzeug aus dem Verkehr gezogen werden, weil die Magnete lose sind und die Gefährdung zu groß ist?“ Kitas sollten für Kinder unter drei Jahren generell auf solches Spielzeug verzichten, empfiehlt die Aufsichtsperson. Sollen Magnete doch zum Einsatz kommen, müssen sie so groß sein, dass ein Verschlucken nicht möglich ist.
Kitas müssen ärztliches Personal auf Verdacht hinweisen
Hat ein Kind einen Magnet verschluckt oder besteht zumindest der Verdacht darauf, muss die Kita unverzüglich die Erste-Hilfe-Rettungskette in Gang setzen – also Eltern informieren und medizinische Hilfe organisieren. Ohne Röntgenaufnahme lässt sich nämlich nicht zweifelsfrei klären, ob ein Gegenstand verschluckt wurde – zumal Kinder in den ersten Lebensjahren selbst oft nicht mitteilen (können), dass sie etwas verschluckt haben. Das schnell abzuklären, ist aber wichtig. „Denn die Symptome können Übelkeit, Durchfall oder Erbrechen sein und treten eventuell auch erst zu einem späteren Zeitpunkt auf“, sagt René Behrendt. Ohne entsprechenden Hinweis sei es deshalb für das ärztliche Personal schwierig, vielleicht erst Tage nach dem Verschlucken die richtige Diagnose zu stellen. Meist müssen Magnete operativ entfernt werden.
Knopfzellen (Batterien)
Verschluckt ein Kind Batterien, müssen wie im Fall von Magneten Rettungsmaßnahmen getroffen werden – wenngleich Symptome wie Fieber, Erbrechen oder Husten mitunter erst verspätet nach einigen Stunden auftreten. Insbesondere Knopfzellen, die in immer mehr Geräten verwendet werden, stellen eine große Gefährdung dar. Bleiben sie in der Schleimhaut der Speiseröhre stecken, kann das zu schweren Verätzungen führen. Je stärker die Batterie aufgeladen ist und je länger sie in der Speiseröhre bleibt, desto größer können die gesundheitlichen Schäden sein. Passiert die Knopfzelle die Speiseröhre, wird sie dagegen in der Regel ausgeschieden, ohne dass es zu Komplikationen kommt. Weitere Infos zu Knopfbatterien unter: https://kurzelinks.de/mxxn
AHA
Soll Spielzeug für die Kita angeschafft werden, muss es eine CE-Kennzeichnung haben. Diese dokumentiert, dass die gesetzlichen Sicherheitsvorgaben erfüllt sind. Noch besser ist es, wenn zusätzlich das Zeichen GS (für „geprüfte Sicherheit“) vorhanden ist, das Spielzeug also von einer anerkannten Prüfstelle abgenommen wurde.
„Spielzeug und Bastelmaterial muss so gestaltet und ausgewählt sein, dass
es Kinder nicht gefährdet.“
DGUV Vorschrift 82 „Kindertageseinrichtungen“ – Paragraf 14, Absatz 4
Welche Vorteile bietet die Peergruppen-Eingewöhnung gegenüber den beiden „klassischen“ Modellen?
Für mich ist die Peergruppen-Eingewöhnung die logische Weiterentwicklung der Berliner und Münchener Eingewöhnungsmodelle: Sie berücksichtigt wie diese Erkenntnisse der Transitionsforschung und Bindungstheorie, gleichzeitig bezieht sie die Bedeutung der Gleichaltrigen auf Grundlage der Peergruppen-Forschung ein. Gerade das Berliner Modell ist sehr fachkraftbezogen. Viele Einrichtungen haben das Problem, dass sich die frisch eingewöhnten Kinder sehr stark auf ihre Bezugserzieherin fokussieren, die die Eingewöhnung begleitet hat. Ist sie nicht da, geraten die Kinder ins „Schwimmen“. Das kann bei der Peergruppen-Eingewöhnung dadurch aufgefangen werden, dass es ein Tandem von zwei Eingewöhnungsfachkräften gibt. Die Einrichtungen, die in Peergruppen eingewöhnen, stellen zudem fest, dass es den Kindern nicht mehr wichtig ist, welche Fachkraft da ist, sondern dass irgendeine erwachsene Person für sie ansprechbar ist, wenn sie Hilfe brauchen. Außerdem gibt die Kindergruppe Halt.
Können Sie das kurz erläutern?
Das Herzstück der Peergruppen-Eingewöhnung ist diese kleine, übersichtliche Kindergruppe. Gemeinsam lernen die Kinder von dort aus Schritt für Schritt den Kita-Alltag kennen, machen kleine Erkundungstouren, treffen vielleicht bereits die anderen Kitakinder auf dem Flur oder im Außengelände, aber alles in einer Art „geschützten Blase“. Sie erleben einander als Stütze und Ressource, trösten sich gegenseitig, ahmen einander nach und lernen so am Modell. Sie spielen und kooperieren miteinander – ja, bereits die Krippenkinder. All dies macht den Übergang und den Abschied von der primären Bindungsperson für sie leichter.
Die Eingewöhnung eines Kindes kann auch für die Eltern schmerzhaft sein. Da ist es vermutlich tröstlich, wenn man in diesem Ablöseprozess andere Mütter oder Väter trifft, die in derselben Situation sind.
Das wird mir von Kitas genau so zurückgemeldet. Man teilt die Sorgen und Erfahrungen. Einige Eltern gewöhnen schon zum zweiten oder dritten Mal ein und können in manchen Situationen beruhigen. Im Einzelfall kann es aber vorkommen, dass sich eine Bezugsperson unter Druck gesetzt fühlt, etwa dass die erste Trennung auch bei ihrem Kind klappen muss, schließlich funktioniert es ja bei den anderen. Die Eingewöhnungsfachkräfte müssen deshalb auch die Erwachsenen feinfühlig begleiten.
Ist es eine häufig geäußerte Befürchtung, dass in dieser Form der Eingewöhnung nicht genug auf das einzelne Kind geschaut wird?
Nur wenn man sich noch gar nicht damit auseinandergesetzt hat. Es ist wichtig, den Eltern klar zu kommunizieren: „Euer Kind hat sein eigenes Tempo und das darf es haben. Wir gehen individuell darauf ein und schauen zusammen, was ihm guttut.“ Die Bedürfnisse des einzelnen Kindes haben immer Vorrang vor den Interessen und Bedürfnissen der Gesamtgruppe. Auch hier zahlt es sich aus, im Tandem zu arbeiten. Eine Fachkraft kann sich verstärkt dem Kind widmen, das noch verunsichert ist, während die zweite sich um die anderen Kinder kümmert. Manchmal braucht es aber einen Plan B.
Wenn es optimal läuft, sind innerhalb von etwa vier Wochen drei bis fünf Kinder eingewöhnt, es geht also um einiges schneller als die Einzeleingewöhnung.
Das ist ein schöner Nebeneffekt, sollte aber niemals das Hauptargument für die Peergruppen-Eingewöhnung sein. Das ist mir sehr wichtig zu betonen! Es muss immer darum gehen, die Kinder gut ankommen zu lassen. Für viele Kinder ist die Verbindung zu anderen Kindern dabei das Tragende. Wenn ein Kind aber etwas anderes braucht, muss das Tandem mit den Eltern beratschlagen, was das sein könnte und wie man das ermöglicht. Und eventuell dauert es dann im Einzelfall doch deutlich länger. Noch mal: Ich rate dringend davon ab, die Peergruppen-Eingewöhnung hauptsächlich als beschleunigte Eingewöhnung zu begreifen.
Kommt das vor?
Ja leider, in Einzelfällen. Als ich vor 30 Jahren als junge Fachkraft angefangen habe, haben die Mütter ihre Kinder morgens gebracht und sind wieder gegangen, da wurde gar nicht eingewöhnt. Es war ganz schrecklich für mich – und erst recht für die Kinder. Da sind wir zum Glück heute viel weiter. Aber es gibt noch immer Einrichtungen, die wenig kindorientiert arbeiten, obwohl sie es besser wissen könnten. Es gibt keine Rezepte, die für jedes Kind und jede Einrichtung passen, aber für mich ist es wichtig, die Bedürfnisse des Kindes ins Zentrum zu stellen, besonders bei einer so großen Aufgabe wie der ersten Ablösung von den Bindungspersonen.
Was raten Sie Einrichtungen, die sich in Sachen Peergruppen- Eingewöhnung auf den Weg machen wollen?
Man sollte das sehr gut vorbereiten und sich eng im Team abstimmen. Eine Beratung oder Coaching können dabei hilfreich sein. Unverzichtbar sind jedoch eine gute, transparente Kommunika-tion intern und zu den Eltern sowie ein ausreichender zeitlicher Vorlauf. Es lohnt sich, sich mit der Peergruppen-Eingewöhnung auseinanderzusetzen. Die Rückmeldungen, die ich von Einrichtungen erhalte, die dieses Modell anwenden, sind überwiegend begeistert.
Die Fragen stellte Stefanie Richter
Peergruppen-Eingewöhnung –
so geht’s
Bei der Eingewöhnung in die Peergruppe starten drei bis fünf Kinder mit möglichst ähnlichem Entwicklungsstand gemeinsam in die Kita, begleitet von zwei Eingewöhnungsfachkräften. Ähnlich wie bei einem Eltern-Kind-Spielkreis kommen die Kinder mit ihrer jeweiligen Bindungsperson in einem separaten Raum in der Kita zusammen und können in den nächsten Tagen und Wochen stabile Spiel- und Freundschaftsbeziehungen zueinander aufbauen. Die Eingewöhnungsfachkräfte nehmen sich eher zurück, beobachten und ermutigen die Kinder und geben Spielanregungen. Sie stehen außerdem immer als Ansprechpersonen für die Eltern zur Verfügung. Haben die Fachkräfte den Eindruck, die Kinder seien dazu bereit, werden nach einigen Tagen erste Trennungsversuche unternommen – bestenfalls bei der gesamten Kindergruppe. Die Bezugspersonen bleiben als „sicherer Hafen“ in der Einrichtung. Dann wird nach und nach die Zeit der Trennung erhöht, bis die Kinder andere Erwachsene als weitere Bezugspersonen akzeptieren und sie gut in der Kita angekommen sind.
_Für Babys und Kleinkinder kann Hitze gefährlich werden
_Fachkräfte müssen Symptome einer Überhitzung kennen
_Wichtig für alle: viel trinken und im Schatten oder in Innenräumen bleiben
Wir Menschen sind mit einem körpereigenen Kühlsystem ausgestattet: Ist uns heiß, schwitzen wir, der Schweiß verdunstet und kühlt dabei die Haut. Bei Babys und Kleinkindern funktioniert dieses System noch nicht optimal, gleichzeitig haben sie eine höhere Stoffwechselrate und im Verhältnis zum Körpergewicht eine größere Hautoberfläche als Erwachsene. Die Folge: Sie reagieren besonders empfindlich auf hohe Temperaturen und dehydrieren schneller.
Je jünger, desto schutzbedürftiger
„Erste Anzeichen für die Überhitzung eines Kleinkinds können ein stark gerötetes Gesicht, großer Durst und kühle Haut sein“, erklärt Dr. Johannes Nießen, Errichtungsbeauftragter des Bundesinstituts für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM) und kommissarischer Leiter der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Bei einer Hitzeerschöpfung, die häufig dann auftritt, wenn sich Kinder bei hohen Temperaturen viel bewegen und zu wenig trinken, entwickeln sich auch Symptome wie ein allgemeines Krankheitsgefühl und Fieber. Dann ist es wichtig, das Kind rasch abzukühlen. „Das kann beispielsweise durch Aufenthalt im Schatten, vermehrtes Trinken und das Kühlen des Körpers durch Wassersprays, nasse Handtücher oder Waschlappen erfolgen. Auch kalte Duschen eignen sich“, verdeutlicht Nießen. Es gelte, unbedingt einen lebensgefährlichen Hitzschlag zu verhindern. „Verschlechtert sich der Zustand des Kindes und zeigen sich weitere Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen sowie Bewusstseinsveränderungen und Bewusstlosigkeit, ist sofort der Rettungsdienst unter 112 zu rufen.“
Ausreichend trinken
Bei Temperaturen um die 30 Grad werden für Zwei- bis Sechsjährige täglich stolze 1,5 bis 3 Liter Flüssigkeit empfohlen. Dazu können auch Snacks wie Melonen und Gurken beitragen. Wie motiviert man Kinder, möglichst viel zu trinken? „Ein bunter Mix aus Getränken kann helfen, bestehend aus kühlem Wasser, ungesüßtem Frucht- oder Kräutertee, gegebenenfalls mit Zitrone, oder Saftschorlen aus einem Teil Saft und drei Teilen Wasser. Das sollte alles immer griffbereit sein. Bunte Gläser und wiederverwendbare Strohhalme steigern ebenfalls die Lust am Trinken“, empfiehlt Nießen. Für die ganz Kleinen eigneten sich außerdem kühle, ungesüßte Frucht- oder Gemüsepürees oder Joghurt. Erzieherinnen und Erzieher sollten als Vorbild selbst regelmäßig und ausreichend trinken.
Im Schatten bleiben – oder drinnen
Damit Kinder bei Hitze sicher in Bewegung bleiben, rät der Mediziner dazu, das Herumtoben am besten in die Morgenstunden zu verlagern. „Auch Wasserspiele bringen Abkühlung“, ergänzt er. Am besten wäre es allerdings – auch aus Gründen des UV-Schutzes –, dass sich Kinder von 11 Uhr bis zum späteren Nachmittag draußen nur im Schatten aufhalten und sich dort eher ruhigen Spielen widmen.
Ganz klar: Je mehr Schatten ein Außengelände bietet, desto besser. Am geeignetsten sind Bäume, denn unter ihnen ist es deutlich kühler. Wo es keine oder nur kleinere Bäume und Sträucher gibt, sollten Sonnensegel und -schirme zum Einsatz kommen. Manchmal bleibt den Fachkräften aber nichts anderes übrig, als bei besonders hohen Temperaturen mit den Kindern drinnen zu bleiben, wo es hoffentlich kühler ist.
Wenn sich auch die Gebäude stark aufheizen, sollte über eine Nachbesserung nachgedacht werden. Eine relativ einfache Maßnahme ist es, Außenjalousien oder Rollläden anzubringen, die tagsüber geschlossen bleiben. Früh morgens, bevor die Temperaturen wieder klettern, sollten die Fenster zum Stoßlüften weit geöffnet werden. Als weitere wirksame Maßnahmen nennt Dr. Johannes Nießen Wärmeschutzverglasung für Fenster, die Isolierung von Fassaden und Dächern sowie in manchen Fällen die Installation von Klimaanlagen oder Deckenventilatoren. „Auch ein heller Anstrich für Dächer und Wände hilft.“
Die Kitaleitungen sollten den Träger ansprechen, wenn die Temperaturen in den Innenräumen belastend sind. Sollten bauliche Maßnahmen notwendig werden, gibt es auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene Förderprogramme und gezielte Beratungsleistungen, die es sich zu prüfen lohnt.
Tipps!
Ist dem Kind zu warm? Befühlen Sie die Stelle zwischen den Schulterblättern unterhalb des Nackens. Die Haut sollte warm, aber nicht verschwitzt sein.
Die Förderrichtlinie des Bundesumweltministeriums „Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen“ unterstützt auch Kitas, sich gegen die Auswirkungen der Klimakrise – insbesondere Hitze – zu schützen.
Eine gute Orientierung zu Sonnenschutz und Hitze speziell fokussiert auf Kinder bietet die Webseite www.klima-mensch-gesundheit.de unter dem Reiter „Lebenswelten“: Tipps für Kitas und Schulen.
Linktipps und Materialien zum Thema Sonnen- und Hitzeschutz hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) auf der Webseite Kindergesundheit zusammengestellt: https://kurzelinks.de/l0oz
Beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) gibt es eine Handreichung für Erzieherinnen und Erzieher mit Ideen, wie man das Thema spielerisch mit den Kindern aufbereiten kann (PDF): https://kurzelinks.de/qtg9
Das BfS hat außerdem eine Themenseite, die sich damit beschäftigt, wie Einrichtungen UV-sicher gemacht werden können: https://kurzelinks.de/rpda
Unter dem Webcode W150 finden Fachkräfte auf der Webseite www.sichere-kita.de viel Wissenswertes zum Sonnenschutz – auch was die Beschäftigten selbst betrifft.
Eine gute und aktuelle Übersicht über Sonnenschutz in Kindertageseinrichtungen gibt es in der DGUV-Publikation FBBE-011 unter: www.dguv.de, Webcode: p022495
_Kinder lernen Sonnenschutz spielerisch und mit Experimenten kennen
_Sonnensegel und Bäume beschatten die Spielgeräte
_UV-Barometer informiert Eltern und das Team über die aktuelle Strahlungsstärke
Die „Matschstrecke“ ist in der warmen Jahreszeit besonders beliebt. Hier können die Kinder neugierig ihrem Spiel- und Entdeckungsdrang nachgehen und mit Sand und Wasser so richtig – na ja, eben rummatschen. Das funktioniert am besten, wenn alle zusammenarbeiten. Piet steht auf dem höchsten Podest der raffinierten Konstruktion, die aus mehreren Ebenen besteht, und bedient die Pumpe. Wasser strömt in die oberste Blechwanne. Tino zieht an einer Kordel und das kühle Nass fließt in den nächsten Blechbehälter. Dort stehen andere Kinder mit Gefäßen, um das Wasser abzufüllen. Was zu viel ist, fließt kleine Holzrutschen hinunter und landet in Holzkästen, die am unteren Ende der Konstruktion im Sand stehen. Auch hier warten schon Kinder mit Tassen und Förmchen, um endlich rummatschen zu können.
Der Sonnen- und UV-Schutz ist der DRK-Kita „Zwergenland am Birkenwald“ im sächsischen Freital dabei ein Anliegen. Über die „Matschstrecke“ wie auch über die Spielplätze für Krippen- und Ü3-Kinder sind große, blaue Sonnensegel gespannt, die überall Schatten spenden. Ebenso ist das Außengelände gespickt mit Bäumen, die ebenfalls für reichlich Schatten und damit auch im Hochsommer für etwas Frische sorgen. „Das ist schon bei der Gründung der Kita vor mehr als 40 Jahren berücksichtigt worden, als die Bäume gepflanzt wurden“, sagt Kitaleiterin Cindy Lohse. Sie profitiert vom Weitblick der damaligen Planung. Allerdings ruht sie sich nicht darauf aus, sondern setzt auch ihre eigenen Akzente hinsichtlich des UV- und Sonnenschutzes. „Das gehört für uns einfach zur Gesundheitserziehung dazu“, sagt sie. „So wie das Zähneputzen, das wir anbieten, eine ausgewogene Ernährung oder das Händewaschen nach dem Gang zur Toilette.“
Krebsprävention praxistauglich aufbereitet
Inzwischen gehört ebenso selbstverständlich das Projekt „Clever in Sonne und Schatten“ dazu. Cindy Lohse gefällt daran, dass die medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der Krebsprävention ganz praxistauglich für den Kita-Alltag umgesetzt sind: „Es gibt Experimente und andere schöne Ideen. Wir können den Sonnenschutz damit spielerisch vermitteln.“
Die Kinder pflanzen beispielsweise eine Kartoffel in einen dunklen Karton und schneiden nur in eine Seite ein Loch. Aha! Die Kartoffel wächst zur Seite, in die das Licht einfällt. Sonne ist gut und hilft beim Wachsen! Oder die Kinder basteln „Fingerheizungen“. Die kleinen Tellerchen aus Alufolie stecken sie sich an den Zeigefinger, gehen nach draußen und halten ihn in die Sonne. Das wird ganz schön heiß – was für eine Kraft die Sonne doch hat! Also aufpassen, die Sonne kann auch gefährlich sein!
Lernen mit dem Sonnenschutz-Clown
Die Figur des Sonnenschutz-Clowns Zitzewitz spielt beim Projekt ebenfalls eine Rolle, sei es in Form einer Aufklärungsgeschichte in einem Buch oder als Ausschneidefigur. „Zitzewitz taucht bei uns immer mal wieder im Kita-Alltag auf. Zum Kindertag verkleide ich mich dann als Clown und verteile Eis an die Kinder“, sagt Cindy Lohse. Die freuen sich dann zwar über die leckere Erfrischung, haben aber vorher durch die Bastelei mit Zitzewitz gelernt: Eis, Tischtennisschläger, Bälle oder Windradspielzeuge sind ja sehr nett im Sommer. Unbedingt notwendig sind diese Dinge aber nicht. Wichtig sind stattdessen die richtige Kleidung, Sonnencreme, eine Kopfbedeckung oder ein Sonnenschirm, um sich zu schützen.
„Unser Ziel ist es, einerseits die Kinder zu schützen und sie andererseits zu wappnen, damit sie selbstständig mit dem Thema umzugehen lernen“, fasst Cindy Lohse zusammen. Das funktioniert anscheinend ziemlich gut, wie die Kitaleiterin berichtet: „Es gab schon Eltern, die zu mir gesagt haben: ‚Unser Kind hat das schon so verinnerlicht, dass es uns in der Früh an den Sonnenschutz erinnert hat.‘“
Zu den Eltern gehört Thomas Bührdel. Sein Sohn Charlie geht seit einem Jahr ins „Zwergenland“ – die drei älteren Geschwister wurden zuvor noch woanders betreut. Allerdings sei das Thema Sonnenschutz dort nicht so groß geschrieben worden. „Es geht mir dabei nicht nur um das Eincremen, sondern um die Gestaltung des Außengeländes“, führt der Vater aus. Nach dem Mittag habe es in diesen Kitas nur noch wenig Schatten gegeben. „Vielleicht noch eine Sonnenblende über dem Sandkasten.“ Die meisten anderen Spielgeräte hätten dagegen in der prallen Sonne gestanden. Die Folgen des Klimawandels mit heißeren Tagen und stärkerer Sonnenstrahlung spüre aber auch er als Erwachsener, sagt Thomas Bührdel. Der UV-Schutz sei für ihn also ein wichtiger Punkt bei der Kita-Auswahl gewesen. „Deshalb haben wir uns bewusst für das ‚Zwergenland‘ entschieden“, erklärt Thomas Bührdel.
UV-Barometer veranschaulicht Schutzmaßnahmen
Das Thema ist schon präsent, noch bevor jemand das Kitagelände betreten hat. Am Eingangszaun hängt nämlich gut sichtbar ein UV-Barometer. Von Stufe 1 (schwach) bis 11 (extrem) lässt sich ablesen, wie stark die Sonnenstrahlung ist. Auch die Schutzmaßnahmen stehen gleich daneben. Bereits ab Stufe 3 (mittel) gilt für die Kinder: Hut, T-Shirt, Sonnenbrille, Sonnencreme und Schattenplätze aufsuchen. Ab Stufe 8 gibt es den Hinweis, den Aufenthalt im Freien am besten ganz zu vermeiden. „Für uns Eltern ist das eine schöne optische Erinnerung“, sagt Thomas Bührdel. „Heute steht es auf Stufe 7, orange. Da sollte ich besser daran denken, mein Kind einzucremen.“
Der Mann für das UV-Barometer ist Fabian Schumann. Der Erzieher informiert sich beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) über die neuesten Wetterdaten und sorgt von April bis Ende September dafür, dass der Zeiger des UV-Barometers an der richtigen Stelle steht. „Bei hohen Temperaturen und entsprechend hohem UV-Index achten wir darauf, dass die Kinder – und auch wir als Fachkräfte – im Schatten sind“, sagt Fabian Schumann. „Wir geben dann auch die entsprechenden Spielmaterialien raus, die sie dazu anregen, mehr im Schatten zu spielen.“ Am besten so, dass die Kinder nicht zu wild herumtoben. „Damit sie nicht überhitzen.“
„High Five“ mit Hut und Sonnenbrille
Das Thema liegt ihm am Herzen. Denn ein Sonnenbrand tue den Kindern vielleicht nur eine Woche lang weh, schon bald würden sie jedoch nicht mehr daran denken, veranschaulicht Fabian Schumann. „Aber was das für langfristige Folgen haben kann, wissen sie nicht.“ Dass man Sonnenbrand besser vermeidet, indem man sich im Schatten aufhält und sich gut eincremt, möchte er den Kindern daher vermitteln.
Dafür geht Fabian Schumann mit gutem Beispiel voran. Mit Hut und Sonnenbrille hockt er am Spielplatz und hilft Piet, damit der Junge unter seiner Kappe auch eine coole Sonnenbrille aufsetzen kann. Danach klatschen die beiden mit „High Five“ ab und Piet setzt sich auf den Roller.
Denn nicht nur die „Matschstrecke“ und die Sandkästen liegen wegen der Sonnensegel im Schatten. Dank der Bäume sind auch die Rollerrundstrecke, Schaukel, Rutsche und das Klettergerüst im Schatten – zumindest für gewisse Phasen am Tag, in denen der Parcours und die Geräte dann intensiv genutzt werden. „Wir haben bei der Neugestaltung im Jahr 2020 auch auf den Sonnenlauf geachtet“, unterstreicht Cindy Lohse. „Es ist tatsächlich so, dass wir für unsere Krippenkinder im Garten mal ein Fleckchen suchen müssen, wo sie in der Sonne planschen können. Es ist alles sehr schattig – aber das ist ja gewollt und auch gut so.“
Früh morgens geht es in den Garten
Trotzdem müssen die Kinder natürlich eingecremt werden. Das machen morgens die Eltern und im Laufe des Tages die pädagogischen Fachkräfte. „Am Anfang hatte jedes Kind seine eigene Sonnencreme, mit Namen drauf“, blickt Cindy Lohse zurück. Das erwies sich bei 128 Kindern jedoch als sehr unpraktisch. „Wir haben inzwischen eine Marke gefunden, die einen Lichtschutzfaktor von 50 hat und für einen Großteil der Hauttypen – also auch Kinder mit Neurodermitis und allergischen Reaktionen – verträglich ist. Darauf können die Erzieherinnen und Erzieher zurückgreifen.“
Organisatorisch trägt die Kita „Zwergenland am Birkenwald“ dem Sommer ebenfalls Rechnung. „Dann geht es um 6 Uhr schon raus in den Garten“, sagt Cindy Lohse. „Zu dieser frühen Zeit können wir uns noch ohne Bedenken im Freien aufhalten und nehmen dann teilweise auch das Frühstück draußen ein.“ An Tagen mit besonders hoher UV-Strahlung geht es dann spätestens um 10 Uhr ins Gebäude. „Und das verlassen wir dann eigentlich auch nicht mehr.“
Das Projekt
Seit 2018 haben mehr als 450 Kitas die Auszeichnung „Clever in Sonne und Schatten“ für ihr nachhaltiges Engagement in Sachen Sonnenschutz erhalten. Es ist ein Projekt des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC), einer gemeinsamen Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR).
Michal Gina: Die Hautbarriere ist bei Neugeborenen und Kleinkindern noch nicht vollständig entwickelt. Deswegen ist deren Haut empfindlicher und neigt zur Trockenheit. Darüber hinaus kann die Haut von Neugeborenen noch nicht so schnell und ausreichend Pigmente produzieren, wie dies bei der Haut eines Erwachsenen der Fall ist. Zudem liegen bei Kindern die Haarfollikel, die viele Stammzellen enthalten, näher an der Hautoberfläche. Sonnenstrahlen erreichen sie so leichter und können die Stammzellen bereits nach kürzerer Zeit schädigen. Somit ist die Kinderhaut auch empfindlicher gegenüber UV-Strahlen.
Sollten Kinder Sonne also am besten ganz meiden?
Gina: In den ersten zwölf Lebensmonaten sollte ein Kind möglichst keiner direkten Sonnenbestrahlung ausgesetzt werden. Sonne ist für unser Leben und unsere Entwicklung – beispielsweise bei der Vitamin-D-Produktion – aber wichtig und unterstützt das gesunde Wachstum von Kindern. Daher ist es sinnvoll, ein gesundes Verhältnis gegenüber der Sonne aufzubauen. Im Sommer und generell an sehr warmen, sonnigen Tagen sollten Kinder zwischen 11 und 16 Uhr die Sonne meiden – das gilt aber auch für die pädagogischen Fachkräfte.
Was schützt am besten vor UV-Strahlung?
Gina: Langärmelige T-Shirts und lange Hosen sowie der Aufenthalt im Schatten sind bei kleinen Kindern immer der Sonnencreme vorzuziehen. In Deutschland bietet generell eine fest gewebte Baumwollkleidung zusammen mit einem Hut, einer Kappe oder einem Tuch mit Schirm und Nackenschutz einen ausreichenden Schutz gegenüber UV-Strahlung. Allerdings sollte man beachten, dass nicht alle Stoffe sonnendicht sind. Vor allem im nassen Zustand lassen Baumwolltextilien mehr UV-Strahlen durch. Daher kann eine spezielle Sonnenschutzkleidung, die den „UV-Standard 801“ erfüllt, empfohlen werden. Damit wird gewährleistet, dass die Textilie ausreichend vor UV-Licht schützt. Wichtig ist auf jeden Fall, dass der textile Schutz besteht und somit nur kleine Körperareale mit Sonnenschutzmittel eingecremt werden müssen.
Was ist bei den Sonnenschutzmitteln zu beachten?
Gina: Bei Kleinkindern sollten vor allem Mittel mit sogenannten „mineralischen Filtern“ verwendet werden. Diese verbleiben nur in den obersten Schichten der Haut. Zudem sind sie gut hautverträglich und führen selten zu Hautreizungen. Jedoch können bei Kindern auch sogenannte „chemische Filter“ eingesetzt werden. Viele der sogenannten „Kinder-Sonnenschutzmittel“ enthalten diese Stoffe. Bei Kindern sollte ein Mittel verwendet werden, das mindestens einen Lichtschutzfaktor (LSF) von 30 aufweist und sowohl gegen UV-A- als auch UV-B-Strahlen schützt. Da die Haut von Kleinkindern zur Trockenheit neigt, sollten auch eher Cremes und keine Lotionen verwendet werden. Natürlich muss hier immer die individuelle Verträglichkeit beachtet werden.
Reicht es aus, mittags nachzucremen, wenn die Eltern das Kind morgens eingecremt gebracht haben?
Gina: Sonnenschutzmittel werden durch Schwitzen und Abrieb abgetragen. Um den Schutz aufrechtzuerhalten, ist es wichtig, alle zwei Stunden nachzucremen. Dies gilt sowohl für Erwachsene als auch für Kinder. Das wiederholte Auftragen verlängert die Schutzdauer des Mittels jedoch nicht. Vielmehr trägt es nur zur Aufrechterhaltung der optimalen Wirkung bei. Häufiges Eincremen mit einem hohen Lichtschutzfaktor darf daher nicht dazu verleiten, Kinder unbesorgt länger in der Sonne spielen zu lassen. Außerdem kann die Wirksamkeit von Sonnenschutzmitteln zum Beispiel beim Schwimmen, Spielen im Wasser oder bei starkem Schwitzen schneller abnehmen. Also wasserfeste Sonnencreme verwenden und nach dem Schwimmen erneut eincremen.
Sollten Kinder Sonnenbrillen tragen?
Gina: Extreme UV-Belastung, wie sie zum Beispiel durch Schneereflexion im Hochgebirge oder Lichtspiegelung am Strand auftritt, kann zu schmerzhaften Entzündungen der Horn- und Bindehaut führen und die Augen langfristig schädigen. Daher ist es wichtig, Kinderaugen insbesondere bei hoher UV-Exposition durch eine Sonnenbrille mit UV-Filter zu schützen.
Müssen Kinder, die einen dunkleren Hautton haben, genauso konsequent vor Sonne geschützt werden?
Gina: Dunkelhäutige Kinder haben aufgrund ihres höheren Melaningehalts – das dunkle Pigment der Haut – einen besseren natürlichen UV-Schutz als hellhäutige Kinder. Dieser Schutz entspricht etwa einem Lichtschutzfaktor von 13. Dennoch sind auch dunkelhäutige Kinder nicht vor UV-bedingten Schäden geschützt. Sie können einen Sonnenbrand bekommen, Pigmentverschiebungen entwickeln und langfristig kann die Schädigung durch die Sonne zur Hautalterung oder sogar zu Hautkrebs führen.
Immer wieder hört man, dass Vorbräunen eine vorbeugende Wirkung haben soll. Stimmt das?
Gina: Vorbräunen bietet keinen ausreichenden UV-Schutz. Physiologisch ist Bräunung eine Stressreaktion der Haut, die auftritt, wenn die Hautzellen beschädigt werden. Obwohl Bräunung in der Gesellschaft oft als attraktiv angesehen wird, ist sie also bereits ein Zeichen für eine Hautschädigung.
AHA
Sonnenschutz wird auch bei Kindern erst empfohlen, wenn die UV-Strahlung intensiv ist. Dies kann mithilfe des UV-Index (UVI) eingeschätzt werden. Ab einem UVI von 3 sollten Schutzmaßnahmen ergriffen werden.
Infos zum UVI und zu den Hauttypen gibt es beim Bundesamt für Strahlenschutz: www.bfs.de
Verónica Oelsner: Die Kinder sind neugierig und wollen die Welt verstehen, sie staunen über Dinge und Phänomene, die sie beobachten, sie probieren viele Sachen aus und stellen uns Erwachsenen unzählige Fragen. Warum schwimmt das Boot, aber der Stein nicht? Warum landet mein Hausschuh, wenn ich ihn in die Luft werfe, meistens auf der Sohle? Wie kommt das Bild ins Handy? Die Pädagoginnen können diese Fragen aufgreifen und gemeinsam mit den Kindern nach Antworten suchen. Wenn sie das tun, fördern sie etwas ganz Grundlegendes: eine fragend-forschende Haltung, die wichtig ist für eine konstruktive, offene Auseinandersetzung mit der Welt. Wenn das in den ersten Lebensjahren passiert, legt dies einen sehr wichtigen Grundstein.
Geht es darum, den Forschergeist zu wecken und zu erhalten, da – mit die Kinder später einmal beruflich ‚etwas mit MINT‘ machen?
Es geht darum, Interesse für MINT zu wecken, aber das ist nicht das einzige Ziel. Es geht auch ganz stark darum, eine Haltung gegenüber der Welt zu entwickeln, ein Verständnis für Zusammenhänge. Diese Haltung fördert die Fähigkeit, Dinge hinterfragen zu können: Wie kommt jemand zu diesem Schluss, woher stammen die Zahlen, wer sagt das auf welcher Grundlage? Das gehört nach meiner Meinung zu einer Mündigkeit im Denken dazu – egal ob jemand Physiker ist oder am Schalter bei der Post arbeitet. Mit früher MINT-Bildung bekommen die Kinder dafür das Werkzeug.
Wird deshalb in den Bildungsplänen der Länder die MINT- Bildung für den Elementarbereich herausgehoben?
Ja richtig. Die Verantwortlichen haben die Chancen erkannt und möchten diese forschend-lernende Haltung fördern. Fragen zu stellen, Vermutungen nachzugehen, sich auf den Weg zu machen, Ideen zu entwickeln, einen Plan zu machen, Antworten herauszufinden, natürlich auch gemeinsam mit anderen. Beobachten, dokumentieren, argumentieren … Das ist alles enorm wichtig für die MINT-Fächer, aber auch weit darüber hinaus.
Funktioniert MINT-Bildung im Einklang mit jedem pädagogischen Konzept, zum Beispiel mit offenen Gruppen und einer hohen Partizipation der Kinder?
Ich denke, das kann sich wunderbar ergänzen. Gute MINT-Bildung fördert ja nicht nur MINT-Kompetenzen, sondern auch Sozialkompetenzen, Sprachkompetenzen, Problemlösekompetenzen. Die Kinder lernen sich abzustimmen, Aufgaben zu verteilen, sich auf ein Vorgehen zu einigen. Das lässt sich sehr gut mit einem partizipatorischen Ansatz verbinden. Und ob offene oder geschlossene Gruppen – auch das ist letztlich egal. Ich sehe da keine Hindernisse.
Ich könnte mir vorstellen, dass für manchen Erzieher und manche Erzieherin dieses Themenfeld fremd ist und es Vorbehalte und Ängste gibt. Was benötigen die pädagogischen Fachkräfte für Voraussetzungen, um diesen Bildungsprozess gut begleiten zu können, wie nimmt man ihnen die Befürchtungen?
Ich denke, die zentrale Voraussetzung bei den pädagogischen Fachkräften ist ihre offene Haltung gegenüber den Fragen der Kinder. Dass sie beobachten, womit die Kinder sich beschäftigen, und darüber in den Dialog treten sowie sie beim forschenden Lernen ermuntern und unterstützen. Dazu gibt es im Kita-Alltag unzählige Anlässe. Ganz wesentlich ist auch ein Verständnis von sich selbst als Lernende. Es geht nicht darum, alles von vornherein zu wissen, den Ausgang eines Versuchs zu kennen oder die Antwort auf die Kinderfragen. Ich als Lernende bin bereit, mich ganz offen gemeinsam mit den Kindern mit einer Frage auseinanderzusetzen. Das ist das Konzept der Ko-Konstruktion.
Dem steht gegenüber, dass es zahlreiche Bücher mit Experimenten für Kinder gibt. Auf einer Art Lösungsblatt kann die Fachkraft nachlesen, was da genau passiert und wie sie es den Kindern erklären kann.
Diese Experimente haben durchaus ihre Berechtigung. Sie können die Neugier wecken. Zu einer guten MINT-Bildung gehört aber mehr. Mindestens genauso wichtig wie die wissenschaftlich korrekte Antwort ist nämlich der Prozess, wie es zu dieser Antwort kommt. Die Kinder werden Fragen stellen und Vermutungen äußern. Und dann beginnt es, spannend zu werden. Die Fachkräfte sollten sich darauf einlassen und diesen Weg begleiten. Es kann dabei sogar hinderlich sein, die Erklärung bereits zu kennen, nämlich dann, wenn sich die Fachkraft mit ihrem Wissen nicht zurückhält.
Also ergibt sich alles aus der Situation?
Vieles, aber sicherlich nicht alles. Die Fachkraft kann und soll auch Vorschläge machen. Unsere Aufgabe als Erwachsene und Pädagogen oder Pädagoginnen ist es, bestimmte Interessen zu wecken, sie zu fördern und die Welt der Kinder zu erweitern. Wir können Fragen der Kinder aufgreifen, aber auch Themen und Angebote vorschlagen. Die Kunst besteht darin, dass diese altersgemäß sein und den Interessen der Kinder entsprechen sollten.
Wie ernst muss man die Kritik nehmen, Unternehmen trügen ihre eigenen Interessen in den Elementarbereich, indem sie Fortbildungen und Material finanzieren?
Die Frage haben wir uns zu Beginn der Partnerschaften, von denen ein Teil unternehmensnahe Stiftungen sind, natürlich auch gestellt und deshalb für uns klare Rahmenbedingungen für eine Zusammenarbeit festgelegt. So liegt die inhaltliche Entwicklung der didaktischen Materialien und der Fortbildungen komplett in unseren Händen. Darauf haben die Partner keinen Einfluss. Und die Erfahrungen zeigen zudem, dass es ihnen nicht ausschließlich um die Nachwuchsförderung und Ausbildung zukünftiger Fachkräfte geht, schon gar nicht für ihre eigenen Unternehmen. Es geht unseren Partnern um das Fördern der beschriebenen Haltung und um das Interesse an Bildung und Lernen ganz allgemein. Und das kommt der Gesellschaft als Ganzes zugute.
UNSERE GESPRÄCHSPARTNERIN Als Fachleiterin bei der Stiftung Kinder forschen begleitet die Erziehungswissenschaftlerin Dr. Verónica Oelsner die Entwicklung von Materialien und Fortbildungen für pädagogische Fach- und Lehrkräfte im Bereich der frühen Bildung für nachhaltige Entwicklung.
_Der Träger unterstützt Kitas mit Fortbildungen und einem Netzwerk von Trainern und Trainerinnen
Jeden Mittwoch steht im Kinderzentrum Hügelstraße in Frankfurt „Kochen mit Alex“ auf dem Programm. Bevor es losgeht, flitzen die Kinder zum Händewaschen, Schürzen werden angezogen, der Tisch abgewischt. Heute hat der pädagogische Mitarbeiter Alexander Franke den Kindern eine mit hellgelbem Pulver gefüllte Glasflasche mitgebracht, eine weitere mit gelben Krümeln, dann gibt es eine Schüssel mit Cornflakes und eine Packung eingeschweißten Zuckermais. „Kennt ihr das?“, fragt er und hält die Packung hoch. Maryam weiß natürlich, dass es Mais ist. „Wisst ihr auch, wie Mais wächst?“ Die Jungen und Mädchen überlegen: „Auf Bäumen?“, mutmaßt Oscar. „Nein, das sind so Stangen!“, weiß Aneeq. Der Pädagoge nickt: „Richtig – ich habe ein paar Maispflanzen vom Feld dabei. Die gucken wir uns mal genauer an.“
Kurze Zeit später tragen die Kinder drei riesige Maispflanzen herein. „Wie groß sind die denn?“, staunt Raven. „Miss doch mal nach“, schlägt Alex vor. Maryam, Raven und Stefan müssen den Zollstock zweimal anlegen. Einmal messen sie zwei Meter und noch einmal ungefähr 80 Zentimeter. „Das sind 2,80 Meter. Mehr als doppelt so groß wie du, Raven!“, rechnet Alex vor. Die Kinder sind beeindruckt, sie vergleichen, welche der Maispflanzen die längste ist, ob an ihr die meisten Maiskolben wachsen und wie groß diese sind. Oscar schält einen der Maiskolben aus den Hüllblättern. Blatt für Blatt zieht er nach unten und wundert sich: „Warum ist der Mais denn so oft in Folie gepackt?“ „Das ist keine Folie, sondern die eigene Verpackung vom Mais“, erklärt ihm Alexander Franke, „kennst du noch andere Pflanzen, die du zuerst auspacken musst, bevor du sie essen kannst?“ Oscar braucht nicht lange, bis ihm die Banane einfällt.
„All das ist MINT“, erläutert die Pädagogin Claudia Walter. „Messen, vergleichen, Fragen stellen. Dieses forschende Lernen fördern wir hier.“ Das Team des Kinderzentrums versteht sich als Lernbegleiter und Impulsgeber, die die (Selbst-)Bildungsprozesse der Kinder unterstützen.
Bildungsprozesse begleiten
Claudia Walter hat 2012 eine Trainerausbildung bei der „Stiftung Kinder forschen“ gemacht, die damals noch „Haus der kleinen Forscher“ hieß. Seitdem war sie Trainerin für das lokale Netzwerk Kita Frankfurt und hat pädagogische Fachkräfte zu der ganzen Palette an MINT-Themen geschult. Das Kinderzentrum Hügelstraße, wo sie außerdem als stellvertretende Leiterin tätig ist, wurde kürzlich zum sechsten Mal als MINT-Kita zertifiziert. Wer nun aber erwartet, überall Forscherecken mit Lupen, Mini-Robotern und Experimentierkästen zu finden, wird enttäuscht. Zwar gibt es ein großes Regal mit allerlei Dingen, die das Herz kleiner Forscherinnen und Entdecker höherschlagen lassen, viel Konstruktionsspielzeug zum Erfahren von mathematischen und technischen Grundprinzipien und Material, das keine eindeutige Spiel- und Nutzungsfunktion hat, sondern viel Freiraum und Kreativität zulässt. Aber das eigentliche Erforschen und Entdecken passiert ganz „en passant“. Denn die Kinder gestalten ihre eigenen Lernwege, begleitet von den Fachkräften.
Die Pädagogin verdeutlicht das an einem Beispiel. „Im Frühjahr beginnen immer die Diskussionen, ob die Jacken draußen noch angezogen werden müssen oder nicht. Dann heißt es von den Erwachsenen: Jacke an! Es sind nur 15 Grad! Die Kinder wollten wissen: Was bedeutet das eigentlich? So haben wir mit den Kindern über Temperatur, das Thermometer und das Wetter geforscht. Die Kinder hatten viele Fragen. Zum Beispiel: Warum gibt es die Zahlen auf dem Thermometer doppelt? Was bedeuten das C und das F? Was ist kalt, was warm und warum? Da steckt überall ganz viel MINT-Bildung drin. Die Kinder geben die Themen vor und wir Fachkräfte begleiten sie bei ihrem Lernprozess.“
Die Einrichtung arbeitet nach einem offenen Konzept und ist inklusiv. Partizipation und demokratische Prozesse gehören zum Alltag. „Die Kinder mit besonderen Bedürfnissen profitieren von unserer Grundhaltung der Lernbegleitung vielleicht besonders, da sie ihre Interessen und ihr Tempo weitgehend selbst bestimmen können“, ist die erfahrene Pädagogin überzeugt.
Michi mag keinen Mais
Inzwischen sitzen die Kinder um den Tisch und haben den Mais geschält, mithilfe des Erziehers klein geschnitten und in einen Topf mit Wasser gelegt, damit er gar wird. „Das Wasser ist schon warm“, stellt Maryam fest. „Woran merkst du das?“, erkundigt sich Alex. „Es dampft und da sind so kleine Bläschen!“ „Super beobachtet! Ihr seid richtige Detektive!“
Jetzt ist es an der Zeit, in Augenschein zu nehmen, was Alex heute noch dabeihat. Michi mag zwar keinen Mais, aber die Cornflakes schmecken ihm gut und er knuspert drauflos. Während alle Cornflakes kennen und mögen, sind die Kinder beim Inhalt der beiden Flaschen ratlos. Alex schüttet ein wenig davon in Glasschälchen. Oscar stellt fest: „Das ist ein Pulver!“ und Aneeq vermutet: „Ist das Mehl?“ Der Pädagoge bestätigt: „Ja richtig, und kannst du dir vorstellen, woraus das gemacht ist?“ „Aus Mais, es ist ja gelb.“ Alex nickt: „Richtig! Das ist Maismehl und das andere ist Polenta, so etwas Ähnliches wie Grieß. Der wird auch aus Mais gemacht und man kann daraus Brei kochen.“ Die Jungen und Mädchen kosten vorsichtig – aber mit Cornflakes können Maismehl und Polenta nicht mithalten. „Cornflakes ist englisch und das bedeutet übersetzt Maisflocken“, erklärt Alex. Erstaunte Gesichter. So viele Lebensmittel gibt es, die man aus Mais machen kann! Aber wie wird aus einem Maiskolben eine Maisflocke? Da das eine Frage ist, die sich nicht so einfach beantworten lässt, holt der pädagogische Mitarbeiter ein Tablet und zeigt einen Videoclip der Sendung mit der Maus, in dem genau das erklärt wird.
Netzwerk für MINT-Bildung der Fachkräfte
Alexander Franke hat wie die anderen Erzieher des Kinderzentrums eine Fortbildung für frühe MINT-Bildung gemacht. Der Träger Kita Frankfurt ermöglicht dies den pädagogischen Fachkräften über ein engmaschiges Netz aus speziell geschulten Trainerinnen und Trainern. Die Fachkräfte werden dazu ermuntert, auch darüber hinaus an Webinaren, Workshops und Selbstlernkursen teilzunehmen – was gut angenommen wird. Fast die Hälfte aller Kitas in der Trägerschaft der Stadt sind MINT-Kitas. Alle vier Jahre gibt es für die Teams eine Dienstbesprechung gezielt zu MINT und alle Kitas, die das Zertifikat neu erhalten haben, bekommen im ersten Jahr eine eintägige Inhouse-Schulung dazu. So wird die frühe MINT-Bildung als Bestandteil des pädagogischen Konzepts in den Teams verankert. „Der Aufbau der Fortbildungen ist fast identisch mit dem, wie wir auch mit den Kindern arbeiten. Niemand muss naturwissenschaftliches oder technisches Vorwissen mitbringen. Die Fachkräfte können viel ausprobieren, bekommen aber natürlich auch die Hintergründe vermittelt. Alle, die an diesen Workshops teilnehmen, sind hinterher fasziniert und begeistert“, führt Claudia Walter aus.
Währenddessen ist der Mais gar. Rasch decken die Kinder den Tisch: Für jedes gibt es einen Teller – also werden sieben Teller abgezählt. Wer möchte, bekommt nun ein Stück Mais aufgespießt, kann sich Kräuterbutter nehmen und vergleichen, ob Zuckermais und der vom Feld unterschiedlich schmecken. Michi hat zwar mit Ausdauer die Kräuterbutter gerührt, aber den Mais möchte er trotzdem nicht probieren. Auch Maryam ist nicht begeistert, während Stefan es sich schmecken lässt. „Popcorn!“, sagt er plötzlich nach eingehender Betrachtung eines heruntergefallenen Maiskorns. „Popcorn ist auch aus Mais.“ Und darin sind sich dann wieder alle einig: Das ist wirklich lecker.
Was lernen Kitafachkräfte auf den Fortbildungen der Stiftung Kinder forschen?
Es geht zentral um die Lernbegleitung: Wie kann die Fachkraft die Fragen der Kinder aufgreifen, wie das Interesse für ein bestimmtes Thema wecken, wie lassen sich Themen didaktisch gut strukturieren? Es ist sehr praxisnah, vermittelt aber auch Hintergrundwissen. Wir haben Selbstlernkurse, Webinare, Online-Workshops und auch Angebote in Präsenz wie regionale Fortbildungen und Fachtage (www.stiftung-kinder-forschen.de).
Wie kann eine Fachkraft, die solche Fortbildungen gemacht hat, das Thema erfolgreich in ihr Team tragen? Wie gelingt der Transfer?
Das ist eine spannende Frage. Mir fallen einige Möglichkeiten ein: Bei der nächsten Teambesprechung könnte sie ganz praktisch zeigen, was sie gelernt hat, und damit das Interesse anderer wecken und auch den Ansatz der Lernbegleitung verständlich machen. Die Fachkraft könnte auch bei der nächsten Gelegenheit eine Kollegin in die eigene Gruppe einladen, sie also durchs „Tun“ begeistern und so Verbündete in der Einrichtung finden. Und es hilft auch immer, solche Prozesse zu dokumentieren, vielleicht Plakate mit Fotos zu erstellen und so auch Eltern zu zeigen, was man macht. Auch über kleine Aktionen etwa bei einem Forscherfest kann man das Interesse von anderen wecken und den Ansatz greifbar machen: Es geht bei unserem Ansatz nicht einfach ums Rechnenlernen, sondern vielmehr um das Fördern einer forschend-lernenden Haltung.
Funktioniert frühe MINT-Bildung in Zeiten von Personalmangel oder muss es doch bei einem gelegentlichen Experiment in der Forscherecke bleiben?
Ich bin überzeugt davon, dass das es trotzdem geht. Wenn wir MINT-Bildung nur als Forschen in der Forscherecke begreifen, ja, dann kann unter den aktuellen Bedingungen die Zeit dafür fehlen. Aber MINT ist mehr als nur Experimente machen. Gute MINT-Bildung begegnet uns in ganz alltäglichen Situationen. Es bedeutet, sich auf die Fragen der Kinder einzulassen und in einen Dialog zu treten. Es braucht ein Bewusstsein dafür, wo sich in kleinen, alltäglichen Situationen Gelegenheiten dazu bieten und was man fördern möchte.
MINT-Bildung ist demnach mehr als die reine fachliche Auseinandersetzung mit einem Phänomen.
Absolut! Mindestens genauso wichtig, wenn nicht wichtiger ist all das, was das Kind dazu befähigt, selbstständig zu lernen, gemeinsam mit anderen Wissen zu konstruieren. Fachkräfte können niederschwellig anfangen, es braucht vor allem diese Haltung und Bereitschaft, sich auf die Fragen der Kinder einzulassen und mit ihnen gemeinsam zu lernen. Darin liegt so viel Potenzial.
_Rollenklischees tragen dazu bei, dass MINT als Männerdomäne wahrgenommen wird
_Kitakinder sind unabhängig vom Geschlecht an MINT-Themen interessiert
_Positive weibliche Rollenvorbilder können Mädchen motivieren
Erst im Laufe ihrer Bildungsbiografie fühlen sich Mädchen von MINT-Themen immer weniger angesprochen und schätzen ihre Kompetenzen deutlich geringer ein als Jungen. Zum überwiegenden Teil sind Rollenklischees und Stereotypisierung dafür verantwortlich – es kommt zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Kitafachkräfte können über gendersensible MINT-Bildung schon früh dazu beitragen, dem entgegenzuwirken.
MINT ist überall
Mädchen und Jungen profitieren in der Kita gleichermaßen von MINT-Bildung, da es keine Phänomene gibt, die Mädchen weniger interessieren als Jungen. Das betonen zwei Wissenschaftlerinnen in einem Forschungsüberblick zum Thema „Geschlechtsunterschiede in der frühen MINT-Bildung“ (s. Link). Erst ab dem Grundschulalter lässt sich eine Stereotypisierung des MINT-Bereichs feststellen. Zum Beispiel assoziieren Kinder ab der 2. Klasse Mathematik oft mit Männlichkeit. „Studien zeigen, dass die Zuschreibung ‚MINT ist gleich männlich‘ negative Auswirkungen auf das Vertrauen von Mädchen in die eigenen Fähigkeiten hat“, so Lena Keller, eine der Autorinnen. Denn nach wie vor vermitteln Umwelt und Medien Mädchen und Jungen von klein auf zahlreiche stereotype Verhaltensmuster und Vorstellungen.
Von Pilotinnen und Astronautinnen
Von Vorteil für Mädchen sei es deshalb, wenn Erzieherinnen und Erzieher auf geschlechtssensible Sprache achten, unterstreicht Keller. Die Verwendung von weiblichen Formen in männlich konnotierten Berufen wie „Pilotin“, „Astronautin“ trage dazu bei, dass Mädchen ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass die Berufe auch von Frauen ausgeübt werden können.
Außerdem kommt es darauf an, dass Erzieherinnen und Erzieher allen Kindern MINT-Lerngelegenheiten ermöglichen. „Studien deuten darauf hin, dass Fachkräfte mit einer positiven Einstellung zu MINT-Themen mehr solche Angebote für Kinder machen“, sagt Autorin Elisa Oppermann. Daher sollten Kitafachkräfte regelmäßig mit Fortbildungen in MINT-Themen geschult werden.
Eine Möglichkeit, MINT-Lerngelegenheiten und Interessen der Mädchen und Jungen im Alltag zu erkennen, besteht darin, auf das Tun der Kinder genauer zu achten: Womit beschäftigen sie sich gerade? Was machen sie konkret? Was beobachten sie gebannt? Dann geht es um das spielerische Aufgreifen und fantasievolle Erforschen von Alltagsphänomenen. Das kann eine kleine Beobachtung sein, etwa dass man einen Wasserstrahl nicht mit der Hand festhalten kann. Zudem ist der Kontext von Bedeutung: Die Lernsituationen sollten sich unmittelbar auf das Erleben der Kinder beziehen. „So können Kinder unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem Geschlecht frei explorieren und vor allem Spaß an MINT finden“, erklären die Wissenschaftlerinnen.
Übrigens: Das Bundesbildungsministerium hat 2021 ein Programm in Höhe von 45 Millionen Euro vorgestellt, in dem explizit die Förderung von Mädchen sowie die Ausweitung der MINT-Bildung auf das Kita-Alter als Ziele benannt sind. Denn die großen gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft wie Digitalisierung, Dekarbonisierung und Demografie lassen sich nur meistern, wenn auch Mädchen und Frauen für diese Aufgaben gewonnen werden können.
Mädchen früh fördern
Kinder unabhängig vom Geschlecht zum Forschen ermuntern
Rollenklischees in der Sprache vermeiden
Positive weibliche Rollenvorbilder präsentieren
Weitere Informationen zu gendersensibler MINT-Bildung
_Kritik nach „WHWW“ vorbringen: Wahrnehmen, Hinhören, Wirkung, Wunsch
Manuela ist genervt. Die Erzieherin stört es enorm, dass ihr Kollege Michael regelmäßig zu spät in die Kita kommt. Das Problem ist aber nicht nur Michaels Unpünktlichkeit, sondern auch, dass Manuela es ihm nicht sagt. „Einige Konflikte werden erst dadurch groß und immer größer, weil kleinere Unstimmigkeiten nicht angesprochen werden“, weiß Kathrin Hohmann. „Pädagogische Fachkräfte möchten oft die Harmonie wahren und unterdrücken daher Störungen, bis sich diese nicht mehr verbergen lassen. Der Ärger kann dann etwa in passiver Aggression münden.“ Also: Manuela ignoriert Michael absichtlich oder rollt hinter seinem Rücken genervt mit den Augen.
Es sind Unterschiede im Denken, Handeln und Fühlen, die zu Spannungen führen. Das können beispielsweise unterschiedliche Auffassungen über die pädagogische Arbeit sein. Zum Problem werden die Differenzen, wenn sie nicht oder nicht richtig angesprochen werden. Schlechte Kommunikation setzt Hergen Sasse mit verletzender Kommunikation gleich: „Immer, wenn wir uns verletzt fühlen, reagieren wir mit einem Abwehrimpuls.“ Das bedeutet: Der oder die Verletzte wägt nicht rational ab, sondern reagiert reflexartig mit Kampf oder Flucht. „Wir finden uns dann oft auf einem ‚Kriegsschauplatz‘ wieder, wo wir mit Worten um uns schießen und uns gegenseitig verletzen.“
Klare Strukturen geben Fachkräften Sicherheit
Um gut mit Konflikten umzugehen oder sie gar nicht erst entstehen zu lassen, sind die Orientierung an grundlegenden Werten und das Aufstellen klarer Teamregeln wichtig. Sie könnten etwa lauten: „Wenn niemand etwas sagt, ist alles gut“ oder „Wir reden nicht (schlecht) über andere, wenn sie nicht da sind“. Die Kitaleitung sollte diese Werte vorleben und klare Strukturen schaffen: „Das gibt den Fachkräften Sicherheit“, sagt Hergen Sasse. „Sie dürfen zum Beispiel in Teamsitzungen keine Angst haben, durch Kritik bloßgestellt zu werden.“ Im konkreten Konfliktfall rät der Kommunikationscoach, zu versuchen, die Perspektive des Gegenübers einzunehmen. Also Verständnis für die andere Position zu entwickeln – ohne dass man mit der Position einverstanden sein muss. Beim Gespräch sollte man nicht mit der Tür ins Haus fallen, sondern das Thema kurz anreißen, damit sich das Gegenüber darauf einstellen kann. Außerdem sollte geklärt sein, ob er oder sie in dem Moment überhaupt bereit ist, darüber zu sprechen.
Sind die Voraussetzungen erfüllt, hat sich die Kritik nach dem Muster „WHWW“ bewährt: Wahrnehmen, Hinhören, Wirkung, Wunsch. Ein Beispiel: _WAHRNEHMEN Ich habe bemerkt, dass du Tobias heute Morgen die Spielecke verboten hast. _HINHÖREN Was war denn da los? Was ist passiert? _WIRKUNG Wir haben uns im Team dar auf geeinigt, die Kinder auf Augenhöhe und ohne Strafen zu begleiten. _WUNSCH Ich wünsche mir, dass du die Konflikte mit den Kindern ohne Strafe löst. Oder dass du den Konflikt an jemand anderen abgibst, wenn du merkst, dass du gestresst oder genervt bist. Können wir uns darauf einigen oder hast du eine bessere Idee? Mediation als letzter Ausweg Viele Konflikte lassen sich im Team lösen. Sind die Fronten allzu verhärtet, hilft eine Mediation/Konfliktbegleitung durch eine neutrale Person. „Meiner Erfahrung nach ist neben einer punktuellen Mediation die Entwicklung einer Konflikt- und Teamkultur notwendig, damit Teams auch künftig präventiv und aus eigener Kraft mit Konflikten umgehen lernen“, erklärt Hergen Sasse.
Die Fachleute
Hergen Sasse ist Konflikt- und Kommunikationscoach, Autor des Buches „Konflikte lösen“, Fortbildner und Berater im Bereich Konfliktmanagement und Kommunikation – auch für Kitas: www.sozialundstark.com Kathrin Hohmann ist Kindheitspädagogin (M. A.), Doktorandin, Podcasterin („Auf die ersten Jahre kommt es an“), Autorin (u. a. „Gemeinsam durch die Wut“ und „Augenhöhe statt Strafen“) und Fortbildnerin und setzt sich für eine achtsame sowie bedürfnisorientierte Pädagogik ein: www.kathrinhohmann.de
Konfliktpotenzial in der Teamentwicklung
„Wenn sich Teammitglieder als aktive Mitgestalter verstehen und ihre Ideen einbringen können, fördert dies eine positive Identifikation mit der Arbeit und dem Team“, sagt Kathrin Hohmann. „Allerdings können strukturelle Probleme – wie unklare Rollen und Entscheidungsbefugnisse – Konflikte verursachen.“ Man unterscheidet vier Phasen der Teamentwicklung, in denen unterschiedliche Konflikte auftreten können.
Forming: das Kennenlernen
Storming: das Aushandeln von Rollen
Norming: das Festlegen von Teamvereinbarungen und Gesprächsregeln
Performing: die produktive Zusammenarbeit
„In diesen Phasen müssen die Konflikte angemessen angegangen werden, um das Team in Richtung einer effektiven Zusammenarbeit zu führen“, fasst Kathrin Hohmann zusammen.
Frau Kowarz, welche Rituale gibt es in Ihrer Kita?
Unsere Kita verfügt über Hort, Kindergarten und Krippe. Jeder dieser Bereiche gestaltet seine Rituale selbstverständlich je nach Altersstufe und auch Gruppe individuell. Im Kindergarten ist etwa der Morgenkreis ritualisiert: Die Gruppen beginnen mit einem Guten-Morgen-Lied, danach verschaffen sich die Kinder und ErzieherInnen gemeinsam einen Überblick über die anwesenden Gruppenmitglieder und anschließend über den heutigen Tagesablauf, dargestellt an einer Tafel. Da wir eine katholische Einrichtung sind, haben wir einen christlichen Bildungsauftrag, weshalb das Ritual des Tischgebets vor der Brotzeit und dem Mittag essen fester Bestandteil in allen Bereichen und Gruppen der Kita ist. Im Kindergarten kommt hierfür der Gebetswürfel zum Einsatz, sodass die Kinder verschiedene Gebete kennenlernen und zugleich in Form von Partizipation miteinbezogen werden.
Auch die Geburtstagsfeiern sind von Ritualen geprägt. So wird immer „viel Glück und viel Segen“ gesungen und das Geburtstagskind erhält einen besonderen Platz. Außerdem gibt es an jedem Tag ein „Tageskind“, das die Kinder zählt, das Gebet würfelt oder auch das Spiel im Stuhlkreis aussuchen darf. In allen Kindergartengruppen wird zudem die Klangschale bei Übergängen eingesetzt, während wir in der Krippe hierfür Lieder singen wie „1, 2, 3 – das Spielen ist vorbei“.
Haben die Kinder ein Lieblingsritual?
In unserer Kinderkrippe lieben die Kleinen besonders das Austeilen der Trinkflaschen vor der Brotzeit. Zwei Kinder dürfen den anderen Kindern ihre Flasche an den Platz bringen. Dabei strahlen sie über das ganze Gesicht, was uns zeigt, dass sie sich in diesem Moment als selbstwirksam erleben und zudem mächtig stolz darauf sind zu wissen, wem die Flasche gehört und wo das jeweilige Kind sitzt.
Werden die Eltern einbezogen, zum Beispiel indem Rituale von zu Hause integriert werden?
Der Austausch und die Offenheit gegenüber den Eltern und deren Vorschläge sind die Grundlage für eine harmonische Zusammenarbeit. Gerade in der Eingewöhnung integrieren wir Rituale wie etwa das Singen zum Einschlafen oder das Einführen einer individuellen Verabschiedung an der Tür. Diese Rituale machen es den Kindern einfacher, sich schnell bei uns wohlzufühlen.
Gibt es auch manchmal Probleme bei der Umsetzung von Ritualen?
Die Coronapandemie stellte uns vor neue Herausforderungen. Es wurde zum Ritual,
dass die Kinder nach Ankunft in der Gruppe direkt zum Händewaschen gingen, so lauteten die Hygienevorschriften. Einige Kinder haben deutlich gezeigt, dass es ihnen schwerfällt, dies umzusetzen, da jedes Kind in der Regel seinen eigenen Start in den Tag und die Gruppe hat – so manch eines beginnt sofort zu spielen, ein anderes möchte zunächst seine Freunde begrüßen. All dies war zu der Zeit nicht möglich, da alle den Tag mit dem Händewaschen beginnen sollten. Das haben wir zu Beginn dieses Kitajahres wieder geändert. Nun waschen sich alle Kinder wieder nach dem Morgenkreis die Hände, sodass sie unmittelbar vor der Brotzeit sauber sind. Es gehört zum Qualitätsmanagement und unserer professionellen Einstellung, den Tagesablauf stetig zu reflektieren und wo nötig anzupassen, auch die Rituale.
Kann es Ihrer Erfahrung nach auch ein „Zuviel“ an Ritualen geben?
Man sollte die Häufigkeit der Rituale im Blick haben. Gerade in der Krippe hat sich jedoch in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt, dass viele Rituale für eine klare Struktur im Tagesablauf sorgen und den Kindern Halt geben.
Die Fragen stellte Sabine Biskup
Wenn Sie „Rituale“ in der Teamsitzung thematisieren möchten, finden Sie eine Übersicht hilfreicher Online-Publikationen über Rituale sowie eine Karte mit Reflexionsfragen unter www.kinderkinder.dguv.de/rituale_fragen
_Abholberechtigungen im Vorfeld regeln und dokumentieren
_Technische Lösungen ersetzen nicht die Aufsichtspflicht
Acht Kinder sind schon da, die nächsten drei im Anmarsch. Mitsamt ihren Eltern, die die Erzieherinnen und Erzieher in Tür-und-Angel-Gespräche verwickeln. Es ist hektisch, es ist stressig – und bei der Ablenkung huscht ein Kind unbemerkt nach draußen. Ein Albtraum für die pädagogischen Fachkräfte und Eltern! Damit das nicht passiert, fängt eine sichere Bring- und Abholsituation schon mit der klaren Kommunikation gegenüber den Eltern an. Die Kita sollte ihnen den zeitlichen und organisatorischen Ablauf erklären. Für längere Gespräche bietet es sich an, andere Termine zu vereinbaren.
Wichtig ist, dass die Aufsichtspflicht während der Bring- und Abholsituation geregelt und durch genügend Personal gewährleistet ist. „Bewährt hat sich in einigen Einrichtungen eine Rezeption“, sagt Oliver Patschula, Aufsichtsperson von der Unfallkasse Rheinland-Pfalz. „In dieser Phase des Tages überwacht und kontrolliert jemand im Eingangsbereich die Zugänge“, führt der Präventionsexperte aus.
Dokumentation der Abholberechtigungen
Beim Abholen müssen die Fachkräfte darauf achten, dass sie die Kinder nur abholberechtigten Personen übergeben. Dafür sollten die Eltern oder Erziehungsberechtigten zu Beginn des Kitajahres angeben, wer abholberechtigt ist. Die Kita sollte das schriftlich festhalten und das Dokument auf dem neuesten Stand halten. Auch Apps, die einige Kitas zur Verwaltung nutzen, können über eine solche Dokumentationsfunktion verfügen.
„Wenn jemand Fremdes kommt, kann es für die Kita natürlich schwierig werden“, sagt Patschula. In dem Fall müssen die Eltern dies im Vorfeld in schriftlicher Form so mitteilen, dass die Kita die Identität des „Ersatzabholenden“ zweifelsfrei feststellen kann. Ist das – beispielsweise wegen einer kurzfristigen Erkrankung der Eltern – schriftlich nicht möglich, können die Eltern mit der Kita zum Beispiel ein geheimes Codewort vereinbaren, das ansonsten nur die abholberechtigte Person kennt.
In jedem Fall sollte die Kita ausführlich dokumentieren: Wer hat das Kind wann gebracht? Wer soll es abholen? Wer hat es wann abgeholt?
Konzeptionelle Überlegungen der Kitas entscheidend
Die technischen Vorkehrungen hängen von den individuellen konzeptionellen Überlegungen und den baulichen Rahmenbedingungen der Kita ab. Sollen Eltern selbstständig Zugang zur Einrichtung haben, kann dies über Türsysteme mit Schlüsselkarten oder Codeeingabe geschehen – allerdings müssen die Kitas darauf achten, dass wirklich nur Abholberechtigte Zugang haben. Andere Kitas dürften den Zugang zum Gebäude stärker kontrollieren wollen. Naheliegend ist eine Klingel mit Gegensprechfunktion. Wer sie bedient, ist wiederum Sache der Kita. Gibt es ein Sekretariat oder eine Rezeption? Kümmert sich die Kitaleitung aus ihrem Büro darum? Oder gibt es vielleicht sogar Klingeln und Gegensprechanlagen für jeden Gruppenraum?
Damit Kinder nicht unbemerkt die Kita verlassen können, dürfen sie die Ein- und Ausgangstür nicht selbstständig öffnen können. Die Türdrücker beziehungsweise Türklinken oder bei elektrischen Türen die Betätigungstasten sollten deshalb außerhalb ihrer Reichweite angebracht sein. Im Gefahrenfall, beispielsweise wenn es brennt, führen die Fachkräfte die Kinder unter Aufsicht nach draußen.
Videoüberwachung nur in Ausnahmefällen erlaubt
Das Kitagelände per Video zu überwachen, ist ein heikles Thema und grundsätzlich nur außerhalb der Öffnungszeiten erlaubt, etwa zur Vorbeugung von Vandalismus. Kitas müssen prüfen (lassen), ob die Installation von Videokameras gestattet ist. In einem konkreten Fall aus dem Jahr 2021 erklärte der Thüringer Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (TLfDI) die geplante Videoüberwachung einer Kita für unzulässig. Begründung: Die Überwachung könne zum einen im Vorfeld nicht verhindern, dass Kinder das Grundstück verlassen. Zum anderen gebe es „mildere Mittel“, die nicht in die Grundrechte eingreifen würden – etwa ein verbessertes Schließsystem mit Gegensprechanlage.
Für eine sichere Bring- und Abholsituation gibt es „keine 100-prozentige Lösung durch technische Vorkehrungen“, lautet das Fazit von Oliver Patschula. „Durch eine bedarfsorientierte technische Ausstattung und gute Organisation lässt sich aber die Stresssituation reduzieren.“
Mir ist es wichtig, dass die Kinder über die Natur und unser Essen lernen. Auf dem Außengelände haben wir einen Apfel- und einen Birnbaum, bei uns wachsen Him-, Brom- und Heidelbeeren, wir haben Hochbeete mit Tomaten, Gurken, Karotten und Paprika angelegt. So bekommen die Kinder von klein auf mit, dass es Obst und Gemüse nicht einfach nur im Supermarkt gibt, sondern dass Arbeit dahintersteckt. Ich bereite gerne gesunde Salate und Obstsalate als Nachtisch zu. Morgens kommen die Kinder oft rein und fragen: „Gibt es heute Moni-Salat?“ Es freut mich, dass sie den gerne essen – vor allem, weil sie das zu Hause wohl häufig nicht tun. Vielleicht liegt es daran, dass ich die Gurken einfach sehr klein schneide und entkerne. Oder dass ich die Karotten ganz, ganz fein rasple. Ansonsten mache ich nichts Besonderes, nehme Essig,
Wie sieht es mit dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz aus, wenn Fachkräfte Kitakinder in ihrem eigenen Auto mitnehmen?
Ob privater Pkw oder Dienstwagen: Mit welchem Beförderungsmittel Wege zum Beispiel bei Ausflügen zurückgelegt werden, ist für den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unerheblich. Deshalb sind die Kinder, das pädagogische Personal sowie die Begleitpersonen unfallversichert. Voraussetzung ist aber, dass es sich um eine Kitaveranstaltung handelt.
Kommt es zu einem Unfall, sind dann auch die Schäden am Pkw und andere Sachschäden versichert?
Nein. Versichert sind nur Gesundheitsschäden – körperliche wie auch seelische. Ein Anspruch auf Sachschadenersatz besteht grundsätzlich nicht, diesen müsste man beim Haftpflichtversicherer des gegnerischen Fahrzeughalters geltend machen. Eine Ausnahme gilt für sogenannte Körperersatzstücke. Wird durch einen Unfall etwa eine Brille beschädigt, erhält man die Kosten für die Reparatur zurück, oder wenn eine Reparatur nicht möglich ist, die Anschaffungskosten für eine neue, gleich teure Brille.
Können Eltern von den Kitabeschäftigten für erlittene Körperschäden Schadenersatz fordern, wenn ihr Kind bei einem Autounfall verletzt wird?
In der Regel nicht, denn hier gilt das sogenannte Haftungsprivileg. Die Kitakinder sowie Aufsichtspersonen untereinander haften bei dienstlichen Unternehmungen auf Schadenersatz nur dann, wenn die verursachten Personenschäden vorsätzlich herbeigeführt wurden. Im Grunde ist damit deren Haftung in jeder Konstellation untereinander weitgehend ausgeschlossen.
Spielt es eine Rolle, wer an dem Unfall die Schuld trägt?
Für die Leistungspflicht der Unfallkasse ist die Schuldfrage unbedeutend. Die Kinder respektive deren Erziehungsberechtigte haben aber einen zivilrechtlichen Anspruch auf Schadenersatz für erlittene Gesundheitsschäden, wenn nicht die Kitabeschäftigten (hier gilt das vorgenannte Haftungsprivileg), sondern ein Unfallgegner den Unfall verursacht hat. Dies allerdings nur insoweit, als dieser Anspruch über die Leistungen der Unfallkasse hinausgeht. Dies begrenzt
sich regelmäßig auf den Anspruch auf Schmerzensgeld, weil diese Leistung
im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung nicht vorgesehen ist.
Was sollten die Kitabeschäftigten beachten, bevor sie mit den Kindern
losfahren?
Wer die Kinder mitnimmt, braucht dafür natürlich einen verkehrssicheren Pkw. Davon müssen sich der Fahrer oder die Fahrerin vor Antritt der Fahrt überzeugen. Für den Transport der Kinder müssen ausreichend viele und den aktuellen Normen entsprechende Kindersitze oder Sitzerhöhungen vorhanden sein und die Kinder darin sicher angeschnallt werden. Hat die Einrichtung selbst nicht genügend Sitze, sollten die Eltern diese den Kindern mitgeben.
Die Fragen beantwortete Jörg Zervas, Leiter der Abteilung Sicherheit – Gesundheit – Teilhabe der Unfallkasse Rheinland-Pfalz.
_Optimal: Einbindung in ein pädagogisches Konzept, da 1:1-Betreuung sinnvoll
Snoezelräume in Kindertagesstätten: gemütlich, aber sicher
In Kindertagesstätten, besonders in integrativen Einrichtungen, können Snoezelräume dazu dienen, ganz individuell auf die Bedürfnisse einzelner Kinder einzugehen. Es hat sich gezeigt, dass durch das gezielte Nutzen des Snoezelraums sowohl die Aufmerksamkeit als auch die Entspannung der Kinder zunehmen. (www.hu-berlin.de/de/forschung/szf/forschungsmanagement/veroeffentlichungen/spektrum/mertens_305.pdf) Das Angebot in den Räumen mit unterschiedlichen und bewusst gelenkten Reizen kann unter anderem dazu führen, dass sich der Puls verlangsamt und Entspannung eintritt. „Wenn das Snoezelen als pädagogische Aktivität regelmäßig durchgeführt wird, ist es ein Highlight, sowohl für Kinder als auch für Pädagoginnen und Pädagogen. Eine Auszeit, die die Sinne ordnet, zur Ruhe kommen und zugleich Bildungsprozesse stattfinden lässt“, zeigt sich Heike Levin, Erzieherin und Mitglied der International Snoezelen Association (ISNA), vom Snoezelkonzept überzeugt. Besonders wichtig ist dabei jedoch eine 1:1-Betreuung und dass sich die betreuende Person ganz auf die Bedürfnisse und Reaktionen des snoezelnden Kindes einstellt. Das bedeutet auch: Snoezelräume sind keine offenen Angebote.
Lesetipp!
Magisterarbeit: „Theoretischer Zugang zum Snoezelen und Aspekte der Gestaltung von räumlichen Bedingun-gen in einer integrativen Kindertagesstätte“, als PDF unter: https://kurzelinks.de/gu86
Licht, Farben, Wasser
Im klassischen Snoezelraum sind die Wände weiß. Lichteffekte, also besondere Sinneseindrücke für das Auge, werden mithilfe von farbigen Lampen erzielt. Elemente dafür sind LED-Scheinwerfer, Farbräder, Lichtwasserfälle sowie Lichterketten. Prismen, spezielle Spiegel und Spiegelkugeln sorgen dafür, dass das Licht reflektiert wird. Diese Effekte lassen sich durch Beamer-Projektionen verstärken. Achten Sie jedoch darauf, die Räume nicht zu überfrachten, und bringen Sie die Lichter und Lampen sicher und unzugänglich für Kinder an. Zudem können die Lichter auch mit einer Fernsteuerung einzeln zuschaltbar und dimmbar sein, um die Intensität der Farbgebung zu regulieren. Auf Lichtblitze, flackerndes Licht und Ähnliches sollten Sie allerdings verzichten (Kinder mit Epilepsie!).
Wände, Decke, Boden und Polster-Module zum Sitzen und Liegen sowie Boden und WandmattenModule können klassisch weiß oder auch gelb, orange oder beige sein. Auch hier gilt: Weniger liebevoll und aufeinander abgestimmte Elemente sind besser als zu viele.
Auch Wasserelemente spielen in Snoezelräumen eine Rolle. Dafür gibt es spezielle Wasserspiele und säulen, Aquarien sind ebenfalls denkbar. Unabdingbar ist es auch hier, die Elemente fachgemäß und kindersicher anzubringen.
Sitz- und Liegepolster
Sitzsäcke, Liegepodeste, LiegeInseln, Wasserbetten, bequeme Sessel, Boden und Wandmatten sowie Schaukeln ermöglichen bequemes Sitzen und Liegen und fördern das bewusste Spüren und Fühlen.
Musik
Meditative Töne mit spezieller therapeutischer Musik, mit Klängen, Naturgeräuschen und (Kinder)-Geschichten tragen zur Anregung und Entspannung der Kinder bei.
Sicherheit gewährleisten
Die ISNA empfiehlt, niemals Personen allein in den Snoezelraum zu lassen; das Snoezeln sollte kein offenes Angebot sein. Je nach individuellen Voraussetzungen der Kinder ist eine 1:1-Betreuung sinnvoll.
AHA!
Das Fantasiewort „snoezelen“ (sprich „snuzelen“) ist eine Zusammensetzung der niederländischen Begriffe „snuffelen“ (schnüffeln, schnuppern) und „doezelen“ (dösen, schlummern). Die Niederländer Hulsegge und Verheul setzten Mitte der 1970er-Jahre das Snoezelen zunächst als spontane Aktivität bei schwerst mehrfachbehinderten Menschen ein. Heute gibt es Snoezelräume für alle Entwicklungsstufen in unterschiedlichsten Einrichtungen, neben Kitas in Seniorenzentren, Rehabilitationseinrichtungen und Hospizen.
_Kinder lernen motorische und kognitive Fähigkeiten
_Garderobensituation als pädagogische Situation planen
_Auswahl des Garderobenortes und der -möbel von Anfang an berücksichtigen
Paul quengelt, Nina drängelt. Mia ist sauer, weil es nicht klappt mit den Gummistiefeln. Und eigentlich will sich die Erzieherin doch um Burak kümmern und ihm in die Jacke helfen. Chaos, Hektik, Stress. „Der ‚Augen-zu-und-durch-Modus‘ wird oft zum Normalzustand“, sagt Erziehungswissenschaftlerin Kira Daldrop. Sie weiß aus ihren Fortbildungen und aus eigener Erfahrung als stellvertretende Leiterin einer Leipziger Kita: „Das An und Ausziehen der Kinder ist für viele Fachkräfte die stressigste Situation des Tages.“
Grund genug, sich näher mit der Garderobensituation zu beschäftigen. Sie gehört zu den Mikrotransitionen, zu den kleinen Übergängen (siehe KinderKinder 2/2021). Von einer Aktivität zur anderen, von einem Raum oder Ort zum anderen. Die Kinder lernen dabei viel: motorisch, wie sie sich selbst an- und ausziehen. Kognitiv, wie sie sich einen Überblick verschaffen, wo ihre Kleidung ist und was sie je nach Wetter und Aktivität brauchen. „In der Garderobensituation steckt jede Menge Bildung“, sagt Kira Daldrop. Und sie habe viel Potenzial, weil sie mehrere Male täglich wiederkehre.
Anziehzeit ist Beziehungszeit
Außerdem ist Anziehzeit auch immer Beziehungszeit, in der die Fachkräfte viel mit den Kindern kommunizieren können. „Du hast ja einen neuen Pullover, der ist ganz flauschig.“ Oder: „Fühl mal, die Regenjacke ist ganz glatt und kühl.“ Kindern helfe es in der Entwicklung nicht, passiv angezogen zu werden, erklärt Kira Daldrop. Lieber so: „Schau mal, ich stelle den Stiefel hier hin. Du kannst mit beiden Händen an den Seiten festhalten und mit dem Fuß hineinschlüpfen.“
Die Fachkräfte sollten also individuell auf die Kinder eingehen können. Dafür muss die Garderobensituation als pädagogische Situation eingeplant werden. Die zentrale Fragestellung für die Umsetzung in der Praxis formuliert die Kindheitspädagogin so: „Wie gelingt das in unserer Kita mit unserer Personalsituation und mit unseren räumlichen Gegebenheiten?“
Ist die Garderobe in einem weitläufigen Flur mit Spielgeräten, kann das die Kinder leicht ablenken. „Ihnen fällt es dann schwer, sich auf das An- und Ausziehen zu konzentrieren“, erläutert Kira Daldrop. Zu klein sollte der Platz nicht sein, sonst können durch die Beengtheit Konflikte entstehen, die die Erzieherinnen und Erzieher entschärfen müssen.
Klar ist aber: An den Räumlichkeiten lässt sich selten etwas ändern, die Kitas müssen das Beste daraus machen. Ankerplätze, an denen Kinder mit kleinen Aktivitäten ein wenig Wartezeit überbrücken können, sind eine mögliche Entlastung. Oder das Herstellen von Schleusen: Kinder gehen nach dem Anziehen direkt in den Garten und werden dort in Empfang genommen. „Klare Absprachen sind nötig: Wer hat welche Kinder und welchen Raum im Blick?“, unterstreicht Kira Daldrop.
Die Erziehungswissenschaftlerin empfiehlt, möglichst kleine Gruppen aus Kindern mit unterschiedlichem Assistenzbedarf zu bilden: „Das gibt Erzieherinnen und Erziehern die Möglichkeit, sich den Kindern zuzuwenden, die mehr Unterstützung brauchen.“
Wichtig: sicheres und sinnvolles Mobiliar
Zudem wollen die Garderobenmöbel sinnvoll ausgewählt und gemäß den Sicherheitshinweisen der Hersteller aufgestellt sein, damit alles reibungslos und sicher klappt. Typisch sind Bänke, Kleiderhaken und Regale oder Fächer, die wichtige Utensilien wie Schals oder Mützen enthalten. Kommen die Kinder selbst gut an alles heran oder ist es gefährlich, wenn sie in Socken oder Matschschuhen hochklettern müssen? Bietet die Bank genügend Fläche, damit die Kinder dort sicher und mit den Füßen auf dem Boden sitzen können? Ist die Sitzfläche nutzbar oder wird sie von Kleidungsstücken versperrt, die an den Haken hängen? „Auch die pädagogischen Fachkräfte benötigen in der Garderobe Mobiliar, das sie entlastet, damit sie sich entspannt dem Kind zuwenden können“, betont Kira Daldrop. Höhenverstellbare Rollhocker, ein Podest mit Stufen oder ein Stehwickeltisch könnten Lösungen sein.
Neben den Sicherheitsstandards – stand- und kippsichere Anbringung der Garderobe, rutschhemmender Bodenbelag, Vorsicht bei Quetschstellen, Kanten und vorstehenden Haken – sollten auch die Licht und Farbgestaltung sowie die Akustik berücksichtigt werden, rät Kira Daldrop. „So lässt sich Ruhe reinbringen und eine Stimmung erzeugen, die bei der Interaktion hilft.“ Schließlich werde beim An- und Ausziehen wichtige pädagogische Arbeit geleistet, um Kompetenzen fürs Leben aufzubauen. Und das klappt am besten stressfrei. „Die Garderobensituation ist nicht nur Mittel zum Zweck. Sie kann und darf auch Spaß machen“, zieht Kira Daldrop das Fazit.
Zur Person: Kira Daldrop studierte Kindheitspädagogik und Erziehungswissenschaften, in ihren Abschlussarbeiten beschäftigte sie sich mit der Garderobensituation in Kitas. Sie war stellvertretende Leiterin einer Leipziger Kita und arbeitet jetzt in der Familienbegleitung sowie in dem von ihr gegründeten InFanT Institut in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von pädagogischen Fachkräften.
Wandgarderoben sind schwere Verbundelemente, die sicher an der Wand zu befestigen sind. Diese müssen so gesichert sein, dass sie nicht umfallen können – selbst wenn sich mal ein Kind „dranhängt“.
Bei mobilen Standgarderoben sind die Herstellerangaben zu beachten. Sie müssen stabil und kippsicher aufgestellt sein und über Feststellvorrichtungen verfügen, damit sie nicht wegrollen können.
Durch den Einbau oder die Aufstellung einer Garderobe wird die zulässige Verkehrswegbreite/Fluchtwegbreite nicht einschränkt und die brandschutztechnischen Vorgaben werden beachtet.
Ein rutschhemmender Bodenbelag reduziert die Gefahr, dass die Kinder sich bei Stürzen verletzen – selbst mit matschnassen Gummistiefeln.
Bei Planung und Anschaffung die Größe der Kinder beachten, denn sie sollen ihre Jacken und Fächer selbstständig erreichen können.
Wie für alle Einrichtungsgegenstände gilt auch für Garderoben: Es darf keine scharfen Kanten oder Ecken geben, an denen sich Kinder verletzen können.
Schubladen müssen gegen Herausfallen gesichert sein.
Um Verletzungen zu vermeiden, dürfen Garderobenhaken nicht hervorstehen. Sie sollten nach innen zeigen, abgeschirmt und abgerundet sein.
Ausreichend Abstand zwischen den Kleiderhaken einplanen, damit sich mehrere Kinder gleichzeitig an und ausziehen können.
Eine Garderobe für das Kitapersonal sollte in der Nähe der Kindergarderobe sein. Das verhindert lange Wege und Lücken in der Aufsicht.
Ganz wichtig: Genügend Platz einplanen, um Unordnung und Stress zu vermeiden. Damit die pädagogischen Fachkräfte rückenschonend arbeiten können, muss Platz für kleine Bänke, Hocker und höhenverstellbare Stühle vorhanden sein.
Nutzen Sie höhenverstellbare Stühle und vermeiden Sie unbedingt, auf Kinderstühlen zu sitzen, denn dadurch können Verspannungen im Bereich der Wirbelsäule und Beschwerden an den Kniegelenken auftreten.
Verwenden Sie Anziehhilfen wie Podeste, kleine Treppen und ergonomische Stühle, um sich mit den Kindern auf Augenhöhe zu bewegen. So vermeiden Sie es, sich ständig vorbeugen und die Wirbelsäule verdrehen zu müssen. Lassen Sie die Kinder möglichst viel selbstständig machen.
Nutzen Sie Servierwagen zum Transportieren der Mahlzeiten.
Portionieren und richten Sie die Speisen auf den Kindertellern an einem normal hohen Tisch oder auf dem Servierwagen an, statt sich zu den Kindern herunterzubeugen, sofern diese überhaupt Ihre Hilfe benötigen.
Beim Transport schwerer Gegenstände: Holen Sie sich Hilfe oder greifen Sie auf geeignete Hilfsmittel (Sackkarre etc.) zurück.
Das Spielen auf dem Boden kann die Kniegelenke belasten. Hilfreich sind hier Sitzalternativen, beispielsweise Yogakissen, Meditationsbänkchen oder Bodenstühle.
Sie die Kinder nur ausnahmsweise auf den Wickeltisch, lassen Sie die Kleinen vorhandene Aufstiegshilfen nutzen. Ältere Kinder können stehend gewickelt werden, während die Fachkraft auf einem niedrigen Stuhl sitzt.
Kann das Kind, das Sie hochheben möchten, nicht doch selbst laufen, klettern o. Ä. – eventuell mit Ihrer Hilfe? Lässt es sich nicht vermeiden: Heben Sie das Kind körpernah und achten Sie darauf, dass Ihre Knie nicht durchgestreckt sind. Wenn Sie Babys oder Krabbelkinder länger tragen, ist es sinnvoll, dafür ergonomische Tragesysteme zu verwenden.
Nutzen Sie solche Bettchen, in die die Kinder selbstständig hinein- und herauskrabbeln können, damit Sie sie zum Schlafenlegen nicht über das Gitter heben müssen.
_Kitaleitungen müssen Bedarfen aller Rechnung tragen
_Von Maßnahmen profitieren auch die Jüngeren
Der demografische Wandel und der daraus resultierende Fachkräftemangel sind auch in den Kindertageseinrichtungen bereits deutlich zu spüren. Die durchschnittliche Erzieherin ist knapp 42 Jahre alt – Tendenz steigend. Statistiken zeigen, dass bis zum Jahr 2030 etwa 120.000 pädagogische Fachkräfte in Rente gehen werden. Um die Prozessqualität der Einrichtungen zu sichern, müssen Kitaleitungen und Träger – auch unabhängig vom Personalnotstand – den älteren Beschäftigten in Kitas eine Arbeitsumgebung bieten, die deren Belange und Perspektiven berücksichtigt. Denn viele von ihnen wollen oder müssen bis zum Rentenalter arbeiten. Von einer solchen Personalentwicklung profitieren jedoch nicht nur die Älteren, sondern das ganze Team – sowie folglich auch Kinder und deren Familien. Denn: Die Kinder werden immer jünger, ihre Betreuungsdauer ist deutlich länger als noch vor einigen Jahren. Sie sind auf gesunde, motivierte und ausreichend viele pädagogische Fachkräfte angewiesen.
Viele der Maßnahmen, die eine alternsgerechte Arbeitsumgebung schaffen, fallen unter das Schlagwort „Betriebliches Gesundheitsmanagement“. Dazu gehören natürlich ergonomisches Mobiliar, Lärmschutz und Rückzugsräume für die Beschäftigten sowie Angebote zur Gesundheitsförderung (z. B. Rückenschule oder Entspannungskurse) – Maßnahmen, die letztlich allen Beschäftigten zugutekommen, nicht nur den älteren. Darüber hinaus spielen auch die Organisation der Arbeit sowie eine Präventionskultur, die sich durch einen ganzheitlichen Ansatz auszeichnet, eine wichtige Rolle.
Alle Altersklassen ein Gewinn fürs Team
Für die älteren Teammitglieder sind manche dieser Aspekte wichtiger als andere. Welche Faktoren für sie besonders belastend sind, erfahren die Kitaleitung und der Träger durch regelmäßige Befragungen des Personals. Die Antworten geben die Richtung vor. Dabei gilt es, die Potenziale der Einzelnen für das Team gewinnbringend einzusetzen. Vielleicht hat die 55-Jährige Schwierigkeiten beim Heben und Tragen der Krabbelkinder. Digitale Medien sind ihr nicht geheuer, während die 20jährige Kollegin davon schwärmt. Dagegen ist sie sehr erfahren im Führen schwieriger Elterngespräche und behält die Ruhe, wenn sich ein Kind verletzt.
Zusammen und mit guten Absprachen sind alle Altersklassen ein Gewinn fürs Team, nach dem Motto: „Die Jüngeren können schneller laufen, aber die Älteren kennen die Abkürzungen“, wie es die Leitung eines Hamburger Projekts zur alternsgerechten Arbeitsplatzgestaltung in Kitas ausdrückte. (Michael Schaaf und Costanza MüllerDjalili in: Betriebliche Gesundheitsförderung für ältere Mitarbeitende, KiTa ND, 11/2012).
Dies bedeute nämlich gerade nicht, Schonräume für die Älteren zu schaffen und die Jungen dafür doppelt so viel arbeiten zu lassen, sondern gemeinsam Lösungen zu finden, wie sich jede und jeder Einzelne optimal einbringen könne. Das kollegiale Miteinander und die gegenseitige Wertschätzung sind darüber hinaus oft ungleich wichtiger als der durch den Träger finanzierte Yogakurs. Deshalb ist – wie so oft – gute Kommunikation der Schlüssel.
Im Gespräch bleiben
Das gilt besonders dann, wenn es erforderlich sein sollte, die Arbeitsorganisation alternsgerecht zu verändern, zum Beispiel wenn ältere Mitarbeiterinnen aus der Krippe in den Elementarbereich wechseln. Das gesamte Team muss bei diesen Veränderungsprozessen eingebunden werden, damit nicht der Eindruck entsteht, es würden Sonderwünsche Einzelner erfüllt, während die anderen noch mehr aufgeladen bekommen.
Auch die Älteren sind gefordert, sich den neuen Realitäten zu stellen: Pädagogische Konzepte haben sich seit ihrer Ausbildung genauso gewandelt wie der Anspruch an frühkindliche Bildung. Dokumentationspflichten und Verwaltungsaufgaben haben zugenommen, (digitale) Medienbildung gehört zum Standard und die Elternkommunikation ist anspruchsvoller als noch vor Jahren. Regelmäßige Fort und Weiterbildungen helfen allen (!) Fachkräften, bei diesen Entwicklungen mitzuhalten. Für Kitaleitungen und Träger liegt im Ermöglichen des lebenslangen Lernens ein großes Potenzial.
Letztlich ist die alternsgerechte Gestaltung von Kita-Arbeitsplätzen ein Werkzeug, um mit einem guten, eingespielten Team aus Alt und Jung die Herausforderungen der Zukunft zu meistern und erfahrenes Personal zu halten.
Warum sind ältere Fachkräfte so wertvoll für Kitas?
Oftmals werden die Stärken von älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterschätzt und ihre Fähigkeiten werden übersehen. Dabei profitieren Kitas vom Erfahrungswissen der sogenannten Aging Workers, die außerdem häufig gut vernetzt sind. Das ist beim Ausbau von Kooperationen hilfreich. Darüber hinaus zeichnet sie eine hohe Arbeitsdisziplin und eine gute Übersicht darüber aus, welche Anforderungen Eltern, Kinder oder die anderen Fachkräfte an die Kita stellen. In der Regel können sie mit komplexen Situationen und mit Stress gut umgehen. Häufig lassen sich ältere pädagogische Fachkräfte auch flexibel einsetzen, da sie familiär weniger stark gebunden sind. Kitas haben bei ihnen größere Planungssicherheit, da sie seltener eine berufliche Veränderung anstreben – insbesondere, wenn die Zeit bis zum Renteneintritt absehbar ist.
Wie können Kitas die Stärken der älteren Beschäftigten am besten nutzen?
Ziel eines nachhaltigen, altersorientierten Personalmanagements sollte sein, dass der Kita Erfahrungswissen, aufgabenspezifisches Wissen und Methodenwissen erhalten bleiben. Beispielsweise können ältere Erzieherinnen als Ausbilderinnen oder Mentorinnen fungieren und neue Kolleginnen und Kollegen begleiten. Ein solches Personalmanagement kann auch beinhalten, erfahrenen Fachkräften andere Aufgaben zu übertragen. Das können Tätigkeiten in der Verwaltung, Planung und Organisation sein.
Die Aging Workers müssen aber auch mitziehen.
Die Arbeitswelt ändert sich und wird komplexer. Lebenslanges Lernen ermöglicht es ihnen, diese Herausforderungen zu meistern. Ältere Beschäftigte profitieren aber auch von Fort- und Weiterbildungen, indem ihnen die neuen Qualifikationen neue Karrieremöglichkeiten eröffnen. So kann eine pädagogische Fachkraft beispielsweise zur Expertin für Sprachförderung oder Raumgestaltung werden. Arbeitet sie bei einem größeren Träger, kann sie ihr Wissen beratend auch in anderen Kitas einbringen oder eigene Fortbildungen zum Thema leiten.
Worauf müssen Kitaleitungen achten, um ihre Belegschaft altersgerecht zu führen?
Kitaleitungen sehen in altersgerechter Führung ein wichtiges Thema, weil sie vielleicht ein altersgemischtes Team führen oder die Chancen diverser Teams sehen – in vielen Ausbildungs und Qualifizierungsmaßnahmen für die Kitaleitungen wird die Thematik allerdings nicht berücksichtigt. Deshalb fehlt häufig das Wissen, um das Vorhaben in die Praxis umzusetzen. Kurz gesagt: Eine altersgerechte Führung sollte sich daran orientieren, in welcher Lebensphase sich die Beschäftigten befinden, und ihre Stärken berücksichtigen.
Können Sie das konkretisieren?
Die Leitungen müssen den verschiedenen Anforderungen und Bedürfnissen der unterschiedlichen Generationen Rechnung tragen, um die Potenziale der einzelnen Altersgruppen gewinnbringend für die Kita zu nutzen. Jüngere Fachkräfte wünschen sich zum Beispiel häufig eine größere Aufgabenvielfalt, ältere Fachkräfte fordern dagegen eher Autonomie und möchten ihr Wissen weitergeben. Führungskräfte sollten die Ressourcen ihrer Beschäftigten kennen, ihre Gesundheit und Leistungsfähigkeit im Blick haben. Entsprechend sollten sie die Arbeitsanforderungen so gestalten, dass es weder zu einer Unter- noch zu einer Überforderung kommt. Die Erwartungen und Ziele müssen zwischen der Kitaleitung und den Beschäftigten klar definiert sein. Eine gute und offene Kommunikation ist dafür wichtig.
Haben die Kommunikation und der Umgang miteinander Auswirkungen auf die Gesundheit?
Das Führungsverhalten beeinflusst die Mitarbeiterzufriedenheit, die Motivation und sogar die Arbeitsfähigkeit. Hohe Krankenstände können zum Beispiel in Zusammenhang mit schlechtem Führungsverhalten stehen. Empfinden ältere Fachkräfte etwa eine Ungleichbehandlung, kann sich das negativ auf ihre Gesundheit auswirken. Im schlimmsten Fall gehen sie vorzeitig in den Ruhestand.
Was trägt denn dazu bei, dass sich die Fachkräfte wohlfühlen?
Ein wertschätzender Umgang ist immer wichtig. Dazu gehört auch, die Beschäftigten gemäß ihren persönlichen und fachlichen Kompetenzen einzusetzen. So steigert ein nachhaltiges, altersgerechtes Personalmanagement die Arbeitszufriedenheit und Leistungsbereitschaft der älteren Beschäftigten, während arbeitsbedingte Belastungen reduziert werden. Das Betriebliche Gesundheitsmanagement gewinnt in Kitas ebenfalls an Bedeutung. Durch gezielte Maßnahmen verbessert eine Kita damit nicht nur die Gesundheit ihrer Beschäftigten – sie erhöht auch ihre eigene Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt und reduziert personelle Fluktuation.
Ihr Fazit: Warum sollten sich Kitas mit nachhaltigem, altersorientiertem Personalmanagement auseinandersetzen?
Weil es aufgrund des demografischen Wandels wichtig ist, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglichst lange zu beschäftigen. Wenn die pädagogischen Fachkräfte gesund bleiben und bis zum Renteneintritt zufrieden und motiviert arbeiten, kann das zur Reduzierung des Fachkräftemangels beitragen. Nur mit ausreichendem Wissen über altersgerechtes Führen können Kitaleitungen das wertvolle Potenzial voll ausschöpfen, das in den Aging Workers schlummert.
_Von der Zusammenarbeit älterer und jüngerer Fachkräfte im Team profitieren alle – vor allem die Kinder
_Wertschätzender Umgang miteinander, Kommunikations und Kritikfähigkeit sind entscheidend
_Erfahrene Erzieherinnen und Erzieher müssen sich Offenheit für Veränderungen bewahren
Mit 64 Jahren ist Regina Dillert die „Alterspräsidentin“ in der Evangelischen Kita „Kleine Wikinger“ in Busdorf bei Schleswig. Und vor allem ist sie „die gute Seele“, wie Sonja Joswig ihre Mitarbeiterin nennt. Die Kitaleiterin spricht liebevoll von ihren „Schätzen“, wenn sie über die Erzieherinnen spricht. Sie alle würden ihre Persönlichkeiten mitbringen, ihre Fähigkeiten und ihre Qualitäten. Wobei die älteren Fachkräfte für sie, das merkt man, schon besondere Schätze sind. Und die wollen gehegt und gepflegt sein.
Regina Dillert arbeitet schon seit mehr als 30 Jahren als Erzieherin. Früher, blickt sie zurück, habe sie viel Zeit auf dem Fußboden verbracht oder auf den kleinen Holzstühlchen, die es damals noch in den Gruppenräumen gab. Heute zeugen Rücken und Knie davon. „Den Verschleiß merke ich schon“, sagt sie. Ihre Arbeitszeit hat sie deshalb auf 25 Stunden pro Woche reduziert. Alles, das räumt sie ein, kann sie nicht mehr machen. Muss sie auch nicht. Vom regulären Gruppendienst ist sie befreit, stattdessen kümmert sie sich liebevoll um den Essensraum, den alle in der Kita nur „Restaurant“ nennen. Den Raum dekorieren, den Tisch decken, Obst und Gemüse schneiden, Geschirr spülen – das sind jetzt ihre Hauptaufgaben. Und, ganz wichtig, Gespräche mit den Kindern: „Ich bin für sie der Kummerkasten.“
Mit ihrer Tätigkeit ist sie eine wertvolle Entlastung für die anderen Fachkräfte. Jede Kollegin kommt mit ihren Kindern beim freien Frühstück zwischen 8 und 10:30 Uhr bei Regina im Restaurant vorbei. Für alle hat sie ein freundliches Wort und insbesondere für ihre jüngeren Kolleginnen immer auch ein offenes Ohr. Oder, wie sie es selbst schmunzelnd ausdrückt: „Ich bin dann eben Mutti.“
Das Repertoire ist im Kopf statt im Internet
Noch dazu springt Regina Dillert im Gruppendienst ein, wenn es personelle Engpässe gibt. Was sollen wir singen? Was können wir spielen? Sie braucht dafür kein Smartphone, kein Youtube oder Pinterest. Sie hat ein großes Repertoire im Kopf und ein Gespür dafür, was gerade passend ist und gut ankommt.
Diese Leichtigkeit hinterlässt Eindruck bei den jüngeren Fachkräften. Zu ihnen gehört Nicole Bendixen. „Wenn man neu in den Beruf startet, ist man unsicher“, blickt die 27-Jährige auf ihre Anfänge zurück. Da habe sie schon Respekt gehabt, wenn die erfahrenen Kolleginnen den Morgenkreis gemacht oder spontan etwas gebastelt hätten. „Wie locker die das machen …“, habe sie gedacht.
Nicole Bendixen profitiert von der Lebens und Berufserfahrung der routinierten Kolleginnen. Umgekehrt bringen die Jüngeren neues Fachwissen ins Team ein. „Es ist ein gegenseitiger Austausch“, sagt die Sozialpädagogische Assistentin (SPA). Letztlich sei die Kommunikation entscheidend, ob man sich auf einen Ansatz einige oder vielleicht gemeinsam eine neue Lösung finde. „Beide Seiten müssen Kompromisse eingehen“, sagt Nicole Bendixen. Wichtig seien ein wertschätzender Umgang und die Fähigkeit, konstruktive Kritik anzunehmen. „Ein ‚Du hättest es auch so machen können‘ heißt ja nicht, dass ich es schlecht gemacht habe. Aber ich hätte es auch anders machen können und das wäre vielleicht besser gewesen.“
Fragend Schwachstellen aufdecken und Kritik äußern
Susi KellerSievers trägt ihre Kritik in Dienstbesprechungen so vor, dass sich niemand verletzt fühlt. Meist macht sie das in Form von Fragen. Sie ist gut darin, Schwachstellen aufzudecken, und beharrlich darin, sie abzustellen. Eine Sicherheitsbeauftragte, wie sie sich jede Kitaleitung wünscht. Und noch dazu eine 57-Jährige, die ihre Erfahrungen gerne mit der jüngeren Generation teilt, Veränderungen aber gleichzeitig offen gegenübersteht. „Kinder dürfen jetzt mitentscheiden, was ihnen guttut und wozu sie Lust haben. Das finde ich toll, weil sie als Persönlichkeiten wahrgenommen und in ihren Fähigkeiten gefördert werden“, gibt die zweifache Mutter und Großmutter ein Beispiel.
Was sich nicht geändert hat, ist ihr Einsatzgebiet. Susi Keller-Sievers arbeitet im Krippenbereich. „Man hat seine Wehwehchen, das bringt der Beruf mit sich. Aber ich bin gesund.“ Was viel mit der Liebe zu ihrem Herzensberuf zu tun habe, aber auch damit, dass sie sich in der Freizeit viel bewege, sich gesund ernähre und im Beruf auf sich achte. „Wie setze ich mich hin? Wie bücke ich mich? Mehr in die Knie gehen und nicht aus dem Rücken heben“, veranschaulicht sie.
Darüber hinaus unterstützt der Träger das Kitapersonal der „Kleinen Wikinger“ mit ergonomischen Arbeits- und Hilfsmitteln. So hat jede Erzieherin ihren eigenen, auf sie abgestimmten Stuhl. Die Fachkräfte im Krippenbereich haben Yogakissen, damit ihnen das Knien leichterfällt und weniger belastend ist. An der Garderobe gibt es eine Anziehhilfe, auf die die Kinder klettern können, damit sich die Erzieherinnen beim Zubinden der Schuhe nicht bücken müssen. Zudem sind die Wickeltische mit Treppen ausgestattet. Susi Keller-Sievers rät den jüngeren Kolleginnen, es so zu handhaben wie sie: „Hebt die Kinder nicht vom Wickeltisch, lasst sie die Treppe runterkrabbeln.“ Schließlich wickle man täglich und das Heben belaste Schultern und Rücken.
Das Team erleichtert es ihr, motiviert und mit Spaß zur Arbeit zu kommen. „Wir sind unterschiedliche Charaktere und sind nicht immer alle einer Meinung“, sagt Susi Keller-Sievers. „Wir können aber andere Meinungen akzeptieren und finden auf Augenhöhe zueinander, weil wir das gleiche Ziel verfolgen.“
Projekt „Brücken bauen“ hilft beim besseren Verständnis
Nicht immer war das Betriebsklima so gut. Kitaleiterin Sonja Joswig spürte vor einiger Zeit Konfliktpotenzial zwischen den Generationen: „Deshalb haben wir uns professionell begleiten lassen, damit es gar nicht erst hochkocht.“ Sie machte mit ihrem Team beim Projekt „Brücken bauen“ der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung in SchleswigHolstein und der Unfallkasse Nord mit. Bei der Fortbildung ging es nicht um pädagogische Themen, sondern um die Zusammenarbeit in altersgemischten Teams und ein besseres Verständnis für die Kolleginnen in ihren verschiedenen Lebensphasen. Vereinfacht gesagt: Während die Mittzwanziger sich mit Familienplanung oder Hausbau beschäftigen, interessiert die 60-Jährigen eher, wie sie gesund in die Rente kommen.
Das Ergebnis der Schulung: „Die Stimmung ist jetzt ganz anders, es ist deutlich harmonischer geworden“, sagt Sonja Joswig. „Wir können uns besser in die anderen hineinversetzen.“ Außerdem habe man gelernt, Berufliches von Privatem zu trennen, und Teamregeln aufgestellt: Wenn etwas nicht gut läuft, wird es untereinander angesprochen und geklärt.
Die Offenheit, Dinge anzusprechen, schätzt Sonja Joswig an den erfahrenen Erzieherinnen. „Sie sind nicht nur Frau und Erzieherin, sondern auch Mutter und vielleicht Großmutter. Sie haben einen ganz anderen Erfahrungsschatz und vermitteln das den jüngeren auf eine nette Weise. Sie tun dem Team damit einfach gut“, sagt die 44-jährige Kitaleiterin. Umgekehrt könnten die jüngeren Fachkräfte besser mit Veränderungen umgehen und seien nicht so eingefahren. Beide Seiten würden also voneinander profitieren und sich ergänzen.
Offene Arbeit: Die Skepsis ist gewichen
„Der Beruf hat sich sehr verändert“, sagt Regina Dillert. Sie würde ihn aber immer wieder wählen: „Morgens anzukommen, die Freude, die Erwartung, die herzliche Begrüßung der Kinder – das macht mir immer noch viel Spaß.“ Als ältere Fachkraft müsse man aber auch selbst Offenheit für Neues mitbringen. „Ich lerne heute noch dazu – auch wenn es mir schwererfällt als früher“, sagt die 64-jährige „Restaurant-Chefin“. So musste sie sich erst überzeugen lassen von der Umstellung von festen Gruppen auf die offene Arbeit. Lärm und Chaos habe sie erwartet. Doch das Gegenteil war der Fall: „Die Kinder sind entspannter und ruhiger, weil sie dahin gehen können, wo sie spielen oder ihre Freunde treffen möchten.“
Regina Dillert jedenfalls gefällt die Mischung aus jüngeren und älteren Kolleginnen, aus alten und neuen pädagogischen Ideen: „Die Jungen bringen einen Schwung mit, der mich mitreißt. Ich kann ihnen noch etwas beibringen, mir aber auch etwas von ihnen abgucken. Am meisten profitieren aber sicher die Kinder.“
Warum regelt der Träger, also in Ihrem Fall das Bayerische Rote Kreuz, kurz: BRK, nicht einheitlich für die Kitas in seiner Trägerschaft, wann ein Kind zu krank für den Kitabesuch ist?
Hermine Brenauer: Es gibt dazu durchaus von unserer Seite Empfehlungen. Wir tun uns aus Trägersicht allerdings schwer, verbindliche Vorgaben zu machen, da es keine klare Aussage auf Gesetzesebene gibt. Die einzige gesetzliche Grundlage ist das Infektionsschutzgesetz – das deckt zwar viel, aber eben nicht alles ab, was die Kolleginnen und Kollegen in den Kitas zu sehen bekommen. Außerdem mag eine Vorgabe für die eine Einrichtung passen, aber für die andere überhaupt nicht, weil dort die Gegebenheiten andere sind. Es gibt etwa ein benachbartes Seniorenheim, das es erforderlich macht, auf etwas besonders zu achten. Es besteht eine große Vielfalt, wodurch es für uns als Träger schwierig ist, eine einheitliche Regelung vorzugeben. So liegt es wieder bei den einzelnen Einrichtungen, wie sie es handhaben und inwiefern auch die örtlichen Gesundheitsämter involviert sind.
Lea Erhard: Beim Roten Kreuz haben wir einen Rahmenvertrag für alle Kitas, dem eine Belehrung zum Infektionsschutzgesetz beiliegt. Darin sind die Krankheiten aufgelistet, bei denen die Kinder nicht in die Kita kommen dürfen. In Bayern muss jede Kita einen Hygieneplan erstellen, der unter anderem auch Empfehlungen gibt, wie lange die Kinder bei welcher Krankheit zu Hause bleiben sollten, ob ein Attest erforderlich ist und so weiter.* Damit haben wir Erzieherinnen etwas an der Hand, das wir den Eltern rauskopieren und auf das wir uns berufen können.
Damit können Sie die Diskussionen mit den Eltern sicher abkürzen.
Lea Erhard: Ich führe die Diskussionen trotzdem, auch wenn es von der Aufnahme des Kindes an völlig klar ist, welche Regeln bei uns diesbezüglich gelten. Manche wollen es nicht verstehen, aber manche können es auch nicht verstehen – schlicht, weil es eine sprachliche oder kulturelle Barriere gibt. Was noch hinzukommt: Wir sind keine Ärzte. Wir wissen nicht, woher beispielsweise der Durchfall beim Krippenkind kommt – vom Zahnen oder einem Infekt? Also lassen wir das Kind lieber abholen. Das ist ein schmaler Grat und oft schwierig für die Zusammenarbeit mit den Eltern.
Wäre es hilfreich, wenn jede Kita – zum Beispiel mit dem Gesundheitsamt – eigene Hausregeln dazu als Anlage zum Betreuungsvertrag formuliert und damit eine gewisse Verbindlichkeit herstellt?
Lea Erhard: Das kann ich mir schon als entlastend für die Kitafachkräfte in den Gruppen vorstellen. Aber ob es an den Betreuungsvertrag gekoppelt sein muss? Wichtig wäre vor allem, solche Hausregeln in verschiedenen Sprachen oder rein visuell zu gestalten und so kurz und einfach wie möglich. Man könnte einen solchen Zettel regelmäßig in die Fächer oder auch als Info in die Willkommensmappe legen. Das könnte sich positiv auswirken, aber klar: Viele Eltern lesen es auch gar nicht.
Sehen Sie Alternativen?
Lea Erhard: Jede Kita hat einen Hygieneplan, der alle ein bis zwei Jahre erneuert wird. Die Einrichtungen haben dafür ihre Ansprechpersonen, die die dazugehörende Begehung machen. Vielleicht könnte man das Thema dort anbringen und den Hygieneplan ergänzen.
Wie kommt das Landesreferat des BRK in dieser Sache ins Spiel?
Hermine Brenauer: Wir stellen unseren Einrichtungen vor allem Informationen und unterstützende Handlungsleitfäden über das Intranet zur Verfügung. Hier lassen sich viele Dokumente herunterladen, die dann auch an die Eltern weitergegeben werden können. Außerdem haben wir eine interne Rechtsabteilung, die zum Beispiel Einwände von Eltern zu Vertragsbestandteilen oder sonstige Beschwerden prüft. Und da komme ich auch noch mal auf die Verbindlichkeit von Hausregeln zurück: Wenn Eltern uneinsichtig sind, ist unser Handlungsspielraum begrenzt. In meiner Position kann ich die Kolleginnen und Kollegen in den Einrichtungen aber mit Informationen und Empfehlungen versorgen und sie damit unterstützen.
Hermine Brenauer ist Landesreferentin für Kindertageseinrichtungen des Bayerischen Roten Kreuzes, das mehr als 330 Kinder tages- und Schulkindbetreuungseinrichtungen in (Mit-)Trägerschaft hat. Sie berät Träger und Kitaleitungen in sämtlichen Belangen – auch was den Umgang mit kranken Kindern betrifft.
Lea Erhard ist Einrichtungsleiterin und Kinderschutzfachkraft der integrativen Tagesstätte „Zirbelzwerge“ in Augsburg.
*Transparenzhinweis: In der ursprünglichen und gedruckten Version heißt es, in Bayern sei im Rahmenhygieneplan eine Empfehlung zum Umgang mit Kinder mit ansteckenden Krankheiten enthalten. Dies war missverständlich formuliert und wurde online geändert.
Welche Vorteile bietet es, wenn jüngere und ältere Fachkräfte in einem Team zusammenarbeiten?
Aus den Erfahrungen und der Routine der älteren Generation kann gepaart mit den frischen Ideen der jüngeren Beschäftigten eine tolle Energie entstehen. Man profitiert voneinander und die Kita bleibt beweglich. Auch die unterschiedlichen Werte der Generationen können einen Mehrwert darstellen. Loyalität und Kollegialität sind tief verwurzelt in den Biografien der älteren Erzieherinnen und Erzieher, bei den jüngeren sind es Werte wie Selbstfürsorge. Den Älteren würde manchmal mehr Selbstfürsorge guttun, weil sie dazu neigen, sich selbst zu vergessen und sich zu verausgaben. Den Jüngeren kann es helfen wahrzunehmen, wie schön es ist, sich aufeinander verlassen zu können.
Das klingt in der Theorie gut, ist in der Praxis aber sicher nicht immer so einfach.
Die Vorteile sind auch gleichzeitig Spannungsfelder. Vor allem, wenn man nicht offen ist füreinander. Wenn die alten Hasen sagen: „Das haben wir schon immer so gemacht“, oder die Neulinge sich nicht trauen, ihren Platz zu erkämpfen. In einer Supervision hatte ich zum Beispiel ein Team mit einer Auszubildenden. Sie hatte eine tolle Idee, weil viele Eltern trotz Bitten der Kita die Kleidung ihrer Kinder nicht mit Namen beschriftet hatten: Sie wollte beim nächsten Elternabend alle Kleider ohne Beschriftung zu einem Kleiderberg türmen, um den Eltern das Problem vor Augen zu führen. Aber die Auszubildende fühlte sich nicht wahrgenommen.
Wie gelingt die Zusammenarbeit in altersgemischten Teams?
Es gibt den Ansatz der „kritischen Lerngemeinschaft“. Demnach sollten die Aufgaben und Verantwortlichkeiten so verteilt sein, dass sie den Stärken der Beschäftigten entsprechen. Alle haben dabei die Aufgabe, sowohl Lehrer als auch Lehrling zu sein. Wichtig ist, zu reflektieren und sich gegenseitig Feedback zu geben. Und zu fragen: „Warum hast du das jetzt auf diese Weise gemacht?“ Und zwar als offene Frage, um eine andere Herangehensweise zu verstehen und womöglich dazuzulernen, und nicht als Vorwurf. Außerdem sollte man eigene Vorurteile hinterfragen. Es stimmt zum Beispiel oft nicht, dass ältere Fachkräfte nicht offen sind gegenüber der Digitalisierung.
Welche Rolle spielt die Kitaleitung?
Eine offene Kommunikationskultur steht und fällt mit der Kitaleitung. Sie hat eine Vorbildfunktion. Trotz der angespannten Personalsituation sollte die Kitaleitung versuchen, feste Teams zu etablieren. Gerade Teams mit Neulingen sollten genügend Zeit haben, Vertrauen zueinander aufzubauen, Strukturen abzusprechen sowie Rollen und Aufgaben zu verteilen.
UNICEF Deutschland und das Deutsche Kinderhilfswerk fordern ein stärkeres politisches Engagement für eine bessere und gerechtere Zukunft junger Menschen. Dafür gibt es zahlreiche Mitmachaktionen, bei denen auch Kita teilnehmen können.
#wiestarkwäredasdenn Zum Beispiel beim Kinderrechtepuzzle zum Weltkindertag – „Jedes Kind braucht eine Zukunft! Sei ein Teil davon“. Das Aktionsangebot – ein Kinderrechtepuzzle mit großen Puzzlestücken aus Pappe – stellt am Weltkindertag die Kinderrechte in den Fokus. Insbesondere bietet es Kindern die Möglichkeit, die Bedeutung ihrer Rechte durch eigene gemalte Forderungen, Gedanken und Träume zu unterstreichen. Das aus vielen Einzelteilen entstehende große Kinderrechtepuzzle vereint damit die Gedanken und Wünsche von Menschen unterschiedlichen Alters.
Um den Forderungen der jungen Generation Nachdruck zu verleihen, können die Bilder der Kinder fotografieren und unter dem Aktions-Hashtag #wiestarkwäredasdenn in den sozialen Medien gepostet werden.
Was macht eine gute Zusammenarbeit mit den Eltern aus?
Eine der wichtigsten Voraussetzungen ist gutes Fachwissen zur heutigen Vielfalt von Elternschaft. Denn es gibt zahlreiche unterschiedliche Familienformen, unterschiedliche Lebenslagen, unterschiedliche Lebenswelten, in denen Kinder aufwachsen. Damit einher geht natürlich eine große Vielfalt, was den Familienalltag der Kinder betrifft, die eine Kita besuchen. Es gibt außerdem die unterschiedlichsten Erziehungsvorstellungen. Stammt eine Familie etwa ursprünglich aus einer autoritären Gesellschaft, ist für die Eltern eine freiheitliche, demokratische Erziehung zunächst ungewohnt, dann brauchen sie eine Erklärung bezogen auf das Erziehungs- und Bildungsverständnis in der Kita. Für eine gute Zusammenarbeit mit Eltern muss also der jeweilige Hintergrund einer Familie berücksichtigt werden.
Müssen Fachkräfte demnach ihre Konzepte zur Elternkooperation und Erwartungen an die Rolle der Eltern mit der gegebenen Realität abgleichen?
Richtig. Es gibt nicht mehr „die Eltern“. Natürlich darf eine Kita dennoch ganz unabhängig vom Hintergrund der Eltern erwarten, dass diese den Fachkräften zutrauen, zum Wohl des Kindes zu agieren, und dass sie ihre Professionalität anerkennen. Diese Erwartungshaltung müssen Einrichtungen aber auch darstellen und das Ver-trauensverhältnis zwischen den Eltern und den Fachkräften aktiv gestalten. Denn beide – Eltern und Fachkräfte – eint ja ein gemeinsames Interesse: Sie wollen, dass es den Kindern gut geht.
Was können Eltern im Gegenzug von Fachkräften erwarten?
Sie können erwarten, dass die Kita in der Lage ist, ihr professionelles Handeln zu rechtfertigen und darzustellen, gerade auch, wenn es um Konfliktthemen geht, wie unterschiedliche Vorstellungen zur Vorbereitung auf die Schule, das kindliche Spiel oder die Fürsorge – Stichpunkt Beteiligung und Kinderrechte. Eine Fachkraft muss den Eltern gegenüber nachvollziehbar erklären können, warum sie es dem Fünfjährigen zutraut zu beurteilen, ob er eine Jacke anziehen möchte oder nicht.
Das heißt, der Schlüssel ist Kommunikation und damit die Arbeit so transparent zu machen wie möglich?
Ganz genau, darauf kommt es an. Transparenz, gepaart mit einer feinfühligen Kommunikation seitens der Fachkräfte.
Manchmal empfinden Kitabeschäftigte es als anstrengend, diese Transparenz herzustellen und im Gespräch zu bleiben. Worin liegt der Gewinn für die Kita, es doch zu tun?
Fachkräfte suchen sich in erster Linie den Beruf aus, um mit Kindern zu arbeiten. Aber: Es gibt die Kinder gerade in den ersten sechs Lebensjahren nicht ohne ihre Eltern bzw. primäre Bezugspersonen. Wenn ich als Fachkraft die Eltern für mich gewinne, ihnen die Tür öffne, eine Willkommenskultur pflege, sie beteilige und ihnen Mitgestaltungsmöglichkeiten gebe, dann schaffe ich ein Vertrauensverhältnis und zeige den Eltern, dass sie hier gern gesehen sind. Dafür kann die Einrichtung informelle Begegnungspunkte einrichten wie ein kleines Café, einen Stehtisch mit Getränken, eine monatliche Tauschbörse für Bilderbücher. Das Schlimmste, was den Fachkräften passieren kann, ist, dass die Eltern das Gefühl haben, ein Störfaktor zu sein. In einer solchen Kita möchte man sein Kind nicht gern lassen.
Wie viel Eltern-Mitbestimmung und -beteiligung ist sinnvoll und machbar?
Einrichtungen brauchen eine klare Gestaltung der Elternbeteiligung, aber die kann von Kita zu Kita sehr unterschiedlich sein. Die Einrichtung sollte ausloten, welchen Spielraum sie konkret mit „ihren Eltern“ hat, was sie sich und den Eltern zutraut, in welchem Maß und in welchen Fragen sie diese beteiligt. Ein Beispiel wäre, Eltern dabei einzubinden, was die Gestaltung und Themen der Elternabende angeht. Auch bei konzeptionellen Angelegenheiten kann die Elternschaft angehört und deren Argumente berücksichtigt werden. Das Aushandeln von Interessen der Eltern und der Einrichtung ist wichtig. Wenn Eltern mit der groben Linie der Pädagogik einverstanden sind und sie gutheißen, dann profitieren die Kinder.
Es kommen oft die gleichen Eltern zu Wort – die ohnehin sehr engagierten, etablierten. Wie bezieht die Kita auch leisere, zurückhaltende Eltern mit ein?
Eine Möglichkeit wäre, die Elternabende oder -nachmittage anders zu gestalten. Man verständigt sich auf ein übergeordnetes Thema, bietet aber Thementische an, moderiert von einer Fachkraft. Da gibt es eine Vielzahl an alternativen Formaten. Ich finde, sie können nicht niedrigschwellig genug sein und müssen sich an den Bedürfnissen der Eltern orientieren. Auch dazu muss man im Gespräch bleiben.
Ist gute Elternzusammenarbeit langfristig planbar? Was, wenn etwa engagierte Eltern bzw. deren Kinder die Einrichtung verlassen und zum Beispiel plötzlich keine größeren gemeinsam organisierten Aktionen mehr stattfinden können?
Es wird nicht dauerhaft funktionieren, wenn sich Kitas darauf verlassen, dass immer engagierte Eltern da sein werden. Die Gruppe ist zu heterogen. Elternschaft hat sich viel zu sehr verändert. Einrichtungen müssen ein Konzept zur Elternkooperation haben, das die große Bandbreite der Eltern erreicht, und sollten auch die Vermittlung von Lebenspraxis darin verorten. Kinder sind heute immer früher und länger in Kitas. Alltagsbildung findet also vermehrt in den Einrichtungen statt. Kitas können Eltern hier gut unterstützen, vor allem, weil bei diesen immer häufiger Erziehungsunsicherheiten wahrzunehmen sind. Deshalb sollten die Institutionen dringend den Fokus stärker auf diesen Aspekt legen statt auf Event-Pädagogik. Natürlich braucht es noch gemeinsame Feste und Aktionen, aber vielleicht nicht riesige Ausflüge in den Zoo und den perfekten Martinsumzug.
_Gesundheitszirkel schaffen eine Struktur, um Belastungen zu reflektieren
_Anleitung von außen nicht nötig (aber möglich)
_Wichtig: lösungsorientierte Herangehensweise
Manchmal ist die Lösung ganz einfach: Die Fachkräfte einer Kita in Schleswig-Holstein fühlten sich gestresst, weil sie nie in Ruhe Pause machen konnten. „Ständig herrschte überall Trubel“, berichtet Olivia Maloku, bei der Unfallkasse Nord zuständig für die Beratung und Begleitung von Projekten zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM). „Sie konnten sich nirgendwo zurückziehen.“ In einem Gesundheitszirkel brachten die Beschäftigten das Problem auf den Punkt – und überlegten gemeinsam, was sich dagegen tun lässt. Das Ergebnis: Die Kita stellte einen Raum bereit, in dem das Team auch mal in Ruhe etwas essen oder Elterngespräche führen kann. „Das sorgte direkt für mehr Zufriedenheit“, sagt Olivia Maloku. Ihrer Meinung nach bieten Gesundheitszirkel eine gute Chance, sich gemeinsam im Team systematisch mit Belastungen im Arbeitsalltag auseinanderzusetzen – und gemeinsam nach Lösungswegen zu suchen.
Oft beschäftigten sich Kitas erst mit dem Thema Gesundheit, wenn der Krankenstand hoch sei. „Nachhaltiger ist es, sich schon vorher Gedanken zu machen“, betont Olivia Maloku. Dazu gehört zu fragen: Was stresst bei der Arbeit? Was belastet? Was trägt zu mehr Zufriedenheit bei der Arbeit bei? Wichtig sei, sich darüber nicht nur nebenbei auf einer Teambesprechung auszutauschen. Sondern es gelte, explizit Strukturen zu schaffen.
Regelmäßig einen halben Tag zusammensetzen
Ideal ist ihrer Erfahrung nach, wenn sich in regelmäßigen Abständen ein kleiner Kreis von bis zu zwölf Personen zusammensetzt. Zwar richteten sich die Gesundheitszirkel in erster Linie an die Beschäftigten, also auch Hausmeister oder Küchenpersonal, erklärt die Referentin, doch könnten auch Eltern und Kinder einbezogen werden. In der Regel lasse sich so ein Workshop relativ unkompliziert selbst durchführen. Möglich sei aber auch, eine externe Moderation hinzuzuziehen. Unfallkassen und Berufsgenossenschaften bieten hierzu kostenfreie Beratung, Qualifizierungen und Informationsmaterial an.
Pro Gesundheitszirkel sollte etwa ein halber Tag eingeplant werden. Im ersten Schritt stehe es an zu klären, was die Beschäftigten als belastend empfinden: Häufig wird in Kitas der Lärmpegel genannt, auch die Zusammenarbeit mit Eltern wird oft als stressig erlebt, außerdem die körperliche Belastung. Alle Themen werden gesammelt. Im nächsten Schritt werden Schwerpunkte gesetzt. Die Referentin empfiehlt, sich auf zwei Schwerpunkte zu konzentrieren. „Wichtig ist, die Themen lösungsorientiert anzugehen.“ Dabei gilt es zu klären: Was ist möglich? Was lässt sich kurzfristig umsetzen? Und wofür braucht es einen längeren Atem?
Eine bewegte Pause von zehn Minuten während der Arbeitszeit zusammen mit den Kindern beispielsweise lasse sich schnell umsetzen, sagt Olivia Maloku. „Allerdings geht es darum, die Belastungen ganzheitlich in den Blick zu nehmen und die Verhältnisse zu verbessern.“ In einer Kita stresste die Beschäftigten zum Beispiel, dass die Eltern sie zwischen Tür und Angel in Gespräche verwickelten, wenn gerade keine Zeit dafür war. Die Einrichtung löste das Problem, indem sich eine Fachkraft am Nachmittag extra Zeit für Elterngespräche nahm. Andere Maßnahmen, wie bauliche Veränderungen erfordern langfristige Planungen. „Wichtig ist, immer klar festzulegen, wer was bis wann umsetzen kann“, betont Olivia Maloku. In den folgenden Gesundheitszirkeln gehe es darum, die Fortschritte zu überprüfen.
Und oft reduzierten schon sehr einfache Maßnahmen viel Stress, so die Gesundheitsexpertin. So habe sich eine Kita entschieden, nicht mehr für jeden Anlass wie Muttertag, Ostern oder Weihnachten kleine Geschenke für die Eltern zu basteln. Die Kinder stattdessen nach Herzenslust spielen zu lassen, tue allen gut. Ihr Fazit: „Manchmal ist weniger mehr.“
Manche Eltern sind für Fachkräfte – aus welchen Gründen auch immer – nicht greifbar. Von einer echten Erziehungspartnerschaft kann also keine Rede sein. Wie gehen Fachkräfte professionell damit um?
Als Leitung wäre der erste Schritt, zu ermitteln, welche Form des Kontakts und der Kooperation die Eltern überhaupt wollen und zulassen. Für die einzelne Fachkraft ist es hilfreich, sich bewusst zu machen, dass man nicht mit allen Eltern einen intensiven Kontakt und Kommunikation haben muss. Das ist in Ordnung. Gleichzeitig kann man versuchen herauszufinden, ob und wo es vielleicht doch Bedarfe gibt. Möglicherweise wirkt es nur so, als hätten die Eltern kein Interesse. Hier muss man sich auf Ursachensuche begeben und den Eltern ein passendes Angebot machen.
Wie realistisch ist eine Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zwischen Eltern und Kita auf Augenhöhe?
Die Idee der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft entstand auf dem Papier. Ideen sind häufig so lange gut, bis sie auf die Wirklichkeit treffen. Wir haben intensiv vor Ort in verschiedenen Kitas untersucht, was es unter den jeweils gegebenen Bedingungen bedeutet, eine solche Partnerschaft zu leben. Viele Fachkräfte gaben an, sich in einem Spannungsfeld zu bewegen. Sie sind für viele Kinder verantwortlich, haben daneben administrative Aufgaben und sollen, um dem Ideal der Erziehungspartnerschaft zu entsprechen, auch stets engen Kontakt zu den Eltern haben, ihnen Angebote machen, auf sie eingehen. Das erzeugt Druck und Frust, weil sie unter bisweilen herausfordernden Rahmenbedingungen weder den eigenen noch den äußeren Erwartungen und Ansprüchen genügen können.
Ist es bei schwierigen Rahmenbedingungen in Einrichtungen vertretbar, die Elternarbeit zurückzufahren und sich primär auf die pädagogische Arbeit mit den Kindern zu konzentrieren?
Grundsätzlich ist die Arbeit der Kindertageseinrichtungen ohne Eltern weder möglich noch sinnvoll. Das regeln ja auch die gesetzlichen Grundlagen. Das eine ist vom anderen nicht zu trennen. Eltern ist aber häufig nicht bewusst, unter welch herausfordernden Bedingungen die Fachkräfte arbeiten. Einrichtungen könnten das gezielt thematisieren und um Verständnis dafür werben, was gerade machbar ist und was nicht. Auch könnte die Kita eine Prioritätenliste nach den tatsächlichen Bedarfen der Eltern erstellen. Beispielsweise könnte ein wenig nachgefragtes Angebot wie Themenelternabende zeitweise entfallen. Während der Coronazeit ist jedoch in manchen Einrichtungen die Zusammenarbeit mit Eltern sehr vernachlässigt worden. Das kritisieren auch viele Elternvertretungen. Das ist ein schlechtes Signal an Eltern. Denn viele sind sehr an Informationen und Unterstützung interessiert und engagieren sich auch gerne. Darin liegt ein großes Potenzial für die Einrichtungen.
Ein niedriges Podest für die Krabbelkinder, eine Ritterburg aus Holz oder eine Empore, die den halben Raum ausfüllt und praktisch eine zweite Etage bildet – es gibt eine große Bandbreite an erhöhten Spielebenen. Die Vorgaben für die erhöhten Spielebenen in Kindertageseinrichtungen sind in der DGUV Vorschrift 82 und der DGUV Regel 102-602 festgeschrieben. Eine eigene Prüfnorm gibt es für sie jedoch nicht. Da die Gefährdungen oft ähnlich sind wie bei Spielplatzgeräten auf dem Außengelände, werden einige Anforderungen – wie beispielsweise Kopffangstellen – von dort abgeleitet.
Aber die Vorgaben der Spielplatzgeräte-Norm passen nicht generell. „Im Gebäude legt ja niemand Rindenmulch als Fallschutz aus“, veranschaulicht Präventionsexperte Holger Eckmann vom zuständigen DGUV-Sachgebiet einen Unterschied. „Einige Gefährdungen wird man drinnen nicht so gut abfedern wie draußen. Deshalb passieren bei erhöhten Spielebenen häufiger schwere Unfälle als bei Spielplatzgeräten.“
Als Aufsichtsperson der Unfallkasse Baden-Württemberg hat Holger Eckmann schon schlimme Unfälle in Zusammenhang mit Spielebenen dokumentieren müssen. Besonders gefährlich ist es, wenn Kinder mit den Köpfen stecken bleiben, zwischen den Stäben von Treppengeländern oder Brüstungen zum Beispiel. Oder wenn sie oben von der Spielebene hinabstürzen. Das kann auch passieren, wenn die vorgeschriebene Mindesthöhe von einem Meter für Umwehrungen (in erster Linie Brüstungen) eingehalten wird. Denn oft ist die Fläche auf der Empore oder dem Podest ja nicht leer. „Kinder nutzen zum Beispiel Möblierung wie Tische und Stühle als Aufstiegshilfe“, sagt Eckmann.
Netze sind die einfachste Lösung zur Absicherung
Nicht empfehlenswert seien geschlossene Brüstungen. „Die haben einen Aufforderungscharakter – die Kinder wollen dann obendrüber gucken.“ Also gilt: Erhöhte Spielebenen müssen einsehbar sein. Zum einen, damit die pädagogischen Fachkräfte auch von unten ihrer Aufsichtspflicht nachkommen können. Zum anderen, um den Kindern keinen Anreiz zu bieten, über die Brüstung zu klettern.
„Eine Spielebene lässt sich mit einfachen Methoden absichern“, sagt Eckmann. Beispielsweise mit Netzen, um die Brüstung zur Decke zu schließen. „Das ist die praktikabelste und einfachste Lösung.“ Dabei müsse darauf geachtet werden, dass das Netz eine kleine Maschenweite habe, damit sich kein Kind mit dem Kopf darin verfängt.
Damit die Kinder sicher auf die erhöhte Spielebene rauf- und wieder runterkommen, eignen sich Treppen. Leitern dagegen nicht, denn hier müsste die Kita wieder für Fallschutz sorgen. „Am besten sind Treppen mit geschlossenen Stufen, unter denen die Kinder nicht durchrutschen können“, erklärt Holger Eckmann. „Auch eine seitliche Absturzsicherung – also ein Handlauf oder ein Geländer – ist immer erforderlich, damit niemand runterfallen kann.“
Vorsicht ist vor allem geboten, wenn erhöhte Spielebenen nachträglich eingebaut oder im Raum aufgestellt werden. Plötzlich kann es sein, dass Kinder an Objekte heranreichen, an die sie nicht heranreichen sollten: an Deckenlampen zum Beispiel, die heiß und zerbrechlich sein können, auch Stromschläge drohen. Oder an Fenster, die vorher keine Rolle gespielt haben, weil sie außer Reichweite der Kinder waren.
Vom Eigenbau von Spielebenen rät Aufsichtsperson Eckmann ab. Das Anlegen eines Barfußpfades oder die Installation eines Balancierbalkens in niedriger Höhe seien in Ordnung. „Aber die kritische Grenze ist erreicht, wenn es in die Höhe geht, wenn Statik ins Spiel kommt und wenn es um Fang-, Scher- oder Quetschstellen geht.“ Dafür seien Fachkenntnisse gefragt. Eckmann empfiehlt den Kitas, sich schon in der Planungsphase vom zuständigen Unfallversicherungsträger beraten zu lassen: „Dafür sind wir da.“
10 Kriterien für erhöhte Spielebenen:
Aufstellung: Sicherheitstechnische Aspekte bei der Planung berücksichtigen.
Statik: Die Ebenen müssen standsicher sein und die Belastungen aushalten.
Aufsicht: Spielebenen müssen von außen einsehbar sein.
Begehbarkeit der Ebene: Erwachsene müssen die Spielebene im Notfall schnell und sicher erreichen können.
Brandschutz: Fluchtwege frei halten, am besten Rücksprache mit vorbeugendem Brandschutz oder Feuerwehr.
Absturzsicherung: Ab einem Meter Absturzhöhe Umwehrungen von mindestens einem MeterHöhe, ggf. mit Netzen zur Decke absichern. Kinder dürfen nicht durch Umwehrungen (vertikale Geländerstäbe) hindurchfallen können.
Aufstiege: Vorzugsweise Treppen mit geschlossenen Stufen sowie Handläufe bzw. Geländer verwenden. Kopffangstellen vermeiden.
Beleuchtung: Leuchten dürfen nicht zugänglich oder müssen geschützt sein (Elektrizität, Hitzeentwicklung, Zerbrechlichkeit).
Verglasungen: Fenster dürfen nicht zugänglich sein, auf Bruchsicherheit achten.
Akustik: Trittschalldämmende Beläge bei der Planung berücksichtigen.
Richtig. Nach dem Arbeitszeitgesetz muss nach einer Arbeitszeit von sechs Stunden eine Pause von mindestens 30 Minuten eingelegt werden. Wer mehr als neun Stunden arbeitet, hat Anspruch auf mindestens 45 Minuten Pausenzeit. Wo die Beschäftigten diese Pause verbringen, bleibt in aller Regel ihnen überlassen. Gibt es in der Einrichtung etwa einen Raum, in dem man ungestört Pause machen kann, dann sind die Wege dorthin versichert, nicht aber das Essen und Trinken. Das muss jeder unabhängig von der Arbeit, weswegen in aller Regel kein Unfallschutz hierbei besteht.
Beschäftigte könnten also auch spazieren gehen?
Ja. Allerdings sind sie auf dem Spaziergang nicht gesetzlich unfallversichert. Hier würde die Krankenkasse zum Beispiel die Kosten einer ärztlichen Behandlung tragen, wenn etwas passieren sollte. Dagegen ist der Weg zu einer Kantine oder Gaststätte in der Regel versichert.
Und wie sieht es mit dem Weg zum Bäcker oder Supermarkt aus?
Solange dort Lebensmittel gekauft werden, um sie direkt oder zeitnah zu verzehren, besteht in der Regel der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung – aber nur auf dem Hin- und Rückweg, nicht im Geschäft. Wenn die Beschäftigten zugleich den Einkauf für das Abendessen erledigen oder unterwegs noch bei der Reinigung oder der Post vorbeigehen, dann sind das private Tätigkeiten, die ebenfalls nicht über die gesetzliche Unfallversicherung versichert sind. Hier greift der gesetzliche Krankenversicherungsschutz.
Wie sieht es denn aus, wenn pädagogische Fachkräfte zusammen mit den Kindern essen und ihnen dabei irgendetwas zustößt?
Das kommt darauf an, was genau passiert ist. Das gemeinsame Essen mit den Kindern ist noch Teil der Arbeit und zählt nicht als Erholungspause. Das gilt auch für die Essensvorbereitung. Verbrüht sich etwa eine Erzieherin beim Erwärmen der Speisen oder schneidet sie sich bei der Zubereitung von Rohkost in den Finger, ist das unfallversichert.
Und was gilt für Raucherpausen?
Hier erkennt die Rechtsprechung keinen Unfallversicherungsschutz an, und zwar auch nicht auf den Wegen zum Rauchen. Das ist für die Gerichte eine absolut private Angelegenheit ohne Bezug zur Arbeit. Auch hier gilt wieder: Passiert etwas, ist die Krankenkasse zuständig.
Das ist eindeutig. Die anderen Fälle scheinen komplizierter in der Bewertung zu sein.
Man unterscheidet, ob der Unfall in einem engen Zusammenhang mit der Arbeit steht oder nicht. Letztlich kommt es immer auf den jeweiligen Einzelfall an, ob die gesetzliche Unfallversicherung zuständig ist, weshalb es sich immer lohnt, dort einen Unfall zu melden.
Die Fragen beantwortete Tobias Schlaeger, Bereichsleiter Grundsatz der Unfallkasse NordrheinWestfalen
_Qualitätsstandards zu dokumentieren, erleichtert den Arbeitsalltag
_Ganzes Team setzt sich regelmäßig mit pädagogischen Themen auseinander
_Nebeneffekt: Arbeitszufriedenheit ist gestiegen
Es sind eigentlich nur zwei Aktenordner. Doch die haben es im wahrsten Sinne des Wortes in sich. Darin steckt alles, wofür die Kita steht: vom Leitbild über Führungsaufgaben bis hin zu pädagogischen Konzepten. „Das Qualitätsmanagementsystem gibt unserer Arbeit eine Struktur und bietet Handlungssicherheit“, sagt Nina Ulrich, die Leiterin der Protestantischen Kita Arche Noah. „Alle wissen, was sie machen müssen und wie sie es machen müssen. Das erleichtert den Arbeitsalltag und vermeidet unnötige Diskussionen.“ Denn schließlich habe man sich als Team gemeinsam auf diese Standards verständigt, nach denen sich nun alle richten.
Beispiel Mittagessen: Die Kinder suchen sich aus, in welcher der zwei Essensgruppen sie die Mahlzeit zu sich nehmen möchten. Und sie entscheiden, was und wie viel sie essen. „Alle Kollegen, die das Mittagessen begleiten, führen die Kinder an die Selbstständigkeit heran. Darauf haben wir uns geeinigt“, sagt Nina Ulrich. Diese Standards sind zu allen Themen dokumentiert – sei es nun das Mittagessen, Partizipation, ein Kinderschutzkonzept, Religionspädagogik, Hygiene oder Brandschutz.
AHA!
Vor zehn Jahren machte sich die Kita Arche Noah auf den Weg, ein QMS einzuführen. Seit 2017 ist die Kita mit dem Gütesiegel der Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder (BETA) zertifiziert, alle fünf Jahre muss es erneuert werden. Das QMS umfasst dabei zwei Bereiche: zum einen Führungsprozesse, in denen es um Leitungsaufgaben, die Zusammenarbeit mit dem Träger oder Öffentlichkeitsarbeit geht. Zum anderen Kernprozesse, die das gesamte Spektrum der pädagogischen Arbeit abdecken.
Der Anfang, das bestätigen Träger, Qualitätsbeauftragte und Kitaleitung gleichermaßen, sei schwierig gewesen. Aber, und auch das bestätigen alle einhellig: Die Arbeit lohne sich. „Es bedeutet viel Aufwand, das Qualitätsmanagement zu verschriftlichen“, sagt Nina Ulrich. „Aber darin beschreiben wir ja eigentlich nur unseren beruflichen Alltag. Was machen wir in der Kita? Wie ist unsere pädagogische Arbeit?“
Die Dokumentation hilft nun im Arbeitsalltag. Sei es, um selbst die Sicherheit zu haben, für alle Themen gewappnet zu sein. Sei es, um Azubis oder neue Fachkräfte einzuarbeiten. Sei es, um bei der Elternzusammenarbeit eine gemeinsame Linie festgelegt zu haben.
Stimmt noch alles? Überprüfung der Standards gehört dazu
Die Standards sind für zwei Jahre gültig. Danach werden sie überprüft. Spätestens. Wenn es einen Anlass gibt, schnappt sich das Kitateam schon vorher ein Thema aus einem der Ordner und berät, ob Punkte geändert werden müssen. Zum Beispiel, ob die Raumgestaltung für die neue Gruppe noch angemessen ist oder ob die Anziehsituation bei Aktivitäten im Freien neu geregelt werden sollte. „Wir sind gecoacht worden, wie wir zusammen mit dem Team Prozesse erarbeiten und jeden Einzelnen dabei mitnehmen“, sagt Kathrin Winkelsesser, die stellvertretende Leiterin und Qualitätsbeauftragte der Arche Noah. „Beim Formulieren von Standards haben wir uns am Anfang schwergetan – inzwischen geht das ganz schnell, weil alle die Abläufe kennen.“
Ein positiver Nebeneffekt des Qualitätsmanagements: Die Arbeitszufriedenheit der pädagogischen Fachkräfte ist gestiegen. Das ergaben Mitarbeiterbefragungen des Verbunds von 20 protestantischen Kitas in Ludwigshafen, dem auch die Kita Arche Noah angehört. Kathrin Winkelsesser kann das bestätigen: „Bei der Erarbeitung der Themen führt man sich selbst noch einmal vor Augen, was man leistet. Das motiviert.“
Nina Ulrich würde jeder Kita raten, ein Qualitätsmanagementsystem einzuführen und zu etablieren. „Man sieht, dass man schon vieles gut macht. Und man sieht Entwicklungspotenziale“, fasst die Kitaleiterin die Vorteile zusammen. Das gesamte Team setze sich mit pädagogischen Themen auseinander: „Welche neuen Entwicklungen und Ideen gibt es? Was tut Kindern und Eltern gut? Was sollten wir aufnehmen, verändern, festschreiben?“ Das alles wird dann in den zwei Aktenordnern dokumentiert. Die sind eine echte Hilfe für die Kita Arche Noah, um die Qualität der pädagogischen Arbeit systematisch zu reflektieren und verbessern.
Tipp!
Es gibt eine Vielzahl von Anbietern, die Kitas bei der Einführung eines Qualitätsmanage-mentsystems helfen. Wichtig ist, dass das System nach DIN ISO 9001 zertifiziert ist.
_Angebot soll Familien animieren: erst mitmachen, dann zu Hause nachmachen
_Eltern kommen untereinander und mit Fachkräften ins Gespräch
_Pädagogische Inhalte werden nebenbei vermittelt
„Ich hab voll getroffen! Über meinen Bruder drüber!“, ruft Luis und geht stolz zu seiner Mama. „Toll gemacht“, lobt Angela Nowak ihren sechsjährigen Sohn, während sie ihre jüngeren Kinder Eliano (1) und Amaia-Joly (2) im Blick hat. Luis hat getroffen. Mit dem Stoffball in die Kiste. Ein bisschen wie beim Basketball.
Sportlich geht es hier in Mannheim den Nachmittag über zu. Abholzeit. Der Flur hat sich in eine kleine Oase für Bewegungs- und Geschicklichkeitsspiele verwandelt. Allzu viel Platz ist zwar nicht, aber sie lassen sich eben etwas einfallen in der Kita des Evangelischen Eltern-Kind-Zentrums Kieselgrund, um den Raum optimal zu nutzen. Amelie versucht, auf dem Deckel des präparierten Schuhkartons die passende Öffnung für einen kleinen Plüsch-Pompon zu finden. Mila stolziert auf einem Seil, das geschlängelt auf dem Boden liegt. Bünyamin jongliert beim Eierlaufen eine Kugel auf einem Löffel. David ertastet Gegenstände wie Bälle, Bausteine oder kleine Kuscheltiere in einem Wäschekorb. Die Brüder Yared und Elias balancieren in ihren Batman-Shirts über Bänke und springen anschließend auf eine Turnmatte. Und Luis wirft halt mit Stoffbällen. Mit dabei sind Erzieherinnen und Erzieher – und immer auch die Eltern.
Eltern können Spiele zu Hause nachmachen
„Die einzelnen Stationen sind darauf ausgelegt, dass die Eltern das zu Hause nachmachen können“, erklärt Karin Janke. „Es geht ja darum, dass sich Eltern und Kinder gemeinsam bewegen sollen. Ohne viel Aufwand.“ Die Erzieherin hat für diesen Tag die Spiele ausgesucht. Das Thema liegt ihr am Herzen. Da Karin Janke auch Übungsleiterin im örtlichen Turnverein ist, kennt sie sich damit bestens aus.
„Fluraktion“ nennen sie das in der Kita Kieselgrund, wenn Eltern und Kinder Zeit miteinander verbringen. Einmal im Monat ist das der Fall. Montags zur Abholzeit kommen die Eltern in den Flur und beschäftigen sich dort mit ihren Kindern. Mal bleiben sie nur ein paar Minuten, mal eineinhalb Stunden – je nachdem, wie viel Zeit und Lust sie haben. Die pädagogischen Fachkräfte bereiten dafür bestimmte Themen vor. Eltern und Kinder widmen sich dann zum Beispiel der gesunden Ernährung, sie machen gemeinsam kleine wissenschaftliche Experimente, lesen aus Büchern oder lassen sich an Tablets zeigen, wie Medien richtig und sinnvoll eingesetzt werden können.
Oder sie bewegen sich. „Manches erklären wir. Manches machen die Kinder von allein. Manches erklären die Kinder den Eltern“, fasst Karin Janke die Vorteile des Angebots zusammen. „Bewegung funktioniert unabhängig von der Nationalität immer gleich. Das kann die Sprache ersetzen.“
Für die Mannheimer Kita ist das ein wichtiger Aspekt. „Mit Sprache oder geschriebenen Worten erreichen wir die Eltern oft nicht“, weiß Kitaleiterin Claudia Hauschild. Sei es, weil sie kaum oder gar kein Deutsch verstehen oder weil sie aus bildungsfernen Schichten kommen. „Wir müssen also versuchen, wichtige Dinge in einer möglichst einfachen Form zu verpacken, um sie zu vermitteln“, sagt Hauschild. So war die Idee zu den Fluraktionen geboren.
Die Erzieherinnen und Erzieher sind davon begeistert. „Ich habe noch nie so fröhliche Eltern gesehen“, sagt Karin Janke. „Die Fluraktionen sind eine Bereicherung für die Eltern und für das Kollegium.“
„Die Kita lässt sich immer etwas Neues einfallen“, sagt Verena Barton (mit Tochter Lima).Die Hand von Mutter Jana Tiebs gibt Luca Sicherheit.
Auch bei den Eltern sind diese besonderen Nachmittage ein Volltreffer. „Die Kita lässt sich immer etwas Neues einfallen, das finde ich super“, sagt Verena Barton. Sie ist ganz überrascht, wie gut ihre zweijährige Tochter Lima schon balancieren kann. „Das hat sie mir zu Hause noch nie gezeigt.“ Die Abwechslung bei den Fluraktionen kommt bei Nurcan Tanis gut an: „Ich sehe zu, dass ich dann da bin“, sagt sie. „Und man kommt mit anderen Eltern in Kontakt.“ Özlem Yorgun gefällt es ebenfalls, andere Eltern kennenzulernen: „Und die Kinder freuen sich, das ist das Wichtigste.“ Nikolina Vragolovic mag die „super Aktion. Es sind immer gute Ideen dabei, auf die ich von allein nicht kommen würde. Wir machen das dann auch zu Hause nach.“
Tipps für die Nutzung von Youtube und Co.
Als multimedialer Ideengeber tritt Paul Heitmann auf den Plan. Der Erzieher, der berufsbegleitend Medienpädagogik studiert, hat dafür Laptop und Tablet im Flur aufgestellt. Bilder für Kids-Yoga oder Mini-Work-outs sind auf den Bildschirmen zu sehen. „Youtube ist nicht nur da, um zu konsumieren“, macht er deutlich, spricht die Eltern aktiv an und gibt ihnen Tipps: „Man kann es auch anders nutzen. Warum nicht mal Videos aufrufen, um zehn Minuten Sport zu machen?“
Im Flur herrscht derweil reges Treiben. Aber es ist eben nicht das übliche Kommen und Gehen der normalen Abholsituationen. Stattdessen bieten sich Gelegenheiten, die Mütter und Väter von einer neuen Seite kennenzulernen. Claudia Hauschild erzählt exemplarisch von einer Spieleaktion. Dabei sei eine Mutter regelrecht aufgeblüht, von der sie es gar nicht erwartet hätte: „Tatsächlich saß sie dann eineinhalb Stunden mit ihrem Kind da und hat Gesellschaftsspiele gespielt.“ Diese Art Exklusivzeit zwischen Eltern und Kindern wollen sie erreichen, „weil das im Alltag zu Hause oft verloren geht“, erläutert die Kitaleiterin.
Zudem erfahren die Fachkräfte in der lockeren Atmosphäre, wo bei den Familien der Schuh drückt. Ganz nebenbei bekommen sie mit, ob es finanzielle oder gesundheitliche Probleme gibt, wie die jungen, alleinerziehenden Mütter zurechtkommen oder wie sich die Großfamilien in ihren kleinen Wohnungen arrangieren. „Manchmal denke ich, dass wir zu viel erwarten von den Eltern. Als Team müssen wir uns oft in ihre Situation versetzen. Da ist das Thema eben nicht die Matschhose des Kindes, sondern wie sie die nächste Stromrechnung bezahlen sollen“, sagt Claudia Hauschild. „Aber: Wir können nicht alles für die Eltern richten und versuchen, sie nicht zu sehr aus der Verantwortung zu entlassen. Wir suchen einen Mittelweg.“
Klassische Elternabende haben ausgedient
Kreativität und Flexibilität sind auch bei anderen Aspekten der Elternarbeit gefragt. Beispielsweise hat die Kita Kieselgrund feste Bringzeiten abgeschafft. „Das hat uns die Nerven kaputtgemacht und den Eltern auch. Am Ende war man dann wütend aufeinander“, sagt Claudia Hauschild. Jetzt ist der Umgang wesentlich entspannter.
Auch die klassischen Elternabende, bei denen eine Erzieherin erzählt und die Eltern im Kreis sitzen und mehr oder weniger interessiert zuhören, haben ausgedient. Stattdessen haben sie zuletzt Eltern und Kinder zusammen eingeladen. Die Kinder zeigten ihren Eltern dann in den Gruppen, was sie gern spielen. „Das hatte einen ganz anderen Charakter, war fröhlich und lustig“, berichtet Claudia Hauschild und ergänzt: „Wir suchen weiter nach neuen Formaten.“ Demnächst wollen sie ausprobieren, an einem Elternabend mehrere Themen vorzustellen. „Wie eine Fluraktion im größeren Rahmen.“
Den Fachkräftemangel spüren auch wir. Ich denke, Kitas müssen sich öffnen. Qualität können zum Beispiel auch berufsfremde Menschen mitbringen, wenn man ihnen eine Chance gibt. Diese Quereinsteiger werden bei uns erst in den Betreuungsschlüssel für pädagogisches Personal eingerechnet, wenn sie bestimmte Qualifikationen erreicht haben, sie sich also auf den Weg gemacht haben, Assistenzkraft oder Fachkraft werden zu wollen. Vorher zählen sie bei uns zu den sogenannten „helfenden Händen“. Beide Seiten können in dieser Phase testen, ob sie für den Beruf geeignet sind. Das ist eine Chance, Personal zu gewinnen. Wichtig ist dabei, einen Träger zu haben, der offen für neue Lösungen ist und diese ausprobiert.
Pamela Günzinger
Das komplette Interview
Frau Grünzinger, viele Kitas beklagen den Fachkräfte- und Personalmangel. Sie nicht?
Pamela Grünzinger: Auch wir spüren den Fachkräftemangel. Die Erwartungen an die Erzieherinnen und Erzieher werden immer größer. Die Länge der Betreuungszeiten ist ein weiteres Problem, wir haben zehn Stunden von 7 bis 17 Uhr geöffnet. Das Personal muss enorm viel leisten. Wichtig ist es, einen Träger zu haben, der offen für neue Lösungen ist und diese ausprobiert.
Zum Beispiel?
Grünzinger: Ich denke, Kitas müssen sich öffnen. Qualität können auch berufsfremde Menschen mitbringen, wenn man ihnen eine Chance gibt und Vertrauen entgegenbringt.
Sie setzen also auf Quereinsteiger.
Grünzinger: Ja. Sie können durch Praktika, einen Tag der offenen Tür oder auch, wenn sie vom Arbeitsamt vermittelt werden, reinschnuppern in einen Menschenberuf. Viele hatten damit vorher noch nie Berührungspunkte. Man sollte sich ihre Motivation angucken: Vielleicht wollen sie ihr Leben mit einer sozialen Arbeit erfüllen und nicht mehr in der Industrie arbeiten? Das ist eine Chance, Personal zu gewinnen.
Welche Vorteile bringt Ihnen das?
Grünzinger: Multiprofessionalität in Teams ist gefragt. Wenn man solche Assistenz- oder Hilfskräfte zusätzlich mit hinzunimmt, ist es zwar ein bisschen teurer für den Träger, aber es unterstützt auf allen Ebenen. Und sie werden erst in den Betreuungsschlüssel für pädagogisches Personal eingerechnet, wenn sie bestimmte Qualifikationen erreicht haben, sie sich also auf den Weg gemacht haben, Assistenzkraft oder Fachkraft werden zu wollen. Vorher zählen sie zu den sogenannten „helfenden Händen“. Beide Seiten können in dieser Phase testen, ob sie für den Beruf geeignet sind.
Wie kommen Sie an die Menschen heran?
Grünzinger: Durch viele kleine Projekte, Öffentlichkeitsarbeit, Mund-zu-Mund-Propaganda. Wir sind gut vernetzt. Außerdem gehen wir aktiv auf Schulen zu, wenn dort beispielsweise Berufsinformationstage sind. Vielen ist gar nicht bewusst, dass Kitas überhaupt ausbilden. Es geht darum, den Blick auf den Beruf der Erzieherin oder des Erziehers zu verändern, ihn attraktiv darzustellen und zu gestalten.
Wie viele Quereinsteiger oder ehemals Berufsfremde arbeiten bei Ihnen?
Grünzinger: Wir haben aktuell jemanden im Team, dem coronabedingt gekündigt worden ist. Er hat ein halbes Jahr zur Probe gearbeitet, Geschmack daran gefunden und auch die Eignungen mitgebracht. Eine ehemalige FSJ-lerin hat Ihre Ausbildung bei uns gemacht und absolviert inzwischen ihr Anerkennungsjahr hier. Die Möglichkeiten sind also da.
Arbeiten bei Ihnen auch Aushilfskräfte?
Grünzinger: Wir haben „helfende Hände“, die nicht den pädagogischen Weg einschlagen. Hauswirtschafter zum Beispiel müssen in Kitas viel Empathie mitbringen, weil sie viele Berührungspunkte mit den Kindern und den pädagogischen Fachkräften haben. Wenn es vom Personal eng wird, können sie wahre Perlen ein. Wir sehen das als Mehrwert für die Kinder. Bei uns lernen die älteren Kinder, die den Küchendienst mitgestalten, dabei dann beispielsweise das Zählen in einer fremden Sprache, in dem Fall Türkisch.
Haben Sie noch mehr Personal aus anderen Ländern?
Grünzinger: Wir haben Beschäftigte aus Polen, Bulgarien, Rumänien und Ungarn. Die Fachkräfte haben sich alle durch die deutsche Prüfung gearbeitet. Die Qualität der pädagogischen Arbeit ist nicht schlechter als bei deutschen Fachkräften. Wir müssen den Menschen nur zeigen, wie es bei uns gehandhabt wird.
Wie sind die Reaktionen der Eltern auf das multikulturelle Team?
Grünzinger: Von den Kindern erwarten wir, dass sie offen sein sollen für unterschiedliche Kulturen und dass sie jeden so nehmen sollen, wie er oder sie ist. Den gleichen Wert sollten wir Erwachsenen darauf legen, dass sich Kulturen vermischen. Vielen Eltern ist der Fachkräftemangel bewusst. In der IT-Branche gibt es zum Beispiel keine Berührungsängste, wenn dort Menschen aus den USA oder Indien arbeiten. Nur in sozialen Berufen ist es so. Die Ängste lassen sich aber abbauen, wenn man offen kommuniziert und den Eltern klarmacht, dass wir für die Kinder und Familien nur das Beste wollen mit der Öffnung nach außen. Außerdem ermutigen wir die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Übernehmt einen Part beim Elternabend und stellt euch vor, damit die Eltern euch kennenlernen.
Wie führen Sie die neuen Beschäftigten heran?
Grünzinger: Unser Onboarding-Prozess ist für Praktikantinnen und Praktikanten, berufsfremde Menschen und Menschen, die nicht so gut Deutsch sprechen, im Grunde gleich: Sie bilden ein Tandem mit einer Fachkraft. Die kreative oder musikalische Förderung, auch pflegerische Tätigkeiten wie pädagogisches Füttern und Wickeln kann man gut transportieren, indem man es ihnen vormacht und sie dabei begleitet. Wir legen Wert auf Gespräche, reflektieren viel – nach und nach können wir immer mehr Aufgaben übertragen. Bei Auszubildenden und jungen Menschen geht es viel darum, sie bei der Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen und Verantwortungsgefühl zu vermitteln. Bei den Quereinsteigern, die Erfahrungen aus anderen Berufen mitbringen, geht es mehr um fachliche Vermittlung.
Das klingt trotzdem zunächst nach einer Belastung für die Fachkräfte.
Grünzinger: Da kommen die Träger ins Spiel. Wenn wir wollen, dass es mit Quereinsteigern funktioniert, wird es nicht reichen, nur nach dem gesetzlichen Schlüssel zu arbeiten. Erzieherinnen und Erzieher sollten Quereinsteiger anleiten und begleiten – dafür braucht man eine Fachkraft mehr, als im Schlüssel vorgesehen. Die Fachkräfte reflektieren viel und benötigen dafür mehr Vorbereitungszeit. Das geht im Hort, wo die Kinder erst um 11 Uhr kommen, besser als im Kita-Bereich. Dort ist es notwendig, dass der Träger Stunden für das Ein- und Anleiten freischaufelt. Wenn man das gut hinbekommt, hat man schnell einen Mehrwert. Dann bietet das Modell eine Chance, um neue Fachkräfte hinzuzugewinnen.
Welche Rahmenbedingungen benötigt man innerhalb des Kita-Teams?
Grünzinger: Eine flache Hierarchie. Allein steht man als Leitung auf verlorenem Posten. Wir haben ein gemeinsames Ziel und überlegen gemeinsam, wie wir da hinkommen und es umsetzen. Das hilft auch bei der Akzeptanz, weil es dann alle mittragen.
Wie kommt man als Team da hin?
Grünzinger: Vertrauen und Wertschätzung untereinander finde ich sehr wichtig. Und eine offene Kommunikation. Die Beschäftigten wissen, dass sie sich ohne Angst äußern können und ihre Ideen einbringen sollen. Das hilft jedem Unternehmen sich weiterzuentwickeln, auch Kitas. Außerdem ist eine gesunde Fehlerkultur wichtig. Beim Thema Sicherheit zum Beispiel darf ich nicht davon ausgehen, dass Quereinsteiger oder Auszubildende den gleichen Blick darauf haben wie pädagogische Fachkräfte. Sie müssen diesen Blick erst lernen und wir müssen ihnen die Möglichkeit geben, dass sie ihn schulen dürfen. Wenn ich nach einem Fehler kritisiere, kann es passieren, dass ich Angst aufbaue statt den Wunsch, es zu lernen. Es ist besser, das in sachlichen Gesprächen zu erklären.
_Kitas profitieren von einer guten Beschwerdekultur
_Jede Beschwerde ernst nehmen und transparent damit umgehen
_Beschwerdemanagement ist Teil der Qualitätssicherung
Jede pädagogische Fachkraft in der Kindertagesbetreuung kennt solche und ähnliche Situationen:
Frau Niemann holt nachmittags ihre Tochter Suri aus der Kita ab, es ist ein freundlicher Tag, aber sicher nicht wärmer als 8 Grad. Die Kinder spielen auf dem Außengelände. Sie bemerkt direkt, dass Suri keine Jacke trägt, sondern nur einen dünnen Pullover. Darüber ärgert sie sich maßlos, denn sie hat schon mehrfach betont, dass das Kind bei solchen Temperaturen draußen eine Jacke tragen soll. Als sie Suris Sachen holen will, begegnet sie der Erzieherin Ute und geht grußlos und sichtlich verärgert an ihr vorbei. Diese reagiert erstaunt und sagt zu ihrer Kollegin: „Wir leben hier doch Partizipation mit den Kindern. Und wenn Suri keine Jacke anziehen möchte, werden wir sie nicht dazu zwingen. Warum ist Frau Niemann so verärgert?“
Beschwerden gehören zum Miteinander dazu
Beschwerden sollten nicht als Problem betrachtet werden, sondern als wichtige Informationsquelle. Durch sie kann ich erkennen:
Was ist falsch gelaufen oder hat gestört?
Wie können wir noch besser werden?
Wie können Prozesse verbessert werden?
Wenn ein Kitateam offen und interessiert mit Beschwerden umgeht, kann es dadurch seine Arbeit und somit die Zufriedenheit der Familien (weiter) verbessern. Beschwerden sind also eine Chance, die Qualität in einer Kindertageseinrichtung weiterzuentwickeln.
Ein guter Prozess für das Beschwerdemanagement einer Kita besteht aus vier Schritten. Bezogen auf das obige Beispiel könnten diese so aussehen:
1) Beschwerdestimulierung
Die Erzieherin Ute sollte Frau Niemann auf die spürbare Verärgerung ansprechen und dazu motivieren, ihre Beschwerde zu formulieren. Frau Niemann sollte wissen, dass es dem Kitateam wichtig ist, ihre Unzufriedenheit zu verstehen.
Eine beschwerdefreundliche Umgebung vermittelt den Eltern, dass es vollkommen in Ordnung ist, Unzufriedenheiten zu äußern, und dass diese von den Beschäftigten der Kita ernst genommen werden. Eltern werden an verschiedenen Stellen dazu aufgefordert, sich mit ihren Anliegen an die Fachkräfte, die Kitaleitung oder den Elternausschuss zu wenden, und werden in Gesprächen und (anonymen) Umfragen immer wieder nach ihrer Zufriedenheit befragt. Vorstellbar ist auch ein „Kummerkasten“.
2) Beschwerdeerfassung
Die Erzieherin Ute sollte den Vorfall als Beschwerde offiziell annehmen und Verständnis signalisieren. Der Sachverhalt ist nicht zwischen Tür und Angel zu klären, deshalb lässt die Erzieherin Frau Niemann wissen, welche nächsten Schritte erfolgen, zum Beispiel ein Gespräch. Ute füllt das Beschwerdeformular aus und informiert die Kitaleitung über den Vorfall.
Falls eine Beschwerde nicht sofort besprochen und keine Lösung gefunden werden kann, sollte ein Formular vorhanden sein, in dem sachlich dokumentiert wird, worüber sich wer wann beschwert hat und was vereinbart wurde. Ein Beispiel für ein solches Formular finden Sie auf der KinderKinder-Webseite zum Herunterladen.
3) Bearbeitung der Beschwerde
Ist die Beschwerde zur Bekleidung ein Einzelfall, der nur Suris Mutter betrifft, sollte ihr die Einrichtung einen Gesprächstermin anbieten. Ein guter Einstieg könnte sein: „Ich habe den Eindruck, Sie ärgern sich über unsere Regelungen zur Bekleidung der Kinder draußen. Glauben Sie mir: Wir würden Suri immer ansprechen und mit ihr eine Lösung suchen, wenn wir den Eindruck hätten, dass sie zu dünn angezogen ist und sich erkälten könnte.“
In diesem Schritt sollte klar sein, wer im Team die Verantwortung für die Beschwerde übernimmt und beispielsweise die Klärungsgespräche führt. Sehr wichtig ist hier auch festzulegen, wann und von wem die Familie angesprochen und informiert wird.
4) Beschwerdeanalyse
Die Kitaleitung sollte alle Beschwerden in einem Ordner sammeln. Nur so ist es möglich, sicher nachzuvollziehen, ob es ähnliche Beschwerden eventuell schon häufiger gab. Aus dieser Erkenntnis könnte sie eine Informationsveranstaltung zum Thema Kinderpartizipation planen, um dort näher zu erklären, dass die Umsetzung von kindlicher Selbst- und Mitbestimmung eine Pflichtaufgabe für Kindertageseinrichtungen ist.
Es ist hilfreich, wenn die Kitaleitung die in einem Zeitraum angefallenen Beschwerden auswertet, um herauszufinden, ob bestimmte Bereiche oder Themen gehäuft betroffen sind. Sollte dem so sein, kann das Team genauer analysieren, ob es konzeptionelle Anpassungen oder einen besseren Dialog mit den Familien braucht.
Teams, die sich mit solchen und ähnlichen Fragen auseinan-dersetzen und in einen ehrlichen Dialog kommen, können ihre Beschwerdekultur optimal weiterentwickeln.
Fehler sind Helfer
In einer beschwerdefreundlichen Kita sollte sich das Team auch ohne konkreten Anlass mit dem Thema befassen. Gute Reflexionsfragen können dafür sein:
Haben alle bei uns im Team das Recht, Fehler zu machen?
Warum ist es wichtig zu akzeptieren, dass die Verantwortung für einen von mir gemachtem Fehler zunächst bei mir liegt?
Wie können wir sensibel auch für nonverbale Beschwerden der Eltern werden?
Werden Beschwerden von Eltern als willkommener Anlass betrachtet, den Dialog mit den Eltern zu intensivieren?
Was tun wir, damit bei uns in der Kita eine möglichst fehlerfreundliche Kultur herrscht – Fehler also offen besprochen und nicht verschwiegen werden?
Fühlt sich das komplette Team bei Beschwerden verantwortlich – bis die Beschwerde an der Stelle angekommen ist, an die sie gehört?
Suchen wir die Ursache bei Problemen zunächst bei uns?
Exklusiv für Sie!
Einen Dokumentationsbogen für Elternbeschwerden, der sich ausdrucken oder auch am Computer ausfüllen lässt, sowie eine Kopiervorlage für Kummerkastenzettel finden Sie als kostenloses Download-Angebot unter: www.kinderkinder.dguv.de/beschwerden
Die Mehrzahl der Spielplätze in Deutschland ist für Kinder mit Behinderung nicht geeignet. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Aktion Mensch. Demnach ist nur jeder fünfte Spielplatz zumindest teilweise barrierefrei oder verfügt über inklusive Spielgeräte.
Die Beschaffenheit der Böden stellt das größte Problem dar. Gerade einmal ein Prozent der Spielplätze verfügt über befahrbare Zuwege, die zu allen Geräten führen und sogar weniger als ein Prozent über Leitsysteme oder andere taktile Hilfen. Statt barrierefreien Flächen aus stoßdämpfendem Gummi oder Korkmischungen sind Sand, Kies oder Hackschnitzel weit verbreitet. Für Kinder mit einer Mobilitätseinschränkung oder Sehbehinderung scheitert das Spielen also spätestens am Erreichen der Spielgeräte.
Dabei existieren mit den bestehenden DIN-Normen bereits Richtlinien, die den Bau von inklusiven und barrierefreien Spielplätzen unterstützen – ihre Anwendung ist jedoch freiwillig. „Ohne ein Gesetz zur verpflichtenden Umsetzung haben die derzeitigen Rahmenbedingungen keine Durchschlagkraft“, sagt Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch. „Auch beim Spielplatzbau müssen Menschen mit Behinderung von den ersten Planungsschritten an mitgedacht werden, um einer Diskriminierung bereits im Kindesalter entgegenzuwirken.“
Als Orte der Begegnung haben inklusive Spielplätze laut Aktion Mensch eine Strahlkraft weit über die Kinder hinaus – nicht nur sie und ihre Begleitpersonen würden von einem gleichberechtigten Miteinander profitieren, sondern letztlich die gesamte Gesellschaft. Gleichzeitig erhöhen sie – wie die Studie zeigt – die Qualität des Spiels sowie die Attraktivität des Standortes. Dort wo inklusive Spielplätze bereits existieren, werden sie gut angenommen. Ihr Angebot ist jedoch zu gering.
Im regionalen Vergleich zeigt sich, dass der größte Nachholbedarf dabei in Brandenburg sowie Schleswig-Holstein besteht. Hier weisen nur 9,8 Prozent der Spielplätze inklusive Merkmale auf. Berlin schneidet mit 36 Prozent inklusiver Spielplätze am besten ab.
Für die Studie hat die Aktion Mensch in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut für Inklusion durch Bewegung und Sport (FIBS) 1.000 Spielplätze in Deutschland untersucht.
Bei hohen Sommertemperaturen erfreuen sich Kinder auch in der Kita über eine Erfrischung beim Plantschen im kühlen Wasser. Doch irreführende Begriffe wie „sekundäres Ertrinken“ oder „trockenes Ertrinken“ sorgen für Unsicherheit und schüren Ängste. Die Initiative „Kindernotfall Bonn“ der Abteilung für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin am Universitätsklinikum Bonn (UKB) stellt deshalb auf ihrer Website (www.kindernotfall-bonn.de) Informationen zu Ertrinkungsunfällen bereit, um Wissen für den Notfall zu vermitteln.
Die Begriffe „sekundäres Ertrinken“ oder „trockenes Ertrinken“ sind keine Fachbegriffe, werden häufig synonym verwendet und suggerieren, dass ein Mensch im Nachgang an einen Bade- oder Ertrinkungsunfall verstirbt – vermeintlich nicht durch das „klassische“ Ertrinken, sondern an den Folgen des Wasseratmens. Jedoch ist das Verschlucken oder Aspirieren geringer Wassermengen in die Atemwege beim Spielen im Wasser in den meisten Fällen medizinisch nicht relevant ist. Vielmehr führt dies meistens zu einem Hustenreiz, der die Lunge schützt. Wirkliche Gefahr besteht erst, wenn größere Mengen Wasser in die Lunge gelangen.
Ertrinken ist eine der häufigsten Todesursachen bei Kindern, dabei sind die meisten Ertrinkungsunfälle vermeidbar: „Aufsichtspersonen müssen sich bewusst sein, dass eine uneingeschränkte Aufmerksamkeit, insbesondere ohne Ablenkung durch Handys oder andere Geräte, entscheidend und lebensrettend sein kann“, betont Dr. Till Dresbach, Oberarzt der Neonatologie und Kinderintensivmedizin am UKB.
Um ernsthaften Folgen nach einem Badeunfall vorzubeugen ist es wichtig, dass Aufsichtspersonen richtig reagieren:
Das Kind sollte unverzüglich aus dem Wasser gerettet werden.
Es ist sofort der notärztliche Dienst (112) zu verständigen. Idealerweise von einer zweiten Person.
Wenn das Kind bewusstlos ist und keine Atmung festgestellt werden kann, sollten sofort Wiederbelebungsmaßnahmen eingeleitet werden.
Bei der Wiederbelebung von Kindern steht die Beatmung, also das Zuführen von Luft in die Lunge, im Vordergrund. Dies wird durch Mund-zu-Mund-Beatmung erreicht. Die Wiederbelebungsmaßnahmen beginnen bei allen Kindern mit fünf Beatmungen. Dabei sollte die Nase des Kindes zugehalten werden. Wenn nach den fünf Beatmungen keine Lebenszeichen vorhanden sind, sollte mit der Herzdruckmassage begonnen werden.
Wichtig: Bei Wiederbelebungsmaßnahmen kann man nichts falsch machen. Es ist ein großer Fehler, keine Maßnahmen zu ergreifen, da dies den Behandlungserfolg bei Ertrinkungsopfern erheblich beeinträchtigt.
Bei dem Versuch, die Qualität in Kitas zu verbessern, sind in den vergangenen zehn Jahren Fortschritte zu verzeichnen. Allerdings gibt es immer noch Herausforderungen, was die bedarfsgerechte Ausstattung mit Plätzen und einen angemessenen Personalschlüssel angeht. Zu diesen Ergebnissen kommt das Deutsche Jugendinstitut (DJI), dessen kürzlich veröffentlichter Analyse verschiedene Studien und Datenerhebungen zugrunde liegen.
Zwischen 2012 und 2021 hat sich die Quote der unter Dreijährigen, die in Kitas betreut werden, von 27,6 auf 34,4 Prozent erhöht, wie aus der Kinderbetreuungsstudie 2021 (KIBS) des DJI hervorgeht. Allerdings ist der Elternbedarf im gleichen Zeitraum von 39 auf 47 Prozent gestiegen – die Kluft zwischen Kitaplätzen und Bedarf hat sich somit sogar leicht vergrößert, obwohl mehr Kitaplätze geschaffen wurden.
Der Personal-Kind-Schlüssel hat sich trotz des Fachkräftemangels im vergangenen Jahrzehnt verbessert, die Investitionen einzelner Länder in Qualitätsverbesserungen würden sich auszahlen. Allerdings weist das DJI darauf hin, dass noch nicht geklärt ist, welche Rolle die Corona-Pandemie spielt, beispielsweise durch mögliche verzögerte Kita-Einstiege von Kindern. Diese kurzfristigen Effekte könnten schnell verpufft sein und stünden nicht mit Qualitätsverbesserungen in Kitas in Zusammenhang. In Gruppen von unter Dreijährigen kamen in Deutschland im Jahr 2021 statistisch genau vier Erzieherinnen oder Erzieher auf ein Kind. 2012 lag der Personal-Kind-Schlüssel noch bei 1:4,9. Bei den über Dreijährigen verbesserte sich der Personal-Kind-Schlüssel innerhalb des Zeitraums von zehn Jahren von 1:9,5 auf 1:8.
Vor mehr als 30 Jahren trat die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN) in Kraft. Zur besseren Umsetzung haben das Deutsche Kinderhilfswerk und der Verein Kinderfreundliche Kommunen im Internet ein Infoportal erstellt.
Zielgruppe des Portals sind zwar vor allem Verwaltungsmitarbeitende sowie politische Entscheidungsträgerinnen und -träger in den Kommunen, aber auch für Kita-Träger und Kita-Leitungen können die gesammelten Materialien des Internetauftritts Tipps und Anregungen liefern. Zu den Themen gehören beispielsweise „Empfehlungen zur Erstellung einer inklusionspädagogischen Konzeption für Kindertageseinrichtungen“ oder „Qualitätsstandards für Kinder- & Jugendbeteiligung“.
„Insbesondere den Kommunen kommt bei der Umsetzung der Kinderrechte eine wichtige Rolle zu, da ihre Aufgaben und ihr Handeln sich sehr oft direkt oder indirekt auf Kinder auswirken. Der Wissenstransfer unter den kommunalen Akteurinnen und Akteure ist allerdings bisher eher gering, obwohl kontinuierlich Materialien zum Thema entstehen. Das möchten wir mit dem neuen Infoportal ändern“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.
Schon vor der Corona-Pandemie übten nur etwas mehr als ein Viertel der Kitas mit den Kindern das Zähneputzen. Inzwischen hat sich diese Zahl nochmals halbiert, wie eine repräsentative Studie exemplarisch für Baden-Württemberg ergab.
Die Landesarbeitsgemeinschaft für Zahngesundheit Baden-Württemberg (LAGZ) hatte die Online-Befragung in Auftrag gegeben, bei der sich mehr als 6.500 Kitas beteiligten. 27 Prozent (1.820 Kitas) gaben an, vor Corona mit den Kindern Zähne geputzt zu haben. Derzeit machen das nur noch 1.018 Einrichtungen. „Diese Entwicklung ist alarmierend“, sagt LAGZ-Geschäftsführerin Carolin Möller-Scheib.
Das Interesse der pädagogischen Fachkräfte sei laut LAGZ durchaus vorhanden, was sich an der Teilnahme bei Aktionen und Themenwochen rund um Mundgesundheit zeige. Die Gründe für das „Nichtputzen“ seien unterschiedlich. Neben dem Personalmangel würde die fehlende Infrastruktur vor Ort (zum Beispiel zu wenige Waschbecken oder Aufbewahrungsmöglichkeiten für Zahnbürsten) und auch die hohen Hygieneanforderungen Hürden darstellen.
Dabei habe das gemeinsame Zähneputzen einen hohen pädagogischen Wert, der über die Mundgesundheit hinausgehe, wie die Landesarbeitsgemeinschaft betont. Es fördere den achtsamen Umgang mit dem eigenen Körper, die Feinmotorik und ein systematisches Vorgehen, das mit der Zahnputzmethode KAI (erst Kaufläche, dann Außenflächen, dann Innenflächen) geübt werde.
Quelle: Landesarbeitsgemeinschaft für Zahngesundheit Baden-Württemberg
Nach 17 Jahren ändert das „Haus der kleinen Forscher“ seinen Namen. Deutschlands größte Fortbildungsinitiative für Kita, Hort und Grundschule heißt ab sofort „Stiftung Kinder forschen“.
Damit reagiert die Stiftung auf die zahlreichen Entwicklungen, die nicht nur sie selbst, sondern die Bildungslandschaft insgesamt in den vergangenen Jahren gemacht hat. Das Ziel bleibt auch mit neuem Namen das gleiche: die Förderung von Kompetenzen in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik (MINT) sowie Bildung für nachhaltige Entwicklung bei Kindern im Alter von drei bis zehn Jahren.
„Die MINT-Bildung haben wir erweitert auf MINT-Bildung für nachhaltige Entwicklung. Sowohl die Stiftung als auch ihre Netzwerkpartner bieten jetzt Fortbildungen in Präsenz und digital an“, sagt Prof. Jürgen Mlynek, Stiftungsratsvorsitzender und Mitgründer der Stiftung Kinder forschen. „Gleichzeitig ist die Grundüberzeugung immer die gleiche geblieben: Alle Kinder sollen Freude am Entdecken und Forschen entwickeln, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Religion und Einkommen der Eltern und genau das soll der Name ‚Stiftung Kinder forschen‘ noch stärker zum Ausdruck bringen.“
Kern der Arbeit der Stiftung Kinder forschen ist ein umfangreiches und bundesweites Fortbildungsprogramm, das pädagogische Fach- und Lehrkräfte fit macht, Kinder qualifiziert beim Entdecken und Forschen zu begleiten. Seit der Gründung im Jahr 2006 haben die Stiftung und ihre Partner deutschlandweit rund 86.000 pädagogische Fach-, Lehr- und Leitungskräfte aus mehr als 35.100 Einrichtungen weitergebildet. Bereits 6.000 Kitas, Horte und Grundschulen sind für ihr Engagement in der frühen MINT-Bildung für nachhaltige Entwicklung zertifiziert.
Eigentlich sind Kinder von Geburt an in Bewegung. Sie wollen nicht still sitzen, sondern zappeln, krabbeln, hopsen, rennen, klettern und erkunden so ihre Welt. Diesen natürlichen Bewegungsdrang gilt es dauerhaft zu erhalten. Das ist zugleich einfach und schwierig. Einfach, weil Kinder schnell zu begeistern sind und Bewegungsangebote gern annehmen. Schwierig, weil in den Familien dem Thema weniger Bedeutung beigemessen und Kinder häufig ein bewegungsarmer Alltag vorgelebt wird. Kitas haben deshalb eine Schlüsselrolle. Hier ein paar Ideen, wie der Kita- Alltag ohne viel Aufwand noch bewegter wird.
Bewegte Rituale einführen
Zum Morgenkreis oder vor dem Essen: Wann immer es passt, machen ritualisierte Bewegungsspiele Spaß. Und die Großen machen natürlich mit!
Bewegungsgeschichten erzählen
Bewegungsgeschichten können ganz gezielt motorische Fähigkeiten schulen: Anschleichen auf den Zehenspitzen oder die Balance halten, wenn man so tut, als klettere man eine Leiter hinauf. Die pädagogische Fachkraft erzählt und leitet gleichzeitig die Bewegungen an. Ältere Kinder können die Geschichte weitererzählen. Nebeneffekt: Auch die Konzentrationsfähigkeit und Fantasie werden angeregt.
Seiltanz
Alles, was man braucht, sind Seile. Die Kinder legen die Seile in beliebiger Form aus. Als Kreise, Schlangen oder Achten. Dann balancieren sie (sock- oder barfuß) darauf. Jedes Kind darf auf jedem Seil tanzen.
Verrücktes Kartenspiel
Die Karten eines Kartenspiels (z. B. Uno) bekommen eine neue Bedeutung. Es wird normal gespielt, aber wenn bestimmte Karten abgelegt werden, muss das nachfolgende Kind eine bestimmte Bewegung ausführen – zum Beispiel dreimal Hampelmann machen oder auf einem Bein um den Spieltisch hopsen. Geht auch mit Würfelspielen.
Rasender Postbote
Die Kinder müssen „Briefe“ zu einem Ziel befördern, das ihnen angesagt wird, und zwar so schnell wie möglich. Alternative für mehr Platz: Es werden 20 durchnummerierte Umschläge und 20 Karten verteilt (oder auch verschiedene Farben). Die Kinder bringen die Karten zu den entsprechenden Umschlägen, tüten sie ein und transportieren sie zur „Postzentrale“ (immer nur ein Umschlag auf einmal).
Seifenblasen-Fangen
Nur für draußen! Ob große oder kleine Seifenblasen: Sie faszinieren. Feingefühl ist beim Pusten nötig, Bewegung entsteht beim Fangen, bei den Riesenseifenblasen auch beim Schwungholen mit den Stäben. Die Kinder mit der Seifenlösung nicht allein spielen lassen!
Ballspiele – auch ohne Ball
Wenn Ballspiele mit Fangen und Werfen aus räumlichen Gründen nicht machbar sind, eignen sich zumindest für drinnen Luftballons (es gibt dafür dünne Stoffhüllen, um sie stabiler zu machen) oder geknülltes Papier; mit leichten Schaumstoffbällen lassen sich auch Spiele im Sitzkreis realisieren.
Bewegungsparcours
Das geht auch auf kleinem Raum und mit Alltagsgegenständen. Kartons, Seile, Hocker, Tücher, Kissen und Decken: Darübersteigen, Durch- oder Drunterklettern, Balancieren sowie Werfen und Auffangen. Erfinden Sie mit den Kindern zusammen immer neue Aufgaben, wie der Parcours gemeistert werden muss.
Bewegung organisieren
Familien bewegen
Die Bandbreite an Möglichkeiten ist groß. Zusammen mit dem Elternbeirat kann die Kita einen Infonachmittag veranstalten und mit den Familien Ideen entwickeln. Hier einige Vorschläge: Spendenlauf für eine größere Anschaffung, eine Challenge, zum Beispiel: „Mindestens die Hälfte der Kinder kommt diese Woche zu Fuß zur Kita“ oder wöchentliche Aushänge oder E-Mails mit niedrigschwelligen Bewegungsangeboten für zu Hause (etwa die obigen Spielideen).
Netzwerke knüpfen
In Ihrer Kita gibt es keinen Bewegungsraum? Kirchengemeinden und viele Vereine haben meistens einen größeren Multifunktionsraum oder vielleicht dürfen Sie die Schulsporthalle mitbenutzen. Nachfragen lohnt sich! Der Weg dorthin gehört gleich mit zum Training (und zur Verkehrserziehung). Über den örtlichen Sportverein oder die Volkshochschule kann man ausloten, wie eine Kooperation aussehen könnte. Und: Wie handhaben es andere Kitas?
Von bestehenden Programmen profitieren
Unfallkassen, Krankenkassen und die Landessportjugend haben Material und viel Wissen, das Sie abrufen können. Meistens sogar kostenlos.
Zehn Gründe, warum Kinder Bewegung brauchen
Bewegung
1. ist gesund für den gesamten Körper
2. aktiviert das Immunsystem
3. unterstützt die kognitive Entwicklung
4. ermöglicht es, den eigenen Körper kennenzulernen
5. stärkt die sozial-emotionale Entwicklung
6. macht den Raum und die Umwelt und deren Gesetzmäßigkeiten erfahrbar
7. sensibilisiert für Natur und Mitgeschöpfe
8. drückt Gefühle aus
9. ist fundamental für die Persönlichkeitsentwicklung
10. stärkt das Selbstbewusstsein und die Selbstständigkeit
_ Zertifizierung bringt das Thema auf ein neues Level
_ Kinder lernen über Bewegung und Spielen
_ Die Bedeutung von Bewegung den Eltern zu vermitteln ist wichtig
Heute ist was los: Lina baut konzentriert mit den riesigen Bausteinen ein Flugzeug, Luisa schaukelt und wippt auf dem Schaumstoffring und die Jungs wetteifern, wer von ihnen am schnellsten die Rutsche hoch- und runterkommt. Malte hängt am Kletternetz und macht Faxen. Im Turnraum der Kita Argenthal bei Simmern in Rheinland-Pfalz gibt es Platz und Material für viel Bewegung. Klettern, hopsen, werfen, balancieren – alles ist möglich. Die Kinder können die meiste Zeit des Tages den Raum frei nutzen. „Das geht jetzt wieder“, freut sich Kitaleiterin Dajana Bartelmann-Henke. „Während Corona war hier auch ein Gruppenraum, da wir gezwungen waren, vom offenen Konzept in geschlossene Gruppen zu wechseln“, erklärt sie. „Das hat uns ziemlich eingeschränkt.“
Erst ein halbes Jahr vor den ersten Schließungen hatte sich das Team darauf verständigt, dem Thema Bewegung, das ohnehin schon immer präsent war, noch mehr Bedeutung zu geben: Warum sich nicht als Bewegungskita zertifizieren lassen? Die Idee brachte Sabine Baumgärtner, ehemalige Leiterin der Kita und jetzige pädagogische Leitung des Trägers Zweckverband Simmern, mit in die Runde. Überzeugungsarbeit leisten musste sie nicht: „Bewegung spielt hier schon immer eine Rolle. Eigentlich war es eine logische Konsequenz, der nächste Schritt“, erinnert sie sich.
Weil die Räume nur spärlich möbliert sind, hat Rafael Platz für eine Fahrt mit dem Bobbycar.Wie viel kann ich mir zutrauen? Joshua tastet sich barfuss die Rutsche herunter.Jetzt Pferdchen, dann Boot oder Haus: Mit den riesigen Bausteinen können die Kinder fantasievoll spielen.Ob klettern, Balancieren oder Bälle werfen: Hier gibt es Material und Platz für viele Bewegungsformen.Gut lachen haben die Kinder der Kita Argenthal, denn sie können ihren Bewegungsraum zum Toben und Spielen frei nutzen.
Gut beraten und eng begleitet
Tatsächlich fällt auf, dass die Möblierung in den Gruppenräumen eher spärlich ist. Keine oder nur wenige Tische und Stühle. Viel Raum, viel Fläche, wenige Hindernisse und Stolperfallen. Über die breiten Flure sausen die Kinder auch mal mit Bobbycars.
Die Kita ist nicht neu, in den späten 1980ern gebaut, aber die Planer haben damals offenbar viel richtig gemacht. Das helle Gebäude liegt etwas abseits des Ortes an einem Wendehammer. Hier können die Kinder gefahrlos Rädchen fahren. Der Garten ist groß und die alten Bäume sind zum Klettern gut geeignet, genauso wie zahlreiche Spielgeräte, die es natürlich auch gibt. Auf Bäume klettern? „Ja klar. Wir sind doch immer dabei“, wundert sich Dajana Bartelmann-Henke über die Frage. „Kinder müssen sich ausprobieren. Wie sollen sie lernen, was sie sich zutrauen und was sie schaffen können, wenn wir sie von jeder erdenklichen Gefahr fernhalten?“ Aber, das gibt ihr Kollege Mathias Franz zu bedenken, man müsse das auch aushalten können. „Manche von uns können das weniger gut. Deshalb ist es wichtig, so etwas im Team anzusprechen und zu berücksichtigen.“ Das sei die Grundlage, auf der die Fachkräfte arbeiten müssen, damit sie aufgrund eigener Befindlichkeiten die Kinder in ihrer Bewegung nicht wieder einschränken.
Kitaleiterin Bartelmann-Henke bedauert es, dass in den Familien immer weniger auf Bewegung Wert gelegt werde. „Das hat auch was mit der Pandemie zu tun“, ist Mathias Franz überzeugt. Deshalb sei es umso wichtiger, in der Kita einen Fokus darauf zu setzen und beispielweise auch bei Wind und Wetter rauszugehen. Auch seien die Eltern durch die Einschränkungen der Pandemie unsicherer geworden, was sie ihren Kindern zutrauen könnten, hat Sabine Baumgärtner beobachtet. Deshalb sei Elternarbeit auch in puncto Bewegung wichtig. „Kitas sind Bildungseinrichtungen. Bildung heißt für viele Eltern aber eher ,Input‘ und nicht Bewegung.“ Dabei lernen Kinder in erster Linie über Bewegung, Forschen und Spielen. Bewegung bewirke ganz viel in der Hirnentwicklung. „Unsere Aufgabe ist es, darüber zu informieren“, sagt Mathias Franz. Ein Elternabend dazu stehe noch auf der Agenda. In den Entwicklungsgesprächen sei es jedoch immer Thema.
Auch wenn Bewegung schon immer ein wichtiger Bestandteil der pädagogischen Arbeit war, hat die Entscheidung für den Erwerb des Qualitätssiegels den Blick nochmals geschärft. „Wir denken Bewegung jetzt viel stärker in allen Prozessen mit und sind uns dessen viel bewusster“, verdeutlicht der Pädagoge. Das habe dazu geführt, dass sich das Team fortwährend mit dem Thema auseinandersetzen müsse. Außerdem hat nun jede Gruppe, selbst die Krippenkinder, eine angeleitete Bewegungsstunde in der Woche. „Das ist noch mal ein Meilenstein. Die Kinder freuen sich total darauf und fragen gleich morgens: Haben wir heute Turntag?“
Auch wenn heute für die „Schukis“, wie in der Kita Argenthal die Vorschulkinder genannt werden, kein Turntag ist, so tummeln sich doch einige von ihnen noch immer in der Turnhalle. Aus Linas Flugzeug ist inzwischen eine Burg geworden, die Rutsche ist verlassen, stattdessen werfen sich die Kinder mit vielen weichen Bällen ab. Malte ist es etwas zu viel geworden, er hat sich ein Nest aus Riesenbauklötzen gebaut, in das er sich zurückgezogen hat und von wo aus er die anderen Kinder beobachtet. Was Lina und Luisa am tollsten im Turnraum finden? „Alles!“, rufen beide, bevor sie losflitzen, um die Bälle einzusammeln. Ihre Burg muss schließlich verteidigt werden.
TIPP
In den meisten Bundesländern gibt es Programme, oft in Zusammenarbeit mit den Landessportverbänden und Unfallkassen, die Kindertageseinrichtungen als bewegungsfreundlich auszeichnen. Dazu müssen diese bestimmte Kriterien erfüllen. Ziel ist die Förderung der ganzheitlichen kindlichen Entwicklung durch Bewegung und Spielen. Ist das für Ihre Kita interessant? Hier finden Sie Infos, an wen Sie sich in Ihrem Bundesland für Unterstützung wenden können:
_ Beim Forschen erschließen Kinder ganzheitlich ihre Umwelt
_ Fachkräfte können die kindliche Aufmerksamkeit lenken
_MINT-Grundwissen ist hilfreich, aber keine Voraussetzung
Luna entdeckt: Im Sand kommt sie mit dem Rädchen kaum vorwärts, aber auf dem gepflasterten Weg gelingt das mühelos. Die Kinder können mit verschiedenen Fortbewegungsmitteln eine bestimmte Strecke abfahren. Die Testfahrt führt über unterschiedlichen Untergrund: Wiese, Sand, Kies, Beton. Wie schnell kommen die Mädchen und Jungen ans Ziel? Wo klappt es besser, wo schlechter? Woran mag es liegen? Gibt es ein Fahrzeug, mit dem es sich überall gut fahren lässt?
Denis und Noyan schaukeln, wobei der größere Junge den Kleinen anschubst. Dann wird gewechselt. Noyan schafft es kaum, der Schaukel einen ordentlichen Schwung zu geben. Liegt es nur an seiner Kraft? Oder am Gewicht des anderen? Könnte Noyan ein gleich schweres Kind anschaukeln oder Denis eine Erzieherin? Müsste er sich dazu mehr anstrengen als bei Noyan?
Sina, Marie und Mahmud sollen etwas aus dem obersten Stockwerk holen. Dazu steigen sie über 40 Treppenstufen empor (sie zählen die Stufen mit). Oben angekommen meint Sina: „Das war anstrengend!“ Die Kinder haben eine Strecke von vielleicht 20 Metern zurückgelegt. Warum fällt das sehr leicht, wenn man die gleiche Strecke in der Ebene geht? Wieso ist es anstrengender, einen steilen Abhang hinauf-zuklettern, als Stufen zu steigen? Welche Hilfsmittel haben Menschen erfunden, damit sie leichter nach oben kommen?
„Warum können sich Pflanzen nicht bewegen?“, will Casper wissen. Können sie nicht? Doch! Zwar können Pflanzen nicht laufen, aber natürlich ind auch sie in Bewegung. Das merkt man etwa, wenn man eine Sonnenblume beobachtet, die sich nach dem Licht dreht. Viele andere Pflanzen machen das ebenso. Wicken und Kletterbohnen winden sich um Stangen, Mimosen reagieren auf Berührung und die meisten Blumen schließen ihre Blüten bei Feuchtigkeit. Kressesamen wachsen so schnell, dass man fast dabei zusehen kann. Fällt den Kindern noch mehr ein?
Zeynep und Lola sind darin vertieft, mit Bausteinen einen möglichst hohen Turm zu bauen. Bald sind die rechteckigen Steine aufgebraucht und es gibt in der Kiste nur noch dreieckige und runde Klötze. Die Mädchen entwick eln viel Ehrgeiz, auch mit diesen ihren Turm weiter wachsen zu lassen, stellen aber fest, dass es viel schwieriger ist. Warum eigentlich? Wie ist der optimale Baustein geformt? Könnte man einen Turm nur mit runden Steinen bauen? Wie gelingt es draußen, wenn man nur Naturmaterial zur Verfügung hat?
Romy, Lucie und Oleg haben ein großes Buch an einen Stuhl gelehnt und lassen seit geraumer Zeit Murmeln und andere Gegenstände herunterrollen. Was rollt am besten? Was am weitesten? Macht es einen Unterschied, ob ich große oder kleine Murmeln nehme? Rollt auch ein Wattebausch? Ist die Murmel oder das Spielzeugauto schneller? Was, wenn das Buch nicht mehr an dem Stuhl lehnt, sondern in einem viel flacheren Winkel an einem Schuhkarton? Das sind nur einige Beispiele für Alltagssituationen, in denen die Fachkräfte den Forschergeist der Kinder herausfordern können.
Nachgefragt!
KinderKinder sprach mit Verónica Oelsner. Sie hat bei der Stiftung Haus der kleinen Forscher das Bildungsangebot „MINT ist überall“ mitentwickelt.
Wie können pädagogische Fachkräfte Situationen erkennen, die das Potenzial haben, naturwissenschaftliche Phänomene stärker in den Blick zu nehmen?
Vor allem durch das Beobachten, was ein Kind gerade interessiert, zum Beispiel was es wiederholt ausprobiert. Das kann die Fachkraft aufgreifen, den Dialog suchen und weitere Impulse geben. Darüber hinaus kann sie aufmerksam sein, was die Umgebung Spannendes zum Entdecken und Erforschen bietet, seien es Pfützen oder eine Baustelle.
Wie sinnvoll ist es, naturwissenschaftliches Grundwissen über gewisse Phänomene zu haben?
Das ist hilfreich, aber nicht immer unbedingt nötig. Es geht ja nicht darum, den Kindern Antworten zu geben, sondern sie bei der Auseinandersetzung mit einer Frage oder einem Problem zu unterstützen. Wichtiger, als die Ergebnisse im Voraus zu kennen, sind die eigene Lust und das Interesse, sich gemeinsam mit den Kindern damit zu beschäftigen sowie den Prozess durch anregende, strukturierende Impulse zu begleiten.
Sie wollen noch mehr MINT im Alltag entdecken und noch mehr Rüstzeug bekommen, Kinder beim Forschen und Entdecken zu begleiten? Das Haus der kleinen Forscher bietet zahlreiche unterschiedliche Fortbildungsformate dazu an: www.hdkf.de/mint-ist-ueberall
Ohne Frühstück in die Kita, Schuhe kaputt und keine Winterjacke: Können Erzieherinnen und Erzieher immer auf den ersten Blick erkennen, dass ein Kind arm ist?
Nein, Armut bei Kindern drückt sich sehr unterschiedlich aus – und ist oft nicht unbedingt sichtbar. Die meisten Familien sind sehr darauf bedacht, sich nach außen nichts anmerken zu lassen. Armut ist wahnsinnig schambehaftet. Die wenigsten Menschen würden sich selbst als arm bezeichnen, obwohl sie es statistisch sind. Die Eltern sparen lieber an sich selbst und kaufen dem Kind die guten Gummistiefel.
Wie können Fachkräfte in Kitas dann merken, dass in einer Familie das Geld knapp ist?
Sie sollten sehr sensibel sein und genau hingucken. So gilt es die Ohren zu spitzen, wenn Kinder nicht die passende Kleidung für die Jahreszeit tragen oder immer wieder bei Ausflügen fehlen, die Geld kosten. Statistisch gesehen ist jedes fünfte Kind von Armut betroffen. Das ist auf der Straße auch nicht auf den ersten Blick zu sehen.
Wie sollten Kitas idealerweise damit umgehen?
Am besten ist, das Thema im Kita-Alltag gar nicht erst aufkommen zu lassen. So sollten Kitas stets versuchen, zusätzliche Kosten zu vermeiden. Muss es wirklich der teure Zoobesuch sein? Oft lassen sich auch andere Lösungen finden. Idealerweise muss niemand etwas bezahlen. Kinder sind sehr feinfühlig und wissen genau, wenn ihre Familie wenig Geld hat. Häufig geht damit das Gefühl einher, dass mit ihnen etwas nicht stimmt. Der Mangel beeinflusst ihr ganzes Leben.
Oft wird bei Elternabenden betont, dass kein Kind benachteiligt werden soll. Wer sich einen Ausflug nicht leisten kann, soll sich bitte melden und erhält finanzielle Unterstützung. Ein guter Weg?
Nein, das funktioniert nicht. Da gibt es sicher nicht viele Rückmeldungen. Die Hemmschwelle ist viel zu hoch. Die allermeisten Familien scheuen sich davor, aktiv Leute um Unterstützung zu bitten. Noch schlimmer ist, wenn die Kinder den Zettel mitbringen müssen. Damit werden sie bloßgestellt. Auch keine gute Idee ist, die Eltern offen zu fragen, ob sie arm sind. Da würden die meisten Familien aus Scham sofort abwehren. Zu groß ist die Angst, in eine Schublade gesteckt zu werden.
Kinderarmut stellt auch ein Risiko für die Gesundheit dar. Viele Familien können sich keine Sportangebote oder Hobbys leisten. Den Kindern fehlt es häufig an Bewegung und gesunder Ernährung. Wie können Kitas gegen-steuern?
Wir wissen, dass der Gesundheitszustand von Kindern eng mit der sozialen Herkunft zusammenhängt. Ernährung und Bewegung spielen eine große Rolle. Da gibt es tolle Angebote von Kitas. So stellen Einrichtungen morgens Müsli und Brot bereit – und stellen so sicher, dass alle Kinder mit einem Frühstück in den Tag starten. Eine gute Idee sind auch Kooperationen mit Vereinen, die zweimal pro Woche nachmittags Sport in der Kita anbieten. Da gibt es tolle Leuchtturmprojekte.
Welche Tipps gibt es noch?
Sinnvoll sind auch Kleidungsbasare oder Tauschbörsen. Kitas können eine Kiste bereitstellen, in der Eltern alte Spielsachen oder Klamotten kostenlos abgeben können. So ein Angebot nutzen viele Familien gern. Das ist ja viel nachhaltiger, als alles neu zu kaufen. Gut ist, konkrete Angebote zu machen, ohne ein großes Fass aufzumachen.
Was sollten Kitas tun, wenn sie sich mit dem Thema noch etwas unsicher fühlen?
Fakt ist: Kinderarmut geht jede Kita etwas an. Doch in der Erzieherausbildung kommt das Thema leider viel zu kurz. Wichtig ist, die Fachkräfte dafür zu sensibilisieren und eigene Vorurteile zu hinterfragen. In den Boulevardmedien wird Armut häufig gleichgesetzt mit Menschen, die faul zu Hause rumliegen. Dieses Klischee entspricht überhaupt nicht der Realität, macht aber auch vor Erzieherinnen und Erziehern nicht halt. Tatsache ist, dass jede zweite alleinerziehende Mutter von Armut bedroht ist. Das sind Wahnsinnsdimensionen. Für Erzieherinnen und Erzieher gibt es dazu viele Fortbildungen. Aber ein guter erster Schritt ist schon, sich im Team zusammenzusetzen und gemeinsam zu überlegen: Was können wir besser machen?
Wie wichtig ist Vernetzung?
Kitas sind in der Regel sehr gut vernetzt, stehen in engem Kontakt mit Jugendämtern und anderen Einrichtungen. Sinnvoll ist, nach rechts und links zu schauen. Da gibt es um die Ecke die Sozialberatung oder andere Hilfsangebote. Gemeinsam kann man auftretende Probleme oft besser lösen und sich in schwierigen Fällen Unterstützung und Rat einholen.
Die Fragen stellte Kathrin Hedtke
Wie können Kitas sensibel mit Kinderarmut umgehen?
Auf Ausflüge verzichten, die Geld kosten
Offenes Frühstücksbüffet für alle Kinder
Kooperationen mit Sportvereinen
Tauschkiste für Kleidung oder Spielsachen bereitstellen
_Resilienz ist nur teilweise Veranlagung und lässt sich verbessern
_Team und Leitungskultur sind entscheidende Faktoren
Personalknappheit, ungenügende Ausstattung des Kitas, Lärm, ergonomische Belastungen, hoher Aufwand für Verwaltung und Dokumentation, gestiegene Erwartungshaltung der Eltern hinsichtlich Transparenz, Mitbestimmung und Öffnungszeiten, aber auch das Einkommen und geringe Aufstiegsmöglichkeiten: „Es gibt nicht die eine große Belastung. Es sind viele verschiedene Herausforderungen, die für die pädagogischen Fachkräfte in der Summe das Problem ausmachen“, sagt Verena Hombücher, Referentin bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW).
Und dann kam 2020 auch noch Corona. „Das hat wie ein Brennglas gewirkt und die ohnehin schon schwierige Situation in Kitas noch schwieriger gemacht“, weiß Verena Hombücher, die am BGW-Trendbericht 2022 über die Situation in der Kinder- und Jugendhilfe als Autorin mitgewirkt hat. Nicht von ungefähr trägt der Bericht den Namen „Zukunftsweisende Entwicklungen zwischen Lockdown und Knock-down“. Zahlen, Daten und die Interviews mit den Führungskräften „zeigen eine Branche am Limit“, heißt es dort.
Kein Wunder also, dass sich viele Kitaleitungen und Fachkräfte nicht nur gefordert, sondern manchmal auch überfordert füh-len. Um mit den Belastungen und dem Stress umgehen und sich davon erholen zu können, braucht es eine stabile psychische Widerstandskraft. Die sogenannte Resilienz.
Eine gute Nachricht dazu haben die Erziehungswissenschaftlerin Dr. Katrin Lattner und die Psychologin Prof. Dr. Petra Strehmel von der Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung und Erziehung in der Kindheit (BAG-BEK): Resilienz ist keine Veranlagung, sondern ein Produkt der Sozialisation und eigenen Erfahrungen – und sie lässt sich verbessern. Die weniger gute Nachricht: Allein wird das schwierig.
„Wichtig ist eine gute Organisationskultur, in der Erzieherinnen und Erzieher die Gelegenheit haben, selbst etwas zu bewirken“, sagt Petra Strehmel. Politik und Trägern komme dabei die Schlüsselrolle zu, weil sie die Rahmenbedingungen vorgäben. Die Kitaleitungen könnten aber ihren Teil beitragen, indem sie den Fachkräften Raum zur Entfaltung und Mitbestimmung geben, ihnen Wertschätzung entgegenbringen und für eine gute Teamkultur sorgen würden. Denn: „Im Beruf Resilienz zu entwickeln, hängt stark von den Arbeitsbedingungen ab.“ Dazu zählt auch, um Hilfe zu bitten und diese anzunehmen, wenn die Belastungen zu groß werden. Oder sich umgekehrt selbst einzubringen, um Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen.
Herausforderungen lassen sich meistern
„Das Team ist die Top-Ressource für die Fachkräfte“, erklärt Katrin Lattner. Unterstützen sich die Erzieherinnen und Erzieher gegenseitig, werde eine Situation weniger als Belastung, sondern eher als Herausforderung begriffen. Und die lassen sich gemeinsam meistern, indem jede und jeder Einzelne eigene Fähigkeiten zum Nutzen aller einbringe. „So kann man die Ressourcen der einzelnen Fachkraft und auch die des Teams stärken“, sagt Katrin Lattner.
Auf der persönlichen Ebene können Erzieherinnen und Erzieher auch etwas tun, um ihre Resilienz zu stärken. Sich der eigenen Bewertungen, Glaubenssätze und inneren Antreiber bewusst zu werden und in gesundheitsförderliche Denkmuster zu überführen, sei ein Ansatz, sagt Katrin Lattner. Also zu hinterfragen: Was stresst mich? In welcher Situation? Warum? Und dann zu schauen: Wie kann ich anders damit umgehen? Was könnte mir helfen? „Wenn eine Fachkraft permanent den Drang hat, alles perfekt zu machen, setzt sie die Erwartungshaltung an sich selbst in einer Krisensituation noch zusätzlich unter Druck“, gibt die Wissenschaftlerin ein Beispiel. In dem Fall hieße das, die eigenen, überhöhten Ansprüche zu überdenken und zurückzuschrauben.
Zeit nehmen für positive Gefühle
Einfacher gesagt als getan. Die eigene Einstellung in Richtung Zielorientierung und positive Emotionen zu verändern, ist ein langwieriger Prozess. Auf individueller Ebene ist er kaum zu bewältigen. „Die Organisation der Kita muss als Ganzes so entwickelt werden, dass es den einzelnen Fachkräften guttut“, sagt Petra Strehmel. Coachings, Supervisionen und Teamtage seien geeignete Instrumente dafür. Die Erzieherinnen und Erzieher könnten sich so über Aufgaben und Erfahrungen austauschen, die sie an ihre Grenzen gebracht hätten. Wichtig sei es, sich auch für positive Gefühle Zeit zu nehmen, ergänzt Katrin Lattner. Stolz darauf zu sein, was man geschafft habe, es innerhalb des Teams wertzuschätzen und Erfolge gemeinsam zu feiern: „Je mehr ich über Positives spreche, desto mehr löscht es negative Emotionen und Ängste.“
_Bewegungs- und Multifunktionsräume müssen bestimmte Kriterien erfüllen
_Für die Kleinsten gelten besondere Vorsichtsmaßnahmen
_Wichtig: Gute Aufsicht!
Raumkonzept
Kriechen, Krabbeln, Klettern, Gehen, Laufen, Rutschen oder Hangeln – damit sich U3-Kinder entfalten können, brauchen sie vor allem eines: Platz. Der Raum muss dafür groß genug und sinnvoll gestaltet sein. Das ist dann der Fall, wenn die Kinder Lust und Gelegenheit haben, sich selbstständig „auszutoben“ und ihre Erfahrungen an oder mithilfe von Geräten zu sammeln. Die Fachkräfte haben darüber hinaus die Aufgabe, motorische Entwicklungen gezielt zu fördern, zum Beispiel mit Ball- und Fangspielen, aber auch mit Tanz und Turnübungen.
Der Multifunktionsraum sollte über einen abgegrenzten Bereich für die unter Dreijährigen verfügen. Die Abgrenzung kann eine Turnbank sein, die den Raum in Bereiche für jüngere und ältere Kinder unterteilt. Bei größeren Räumen kann sie eine (weiche) Trennwand sein – mit Schienensystemen in der Decke können sogar unterschiedlich große Teilbereiche hergestellt werden. Die Nutzung lässt sich auch abgrenzen, indem zu bestimmten Zeiten der Raum ausschließlich für U3-Kinder zur Verfügung steht.
Raumbestandteile
Ein Sportboden ist für Bewegungs- und Mehrzweckräume in Kitas nicht erforderlich. Aber der Fußboden muss belastbar, rutschhemmend sowie elastisch oder nachgiebig sein. Linoleum, Kork oder Kautschuk bieten sich beispielsweise an. Bei der Auswahl des Materials ist zu beachten, dass der Boden behaglich ist und nicht zu schnell kühl wird. Sonst drohen kalte Hände und Füße, weil die Jüngsten die meiste Zeit noch krabbeln.
Was für alle Bewegungsräume gilt: Die Wände müssen ebenflächig und glatt sein. Gegenstände wie etwa Heizungen dürfen nicht in den Bewegungsraum hineinragen, Fensterbänke nicht überstehen. Ecken und Kanten müssen gerundet, abgeschrägt oder verkleidet sein. Die Türklinken sollten in die Türen versenkt eingebaut werden, sogenannte „Turnhallenmuscheln“.
Geräte und Matten
Die Auswahl der Spiel- und Sportgeräte ist alters- und entwicklungsabhängig: Was Krabbelkinder herausfordert, kann die älteren U3-Kinder langweilen. Für die Jüngsten eignen sich Materialien, die alle Sinne ansprechen. Denn sie begreifen ihre Welt buchstäblich durch Greifen. Weiche Bälle, Tücher und leichte Schaumstoffelemente bieten sich dafür an. Außerdem Kriechtunnel, niedrige schräge Ebenen und Rutschen für die Bewegung an Geräten, aber auch Alltagsmaterialien wie Kartons oder Schuhschachteln. Kinder, die in ihrer Entwicklung weiter sind, können sich schon an größere Herausforderungen wie Turnbänke, Kästen, kleine Sprossen- und Kletterwände, Roll- und Balancierbretter oder ganze Bewegungslandschaften wagen.
Die Geräte müssen stabil aufgebaut sein und bei möglichen Stürzen einen Fallschutz bieten. Kissen oder Matratzen eignen sich dafür nicht. Doch auch bei Fallschutzmatten gibt es Unterschiede. Für Bodenübungen oder Sprünge von einem Kasten in den Stand sind die klassischen, festeren Turnmatten die erste Wahl. Drohen Abstürze aus größeren Höhen, etwa von der Kletterwand, schützen die dickeren Weichbodenmatten. Das Alter der Kinder und die maximale Absturzhöhe eines Geräts entscheiden darüber, ob ein Fallschutz nötig ist.
Prüfung und Aufsicht
Die Geräte müssen regelmäßig einer Sicht- und Funktionsprüfung unterzogen werden: Sind die Oberflächen splitterfrei? Sitzen die Schrauben, Griffe, Tritte, Sprossen und Holme fest? Weisen die Matten Mulden, Höcker oder andere Verformungen auf?
Die Sicherheit der Geräte reicht aber nicht aus, um für die Kinder eine sichere Umgebung zu schaffen. Je jünger sie sind, desto weniger können sie selbst für ihre eigene Sicherheit sor-gen. Dafür brauchen sie eine Bezugsperson in ihrer Nähe. Die Aufsichtspflicht muss jederzeit sichergestellt sein.
Tipp!
Ausführliche Informationen zur sicheren Verwendung von Matten gibt die Unfallkasse Hessen in der Broschüre „Bewegungsangebote in Kindertageseinrichtungen – Übungsvorschläge und sichere Gerätenutzung“: www.ukh.de, Webcode: W340M331
In welchen Fällen soll die Kita einen Unfall bei der Unfallkasse anzeigen?
Die amtlichen Erläuterungen der Unfallanzeige sagen dazu: Unfälle, die mit dem Besuch der Kita zusammenhängen, und Unfälle auf dem Weg zwischen Wohnung und Einrichtung sind anzuzeigen, wenn sie ärztlich behandelt werden müssen.
Müssen auch Bagatellunfälle an die Unfallversicherungsträger gemeldet werden? Also etwa eigentlich harmlose Beulen oder Schürfwunden, die Eltern sicherheitshalber ärztlich abklären lassen?
Die Meldung erfolgt in solchen Fällen in der Regel durch die behandelnde Kinderärztin oder den Kinderarzt. Eventuell kann es sein, dass wir nachgelagert noch eine Unfallanzeige von der Kita anfordern. Trotzdem müssen natürlich auch solche kleineren Unfälle im Meldeblock (früheres Verbandbuch) dokumentiert werden.
Wie genau wird eine Unfallanzeige gestellt?
Entweder die Kitaleitung hat einen Ausdruck des Formulars und füllt diesen handschriftlich aus oder aber – deutlich besser – sie bearbeitet online eine elektronische Unfallanzeige. Das bringt für beide Seiten viele Vorteile. Die Informationen sind schneller bei den richtigen Personen und die Einrichtung hat direkt Zugriff auf ein Archiv aller Unfallanzeigen. Die meisten Unfallkassen bieten diesen Service inzwischen an, Informationen finden Sie im jeweiligen Internetauftritt. Außerdem kann man dies auch über das Serviceportal unter https://serviceportal-uv.dguv.de erledigen.
Wer füllt das Formular aus und schickt es ab?
Es zu prüfen und an den Unfallversicherungsträger zu übermitteln ist Sache der Leitung, solange diese Aufgabe innerhalb der Kita nicht auf eine andere Person übertragen wurde. Bei der elektronischen Unfallanzeige ist es auch gar nicht anders möglich. Die Kita kann und sollte sich aber zum Beispiel von Eltern den Unfallhergang schildern lassen, etwa wenn es einen Wegeunfall betrifft. Denn auch auf dem Weg zur Kita oder nach Hause sind Kinder gesetzlich unfallversichert.
Gibt es etwas, das man besonders beachten muss?
Am wichtigsten aus unserer Sicht ist es, das große Feld für die Schilderung des Unfallhergangs wirklich auszunutzen. Beschreiben Sie den Vorfall so genau wie möglich, so als ob Sie einem Bekannten eine Filmszene schildern. Also nicht nur: „Das Kind ist gestürzt“, sondern erklären Sie detailliert, wie es dazu gekommen ist. Vielleicht lag es an der Ablenkung durch das vorbeifahrende Feuerwehrauto, an Ungeschicklichkeit oder weil das Kind ein Hindernis übersehen hat. Das würde die Unfallkasse gern wissen, denn es erleichtert die Bearbeitung, erspart Nachfragen und Verwaltungsaufwand. Mit dem Wissen lassen sich künftige Unfälle vermeiden.
Die Fragen beantwortete Klaus Hendrik Potthoff, Geschäftsbereichsleiter Rehabilitation und Entschädigung bei der Kommunalen Unfallversicherung Bayern.
Ich bin ein kommunikativer Mensch, der auf andere zugehen kann. Bei der Polizei war ich im Personalrat und habe mich um die Sorgen und Nöte der Kolleginnen und Kollegen gekümmert. Wenn ich jetzt in der Kita ein weinendes Kind sehe, dann tröste ich es. Oder ich spiele mit den Kindern, wenn ich mal in der Gruppe bin – das ist für sie eine Abwechslung und sie nennen mich „Opa Bernhard“. Ich bin aber kein Erzieher und hätte mir den Beruf nicht so anstrengend vorgestellt. Ich versuche, die Fachkräfte zu entlasten, indem ich ihnen zum Beispiel die wöchentliche Essensbestellung abnehme oder den Telefondienst übernehme. Wenn Kinder Mal- oder Bastelvorlagen haben möchten, suche ich sie im Internet heraus, stimme sie mit den Erzieherinnen ab und drucke sie aus.
Der pensionierte Polizist Bernhard Thomas arbeitet seit 2007 ehrenamtlich in der Evangelischen Kita Sternenwelt in Frankfurt und unterstützt die Fachkräfte insbesondere bei Verwaltungsaufgaben.
Wie kann Medienerziehung in der Praxis gestaltet werden? Welche Projekte bieten sich für welche Altersklasse an? Eine ausführliche Übersicht dazu und viel mehr gibt der Medienkindergarten Wien: https://medienkindergarten.wien
Das Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz (IFP) in Bayern hat Kita-Apps unter die Lupe genommen und die Erfahrungen, wichtige Auswahlkriterien sowie Empfehlungen unter dem Stichwort „Fachpublikationen“ veröffentlicht: https://kurzelinks.de/l6sv
Viele praxisnahe und pädagogisch sinnvolle Beispiele zum Einsatz digitaler Medien in der Kita gibt es im Online-Kurs „Startchance kita.digital“: https://kurzelinks.de/vxat
Mitschnitt einer interessanten Veranstaltung zu „Digitale Medien in der frühkindlichen Bildung – politischer Auftrag und Umsetzung in der Praxis“: https://youtu.be/YCal66raZWo
Auf dem Deutschen Bildungsserver finden Sie Fachbeiträge, Videos, Podcasts, Studien und Textsammlungen zum Thema: https://kurzelinks.de/zhsc
Erstmals empfiehlt die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK), die digitale Medienbildung in die Rahmen- und Orientierungspläne aller Bundeländer aufzunehmen. Das Gutachten setzt interessante Impulse für eine breite gesellschaftliche Debatte. https://kurzelinks.de/xgf1
Haben Sie selbst Vorschläge? Gern nehmen wir sie in die Liste auf! Schreiben Sie uns: kinderkinder@dguv.de
Ein Vater übernimmt den Aufbau der Stände, die die Kita bereitgestellt hat. Die Kitaleitung hat ihn gebeten, um acht Uhr morgens zu beginnen und die Stände um zehn Uhr fertig aufgebaut zu haben. Versichert?
Ja, denn der Vater hat klare Vorgaben von der Kitaleitung bekommen. Er ist in die organisatorischen Abläufe eingebunden.
Ein anderer Vater will die Veranstaltung unterstützen, indem er Kuchen backt. Er hat zugesagt, zwei Obstkuchen mitzubringen. Was ist, wenn er sich beim Backen zu Hause die Finger verbrennt?
Hier wäre die Krankenkasse zuständig, denn dieser Vater kann ohne Rücksprache mit der Kita entscheiden, wann er die Kuchen backt oder ob er sie nicht vielleicht sogar beim Bäcker kauft.
Die 17-jährige Schwester eines Kitakindes besucht den Flohmarkt, fällt über einen Tretroller und verletzt sich leicht. Wer zahlt die Arztrechnung?
Die junge Frau ist nur Gast des Flohmarktes. Blöd, dass der Roller im Weg stand, aber die Krankenkasse zahlt die Arztkosten. Die Unfallversicherung ist nicht zuständig, da die junge Frau nicht organisatorisch in die Veranstaltung eingebunden war.
Nach getaner Arbeit wollen die an der Veranstaltung beteiligten Eltern noch einen Kaffee trinken gehen. Eine Erzieherin geht mit. Eine Mutter hat Pech und stürzt auf der Treppe. Ist das der Unfallversicherung zu melden?
Nein, das ist ein Fall für die Krankenkasse. Die Veranstaltung war zu Ende und damit auch die organisatorische Verantwortung der Kitaleitung. Auch der Umstand, dass eine Erzieherin mit dabei war, ändert daran nichts.
In einer Kitagruppe ist ein Mädchen aus der Ukraine. Eine Mutter regt an, dass man einen Flohmarkt machen könnte, dessen Erlös der Familie des Mädchens zugutekommt. Die Kitaleitung ist einverstanden und erlaubt den Eltern, die Rasenfläche der Kita zu nutzen. Voraussetzung ist, dass die Eltern sich um alles kümmern und alles wieder sauber übergeben. Wie sind die Organisatoren geschützt?
Da die Kita nur die Fläche anbietet und die Veranstaltung nicht organisiert, wäre bei einer Verletzung die Krankenkasse zuständig.
Die Fragen beantwortete Kirsten Wasmuth von der Unfallkasse Berlin.
Wichtigste Voraussetzung für den Versicherungsschutz ist, dass es sich um eine Veranstaltung der Kita handelt, also erkennbar im organisatorischen Verantwortungsbereich der Kita liegt. Sie muss von der Kita geplant, organisiert, durchgeführt und beaufsichtigt werden. Die Grenze ist da, wo die Tätigkeit überwiegend den privaten Bedürfnissen entspringt.
Beide würden gern weiter in ihrem Job arbeiten und auch die Kita möchte die Kollegin und den Kollegen nur ungern verlieren. Mit Maßnahmen im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) kann es gelingen. Denn egal ob durch einen Unfall, körperliche oder psychische Erkrankungen: Sind Beschäftigte innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten bei einer Fünftagewoche mehr als 30 Tage arbeitsunfähig, ist der Träger der Kita gesetzlich (§ 167 Abs. 1 SGB IX) verpflichtet, den Betroffenen ein BEM-Verfahren anzubieten.
KURZ GESAGT!
_BEM ist eine Chance für langzeiterkrankte Beschäftigte
_Es gibt für das Verfahren klare Regeln
_Für Beschäftigte ist die Teilnahme sinnvoll (aber freiwillig)
Das BEM-Verfahren hat das Ziel, Menschen, die über einen langen Zeitraum erkrankt sind, einen Wiedereinstieg ins Arbeitsleben zu ermöglichen. Es spielt keine Rolle, ob es – wie bei Renata F. – zu wiederholten krankheitsbedingten Ausfällen kommt und es unterschiedliche Krankheitsursachen gibt oder ob Beschäftigte – wie Arno G. – sechs Wochen oder länger am Stück aufgrund einer einzigen Erkrankung ausfallen. Auch Teilzeitbeschäftigte und Auszubildende haben Anspruch auf ein BEM. Es ist wichtig, den Betroffenen zu signalisieren, dass es beim BEM darum geht, im Dialog Wege auszuloten, wie ihre Arbeitsplätze und Aufgaben individuell für sie leidensgerecht gestaltet werden können und welche Maßnahmen dafür konkret vonnöten sind. Wie kann Arno G. weiterhin an Tagesausflügen teilnehmen und das Sportangebot der Einrichtung betreuen? Sollte Renata F. zunächst kürzertreten und würde es ihr helfen, nicht im Frühdienst eingesetzt zu werden? Darüber sollte man gemeinsam vertrauensvoll sprechen.
Ist die betroffene Person mit einem Gespräch einverstanden (es besteht keinerlei Verpflichtung dazu), lädt der Träger offiziell dazu ein. Zu der Runde eingeladen werden in der Regel auch die Personalvertretung, bei schwerbehinderten Beschäftigten zusätzlich die Schwerbehindertenvertretung sowie eventuell der Betriebsarzt oder die Betriebsärztin. Die Betroffenen können jederzeit eine eigene Vertrauensperson hinzuziehen. Das BEM-Gespräch ist ergebnisoffen. Die Betroffenen können ein BEM-Verfahren ablehnen, ohne negative Folgen fürchten zu müssen.
Verständigt man sich darauf, ein BEM-Verfahren zu versuchen, ist es bisweilen ratsam, im Verlauf weitere externe Fachleute hinzuzuziehen, weil diese etwa einen besseren Überblick über die ergonomische Verbesserung des Arbeitsplatzes und des Arbeitsumfeldes haben oder wissen, welche technischen Arbeitshilfen sinnvoll sind.
Wichtig: Niemand ist verpflichtet, Diagnosen offenzulegen und Fehlzeiten zu rechtfertigen. Für das BEM-Verfahren sind nur die Angaben zu gesundheitlichen Einschränkungen wichtig, die die Einsatzmöglichkeiten der Person betreffen. Alles Besprochene unterliegt dem Datenschutz und darf nur im Rahmen des BEM-Verfahrens verwendet werden. Alle Beteiligten unterliegen der Schweigepflicht. Die Betroffenen können das BEM jederzeit abbrechen, die Teilnahme ist freiwillig. Der gesamte Prozess muss für alle Beteiligten jederzeit transparent sein. Kommunikation ist alles.
Der BME-Prozess in der Übersicht
Die Infografik zeigt einen typischen Verlauf des betrieblichen Eingliederungsmanagements. Beim Klick auf das kleine graue Symbol in der oberen rechten Ecke öffnet sich ein neues Fenster mit einer vergrößerten Ansicht der interaktiven Grafik und weiteren Infos zu den einzelnen Schritten des BME. Die Infografik selbst können Sie hier herunterladen.
Schrittweise zu den alten Aufgaben
Als Maßnahme des BEM kann der stufenweise Wiedereinstieg vereinbart werden, was auch als „Hamburger Modell“ bekannt ist. Vereinfacht bedeutet das: Die Betroffenen sind weiterhin krankgeschrieben, aber auf dem Weg der Besserung. Der behandelnde Arzt oder die Ärztin ist der Überzeugung, dass die betroffene Person zumindest stundenweise ihre bisherigen Arbeitsaufgaben bewältigen und ihre Tätigkeit Schritt für Schritt wieder voll aufnehmen kann, und erstellt einen detaillierten Stufenplan. Über einen Zeitraum von etwa sechs Wochen wird nun die tägliche Arbeitszeit schrittweise gesteigert und ständig evaluiert, ob und wie der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin damit zurechtkommt. Eventuell muss der Plan nachjustiert werden. Auch hier steht es der erkrankten Person frei, das Angebot abzulehnen.
Welche individuellen Maßnahmen bei Renata F. und Arno G. sinnvoll sind, ob das Hamburger Modell bei ihnen gute Erfolgs-aussichten hat – all das festzustellen und auszuloten ist Teil des BEM-Verfahrens. Beschäftigte sollten diese Chance nutzen und das Angebot nicht vorschnell ausschlagen.
Das Hamburger Modell im Vergleich zum BME
Das Hamburger Modell ist eine mögliche Maßnahme innerhalb des BEM. Dabei sind der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin weiterhin krankgeschrieben. Sie nehmen an einer stufenweisen Wiedereingliederung teil.
BEM
Hamburger Modell
Zielsetzung
Prävention oder betriebliche Rehabilitation, evtl. neuer Arbeitsplatz im gleichen Betrieb.
Betriebliche Rehabilitation und Rückkehr an den alten Arbeitsplatz.
Arbeitsunfähigkeit
Die Beschäftigten sind nicht zwingend krankgeschrieben.
Die Beschäftigten sind IMMER krankgeschrieben.
Maßnahmenplan
Das BEM-Team vereinbart eine oder mehrere Maßnahmen.
Die Ärztin oder der Arzt erstellt den Stufenplan.
Arbeitsplatz
Das BEM kann am bisherigen, am angepassten oder an einem anderen Arbeitsplatz stattfinden.
Die Stufenweise Wiedereingliederung findet am bisherigen Arbeitsplatz stat.t
Pflicht
Wenn die Voraussetzungen vorliegen, sind Unternehmen dazu verpflichtet, ein BEM anzubieten. Für die Betroffenen ist die Teilnahme freiwillig.
In besonderen Fällen dürfen Unternehmen die StW aus Gründen der Unzumutbarkeit ablehnen. Für die Betroffenen ist die Teilnahme freiwillig.
Mitwirkungsrecht
Die betriebliche Interessenvertretung hat bestimmte Informations- und Mitwirkungsrechte.
Die betriebliche Interessenvertretung hat keinerlei Mitwirkungsrechte.
Tabelle: Vergleich BEM und stufenweise Wiedereingliederung (auch bekannt als Hamburger Modell) Quelle: Rehadat talentplus
Dieser Videoclip behandelt die Frage: Darf eine Erzieherin während der stufenweisen Wiedereingliederung gleich wieder mit der vollen Verantwortung arbeiten, auch im Frühdienst?
Dieser kleine Film des Sozialverbands VdK setzt sich damit auseinander, woher Beschäftigte das Geld erhalten, wenn sie länger als sechs Wochen krank sind.
Oft fühlen sich pädagogische Fachkräfte mit der berechtigten Forderung nach frühkindlicher Medienerziehung überfordert und lehnen eine Auseinandersetzung damit erst mal ab. Wie kann man diesen Vorbehalten begegnen?
Jasmin Block: Wir haben hier einen grundlegenden Paradigmenwechsel. Noch vor einigen Jahren hieß es, die Kita soll ein Schutzraum sein, wo digitale Medien nicht erwünscht sind. Heute heißt es, frühe digitale Medienbildung ist bedeutsam und wichtig. Da ist die Verunsicherung verständlich. Nach meiner Erfahrung kann der erste Schritt zu einer Öffnung über die mittelbaren pädagogischen Tätigkeiten gehen.
Was bedeutet das?
Die Erzieherinnen und Erzieher nutzen Tablets als Werkzeuge und Arbeitsmittel etwa für die Dokumentation oder Portfolio-Arbeit. Sie merken, dass digitale Geräte und Medien in der Kita positiv besetzt sein können. Der Sprung vom „Schutzraum Kita“ zur „digitalen Kita“ ist dann nicht so gewaltig, sondern erfolgt über einen Zwischenschritt.
Das heißt, die Fachkräfte nutzen digitale Geräte zunächst gar nicht im pädagogischen Kontext?
Genau. Und trotzdem befürchten manche Fachkräfte, dass sie ein schlechtes Vorbild sind, wenn sie hinter dem Tablet verschwinden, da viele Kinder das auch zu Hause erleben, wo es womöglich einen weniger reflektierten Umgang mit digitalen Medien gibt. Wir wissen ja, dass Kinder ungünstiges Mediennutzungsverhalten übernehmen. Dabei können die Fachkräfte ein hervorragendes Vorbild sein, indem sie das Tablet wieder weglegen, sobald die Aufgabe erledigt ist. Damit zeigen sie klare Alternativen zu einem hedonistischen Medienkonsum.
Vor einer pädagogischen Nutzung von Tablets und Co. muss sich das Kitateam gesamtheitlich darauf verständigen und ein Konzept dazu machen. Wie schafft man das?
Das Team sollte für sich klären: Was wollen wir und was auf keinen Fall? Was ist uns wichtig? Wo sehen wir Stolperfallen? Man muss nicht gleich alles wissen, sondern kann sich mit den Kindern gemeinsam auf den Weg machen und sich herantasten. Frühe Medienbildung hat verschiedene Komponenten, eine davon ist reflektiv. Das bedeutet, man greift die Medieninhalte auf, die Kinder zu Hause konsumieren, und spricht darüber. Das können auch diejenigen machen, die sich den direkten Umgang mit Tablet und Apps nicht zutrauen und das Thema skeptisch sehen. Teamfortbildungen sind hilfreich, da sie spezielle Bedürfnisse und Ansprüche der Kita berücksichtigen können. Es gibt kein allgemeingültiges Erfolgsrezept.
Werden sich alle Kitas mit diesem Thema auseinandersetzen müssen?
Ich denke schon. Die Fachöffentlichkeit ist sich einig, dass frühe digitale Medienbildung sein muss, um in unserer Lebenswirklichkeit gut gerüstet zu sein. Es ist an der Zeit, sich zu öffnen.
Ist adultistisches Verhalten nicht unvermeidlich? Erwachsene haben nun einmal mehr Erfahrung als Kinder und manche Dinge in der Kita laufen nicht, wenn die Erwachsenen keine klaren Ansagen machen.
Fea Finger: Solche Situationen gibt es natürlich. Die Frage ist: Wie verhalte ich mich dann? Wie formuliere ich das? Nehme ich mir die Zeit, es dem Kind zu erklären? Da ist oft die Sorge: Dann wartet meine Kollegin und hat kein Verständnis dafür. Deshalb meine ich, müsste sich ein Team viel mehr austauschen und sich auf eine grundsätzliche Haltung Kindern gegenüber verständigen, was dafür nötig ist, dass sie sich wohlfühlen. Mal ehrlich: Wie ginge es Ihnen, wenn Ihre Wünsche und Bedürfnisse regelmäßig als unwichtig und belanglos abgetan würden?
Wo kommt das adultistische Verhalten her?
Wir alle sind in adultistischen Strukturen sozialisiert worden. Wir hinterfragen das nicht, wir haben das verinnerlicht. Es ist im Grunde eine alltägliche, strukturelle Diskriminierungsform. Wir haben als Kinder gelernt: Wenn ich mal erwachsen bin, dann habe ICH das Sagen. Und das ist bei pädagogischen Fachkräften nicht anders. Manche sind in den Beruf gestartet mit der Idee, Kinder „erziehen“ zu wollen. Ziehen, also die Richtung vorgeben. Das muss man reflektieren und versuchen zu verstehen, an wie vielen Stellen sich ein erwachsener Mensch zurücknehmen muss, damit Kinder eigene Erfahrungen machen und dabei lernen können.
Manche Dinge muss eine Fachkraft entscheiden, etwa um das Kind zu schützen. Da stellt sich die Frage: Adultismus oder Fürsorge?
Worüber die Fachkraft auf jeden Fall entscheiden muss, ist der grundsätzliche Tagesablauf. Besonders im Krippenbereich werden Erwachsene vieles bestimmen müssen. Da gibt es aber individuell durchaus noch Spielräume und es kommt darauf an, wie ich es dem Kind vermittele, ohne es zu etwas zu zwingen, das es partout nicht möchte. Manche können mit zwei Jahren entscheiden, ob sie eine Windel möchten, andere können das nicht. Manche können in dem Alter sicher klettern, andere nicht. Manches ist auch tagesformabhängig. Die Fachkräfte sollten der Individualität jedes Kindes Rechnung tragen. Zur Frage, wann ist Fürsorge Adultismus? Wann ist Partizipation Überforderung? Darauf gibt es keine eindeutige, pauschale Antwort; es spielen zu viele Komponenten mit hinein.
Spätestens wenn Kinder in die Schule kommen, müssen sie sich an ganz viele Regeln halten. Wird das nicht schwierig für sie, wenn sie es in der Kita nicht üben?
Daraus spricht die Sorge, die Kinder nicht gut genug vorzubereiten. Tatsache ist aber: Die Kinder, die jetzt groß werden, brauchen in der Zukunft ganz andere Dinge und Kompetenzen als die Kinder, die wir einmal waren. Wir werden sie nicht auf alles vorbereiten können. Kitas sind aber keine Vorbereitungseinrichtungen für die Schule, sondern ein eigener Lebensabschnitt. Noch eine Kehrseite: Wir kommen von der Kita in die Schule und machen, was man uns sagt. Irgendwann sind wir erwachsen und sollen plötzlich selbst entscheiden. Alle erwarten, dass wir jetzt wissen, was für uns gut ist. Aber wir haben das nie gelernt. Das finde ich schwierig.
Sie sprechen davon, dass Adultismus eine strukturelle Diskriminierungsform ist. Warum?
Wir alle haben als Kinder erfahren: Es ist in Ordnung, eine bestimmte Gruppe von Menschen aufgrund willkürlicher Merk-male – etwa dem Alter – auszugrenzen, abzuwerten oder ihnen Rechte und Fähigkeiten abzusprechen. Das setzt sich unbewusst fort, weil dieses Verhalten internalisiert wurde.
Sie sagen, wir haben adultistisches Verhalten verinnerlicht. Wie kann man es dennoch erkennen und etwas dagegen machen?
Eine gute Frage ist dann: „Würde ich in dieser Situation auch mit einem erwachsenen Menschen so umgehen?“ oder noch besser: „Würde ich wollen, dass man mit mir so umgeht?“ Letztlich ist es eine Haltungsfrage. Wenn ich Kinder als eigenständige Persönlichkeiten akzeptiere, dann kann ich mich automatisch nicht mehr ganz so adultistisch verhalten. Veränderungen beginnen mit der Reflexion und erfolgen in kleinen Schritten.
Wie kann eine Fachkraft ihr Team für das Thema sensibilisieren?
Auch in kleinen Schritten. Nicht das ganze Team in den Blick nehmen, sondern die Kollegin, zu der ich einen guten Draht habe und mit der ich mich ohnehin viel austausche. In solchen Konstellationen geht das gut und von da ausgehend kann man den Kreis erweitern, es vielleicht in einer Teamsitzung aufgreifen und den Begriff „Macht“ als Aufhänger nehmen. Denn dadurch, dass die Erwachsenen in der Kita immer die Verantwortung tragen, haben sie natürlich auch eine gewisse Macht. Das im Team zu reflektieren und zu definieren ist sehr erhellend. Dann gilt es zu überlegen: Wie wollen wir in welchen Situationen mit den Kindern umgehen, wie viel Partizipation ist möglich und für uns machbar? Aber klar: Es ist ein Prozess.
Partizipation und Adultismus schließen sich aus?
Ja sicher. Partizipation ist in den meisten Bildungsplänen fest verankert. Es ist ein Kinderrecht. Es ist keine Frage von gutem Willen. Aber wenn ein Team überlegt, wie man das im Kita-Alltag umsetzen könnte, dann kommen diese ganzen eigenen Adultismuserfahrungen raus: „Ich dufte das auch nie“ oder: „Mir hat das auch nicht geschadet“.
Manche haben die Befürchtung, wenn man Kindern zu viele Wahlmöglichkeiten lässt und alles mit ihnen ausdiskutiert, landen wir wieder bei den antiautoritären Kinderläden der 70er Jahre.
Das sehe ich so nicht. Diese Befürchtung beruht, denke ich, auch auf dem internalisierten Adultismus und der Denke: Wenn wir den Kindern nicht genau vorgeben, wie es laufen muss, dann versinkt alles im Chaos. Es gibt ja Werte, die ich den Kindern vorlebe die sind nicht: Alle machen was sie wollen. Sondern: Ich nehme die Bedürfnisse des einzelnen Kindes wahr und gehe darauf ein. Das bedeutet eben nicht, jedem Wunsch nachzukommen, sondern ein Bedürfnis anzuerkennen. Dann spricht man darüber und tritt in eine Verhandlung ein. Und ja: Manchmal muss ich mich dem Kind anpassen. Manchmal ist es anstrengend. Aber wir sind immer noch sehr weit von Anarchie und Chaos entfernt. Wir Erwachsenen haben immer die Verantwortung. Wenn etwas schief geht, können uns niemals damit herausreden, die Kinder hätten das so entschieden.
Sie geben Fortbildungen zu Adultismus. Was sind die häufigsten Anliegen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer?
Vielfach gehen die schon reflektiert mit diesem Thema um und wollen Hinweise, wie sie Adultismus erkennen, wie sie es gegenüber der anderen Person ansprechen können, ohne anzuecken. Adultismus zeigt sich ja oft in Situationen mit übergriffigem Verhalten. Viele bewegt auch der Wunsch, typische Situationen zu identifizieren, in denen sie sich adultistisch verhalten.
Typische adultische Redewendungen
Weil ich das sage!
Solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst, machst du, was ich will.
>> Heute haben wir mit dem Projekt ‚Farben‘ begonnen. Was passiert, wenn zwei oder drei gemischt werden, und wer kennt die jeweiligen Namen? Das Projekt wird ca. vier Wochen gehen, wobei jede Woche eine andere Aktion stattfindet. In dieser Woche gehen wir auf die Farben Rot, Gelb, Blau und Grün ein. […] <<
So beginnt eine Nachricht, die Erzieherin Janine Glenszczyk den Eltern der Kitakinder geschrieben hat. Nicht per E-Mail und erst recht nicht als Aushang auf Papier. Sondern in der App, die die Kita Seesternchen seit etwa einem Jahr für die Organisation und die Kommunikation nutzt. Sobald die Erzieherinnen eine Info über ihr Tablet eingegeben haben, können die Eltern sie in der App sehen. So wissen sie sofort, was ihre Kinder in der Kita machen und lernen.
KURZ GESAGT!
_Die Kita-App unterstützt das Team bei der Organisation, Dokumentation, Kommunikation und Verwaltung
_Nach kurzer Zeit große
Akzeptanz im Team und bei den Eltern
_Deutliche Entlastung spürbar. Die App spart Zeit – und Papier
Diese Nachrichtenfunktion, die in der App so dargestellt wird, wie es Nutzerinnen und Nutzer von gängigen Social-Media-Plattformen gewohnt sind, gefällt Janine Glenszczyk besonders gut. Sie veröffentlicht dort den Tagesablauf ihrer Kitagruppe – und zwar jeden Tag. „Ich liebe es, ins Detail zu gehen, damit die Eltern wie bei einer Geschichte lesen können, was ihre Kinder erreicht haben und wie sie sich entwickeln“, sagt sie. „Ich schreibe manchmal vielleicht ein bisschen zu viel, dann muss ich mich selbst etwas bremsen.“ Die Dokumentation nicht als lästige Pflicht also, sondern als Spaß.
Noch dazu erfüllt es den Zweck, die Übergabe der Kinder an die Eltern zu erleichtern. „Natürlich machen wir trotzdem noch die Übergabe am Nachmittag. Natürlich fragen die Eltern trotzdem nach und zeigen Interesse am Kind. Das ist ja auch wichtig, die App soll uns ja nicht ersetzen“, erklärt Janine Glenszczyk. Aber es bleibt nun eben auch zwischen Tür und Angel mehr Zeit für Gespräche über längerfristige Entwicklungen oder andere wesentliche Themen: Achten Sie mal darauf, ob Ihr Kind zu Hause auch Schwierigkeiten mit dem Balancieren hat! Oder: Ihr Kind hat sich beim Spracherwerb toll entwickelt!
Über die Nachrichtenfunktion der App informieren die Fachkräfte die Eltern über den Tagesablauf.
Mehr Zeit für wesentliche Themen
Denn die grundlegenden Informationen können die Fachkräfte vorher schnell und einfach per Knopfdruck mitteilen. „Die Eltern wissen dann: Mein Kind hat soundso lange geschlafen, das und das gegessen, es wurde so viele Male gewickelt – meinem Kind geht es gut“, fasst die Erzieherin zusammen. Das muss dann bei der Übergabe nicht mehr thematisiert werden, sofern es keine Auffälligkeiten gab. Und dank der Nachrichten über den Tagesablauf wissen die Eltern zum Beispiel auch ganz genau, wie ihren Kindern die eingangs erwähnten Farben nähergebracht wurden:
>> […] Hierfür wurde den Kindern die jeweilige Farbe auf die Handinnenseite gemalt. Henri und Ella konnten diese super benennen und durften auch entscheiden, welche Farbe als Nächstes kommt. Viktor freute sich über jede Farbe, die ihm gezeigt und beschrieben wurde. […] <<
Die Digitalisierung hat einen hohen Stellenwert für den Träger Kinderhut und seine 18 Kitas, zu denen auch die Kita Seesternchen gehört. Beim Projekt „Coding For Tomorrow“ lernen die Vorschulkinder beispielsweise, wie ein Computer funktioniert und wie sie selbst einfache Befehle eingeben können, die ein kleiner, putziger Roboter dann umsetzt, indem er sich dreht oder geradeaus fährt.
Beim Projekt „Coding For Tomorrow“ setzt ein kleiner Roboter Befehle um, die die Kinder ihm geben.
Für Lernspiele kommen Tablets zum Einsatz, wenn es sinnvoll ist. Aber auch für die Verwaltung nutzt die Kita digitale Programme für Dienstplangestaltung, Zeitplanerfassung oder Urlaubsplanung.
Und jetzt seit einem Jahr eben die App. In Zusammenarbeit mit der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) sollte in einem Pilotprojekt getestet werden, ob die Verwendung einer App die pädagogischen Fachkräfte im Kita-Alltag entlastet und den Stress reduziert.
Zwölf Fachkräfte betreuen in Düsseldorf insgesamt 50 Kinder. In jeder der vier Gruppen gibt es ein Tablet, das die Erzieherinnen und Erzieher für die Eintragungen in die App nutzen können – funktionieren würde das mit den Zugangsdaten aber auch über Smartphones oder Laptops. Umfangreiche Schulungen seitens der App-Entwickler hätten bei der Einführung und beim Einsatz des Programms geholfen. Die anfängliche Zurückhaltung und die Berührungsängste einiger Fachkräfte hätten sich jedenfalls schnell gelegt, sagt Kitaleiterin Isabell Degen.
Die Skeptiker unter den Eltern sorgten sich eher um den Datenschutz. Die Erklärungen der App-Entwickler zur Datensicherheit räumten die Bedenken aus. Außerdem verpflichtete sich die Kita selbst, keine Fotos von Kindern hochzuladen und nur die Vornamen der Kinder in den allgemein sichtbaren Nachrichten zu nutzen. Alle Eltern hätten sich daraufhin angemeldet und die App ausprobiert. „Als die Eltern dann festgestellt haben, wie sie funktioniert, was sie dort einsehen können und was nicht, war die Skepsis schnell verflogen“, sagt Isabell Degen. Eltern sehen nur die Informationen zu dem Kind, mit dem sie „verknüpft“ sind, für das sie also ein Profil angelegt haben. Generell kann die Kita in der App Gruppen anlegen und jeweils genau festlegen, wer Schreibrechte, wer nur Leserechte und wer gar keine Zugriffsrechte hat.
Die App ist nach dem Baukastenprinzip aufgebaut. Die Kitas entscheiden also selbst, ob sie sie nur für die Kommunikation oder nur für die Organisation und Verwaltung oder für beide Bereiche nutzen möchten. Und selbstverständlich auch, welche Funktionen sie innerhalb der Bereiche nutzen möchten, weil sie ihnen die Arbeit erleichtern. Der Kita Seesternchen hat beim Pilotprojekt beispielsweise gefallen, dass Eltern ihre Kinder abwesend melden und angeben können, ob urlaubs- oder krankheitsbedingt. Darüber erhalten die Fachkräfte eine Benachrichtigung – alle sind sofort informiert. Sind Veranstaltungen wie Weihnachtssingen, Frühlingsfest oder Sankt-Martins-Umzug im digitalen Kalender eingetragen, können die Eltern ganz einfach zu- oder absagen. Die Kita kann ihrerseits Umfragen erstellen und sich das Feedback einholen, wie die Eltern etwa den jüngsten Infonachmittag fanden. Die Nachrichten über den Tagesablauf und die Basisinformationen werden automatisch in bis zu 50 Sprachen übersetzt, damit auch Familien mit schlechten Deutschkenntnissen immer im Bilde sind.
App erleichtert die Dokumentation
„Ich denke, dass die Eltern besser verstehen, was Erzieherinnen und Erzieher in der Kita leisten, seit wir die App nutzen“, sagt Isabell Degen. Vorher habe man solche Infos in Kurzversion an die Pinnwand gehängt oder als PDF-Datei per E-Mail verschickt. Jetzt lesen die Eltern in der App Dinge wie: „Beim Turnen haben die Kinder balanciert und damit den Gleichgewichtssinn trainiert.“ Oder eben das, was Janine Glenszczyk schreibt:
>> […] Ida fand es scheinbar interessant, auf das Laternenpapier zu stempeln. Das taten auch die anderen Kinder mit ihren angemalten Handflächen, denn jedes Angebot der nächsten vier Wochen ist so aufgebaut, dass am Ende eine bunte Laterne zu St. Martin rauskommt. <<
Also: Projektziel benannt und am Ende noch auf die „Bildungsbereiche: musisch-ästhetisch, Sprache, Kommunikation“ hingewiesen.
Zeigt her eure Hände! Beim Projekt „Farbe“ bemalten die Kinder ihre Handflächen – und die Eltern waren über die App im Bilde.
„Ich kann nicht genau sagen, wie viel Zeit ich einspare. Aber ich bin definitiv schneller, als wenn ich handschriftlich eintrage oder warten muss, bis ein PC frei wird“, sagt Janine Glenszczyk. „Und ich habe mehr Zeit und Freiheiten, um Projekte zu planen.“
Kitaleiterin Isabell Degen empfindet die App-Nutzung ebenfalls als positiv. Früher habe man eine Mappe für jede Gruppe führen müssen, die pro Jahr etwa 300 Seiten dick gewesen sei. Zwei Stunden pro Woche würde der Aufwand dafür etwa betragen. „Durch die App reduziert sich das wahrscheinlich um die Hälfte.“ Noch dazu werde die Kommunikation wesentlich vereinfacht, sei es mit allen, mit bestimmten Gruppen, mit den Eltern oder mit Einzelnen. „Es ist auf jeden Fall eine Erleichterung“, lautet Isabell Degens Fazit zum App-Einsatz.
Wenn es pädagogisch sinnvoll ist, nutzen die Kinder Tablets.
Wickeln ist eine intime Situation. Die Kinder sollten vor Blicken geschützt werden.
Gesundes Raumklima mit guter Lüftung (Fenster, raumlufttechni-sche Anlage) und Temperatur von mindestens 24 Grad Celsius im Wickelbereich.
Planung
Idealerweise befindet sich der Wickel-bereich in einem separaten Raum oder im Sanitärbereich.
Der Wickelbereich sollte über ein eigenes Waschbecken verfügen, mit einem heraus-ziehbaren Wasserhahn in Griffnähe.
Kinder sollten komplett auf dem Wickeltisch liegen können, deshalb empfiehlt sich eine Tiefe von etwa 100 bis 120 Zentimetern.
Alles griffbereit
Was für die Pflege der Kinder benötigt wird, sollte gut erreichbar sein (Windeln, Reini-gungstücher, Creme, Ersatzkleidung usw.).
Das gilt auch für Einmalhandschuhe und Desinfektionsmittel.
Bitte darauf achten, dass die Utensilien nicht für Kinder zugänglich sind.
Ergonomie
Sinnvoll sind kleine Treppen, damit die Kinder selbst auf den Wickeltisch klettern können und unnötiges Heben vermieden wird. Das fördert außerdem die Selbstständigkeit und reduziert das Unfallrisiko.
Praktisch: Die Höhe des Wickeltischs lässt sich an die Körpergröße der Fachkraft anpassen. Ideal ist zwischen 85 und 95 Zentimeter.
Alternativ: ein kleines Podest oder einen
Trittschemel für kleinere Fachkräfte.
Aufstiegshilfe
Die Treppe muss mit dem Wickelbereich fest verbunden und sicher zu begehen sein. Leitern eignen sich nicht.
Sind die Wickeltische im Waschraum frei zugänglich, müssen Aufstiegshilfen gesichert werden, damit Kinder nicht unbeobachtet hochklettern können.
Schutz vor Verletzungen
Bei höhenverstellbaren Wickeltischen darauf achten, dass es keine Klemmstellen gibt, an denen sich Kinder quetschen könnten.
Damit Kinder nicht herunterfallen können, sollte der Wickeltisch nach Möglichkeit zwischen zwei Wänden stehen.
Alternativ: seitlicher Fallschutz mit einer Höhe von mindestens 20 Zentimetern.
Hygiene
Arbeitsplatz mit einem Desinfektionstuch reinigen.
Jedes Kind bekommt eine eigene Wickelunterlage.
Einmalhandschuhe benutzen. Sie halten Keime ab.
Die Handschuhe nach der Benutzung mit den Windeln im Mülleimer entsorgen.
Zum Schluss die Hände desinfizieren. Dabei Einwirkzeit beachten. Danach ggf. die Hände eincremen.
Ich versuche, meine Arbeit als Reinigungskraft wie ein Spiel zu gestalten. Zum Beispiel habe ich einen Staubsauger mit Augen und einem Mund beklebt, sodass er mit dem Schlauch aussieht wie ein Elefant. Ich stelle ihn den Kindern als meinen Freund „Ele“ vor. Sobald ich mit dem Saugen fertig bin, wollen dann alle Kinder das Stromkabel aufwickeln. Indem mir die Kinder beim „Spielen“ helfen, lernen sie meine Arbeit hier und die ihrer Eltern zu Hause zu respektieren. Mich macht es ein bisschen stolz und glücklich, wenn mich die Kinder sehen und um Hilfe bitten, weil vielleicht der Jackenärmel verdreht ist oder sie ihr Lieblingsspielzeug verloren haben – weil sie mich als Mensch, als Marina wertschätzen.
Marina Romandini ist seit 2007 nicht nur Reinigungskraft, sondern auch weihnachtliche Plätzchenbäckerin, inoffizielle Italienisch-Übersetzerin und einfach die gute Seele der Kita Eulenspiegel im hessischen Idstein.
Die Integration von digitalen Medien wie Tablets, Smartphones und Internet in die bestehenden Konzepte der frühkindlichen Bildungsarbeit ist unabdingbar. Denn Kinder haben das Recht auf ein gutes Aufwachsen und Bildung sowie auf Schutz und Partizipation in der digitalen Welt (vgl. UN-Kinderrechtskonvention, kinderrechte.digital). Schon 2017 hat die Kultusministerkonferenz die Kompetenzen in der digitalen Welt als vierte Kulturtechnik – neben Lesen, Schreiben und Rechnen – festgehalten und sieht sie als Voraussetzung für die gesellschaftliche Teilhabe. Ziel der frühen Medienförderung ist das medienkompetente, medienmündige Kind. Das bedeutet aber, dass Kinder selbstverständlich das Handwerkszeug benötigen, um diese Kompetenzen zu erwerben und eine reflektierte Haltung entwickeln zu können.
Frühzeitiges Erlernen der Fertigkeiten notwendig
Voraussetzung dafür ist, dass Kinder den praktischen Umgang mit informationstechnischen Geräten erlernen, die bereits heute ihren Alltag prägen. Sie müssen demnach lernen, wie diese Geräte verwendet werden, wie sie funktionieren. Sie erwerben so die Kompetenz, Medien zweckbestimmt und kreativ zu nutzen und damit eigene Werke zu erstellen.
KURZ GESAGT!
_Medienbildung – auch digitale – ist ein Kinderrecht
_Kitas haben hier einen klaren Bildungsauftrag
_Bestehende Konzepte können digital sinnvoll ergänzt werden
Die Kindertageseinrichtungen sollten dabei als Chance zur begleitenden Medienerziehung gesehen werden. Sie sind der erste professionelle Bildungsort der Kinder zur Entwicklung von Kompetenzen für die digitale Welt – neben vielen weiteren Kompetenzen in anderen Bildungsbereichen – und als solchen sollten sich Kitas auch begreifen. Die Förderung von Medienkompetenz bei den Kindern beginnt – ganz ohne direkte Mediennutzung – bereits mit Gesprächen über deren Medienerlebnisse und -erfahrungen.
Digitale Medien gemeinsam mit den Kindern entdecken
Digitale Medien eignen sich etwa für die Portfolioarbeit mit den Kindern, um ihre Entwicklung partizipativ zu dokumentieren. Wird das Tablet im Alltag mit einem geeigneten Programm genutzt, lernen die Kinder dieses Medium zum einen als Arbeitsinstrument kennen und merken, dass Geräte für einen Zweck und eine bestimmte Zeit genutzt, danach aber auch wieder weggelegt werden. Zum anderen erfahren Kinder aber auch durch Absprachen mit den pädagogischen Fachkräften, dass sie das Recht am eigenen Bild haben und bei der Frage, was in ihrem persönlichen Portfolio dokumentiert werden soll, eine Stimme haben und mitbestimmen können. Dabei sind Datenschutzfragen im Team (mit dem Träger und eventuell auch mit den Eltern) vor der digitalen Portfolio-Arbeit abzuklären. In diesem Szenario wird Medienkompetenz „en passant“ vermittelt, ohne dass Kinder das Tablet selbst nutzen. Doch natürlich gibt es auch bereichernde Möglichkeiten, wie Kinder selbst aktiv werden und digitale Medien kreativ einsetzen.
Bei der Diskussion um digitale Medien in der Kita ist die Devise wichtig: Ersatz ist Quatsch! Es geht in der Kindertageseinrichtung darum, bestehende Konzepte und Angebote sinnvoll mit digitalen Elementen anzureichern. So kann der Entstehung einer digitalen Kluft entgegengewirkt werden. Denn Bildungschancengerechtigkeit brauchen wir auch in der digitalen Welt. Dafür ist eine Integration von digitalen Medien in Kindertagesstätten unbedingt erforderlich.
Denkbare Einsatzmöglichkeiten in der pädagogischen Arbeit mit den Kindern sind:
gemeinsames Forschen und Dokumentieren
(z. B. mit digitalem Mikroskop und Endoskop-Kamera und der App Book Creator oder BookTraps)
digitale Bilderbücher lesen (Tipps dazu auf lesenmit.app der Stiftung Lesen) und gemeinsam entwickeln (z. B. Kibunet)
Bilderbücher in mehreren Sprachen vorlesen / lesen lassen (z. B. Polylino)
Partizipation der Kinder bei der pädagogischen Dokumentation (z. B. Kitalino)
kreatives Gestalten mit Medien: gemeinsame Entwicklung von digitalen Bilderbüchern oder Fotogeschichten; gemeinsame Filmprojekte (Stop- Motion-Filme, Filme über die Kindertageseinrichtung oder ein Projekt); gemeinsame Hörspielproduktion
Wenn der kleine Sebastian am Tablet sitzt, ist er beschäftigt und die Erzieherinnen und Erzieher müssen sich nicht mehr um ihn kümmern. Eine solche Vorstellung ist unter den Eltern weitverbreitet, weiß Theresa Lienau. Sie leitet bei der Stiftung Digitale Chancen das von der Stiftung Ravensburger Verlag geförderte Projekt „Medienerziehung im Dialog von Kita und Familie“: „Die größte Sorge ist, dass digitale Medien unkoordiniert oder zu Unterhaltungszwecken eingesetzt werden.“ Mit Medienerziehung hat das allerdings nichts zu tun. Ebenso wenig wie die Herangehensweise so mancher Familie, den Medienkonsum des Sprösslings daheim bloß zeitlich zu regulieren ohne die Inhalte zu kontrollieren.
Beim medienpädagogischen Ansatz liege der Fokus vielmehr darauf, „dass Kinder die kreative, gestalterische Mediennutzung erlernen“, sagt Theresa Lienau. Langfristiges Ziel sei es, Kinder zu ermächtigen, kritisch-reflektiert und selbstbestimmt mit Medien umzugehen. „Die populäre, konsumorientierte Ansicht und den medienpädagogischen Ansatz auf einen Nenner zu bringen, ist die Herausforderung, vor der die Fachkräfte stehen.“ Es sei eben ein riesiger Unterschied, ob ein Kind allein YouTube-Videos gucke oder ob es gemeinsam mit anderen in der Gruppe versuche, auf dem Tablet herauszufinden, ob auch Elefantenbabys schon Stoßzähne haben. „Wenn Eltern verstehen, dass es sich dabei um völlig unterschiedliche Situationen handelt, sind die Widerstände meist nicht mehr so groß“, erklärt die Medienforscherin.
Naturerlebnis und Medienbildung: Im Wald machen die Kinder mit Smartphone oder Tablet Fotos und bestimmen die Pflanze danach mit einer App.
Auf dem Weg zum gemeinsamen Verständnis von Medienerziehung gibt es ein breites Spektrum an Sorgen und Nöten, dem Erzieherinnen und Erzieher begegnen. Überspitzt formuliert: Während es den einen Eltern gar nicht schnell genug gehen kann, ihre Kinder zu Tablet- und Smartphone-Experten zu machen, schaffen die anderen schon vor der Geburt den Fernseher aus Angst ab, ihre Kinder könnten in der motorischen, sprachlichen oder sozialen Entwicklung zurückbleiben. Deshalb müssten die Fachkräfte die Ängste identifizieren, sagt Theresa Lienau: „Dann wird es meist ein produktiver Austausch zwischen Eltern und Fachkräften.“
Ist erst einmal eine gemeinsame Ebene gefunden, lassen sich die Kritikpunkte meistens entkräften. Zum Beispiel: „Wir befürchten, dass die Kinder süchtig nach digitalen Medien werden!“ Die Fachkräfte sollten den Eltern erklären, dass das Gegenteil der Fall ist. Denn die Kinder finden in der Kita einen sicheren Rahmen für ihre Entwicklung vor. Sie haben nach wie vor eine enge Bindung zu ihren Bezugspersonen. Digitale Medien ersetzen diese Bezugspersonen nicht. Stattdessen setzen die Fachkräfte die digitalen Medien als Werkzeug ein, um Bildungsziele zu erreichen. Dazu gehört auch der reflektierte Umgang mit digitalen Medien. Oder diese Kritik: „Die Kinder bewegen sich zu wenig, weil sie nur vor dem Tablet hocken!“ Studien belegen zwar einen Zusammenhang zwischen Bewegungsmangel und digitalem Medienkonsum. Aber dabei geht es eben wieder um die Vorstellung des passiven Konsums. In der Kita dagegen werden Medien pädagogisch eingesetzt.
Theresa Lienau rät den Kitas deshalb dazu, den Eltern möglichst konkret zu erklären, wie digitale Medien genutzt werden. Zum Beispiel: Die Kinder nehmen Smartphones oder Tablets mit in den Wald, um damit Fotos von Pflanzen oder Tieren zu machen, die sie entdecken. Dann nutzen sie eine App, um die Pflanzen zu bestimmen. Ein Naturerlebnis gepaart mit Bewegung und Medienbildung! Oder die Kinder erstellen einen Stop-Motion-Film.
Wenn die Kinder einen Stop-Motion-Film erstellen, bekommen sie einen Eindruck davon, wie Medien entstehen. Außerdem wird ihre Kreativität angeregt.
Das kann ganz einfach auf dem Spielstraßen-Teppich passieren, indem ein Auto in wenigen Zentimetern Abstand an andere Stellen gesetzt und jedes Mal fotografiert wird. Lässt man die Fotos schnell hintereinander ablaufen, entsteht der Eindruck, das Auto würde sich bewegen. Auch dafür gibt es Apps, die das Erstellen des Trickfilms erleichtern. Die Kreativität der Kinder wird gefördert und außerdem ihre Vorstellung davon, wie Medien entstehen und dass sie von Menschen gemacht sind.
Digitale Medien sind in der Kita kein Selbstzweck
Kurzum: Digitale Medien sind in der Kita kein Selbstzweck, sondern Werkzeuge, die zum Erlernen von Kompetenzen eingesetzt werden. „Wir leben in einer digitalen Gesellschaft und dieses Thema muss man mit Kindern bearbeiten“, findet die Medienforscherin. Damit erst in der Schule zu beginnen, wenn die Kinder zwangsläufig mit digitalen Medien konfrontiert werden, sei zu spät. Dort müssten Kinder bereits in der Lage sein, kritische Situationen – etwa wenn sie in den sozialen Medien von Fremden angesprochen würden – einzuordnen. Kinder bräuchten dann in ihrem Umfeld Erwachsene, am besten die Eltern, als Ansprechpartner und nicht den erhobenen Zeigefinger („Ich habe dir doch gesagt, dass du nicht ins Internet sollst!“).
Manchen Eltern falle es allerdings schwer, sich dem Thema zu öffnen, weiß Theresa Lienau. Was oft auch an eigenen Unsicherheiten liege. Dabei muss digitale Medienerziehung gar nicht kompliziert sein. Ein einfacher Beitrag besteht für die Eltern schon darin, sich zu Hause mit dem Medienverhalten ihrer Kinder zu beschäftigen und zu fragen: `Warum gefällt dir diese Sendung? Was macht die Hauptfigur der Serie für dich so interessant? Was findest du so spannend an dem Spiel?´ Durch konstruktive, wertschätzende Kommunikation können Fachkräfte die Eltern dabei unterstützen – und damit den Grundstein für eine erfolgreiche Erziehungspartnerschaft im Bereich digitaler Medien legen, von der alle profitieren. Insbesondere die Kinder.
Tipp
Die Ergebnisse des Projekts „Medienerziehung im Dialog von Kita und Familie“ haben die Autoren Theresa Lienau und Matthias Röck in einer kostenlosen Broschüre und in einem Buch zusammengefasst. Die Broschüre „Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige digitale Bildung als gemeinsame Aufgabe von Kita und Familie“ gibt es hier als PDF-Download: https://kurzelinks.de/p4jt
Das Buch „Nachhaltige digitale Bildung als gemeinsame Aufgabe von Kita und Familie – Gelingensbedingungen und Praxisempfehlungen“ und ist hier erhältlich: https://kurzelinks.de/6xee
Kyrylo ist ins Spiel vertieft. Immer wieder lässt er das Spielzeugauto die Rutsche runtersausen. Immer wieder bringt Maya es ihm zurück. Manchmal tauschen sie auch die Rollen. Ist nur fair. Die beiden stimmen sich miteinander ab. Das funktioniert ohne Worte. Muss es auch. Denn Kyrylo spricht kein Deutsch. Nur ein paar Monate ist es her, seit er mit seiner Mutter in Hamburg ankam. Raus aus dem Krieg in der Ukraine, rein in die Kita Steilshooper Allee.
KURZ GESAGT!
_Offen und vorurteilsfrei neuen Menschen und Situationen begegnen
_Sprachbarrieren sind für den Aufbau einer Bindung zum Kind nicht entscheidend
_Gesprächsbereitschaft signalisieren: ja – Gespräch suchen: nein
Die Sorgen der Erzieherinnen verfliegen schnell
Seine Bezugserzieherin Sarah Schulte hatte sich auf eine lange Eingewöhnung eingestellt. Schließlich kamen viele Faktoren zusammen: Fluchterfahrung, Trennung vom Vater, neues Land, neue Umgebung, neue Sprache. Kann so etwas spurlos an einem Kind vorbeigehen? Die Sorgen verflogen schnell. „Kyrylo hat das erstaunlich gut gemacht“, sagt die Erzieherin. „Er hat sich recht schnell von der Mutter gelöst.“ Stattdessen knüpfte er buchstäblich spielerisch Kontakt zu den anderen Kindern, „obwohl ihn keiner verstanden hat und er auch nicht viel verstanden hat. Die Kinder nehmen aber alle so, wie sie sind.“ Mit Kyrylo gebe es kaum Konflikte: „Er hat eine hohe soziale Kompetenz.“ Und im Morgenkreis singt er schon die Lieder mit.
Kyrylo hat spielerisch Kontakt zu den anderen Kindern geknüpft.
Die gut vernetzte Kita Steilshooper Allee musste schnell reagieren, als die Nachricht der benachbarten Grundschule kam: Man habe ein Kind aus der Ukraine aufgenommen, die Mutter wohne in der Nachbarschaft und habe noch ein jüngeres Geschwisterkind: Kyrylo. „Das sind ‚Hoppla-hopp‘-Geschichten, auf die wir uns nicht lange einstellen können“, sagt Kitaleiterin Maren Albers-Witte. Glückliche Umstände halfen ein wenig: Die ukrainische Schwägerin von Kyrylos Mutter Tetiana wohnt seit 15 Jahren in Hamburg und fungierte am ersten Tag als Dolmetscherin. Außerdem hatte just an Kyrylos erstem Kitatag auch Erzieher Allanur Ashyrov aus Turkmenistan seinen ersten Arbeitstag. Russisch können sowohl er als auch Kyrylo.
Erzieher Allanur Ashyrov kann sich auf Russisch mit dem vierjährigen Jungen aus der Ukraine unterhalten.
Integration: eine Frage der Haltung
Selbstverständlich war es nicht nur Zufall, dass die Eingewöhnung so gut funktionierte. Die Kita Steilshooper Allee gehört zu Hamburgs größtem Kitaträger, den Elbkindern, die mehr als 180 Kitas betreiben. Integration ist für die Kita eine Frage der Haltung. „Wir profitieren davon, dass wir seit 2006 Kinder mit Behinderungen n unserem Haus betreuen“, erklärt Maren Albers-Witte. „Ein Kind kann vielleicht nicht laufen, ein Kind kann nicht sprechen, ein Kind schreit ständig – wir müssen uns immer auf die Situation einlassen.“
„Wichtiger als jede Fortbildung ist die innere Haltung“, sagt Erzieherin Sarah Schulte.
Außerdem habe das zu einem grundsätzlichen Perspektivenwechsel bei Erzieherinnen und Erziehern geführt, die einen guten Blick für die besonderen Fähigkeiten und Talente aller Kinder entwickelt haben. Für die 135 Kinder in Steilshoop sind Inklusion und Integration völlig normal. Sie kennen es nicht anders. „Bei uns werden 22 Muttersprachen gesprochen“, führt Maren AlbersWitte aus. Eine davon spricht Kyrylo. „Für die Kinder ist das nichts Besonderes.“ Im Bewegungsraum, im Spiel mit Autos und auch bei Gesellschaftsspielen ist der Vierjährige aus der Ukraine in seinem Element. „Er hat eine unglaublich schnelle Auffassungsgabe“, hat Sarah Schulte festgestellt. Also: Ich bin dran mit Würfeln, das ist meine Figur, da muss ich lang – los geht’s!
Ich bin dran mit Würfeln – los geht‘s! Seine schnelle Auffassungsgabe hat Kyrylo das Ankommen erleichtert.
Für Erzieherinnen und Erzieher ist es beim Aufbau einer Bindung keine allzu große Hürde, wenn Kinder die Sprache nicht sprechen – bei Krippenkindern ist das auch der Fall. „Für mich ist es eher problematisch, wenn ich die Eltern nicht verstehe“, sagt Sarah Schulte.
Der imaginäre Rucksack
Soziale und kulturelle Hintergründe spielen beim Verständnis füreinander eine wichtige Rolle. „Für uns ist es immer spannend, wenn Familien neu zu uns kommen und wir ihre Vorstellungen nicht kennen“, sagt Maren Albers-Witte. Manche Eltern sind über Eingewöhnungskonzepte erstaunt. Andere wundern sich, dass ihre Kinder mit vier Jahren noch nicht schreiben können, weil das in ihrem Land so üblich ist. „Alle tragen einen imaginären Rucksack und man bildet sich als Erzieherin oft ein zu wissen, was drin ist. Man weiß es aber nicht, man hat nur Vermutungen. Manchmal hat man damit recht, ganz oft aber auch nicht.“ Deshalb gehe es immer darum, sich der eigenen Vorurteile bewusst zu werden und diese auf den Prüfstand zu stellen. Neugierig zu sein und sich überraschen zu lassen – das sei die beste Einstellung, um Menschen zu begegnen.
Schon 2015 machte die Kita Steilshooper Allee diese Erfahrung, als sie in Flüchtlingsunterkünfte ging und dort den syrischen Familien Hilfe anbot. „Wir haben gemerkt: Das war nett gemeint, aber nicht das, was die Eltern wollten. Die wollten Sicherheit, einen Arbeitsplatz und einen Deutschkurs“, sagt Maren Albers-Witte. „Unsere Kernaufgabe ist es, den Kindern mit der Kita einen sicheren Ort anzubieten.“
Im Umgang mit den Kindern ist viel Fingerspitzengefühl gefragt. Auf der einen Seite schafft die Kita einen Rahmen, in dem die Kinder von sich aus über ihre Erlebnisse reden können. In Hamburg haben sie 2015 zum Beispiel Bilderbücher angeschafft, die sich mit Fluchtgeschichten auseinandersetzen. Über einen tragischen Unfall, bei dem ein Kind auf dem Weg zur Kita ums Leben gekommen war, sprachen sie im Morgenkreis. Die Kinder konnten zudem in ein ausliegendes Buch malen oder etwas einkleben, um das Unglück zu verarbeiten. Und manchmal kommt es ganz unvermittelt. Als es einmal Tomatensuppe gab, sagte ein Kind, das seine Mutter verloren hatte, zu Sarah Schulte: „Mama hat auch immer Tomatensuppe gekocht. Aber Papa kann das jetzt auch.“ An solchen beiläufigen Kleinigkeiten merke man, dass gerade Gesprächsbedarf herrsche.
Aber, und das ist die andere Seite: Kinder sollten nicht bedrängt werden, über ihre Erlebnisse zu sprechen. „Die Kinder entscheiden, wie weit es gehen soll“, stellt Erzieherin Sarah Schulte klar. Das machten sie deutlich, indem sie von sich aus das Thema wechseln würden.
Kita unterstützt die Familien
Keinesfalls stellen sie in Hamburg direkte Fragen, wie Maren Albers-Witte veranschaulicht: „Jetzt erzähl doch mal: Seid ihr mit dem Schiff gefahren? War es schlimm?“ Damit würden die pädagogischen Fachkräfte ihren Aufgabenbereich verlassen. „Wenn wir das täten, würden wir unter Umständen ein Fass aufmachen, mit dem wir nicht umgehen können – wir wissen ja nicht, ob das Kind traumatisiert ist“, erläutert die Kitaleiterin. Die Aufarbeitung der Erlebnisse oder Traumata sei die Aufgabe von Fachleuten aus Psychiatrie oder Psychotherapie.
Wie die Kinder würden auch Eltern von sich aus auf die Kita zukommen, wenn sie Unterstützung bräuchten. Die Mutter von Kyrylo zum Beispiel hatte zunächst einen Rechtsanspruch auf fünf Stunden in der Kita, wollte aber die Betreuungszeit erhöhen, um einen Minijob antreten und einen Deutschkurs besuchen zu können. Die Kita half bei der Behördenangelegenheit – nun wird Kyrylo acht Stunden am Tag betreut. Über die Flucht aus der Ukraine weiß das Kitateam hingegen nicht viel: Die Heimatstadt Dnipro ist immer wieder Ziel von russischen Raketenangriffen, der Vater noch dort. Alles andere wird Kyrylos Mutter Tetiana schon von sich aus erzählen – falls sie es möchte und wann sie es möchte. „Viele Sachen kommen, wenn die Familien schon eine Weile da sind und eine stabile Bindung besteht“, weiß Maren Albers-Witte aus Erfahrung.
„Jede Familie ist erst einmal eine Familie“, fasst Sarah Schulte zusammen. „Es sollte egal sein, was in dem imaginären Rucksack ist – wir wissen es ohnehin nicht.“ Fortbildungen könnten den Fachkräften zwar Rüstzeug im Umgang mit geflüchteten oder traumatisierten Kindern an die Hand geben. „Wichtiger als jede Fortbildung ist aber die innere Haltung.“ Also: keine Berührungsängste haben und offen sein. „Alle so annehmen, wie sie sind – das wird bei uns gelebt.“ So klappt’s auch mit der Integration.
Echt praktisch!
Tipps zur Integration aus der Ukraine geflüchteter Kinder haben wir Ihnen auf unserer Webseite zusammengestellt:
Trauma gilt oft als Metapher für alles Furchtbare. Was genau ist ein Trauma?
Trauma bedeutet zunächst Verletzung. Man kennt den Begriff „Trauma“ auch aus der körperlichen Medizin. Man unterscheidet je nach Kontext: Ist es eine körperliche Verletzung, die dem Organismus zugefügt wird, oder eine auch noch später bestehende Traumafolgestörung? Das wird oft vermischt. Ein kleineres Ereignis wie ein Hundebiss kann zwar durchaus ein Trauma auslösen – sowohl körperlich als auch psychisch –, wird aber vermutlich keine dauerhaften Schäden verursachen. Wenn wir Fachleute von Trauma sprechen, meinen wir ein objektiv sehr schwerwiegendes Ereignis, das subjektiv ein tiefes Gefühl der Verzweiflung, Ohnmacht und Hilflosigkeit nach sich zieht. Das sind Ereignisse wie Überfälle, Missbrauch, Misshandlung, Folter, Krieg, der Tod eines nahen Angehörigen, schwere Verkehrsunfälle oder auch die Diagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung.
In Kitas begegnen die Fachkräfte gelegentlich Kindern, von denen sie annehmen müssen, dass sie im oben genannten Sinn traumatisiert sind. Die Erzieherinnen und Erzieher sind dann oft voller Mitleid und reduzieren unbewusst das Kind auf seine Opferrolle.
Mitgefühl ja, aber bitte kein Mitleid. Traumatisierte Kinder brauchen vor allem Sicherheit, Struktur und Stabilität. Diese Kinder müssen genauso normal behandelt werden wie andere. Sie aus Mitleid in eine Sonderrolle zu drängen, sie in Watte zu packen, schadet ihnen noch mehr. So entfernen sie sich noch weiter von der Normalität. Aber die ist das A und O. Mag ein Kind vielleicht außerhalb der Kita in weiterhin traumatisierenden Kontexten leben, so erfährt es doch wenigstens während des Kitabesuchs Normalität und Sicherheit. Das ist unschätzbar wichtig.
Wie können pädagogische Fachkräfte in der Kita ein traumatisiertes Kind dabei unterstützen, seine Ressourcen zu stärken, damit es ein Trauma besser verarbeiten kann?
Sie können ein Kind immer wieder fragen: „Was würde dir jetzt guttun?“ Für diese Kinder sind verlässliche und zuverlässige Bezugspersonen zentral, die ihnen Struktur und klare Regeln geben, ohne sie zu bedrängen. Überbetreuung führt zu Passivität; diese hindert das Kind daran, eigene Bewältigungsstrategien zu erarbeiten. Salopp gesagt: Alles, was ich nach einem Trauma nur passiv erdulde, ertrage, erleide – also mit mir gemacht wird –, das macht mich krank. Alles, was ich selbst aktiv gestalte, hält mich gesund.
Kinder verfügen also über Bewältigungsstrategien?
Ja durchaus, aber die liegen häufig in dem Bereich, der ein oder zwei Entwicklungsstufen zuvor zu finden ist. Das Kind nässt wieder ein, es spricht wieder in Babysprache, möchte wieder bei den Eltern schlafen oder einzelne kognitive Leistungen sind nicht mehr möglich. Das Kind geht quasi zurück und nimmt einen neuen Anlauf. Das ist eine komplett normale Reaktion und kein Grund zur Sorge.
Die Befürchtungen vieler Erzieherinnen und Erzieher sind, sie könnten im Umgang mit traumatisierten Kindern etwas falsch machen und ihnen letztlich nicht gerecht werden, da sie dafür nicht ausreichend geschult seien.
Niemand muss Angst vor „Trauma“ haben. Erzieherinnen und Erzieher können nicht viel falsch machen, wenn sie dem Kind mit Normalität, Verständnis und Fürsorge begegnen – also das, was bei anderen Kindern auch zählt. Man sollte aber unbedingt vermeiden, das Trauma direkt anzusprechen und konkret über die Gefühle zu sprechen. Wenn das Kind dies von sich aus tut, ist es wichtig, sofort Fachpersonal hinzuzuziehen. Bei Missbrauch etwa muss abgeklärt werden, ob eine Straftat vorliegt. Dann also niemals selbst das Kind bezüglich der traumatischen Ereignisse befragen, sondern dies immer und unbedingt den Profis überlassen. Hier muss sofort das Jugendamt eingeschaltet werden, denn die Erstaussage ist essentiell für eine mögliche Strafverfolgung.
In Bezug auf Kinder mit Kriegs- und Fluchterfahrung etwa aus der Ukraine gibt es eine ganze Bandbreite, was Kinder erlebt haben. Wie kann eine Fachkraft feinfühlig herausfinden, wie sich ein Kind fühlt, wenn sie nicht gezielt nachfragen soll?
Tatsächlich ist es nicht wesentlich, etwas Genaues zu wissen. Den Kindern geht es gerade meistens recht gut, denn sie sind nach der Flucht nun hier bei uns in Sicherheit. Sie sind keinesfalls alle traumatisiert. Wieder: So normal sein, wie es irgendwie geht. Über Spielen und viel Bewegung erreicht man oft mehr als über ein Gespräch. Die Fachkräfte müssen hier nicht anders agieren als bei anderen belasteten Kindern. Vieles klären Kinder auch spielerisch mit ihrer Peergroup. Wenn ein Kind allerdings sehr passiv ist, kaum spricht und viel weint, kann akute therapeutische Hilfe angezeigt sein.
Wo findet Kitapersonal fachliche Unterstützung für ein traumatisiertes Kind?
Einen Therapieplatz zu bekommen ist in Deutschland leider oft mit langen Wartezeiten verbunden. Kitas können sich aber an Trauma oder Erziehungsberatungsstellen wenden, die es inzwischen in fast jeder größeren Stadt gibt. Diese können zwar nicht die Therapie leisten, stehen aber gern mit Rat und Tat in einem spezifischen Fall zur Seite und zeigen Hilfsmöglichkeiten auf.
Traumatisierten Erwachsenen kann es genügen, sich ihren Rückzugsort vorzustellen. Man spricht dann vom inneren oder imaginierten sicheren Ort. „Kinder benötigen aber einen realen sicheren Ort“, sagt die Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Monika Dreiner. „Sie müssen sich in den Räumlichkeiten und bei den Personen, mit denen sie zu tun haben, sicher und gut aufgehoben fühlen.“ Die Grundlagen sind in der Kita ohnehin gegeben: Die Räume sollten so gestaltet sein, dass die Gefahr von Unfällen und körperlichen Verletzungen gering ist. Und die pädagogischen Fachkräfte müssen so auftreten, dass die Kinder keine Angst vor Gewalt oder Grenzverletzungen sowie vor Bestrafungen oder Sanktionen für ihr Verhalten haben müssen.
KURZ GESAGT!
_Traumatisierte Kinder befinden sich im Überlebensmodus
_Fachkräfte holen sie in eine sichere Wirklichkeit zurück
_Kita bietet einen Rahmen, in dem sich das Kind alterstypisch entfalten kann
In der Kita geht es nicht um Therapie, sondern vor allem darum, Verständnis für das Verhalten der Kinder aufzubringen. „Die Kita kann einen Rahmen schaffen und eine Haltung zeigen, die es den Kindern leicht macht, sich so zu zeigen, wie sie sind“, sagt die Expertin. Und nach einem traumatischen Erlebnis würden sie sich eben im Überlebensmodus befinden, was sich unter anderem im Spiel niederschlagen könne. Haben Kinder beispielsweise einen Autounfall erlebt, spielen sie immer wieder mit Autos Zusammenstöße nach. Kinder, die aus Kriegsgebieten geflohen sind, spielen Verstecken. Scheinbar. „In Wirklichkeit suchen sie Schutz“, erläutert die Therapeutin.
„Nicht alle Kinder, die geflüchtet sind, sind auch traumatisiert“, stellt Monika Dreiner aber klar. Das sei erst der Fall, wenn die eigenen Bewältigungsstrategien nicht ausreichte und auch niemand als „Retter“ zur Seite gestanden habe. „Wenn die Mama, Oma oder eine andere vertraute Bezugsperson bei der Flucht dabei war, kann es durchaus sein, dass die Kinder zwar extrem belastet und erschöpft sind, aber nicht traumatisiert.“
Arten von Traumatisierungen
Unterschieden wird zwischen einmaligen und komplexen Traumatisierungen. Einmalige Traumatisierungen können etwa der Tod von Eltern, Geschwistern, des Haustiers oder ein schwerer Verkehrsunfall sein. Komplexe Traumatisierungen können durch wiederholte oder andauernde Grenzverletzungen entstehen, zum Beispiel bei (sexuellem) Missbrauch oder auch, wenn beim Toilettengang wiederkehrend die Intimsphäre der Kinder gestört wird. Die Flucht aus Kriegs oder Krisengebieten fällt ebenfalls in diese Kategorie.
Wenn es um Leben und Tod geht
Ist ein Kind traumatisiert, kann es in eine „getriggerte Verfassung“ geraten. Das bedeutet, dass es durch einen inneren oder äußeren Reiz an die traumatisierende Situation erinnert wird – auch deshalb sollten die Kitafachkräfte nicht von sich aus nach den Erlebnissen fragen (siehe Interview mit Thomas Weber). „Wenn dieser Reiz wirkt, wechselt das Kind von jetzt auf gleich in eine andere Verfassung und ist nicht mehr in der Lage, sein Verhalten zu ändern oder zu kontrollieren“, erklärt Monika Dreiner. Vielleicht werfe es Sachen durch die Gegend, schreie, beiße oder spucke. Die Fachkräfte müssten sich vor Augen führen, dass es im Erleben des Kindes um Leben und Tode gehe, es könne in dem Moment nicht anders handeln. „Ein Merkmal von Traumatisierungen ist, dass man sich nicht im Hier und Jetzt befindet, sondern im Dort und Damals“, sagt Monika Dreiner.
Das Kind bräuchte dann jemanden, der es auffängt und begleitet, statt es auszuschimpfen oder anderweitig zu sanktionieren. Die Aufgabe der Erzieherinnen und Erzieher sei es, das Kind aus dem Traumazustand in die aktuelle Wirklichkeit zurückzuholen. „Dafür muss ich kein Therapeut sein, das kann ich auch mit pädagogischen Mitteln erreichen.“ Beispielsweise könne das funktionieren, indem man dem Kind klarmache, dass es an einem sicheren Ort sei: „Du bist in der Kita. Hier ist alles gut. Komm, wir gucken mal, was wir hier so alles haben.“
Wichtig sei es, den Kindern in der Kita das Gefühl zu vermitteln, dazuzugehören und mit anderen gemeinsam etwas machen oder unternehmen zu können. „Einen Rahmen schaffen, in dem sich das Kind alterstypisch entfalten kann“, sagt Monika Dreiner, denn: „In dem Moment, in dem das Trauma passiert, erstarren die Kinder. Sie unterbrechen nicht nur ihre Handlung in der Situation, sondern sie blockieren zu einem großen Teil ihre Entwicklung.“ Ziel müsse es also sein, die Entwicklung wieder in Gang zu bringen.
Die Fachkräfte müssen im Umgang mit traumatisierten Kindern aber auch auf sich selbst achten. Nicht umsonst gelten Traumata als „ansteckend“. Gelingt es nicht mehr, die eigenen Gefühle und die zum Kind gehörenden Gefühle voneinander zu trennen, „laufen sie Gefahr, dass sie selbst sekundär traumatisiert werden, obwohl sie die Situation gar nicht erlebt haben“, führt Monika Dreiner aus. Die Symptome könnten dann ganz ähnlich sein wie bei den traumatisierten Kindern, also zum Beispiel Schlaflosigkeit, Reizbarkeit, Aufmerksamkeitsprobleme oder schreckhafte Nervosität. Der Austausch im Team sei als vorbeugende Maßnahme wichtig. Darüber hinaus rät die Expertin zu einer Supervision: „Damit jemand Externes, der nicht im Geschehen involviert ist, aus einer anderen Perspektive helfen kann, das Ganze zu sortieren.“
Denn letztlich können die Erzieherinnen und Erzieher nur dann dafür sorgen, dass die Kinder sich in der Kita wohl und geborgen fühlen, wenn sie die Atmosphäre dort selbst so empfinden, fasst Monika Dreiner zusammen. Ansonsten würden die Kinder das spüren und dadurch verunsichert. Deshalb gilt: „Der sichere Ort ist nie nur der sichere Ort der Kinder, sondern der aller Beteiligten.“
Ein Kitateam ist verunsichert, ob es ausreichend gut geschult im Umgang mit traumatisierten Kindern ist. Was ist Ihr Rat?
Es ist sinnvoll, sich mit dem Thema Trauma bewusst auseinanderzusetzen, schon bevor es akut wird. Es hilft zu reflektieren, welche Vorerfahrungen und welches Wissen es dazu bereits gibt – im Gesamtteam, aber auch von Einzelnen, etwa durch andere berufliche Stationen. Doch auch in ihrer täglichen Arbeit leisten Kitateams schon sehr viel, was diesen Kindern guttut, sodass sie sich willkommen und geborgen fühlen können.
Was hilft dem Team noch?
Ich rate dazu, Listen anzufertigen mit geeigneten Beratungsstellen, Psychologen oder Psychotherapeutinnen und so weiter. Alles sammeln und die Telefonnummern und E-Mail-Kontakte aktuell halten. So hat man im Notfall direkt etwas, worauf man schnell zurückgreifen oder das man den Familien an die Hand geben kann.
Ist es für die tägliche Arbeit wichtig, mehr über die körperlich-seelischen Auswirkungen eines Traumas zu wissen?
Es kann auf keinen Fall schaden, wenn Fachkräfte eine grundsätzliche Vorstellung davon haben, was genau im Körper eines traumatisierten Menschen passiert. So entwickeln sie ein Verständnis für das Verhalten und dadurch mehr Feingefühl im Umgang mit dem betroffenen Kind. Aber wie tief ein Team in die Thematik einsteigt, liegt in dessen Ermessen. Genauso wie die Frage, wie viel Zeit das Team dafür investieren möchte oder kann. Es gibt dazu viele Angebote: von zweistündigen Online-Seminaren bis hin zu mehrtägigen Fortbildungen.
Reicht das aus, um ein kompetentes Team zu sein?
Ich denke, ja. Die Einrichtung kann und soll nicht therapeutisch arbeiten. Es geht darum, dem Kind einen guten und sicheren Rahmen zu bieten, in dem es wieder Kind sein kann. Das ist das Wichtigste und passiert in den Einrichtungen ja jeden Tag ganz automatisch.
Nicht jedes Kind, das schlimme Erfahrungen gemacht hat, ist traumatisiert. Davon wie selbstverständlich auszugehen, kann den Blick auf die Stärken und Ressourcen des Kindes verstellen. Der Beitrag rückt diesen Aspekt kritisch in den Fokus: www.klett-kita.de/blog/das-unsichtbare-kind
Ein Sonderheft von „Kindergarten heute“ beschäftigt sich ausschließlich mit Traumapädagogik in der Kita. Es kann für 15,00 Euro unter dieser Adresse bestellt werden: https://kurzelinks.de/4w4h
Das Niedersächsische Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) hat eine ganze Reihe an Fachbeiträgen zum Thema im Angebot: https://kurzelinks.de/trauma-nifbe
Im Kontext des Kriegs in der Ukraine hat das bayerische Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz (IFP) einen Wegweiser für Fachkräfte geschrieben, wie sie geflüchtete Kinder gut begleiten können. Zu finden ist er hier: https://kurzelinks.de/ifp-ukraine
Im Podcast „Gedankenspiel“ des sächsischen Modellprogramms WillkommensKITAs berichtet Traumapädagogin Heike Krakau von der Arbeit mit traumatisierten Kindern. Nachzuhören hier (Folge 6): https://willkommenskitas.de/material/podcast/
Informationen für alle, die mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen zu tun haben. Das bietet die Broschüre „Trauma – was tun?“. Sie lässt sich bei der Unfallkasse Berlin in vielen Sprachen herunterladen: www.unfallkasse-berlin.de, Webcode: ukb1135
Die Fachkräfte hatten ein Angebot der Unfallkasse Nord angenommen, für ein halbes Jahr an einem bewegungspädagogischen Fortbildungsprojekt teilzunehmen, in dessen Rahmen das Material – orientiert nach Hengstenberg und Pikler – ausgeliehen werden konnte. Geschultes Personal hat die Kita außerdem über den gesamten Projektzeitraum intensiv betreut und stand bei Fragen immer hilfreich zur Seite.
KURZ GESAGT!
_Bewegungsangebote nach Hengstenberg und Pikler schulen neben Gleichgewicht und Motorik auch Fantasie und Selbstbewusstsein
_Viele positive Effekte in allen Altersstufen
_Fachkräfte beobachten, begleiten und bestärken – leiten jedoch kaum an
Nur ein Karton pro Tag durfte ausgepackt werden, um die Kinder nicht zu überfordern. Denn was da zum Vorschein kam, war immer verlockend und hatte einen großen Aufforderungscharakter. „Nachdem wir uns mit dem Material vertraut gemacht hatten, fand für zwei Erzieherinnen die erste von drei Schulungen statt“, erzählt Kitaleiterin Gabriela Heiden. Obwohl die ersten Schulungen noch digital abgehalten wurden, kamen praktische Übungen nicht zu kurz. Die Kolleginnen wiederum gaben ihr neues Wissen ans Team weiter.
Und dann kamen die Kinder. „Barfuß, niedrig beginnend, viel Geduld und Zurückhaltung – das waren die Tipps, die uns mit auf den Weg gegeben wurden“, erinnert sich Gabriela Heiden. Nach einigen Umräumaktionen war im neuen „Bau und Turnzimmer“ auch ausreichend viel Platz geschaffen, um das tolle Material täglich nutzen zu können. Nach etwa sechs Wochen bekamen auch die Eltern bei einem Elternabend Gelegenheit, auf den Balancierstangen, Hühnerleitern, Rutsch- und Kippelbrettern ihr Gleichgewicht zu testen. Die Pädagogin schmunzelt: „Barfuß klettern und balancieren – das ist für uns Erwachsene sicher nicht alltäglich.“
Keine Vorgaben an die Kinder
Anfänglich nutzten die Kinder das Bewegungsmaterial ausschließlich zur Verbesserung der grobmotorischen Fähigkeiten; es wurde viel gerutscht und neue Kletteroptionen ausprobiert. Die Kinder kletterten, turnten, balancierten mit offenen und geschlossenen Augen. Jedes Kind in seinem Tempo mit selbst gewählten Herausforderungen. Vorgaben durch Erwachsene gab es in der Regel nicht.
Später errichteten die Kinder Bewegungslandschaften. „Sie spielen etwa, dass der Boden Lava ist und nicht berührt werden darf“, führt Heiden aus. Oftmals zeigte ein Kind etwas und die anderen Kinder versuchten es anschließend ebenfalls. Die älteren Kinder nutzten das Material auch viel für Rollenspiele, sie bauten damit Häuser oder Ställe für Spielzeugtiere. Die unter Dreijährigen dagegen verwendeten das Material meist in ihrer Ursprungsform. Für diese Altersgruppe bauten die pädagogischen Fachkräfte etwas auf oder gestalteten gemeinsam mit ihnen eine Bewegungslandschaft. Eine Fachkraft blieb über den gesamten Zeitraum mit im Zimmer. Bei den Einjährigen ließ sich sehr gut beobachten, wie hoch konzentriert sie bei der Erkundung des Materials waren, verschiedene Möglichkeiten beim Überwinden von Hindernissen ausprobierten und dabei sehr bedacht und genau handelten (beispielsweise Umgreifen der Hände). Die Kitaleiterin: „Dies unterstützt sie enorm in ihrer Motorik und Selbsteinschätzung.“
Rolle der pädagogischen Fachkräfte: begleiten und bestärken
Klar, dass es für die Nutzung der Geräte auch Regeln geben muss, damit nichts passiert: nur barfuß, nicht drängeln und schubsen, nur das tun, was man sich allein zutraut, und immer noch einmal die Erwachsenen den sicheren Aufbau des Parcours prüfen lassen. Die Fachkräfte erinnern die Kinder immer wieder daran – und die Kinder sich gegenseitig. Der selbstständige Umgang mit dem Material zeigt sich auch in einem erhöhten Selbstwertgefühl. „Die Kinder kommen stolz zu uns und möchten uns gebaute Objekte zeigen oder was sie schon können oder sich zutrauen“, erzählt Gabriela Heiden. Ihre Beobachtung ist, dass die Kinder sich sehr gut selbst einschätzen können und instinktiv wissen, was sie eigenständig bewerkstelligen können. Die Rolle der pädagogischen Fachkräfte beschränkt sich darauf, die Kleinen moralisch zu unterstützen, ihnen Zuspruch und Vertrauen in ihre Fähigkeiten zu geben. „Wir greifen in der Regel nicht aktiv ein“, betont die Pädagogin. Obwohl das Projekt eigentlich zeitlich auf ein halbes Jahr befristet war, hat sich die Kita Schatzmoor aufgrund der rundum positiven Beobachtungen dazu entschieden, das Material dauerhaft zu behalten. Im Bau und Turn zimmer wird also weiterhin balanciert.
Das Kinderhaus Schatzmoor ist eine Montessoripädagogische Kindertagesstätte und liegt in Süderbrarup bei Flensburg. Die Kita betreut insgesamt 46 Kinder von einem bis sechs Jahren in drei Gruppen.
Ob sie zu ihrer Matratze auf dem Boden tapsen oder ins Bettchen klettern, einen Schlafsack anziehen oder sich in ihre Decke kuscheln: Damit sich Kinder beim Mittagsschlaf in der Kita wohlfühlen, braucht es nicht viel – wenn nur das geliebte Kuscheltier oder Kuscheltuch dabei ist. Doch damit sie nicht nur gut, sondern auch sicher schlafen, gilt es durchaus ein paar Dinge zu beachten. „Grundsätzlich sollte jedem Kind ein eigener Schlafplatz zur Verfügung stehen, der seinem Alter und seiner Entwicklung gerecht wird“, sagt Sicherheitsexperte Uwe Hellhammer von der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen. Dazu gehört, dass die Kleinen selbstständig ins Bett hineinkommen – und auch wieder hinaus. Zudem muss nicht nur der Schlafplatz, sondern der gesamte Raum sicher sein, weshalb das Kitapersonal genau hinschauen muss, wo Gefahren drohen könnten. Liegen Murmeln oder andere kleine Gegenstände herum, die Krippenkinder in den Mund stecken könnten? Befinden sich ungesicherte Steckdosen in der Nähe? Gibt es Fenster, die zu einem Risiko werden können? „Da müssen die Erzieherinnen und Erzieher ganz individuell hinschauen“, meint der Experte.
KURZ GESAGT!
_Rein und raus aus dem Bett: Kinder sollen dies selbstständig bewältigen können
_Nicht nur das Bett, auch der Raum muss sicher sein
_Der Entwicklungsstand der Kinder sowie Vorgaben des Bundeslands sind für die Aufsichtsregelung entscheidend
Bett oder Matratze?
Es gibt keine Empfehlung, wie die Betten genau aussehen sollen. Ob Matratzen, Standardbetten oder Spezialanfertigungen sei letztlich Geschmackssache – aber: „Alle Betten müssen technisch einwandfrei und nach Herstelleranleitung sicher aufgebaut sein“, betont Uwe Hellhammer, „ohne spitze Kanten oder Ritzen.“ Zwischen den Schlafplätzen sollte ausreichend Platz sein, um sich bewegen zu können.
Gitterbetten seien wirklich nur für Säuglinge empfehlenswert, sagt der Kitaexperte. Babys könnten so in einer geschützten Umgebung einschlafen. Hochbetten sind seiner Meinung nach in Kitas nicht geeignet, da die Gefahr von Stürzen groß ist. Wird zum Schutz die obere Etage mit Gittern versehen, können Kinder das Bett wiederum nicht selbstständig verlassen.
Außerdem ist es wichtig, dass die Kinder beim Schlafen nicht beim Atmen behindert werden und immer genug Luft bekommen. Deshalb sei im Bett auf „voluminöse Materialien“ zu verzichten, betont Hellhammer. „Kinder könnten sonst mit dem Kopf hineinsinken und Nase beziehungsweise Mund verdeckt werden.“ Das gelte es zu verhindern. Mit anderen Worten: Dicke Kissen, Decken und Schaffelle sowie Unmengen an Plüschtieren sind tabu. Ein Schlafsack ist okay, solange der Stoff nicht über den Kopf rutschen kann. Empfohlen wird in Schlafräumen eine Temperatur von 18 Grad Celsius, sodass eine dünne Decke ausreicht. Wichtig ist auch, die Kinder vor einem Wärmestau zu schützen. Deshalb ist direkte Sonne zu vermeiden und auf Heizkissen zu verzichten. Zudem muss sichergestellt werden, dass sich Kinder im Schlaf nicht irgendwo verheddern. Deshalb dürfen keine Bänder, Schnüre oder Gardinen herunterhängen, wie es bei Himmelbetten mitunter üblich ist.
Aufsicht individuell regeln
Und wie sieht es mit der Aufsicht aus? „In den Bundesländern kann es dazu unterschiedliche Regelungen geben“, sagt Uwe Hellhammer. In der Regel gilt: „Die pädagogischen Fachkräfte müssen im Team selbstständig entscheiden, wie sie die Kinder während des Mittagsschlafs beaufsichtigen.“ Ausschlaggebend dafür seien der Entwicklungsstand und die individuellen Bedürfnisse eines jeden Kindes. „Die können jedoch von Tag zu Tag anders aussehen.“ Je nach Situation kann es ausreichend sein, in regelmäßigen Abständen nach schlafenden Kindern zu schauen. Oder das Team legt fest, dass dauerhaft eine pädagogische Fachkraft anwesend ist.
Ein eigener Schlafplatz in sicherer Umgebung mit geregelter Aufsicht, vielmehr brauche es nicht, so Uwe Hellhammer, „damit Kinder gut und sicher schlafen können.“
Sind Beschäftigte über einen längeren Zeitraum einem Lärmpegel von 85 Dezibel ausgesetzt, gilt das als gehörschädigend. Das entspricht der Lautstärke von mittelstarkem Straßenverkehr oder einem Rasenmäher. In Kindertagesstätten wird dieser Wert im Tagesmittel selten oder gar nicht überschritten. Birte Weber, Zuständige für Lärmmessungen der Unfallkasse Nord, erklärt: „Dennoch belastet die dort herrschende Lautstärke Erziehende und Kinder. Die Ursache ist in den meisten Fällen eine unzureichende Raumakustik. Aus einer schlechten Akustik resultiert dann eine schlechte Sprachverständlichkeit: Alle sprechen automatisch immer lauter und lauter. Der Lärmpegel schaukelt sich hoch.“ Bei einer schlechten Raumakustik sind Kinder unaufmerksamer und können schlechter zuhören. Sie reden mehr durcheinander und müssen stärker um Aufmerksamkeit kämpfen. „Besonders Kleinkinder sind jedoch auf optimale Hörbedingungen angewiesen, um sprachliche Informationen verstehen und verarbeiten zu können“, sagt Birte Weber. Ansonsten könnten Probleme beim Spracherwerb die Folge sein.
KURZ GESAGT!
_Lärm ist ein bedeutender Stressfaktor – für alle
_Bauliche Maßnahmen können die Raumakustik deutlich verbessern
_Auch organisatorische und pädagogische Maßnahmen sind hilfreich
Wenn ein Raum „hallig“ klingt, spricht man von einer schlechten Raumakustik. Diese Halligkeit kennt man beispielsweise von leeren Räumen oder Bahnhofshallen. Damit es weniger stark und weniger lange nachhallt, müssen also „Schallschlucker“ in den Raum. Oder wie es die Expertin ausdrückt: „Die Schallreflexion von Oberflächen muss verringert und die Schallabsorption erhöht werden.“
TIPP
Filz unter Stühlen und Tischen oder in Schubladen hilft zusätzlich Lärm zu vermeiden.
Vorhänge und Teppiche lösen das Problem nicht
Um das zu erreichen, sind sehr gute Akustikdecken das A und O. „Viele Kitas fragen sich, ob man das Problem nicht auch mit Vorhängen und Teppichboden lösen kann.“ Doch das erhöht die Brandgefahr und „außerdem wird dadurch der Schallpegel nur minimal gesenkt. Vorhänge beispielsweise absorbieren nur 12 Prozent des auftreffenden Schalls. Im Vergleich: Eine gute Akustikdecke absorbiert bis zu 95 Prozent“, erklärt Birte Weber.
Ein häufiger Fehler beim Neubau oder der Sanierung von Kitas: In manchen Räumen wird auf den Einbau sehr guter Akustikdecken verzichtet, weil beispielsweise für einen Büroraum die Notwendigkeit nicht gesehen wird. Das wird dann zu einem Problem, wenn der Büroraum zum Gruppenraum umfunktioniert wird – in Kitas keine Seltenheit. Birte Weber vertritt daher den Punkt: „Alle Räume brauchen eine ausgezeichnete Akustik. Dazu gehören auch Mehrzweckräume, Sanitärräume und Flure.“ Und die Investition lohnt sich: „Damit gut und gesund gearbeitet und gelernt werden kann, müssen überall sehr gute Akustikdecken und bei Räumen mit einer Deckenhöhe von mehr als drei Metern zusätzlich sehr gutes Wandakustikmaterial installiert sein. Davon profitieren alle Beteiligten über Jahrzehnte.“
Immer noch zu laut?
Wenn es trotz guter Akustik noch immer zu laut ist, können die Räume in Bereiche eingeteilt werden. Schallabsorbierende Möbel eignen sich dafür als Raumteiler. Sinnvoll ist es ebenso, die Kinderanzahl in bestimmten Bereichen zu begrenzen oder die Gruppen zu teilen: Weniger Kinder bedeutet weniger Lärm.
Das Raumkonzept spielt ebenfalls eine wichtige Rolle: Das Raumangebot sollte nach Lautstärke angeordnet werden. Ein Ruheraum verliert zwischen Bewegungsraum und Außengelände, wo es laut werden kann und darf, schnell seinen Zweck. Überhaupt sollten lautes Spiel und möglichst viele Aktivitäten nach draußen verlegt werden.
Feste Ruhephasen, wie beispielsweise die Mittagszeit, sind ein wichtiges Instrument gegen zu viel Lärm. Wird es beim Raumwechsel oder einer Brückenzeit laut, können kleine Rituale wie Schleichspiele helfen. Und wenn es den Kindern selbst zu laut wird, können sie vereinbarte Handzeichen oder Handpuppen nutzen. Wichtig ist auch, drinnen ganz bewusst Zeiten einzuplanen, in denen die Kinder laut sein dürfen. Hierfür bieten sich Sing oder Bewegungsspiele an.
„Wichtig ist, bei den Kindern ein Lärmbewusstsein zu schaffen“, rät Birte Weber. Erzieherinnen und Erzieher können die Kinder spielerisch über die Ursachen
und Folgen von Lärm aufklären. Sie können Regeln wie „Wir fallen uns nicht
ins Wort“ gemeinsam erarbeiten und in Bildern darstellen. Hier gilt: sichtbare Regeln für alle. Denn nur, wenn sich auch die Erzieherinnen und Erzieher an die Regeln halten, tun es ihnen die Kinder gleich.
Eine Kitaleiterin schrieb, sie sei verunsichert, wie sie denn der Dokumentationspflicht nachkommen solle, wenn aus Gründen des Datenschutzes kein Verbandbuch mehr geführt werden dürfe …
Das ist ein Missverständnis. Selbstverständlich darf weiterhin das klassische Verbandbuch geführt werden. Die Kitaleitung muss aber dafür sorgen, dass nur dazu befugte Personen Zugriff auf das Verbandbuch haben. Einer Kita ist es komplett freigestellt, wie sie Erste-Hilfe-Leistungen dokumentiert. Meldeblöcke oder Verbandbücher sind hier nur Angebote. Genauso gut kann man eine Excel-Tabelle anlegen. Aus Sicht des Datenschutzes ist nur wichtig, dass lediglich die Personen darauf zugreifen können, die das auch dürfen.
Und wer darf das?
Zunächst sind das die Ersthelfer und Ersthelferinnen und dann alle, die im weiteren Sinne etwas mit der Ersten Hilfe in der Einrichtung zu tun haben (z. B. Betriebsarzt, Fachkraft für Arbeitssicherheit). Es können jedoch auch andere Personen mit der Dokumentation oder anderen Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Ersten Hilfe von der Kitaleitung bestimmt werden.
Welche Vorteile hat der Abreißblock gegenüber dem Verbandbuch?
Man kann ihn, anders als ein Verbandbuch, überall hinlegen, denn die Eintragungen werden ja gesondert aufbewahrt. Das ist schon praktischer, weil so der Block bei Bedarf schnell zur Hand ist. Für das Verbandbuch, in dem ja die Eintragungen aller vorigen Erste-Hilfe-Leistungen zu sehen sind, muss sich die Einrichtung Sicherungsmaßnahmen überlegen, um dem Datenschutz zu entsprechen. Es muss sicher sein, dass niemand hineinschaut, der das nicht darf.
Wie muss man mit den Zetteln des Abreißblocks vorgehen?
Es muss geklärt sein, wie und an wen die einzelnen Zettel weitergegeben und in welcher Form sie abgelegt werden. Sinnvoll ist, die Zettel zentral abzuheften und nicht etwa in der Akte des Kindes oder der Mitarbeitenden. Denn die Personen, die auf die Erste-Hilfe-Daten zugreifen dürfen, sind in der Regel nicht auch berechtigt, in die Personalakten zu schauen. Die Daten zentral abzulegen ist auch deshalb zweckmäßig, weil Unfälle, die nicht meldepflichtig sind, erfasst werden können und
deren Auswertung Hinweise auf bestimmte Unfallschwerpunkte liefert, gegen die man präventiv etwas unternehmen sollte. Zudem ist so die Löschung der Daten nach den fünf Jahren Aufbewahrungspflicht leichter.
Und wenn sich eine Kita entscheidet, das Ganze elektronisch zu machen?
Auch dann muss sie Personen bestimmen, die auf die Datei und damit die Daten Zugriff haben. Es reicht nicht aus, den Rechner oder die Datei mit einem Passwort zu sichern. Die sauberste Lösung ist, einen separaten Ordner anzulegen, auf den nur die befugten Personen eine Zugriffsberechtigung haben.
Die Fragen beantwortete Ina Doppstadt, sie ist Datenschutzbeauftragte bei der Unfallkasse NRW.
Die Dokumentation von Erste-Hilfe-Leistungen und Unfällen, die nicht meldepflichtig sind, sichert mögliche spätere Ansprüche an die gesetzlichen Unfallversicherungsträger. Sollten sich etwa bei einer Verletzung erst nach einiger Zeit ernstere Folgen herausstellen, weist der Eintrag nach, dass der Unfall während des Kitabesuchs (bzw. während der Arbeitszeit) geschah.
Ich fahre in meiner Freizeit Stockcar. Bei diesen Autorennen geht es ordentlich zur Sache, da sind Zusammenstöße an der Tagesordnung und man überschlägt sich auch schon mal. Bei meinem Hobby muss man deshalb sehr auf die Sicherheit achten. Genauso liegt es mir am Herzen, dass es für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die Eltern und Kinder bei uns in der Kita sicher ist. Als Sicherheits- und Brandschutzbeauftragte trage ich dazu bei. Das macht mir Spaß, weil es eine spannende Aufgabe ist, bei der ich Neues lerne und Verantwortung trage. Wichtig ist es mir, im Team auf Augenhöhe zu agieren und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Die Kolleginnen und Kollegen nehmen mich dabei als Ansprechpartnerin und Unterstützung wahr. Wenn ich wiederum Fragen zu Sicherheitsthemen abklären muss, ist die BGW eine sehr gute Ansprechpartnerin.
Gibt es in Ihrer Kita eine ganz besonders engagierte Person – ganz egal ob pädagogische Fachkraft, Hausmeister, Küchenfee oder Elternteil? Gern stellen wir sie an dieser Stelle vor! Schreiben Sie uns doch einfach eine Mail an kinderkinder@dguv.de.
Heute sind alle Freudibold. Also glücklich und zufrieden. Aber die Kinder dürfen in der ASB-Kita „Sonnenland“ im Neuruppiner Ortsteil Wuthenow auch mal anders sein. Bibberbold, Heulibold oder sogar Zornibold. Wichtig ist, dass sie sich ihrer Gefühle bewusst werden und sie benennen können: Ich habe Angst (Bibberbold), ich bin traurig (Heulibold) oder ich ärgere mich (Zornibold).
Die vier Kobolde, deren Gesichter Erzieherin Birgit Zabel im Morgenkreis als Bilder auf dem Boden ausgebreitet hat, helfen den Kindern dabei. „Seht ihr jemanden, der traurig ist?“, fragt sie. Kami und Klara deuten auf Heulibold. „Ich zeige euch mal, wie ich aussehe, wenn ich traurig bin“, sagt Birgit Zabel und macht ein trauriges Gesicht. Elias ist das nicht genug. „Nein“, sagt er. „Wenn ich traurig bin, dann weine ich.“ Julian ergänzt: „Wenn ich weine, läuft meine Nase.“
Freudibold, Bibberbold, Heulibold und Zornibold – die Bilder der vier Kobolde liegen im Morgenkreis auf dem Boden.
Das Gespräch über Gefühle, es nimmt langsam Fahrt auf. Was ihnen helfe, wenn sie traurig seien, will die Erzieherin wissen. „Ein Stück Kuchen“, sagt Julian. Dann springt ihm Klara zur Seite: „Aber dir geht’s doch auch besser, wenn du ein Kuscheltier hast.“ Stimmt. Wobei es bei Julian ein Kuscheltuch ist. Aber das spielt ja keine Rolle. Hauptsache kuschelig. Und Hauptsache, man hat mal darüber geredet und sich in die anderen hineinversetzt.
KURZ GESAGT!
_Kinder früh emotional und sozial zu stärken, hilft ihnen im Umgang mit eigenen Gefühlen und den Gefühlen anderer
_Die Kompetenzen der Kinder stehen im Mittelpunkt, nicht die Defizite
_Augenhöhe mit den Kindern ist wichtig
Respektvolle, gewaltfreie Atmosphäre ist Frage der Haltung
„Zeigt mir mal, wie es aussieht, wenn ihr wütend seid“, fordert Birgit Zabel die Kinder auf. Sofort fangen sie an, Grimassen zu schneiden. Das sieht eher lustig aus, weil man den Kindern den Spaß anmerkt. Dann kommt Handpuppe Tom ins Spiel. „Ich bin ganz doll wütend – ein anderes Kind hat mir gestern mein Spielzeug weggenommen“, lässt die Erzieherin ihn sagen, um das Gespräch zu lenken. Toms Ärger darüber können alle nachvollziehen. Aber es geht ja auch darum, den Kindern beizubringen, mit solchen Situationen umzugehen. Das haben sie schon gut verinnerlicht. „Wenn wir etwas nicht wollen: Was machen wir?“, fragt Birgit Zabel. „Stopp!“, rufen die Kinder und untermalen das mit einer Geste. Sie strecken einen Arm aus, die Handfläche zeigt nach vorne. Dann sagen sie laut und deutlich: „Ich will das nicht!“ Sprechen statt schlagen.
Die Kinder bringen klar zum Ausdruck, wenn sie etwas nicht wollen. „Stopp!“, rufen sie und untermalen das mit einer Geste. „Ich will das nicht!“
Eine solch respektvolle, gewaltfreie Atmosphäre ist für den Träger und die Beschäftigten der Kita „Sonnenland“ eine Frage der Haltung. „Wir sind immer schon sehr wertschätzend miteinander und mit den Kindern umgegangen“, sagt Kitaleiterin Doreen Bohm. Bei der Suche nach neuen Ansätzen kam das Programm Papilio wie gerufen.
Papilio entwickelt und verbreitet pädagogische Methoden zur Gewalt- und Suchtprävention mithilfe zertifizierter Trainerinnen und Trainer. Wissenschaftlich fundiert in der Theorie, ganz nah an der Zielgruppe in der Praxis. Ziel des gemeinnützigen Unternehmens ist es, Kinder sozial und emotional zu stärken. „Damit sie später mit sich und ihren Gefühlen, mit anderen Menschen und mit schwierigen Situationen gut umgehen können“, fasst Doreen Bohm zusammen.
Der entwicklungsfördernde Ansatz von Papilio ist recht einfach erklärt: Nicht nur die Defizite der Kinder stehen im Fokus, sondern vor allem das, was sie können und mitbringen. Diese Kompetenzen werden gefördert. Im Kita-Alltag funktioniert das unter anderem mit drei spielerischen Maßnahmen für Drei- bis Sechsjährige, die entwicklungspsychologisch aufeinander aufbauen.
1. Der Spielzeugmacht-Ferien-Tag
Das Spielzeug wendet sich in einem Brief an die Kinder: Es möchte sich ausruhen. Diesen Wunsch verstehen die Kinder. An einem Tag in der Woche wird das Spielzeug daher nicht angerührt. „Ziel ist, dass die Kinder ihre Bedürfnisse erkennen und Spielideen entwickeln“, erklärt Papilio-Trainerin Ellen Martin. Außerdem brechen die immer gleichen Gruppen auf, die ansonsten zusammen Türme bauen, mit Puppen oder Bällen spielen. „Die Kinder sollen andere Spielfreunde ansprechen und kennenlernen“, sagt Ellen Martin.
2. Paula und die Kistenkobolde
Die Geschichte, für die in Kooperation mit der Augsburger Puppenkiste die vier Kobolde entworfen wurden, bringt den Kindern den Umgang mit den Primärgefühlen Freude, Angst, Trauer und Ärger näher. „Die Kinder lernen: Bei mir ist das so, bei anderen ist das so – und ich weiß, was ich tun kann“, sagt Ellen Martin. Also: die eigenen Gefühle erkennen und regulieren lernen sowie Einfühlungsvermögen für andere entwickeln.
3. Das Meins-deins-deins-unser-Spiel
Das Einhalten von Regeln wird in ein Spiel verpackt. „Kinder wollen ab einem bestimmten Alter gern die Bestimmer sein. Und sie wollen in den Wettbewerb treten“, erläutert Ellen Martin. Also werden die Kinder in Gruppen eingeteilt und überlegen sich Preise: Bällebad, Spielplatzbesuch oder das Vorlesen eines Märchens im Stuhlkreis zum Beispiel. Das Spiel geht so: Wir teilen beim Malen die Stifte. Oder: Wir lassen uns im Stuhlkreis ausreden. Die Gruppe, die das am besten macht, darf am Ende darüber bestimmen, welcher Preis eingelöst wird – und zwar für alle.
Schon die unter Dreijährigen profitieren im „Sonnenland“ von Papilio. Für die Jüngsten geht es um das Entdecken des eigenen Seins und darum, Bindungen einzugehen, damit sie früh emotionale Sicherheit gewinnen. „Gerade im U3-Bereich sind wir Leuchttürme und Orientierungspunkte für die Kinder“, weiß Erzieherin Anette Drewes dabei um ihre Vorbildfunktion. Also achtet sie wie das gesamte Kitateam auch auf Kleinigkeiten. „Wir erklären: Ich bringe jetzt nur das Taschentuch zum Mülleimer“, gibt sie ein Beispiel. Damit die Kinder wissen: Die Erzieherin ist da, auch wenn ich sie mal für einen Augenblick nicht sehe. „Es ist wichtig, die Kinder bei allen Dingen miteinzubeziehen.“ Dadurch werde der Grundstein für stabile Beziehungen im Leben gelegt.
Erzieherinnen haben auch an sich selbst Veränderungen festgestellt
Mit einfühlsamem, wohlwollendem Blick versuchen sie im brandenburgischen Wuthenow, auf das Verhalten der Kinder einzugehen. Ein lautes „Jetzt reicht’s aber!“ wird man dort nicht hören. „Wenn wir uns auf die Ebene der Kinder einlassen und ‚erraten‘, was gerade ihr Problem ist, fühlen sie sich verstanden und hören dann auch auf zu schreien oder zu weinen“, hat Anette Drewes während ihrer Fortbildung beobachtet. „Die Kinder wirken gleich viel entspannter – auch wenn die Zweijährigen das noch nicht äußern können.“
Doreen Bohm ist nach Abschluss der Präventionsfortbildungen angetan: „Wir sind uns mit Papilio darüber bewusster geworden, dass alles, was wir tun – also zum Beispiel unsere Haltung und wie wir kommunizieren –, eine Wirkung auf unser Gegenüber hat. Wie die Erzieherinnen und Erzieher mit den Kindern kommunizieren, wie die Kinder untereinander kommunizieren, wie sie Gefühle ansprechen und gemeinsam auf Regeln achten – da ist eine positive Entwicklung zu erkennen.“ Gleichwohl geht es auch im „Sonnenland“ nicht ohne Schubsen, Kratzen und Hauen zu. Schließlich gehört das zur kindlichen Entwicklung. „Aber die Kinder haben Strategien entwickelt, solche Situationen zu bewältigen“, sagt die Kitaleiterin.
Die Erzieherinnen haben auch Veränderungen an sich selbst festgestellt: „Ich schaue genauer hin, wie ich die Kinder in ihrem Tun bestärken kann“, sagt Birgit Zabel. Statt des pauschalen „Das hast du toll gemacht“ erklärt sie den Kindern, was sie toll gemacht haben, und berücksichtigt dabei deren Entwicklungsstand. Hat die Sechsjährige das ganze Blatt ausgenutzt und beim Ausmalen darauf geachtet, nicht über die Linien zu malen? Das hast du gut gemacht! Hat der Dreijährige zum ersten Mal allein den Reißverschluss zugemacht? Du kannst stolz auf dich sein!
Zu guter Letzt hat sich auch das Verhalten der Erzieherinnen untereinander verändert. „Papilio verändert die eigene Einstellung zu Menschen. Wir haben mehr über uns selbst und über die Kollegen erfahren, das hat uns als Team zusammengeschweißt“, sagt Birgit Zabel. Und das, obwohl das Präventionsprogramm den Erzieherinnen viel abverlangt, wenn sie sich ihren Umgang mit den Kindern gegenseitig spiegeln müssen. „Dafür muss man offen sein“, weiß Papilio-Trainerin Ellen Martin, der das ehrliche Miteinander und der Zusammenhalt im „Sonnenland“ großen Respekt abnötigen. „Wenn die Erzieherinnen im Team pädagogisch und menschlich auf einer Wellenlänge liegen, funktioniert es auch mit den Kindern. Das habe ich hier sofort gespürt und erlebt.“
In der Kita „Sonnenland“ sind die Kinder deshalb meistens Freudibold. Aber sie haben auch gelernt, wie sie damit umgehen können, wenn der innere Zornibold in ihnen aufsteigt: Stopp – Gewalt ist keine Lösung!
ÜBER PAPILIO
Die Fortbildung mit „Papilio-3bis6“ umfasst acht Fortbildungstage, die sich über einen Zeitraum von eineinhalb bis zwei Jahren erstrecken und die entweder als Inhouse-Schulung für das gesamte Kitateam oder in Form gemischter Kurse mit Teilnehmenden aus verschiedenen Kitas stattfinden. Kitas können gemäß Präventionsgesetz (§ 20a SGB V) eine Förderung ihrer Fortbildung bei einer Krankenkasse beantragen. BARMER und Techniker Krankenkasse übernehmen beispielsweise den Großteil der anfallenden Kosten. Auch für die Fortbildung mit dem Programm „Papilio-U3“, die etwa ein Jahr dauert, ist eine Förderung möglich.
„Ich kann Probleme lösen (IKPL)“, ein Programm für Kitas im Rahmen des durch das Bundesfamilienministerium geföderten Projekts EFFEKT (Entwicklungs-Förderung in Familien: Eltern- und Kinder-Training) www.effekt-training.de/ikpl
Kinder dürfen ruhig mal traurig sein, mal aufgedreht – und auch mal aggressiv. Sie lernen so, sich selbst zu behaupten und Grenzen zu setzen. Das ist Teil ihrer Entwicklung. „Erst wenn sich das Verhalten eines Kindes über einen längeren Zeitraum oder in besonders starker Ausprägung vom Verhalten Gleichaltriger unterscheidet, kann man überlegen, von einer Verhaltensauffälligkeit zu sprechen“, sagt der Entwicklungspsychologe Herbert Scheithauer.
KURZ GESAGT!
_Ursachen für auffälliges Verhalten herausfinden
_Negatives Verhalten nicht durch Aufmerksamkeit verstärken
_Entwicklungsstand und Kontext sind wichtig
Auffälligkeit oder Temperament?
Doch auch in diesem Fall sollten Erzieherinnen und Erzieher noch zwei wichtige Aspekte bedenken. Erstens: Stimmt meine Wahrnehmung? Verhaltensauffälligkeiten würden gelegentlich mit Temperamentsunterschieden verwechselt, weiß Scheithauer. So könne etwa eine ruhige Erzieherin das Verhalten eines sehr lebhaften Kindes leicht als problematisch wahrnehmen. Zweitens: Auch Kinder derselben Altersgruppe können sehr unterschiedlich sein in ihren Wesenszügen und den Kompetenzen, die sie mitbringen. „Das muss keine Verhaltensauffälligkeit sein“, betont der Professor der Freien Universität Berlin. „Es kann sein, dass das eine Kind in seiner sozialen und emotionalen Entwicklung noch nicht so weit ist wie das andere.“
Erzieherinnen und Erzieher sollten versuchen, die Ursachen für das problematische Verhalten herauszufinden. In der Regel wissen sie, ob das Haustier gestorben ist, ein Brüderchen geboren wurde oder die Eltern gerade Streit haben. Das Risiko von auffälligem, aggressivem Verhalten ist vor diesem Hintergrund erhöht. Aber es sollte sich bald wieder einrenken.
Anders gelagert ist der Fall, wenn Kinder bereits aggressives Verhalten erlernt haben, etwa durch Modelle in der Familie oder in den Medien. „Ein Elternteil schreit häufig und setzt durch dieses aggressive Verhalten seine Ziele durch“, veranschaulicht Scheithauer exemplarisch. „Das Kind lernt: So erreiche ich, was ich will. Und so verhält es sich dann auch in der Kita.“ Was bei diesen Kindern helfen kann: in diesem Moment nicht auf das unangemessene Verhalten eingehen. Sonst lernt das Kind, dass es tatsächlich Aufmerksamkeit bekommt, wenn es schreit, tobt, Quatsch oder Krach macht – selbst wenn die Aufmerksamkeit aus Ermahnungen besteht. Das negative Verhalten wird somit noch verstärkt. Stattdessen sollten sich die Fachkräfte dem Kind dann zuwenden, wenn es sich nicht mehr unangemessen oder sogar positiv verhält: „Toll, Jochen, was du da mit Lego baust! Das sieht wirklich schön aus“, nennt Scheithauer ein Beispiel.
Überhaupt blühen Kinder regelrecht auf, wenn sie angemessen Lob erhalten. Haben Kinder positives, prosoziales Verhalten gezeigt, sollte das Kitapersonal ihnen das auch sagen. „Jochen, das hast du toll gemacht, dass du den Bauklotz abgegeben hast. Guck mal, wie Jacqueline sich freut, dass sie jetzt mitspielen kann“, veranschaulicht Scheithauer. „Auf längere Sicht habe ich dadurch viel dafür getan, dass sich seltener aggressives Verhalten zeigt.“
Zum Nachdenken und Nachfühlen anregen
Wird ein Kind gegenüber anderen aggressiv, hilft es, ihm die Auswirkungen seines Verhaltens zu verdeutlichen und es zum Nachdenken anzuregen. Scheithauer: „Jochen, wenn du ihr den Bauklotz wegnimmst: Was meinst du, wie Jacqueline sich dabei fühlt? Wie würdest du dich fühlen?“ Dafür müssen die Kinder in der Lage sein, ihr eigenes Verhalten regulieren und sich in andere hineinversetzen zu können. Eine Frage des Alters und des Entwicklungsstandes sowie des Kontextes.
Zum Kontext gehört auch, die Wahrnehmung und Bedürfnisse der Kinder einer Gruppe im Blick zu haben und auszutarieren. Ein sehr lebhaftes Kind in einer sehr ruhigen Gruppe oder zwei sehr lebhafte Kinder in derselben Gruppe – beides könnte problematisch werden. „Als Erzieherin muss ich sehr feinfühlig sein und die Kinder auf eine Ebene bringen“, sagt Scheithauer.
Das funktioniert über klare Regeln, die in der Kita aber nicht starr festgelegt sein, sondern für die Entwicklung genutzt werden sollten. Beispiel Bauklötze: Nicht alle können immer damit spielen. Jochen hätte zwar Lust darauf, wäre aber eigentlich nicht dran. „Jochen ist heute traurig. Wollen wir ihm nicht einen Bauklotz abgeben?“, beschreibt Scheithauer ein Szenario. Gesagt, getan. „Und dann erleben Kinder etwas total Schönes im zwischenmenschlichen Bereich.“
Die Kinder mit proaktivem Verhalten zu erreichen, ist für Herbert Scheithauer der Schlüssel für einen wertschätzenden Umgang miteinander: „Dann werde ich in Zukunft mit geringerer Wahrscheinlichkeit aggressives Verhalten erleben.“
Verhaltensauffälligkeiten
Verhaltensdefizit: Kinder sind sehr ruhig und emotional gehemmt. Sie haben beispielsweise Ängste, sind sehr schüchtern und ziehen sich zurück.
Verhaltensexzess: Kinder zeigen hyperaktives oder aggressives Verhalten in hoher Frequenz und sehr intensiv. Sie sind beispielsweise leicht ablenkbar oder impulsiv, sie schlagen und treten andere oder beschädigen Gegenstände.
Verhaltensstörung: Kinder zeigen konstant über einen langen Zeitraum ein Bündel negativer Verhaltensweisen. Sie sind beispielsweise sehr egoistisch, können sich nicht gut in andere hineinversetzen und sind unsensibel gegenüber Gefühlen anderer, ihnen fehlt es an Schuldbewusstsein, sie deuten das Verhalten anderer falsch und reagieren darauf mit Gewalt, sie drangsalieren andere oder quälen Tiere.
Bei einigen Kindern lässt sich mit erzieherischen Maßnahmen nichts mehr bewirken, sodass ein Kinder- und Jugendpsychologe hinzugezogen werden sollte. Ist ein Kind gegenüber anderen über einen längeren Zeitraum aggressiv und gewalttätig, sollte die Kita das Gespräch mit den Eltern suchen.
Die Krippengruppe ist gerade im Aufbruch. Das Fertigmachen der Kleinen hat Zeit und Nerven gekostet, aber jetzt sind alle bereit. Da bemerkt die Erzieherin, dass Paul eine volle Windel hat. Also führt sie den Kleinen seufzend zum Wickelbereich und macht ihn sauber. Als sie mit Paul zurück zu den anderen kommt, sagt die Erzieherin laut: „So, hier ist er wieder, der kleine Hosenscheißer, wegen dem ihr alle so lange warten musstet!“
Diese Szene schildert der Kinderrechtsexperte Jörg Maywald. „Das ist Gewalt“, sagt er, „dem Kind wird hier ein Schaden zugefügt, indem die Erzieherin es zutiefst beschämt. Es wird eindeutig eine Grenze überschritten.“ Doch wo genau verläuft diese Grenze? Welches Verhalten gegenüber Kindern ist gewaltvoll und verletzend? Maywald sieht da geringe Interpretationsspielräume. Gewalt gegen Kinder heißt für ihn im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention zum Beispiel, sie demütigen, auslachen, ausgrenzen, nicht trösten, ignorieren und bedrohen, aber auch körperliche Nähe und Distanz nicht ausbalancieren, sie schubsen, zum Essen, Schlafen oder Toilettengang zwingen, fixieren, ungefragt streicheln oder sie nicht angemessen beaufsichtigen. „In jeder Kindertagesstätte gibt es derlei Fehlverhalten und Gewalt durch pädagogische Fachkräfte“, macht Maywald klar. Wichtig sei, sich dieser Tatsache zu stellen und Vorfälle nicht zu banalisieren.
KURZ GESAGT!
_Gewalt gegen Kinder hat mehrere Ursachen
_Gewaltschutzkonzepte bieten allen Orientierung und Sicherheit
_Kitaleitung ist in der Pflicht
Aber wie kommt es zu solchem Fehlverhalten? „Etwa 30 Prozent der Prozessqualität im Umgang mit Kindern lassen sich laut NUBBEK-Studie (www.dji.de/nubbek) auf strukturelle Faktoren zurückführen, der überwiegende Teil aber nicht“, sagt Maywald. Flapsig gesprochen hieße das, dass es sehr gut ausgestattete Einrichtungen gebe, die schlecht arbeiteten, während mangelhaft ausgestattete Einrichtungen hervorragende pädagogische Arbeit leisteten. „Selbst wenn nächsten Monat ein Geldsegen auf die Kitas niederginge, hätten wir damit die Probleme nicht gelöst.“
Maywald macht weitere wichtige Ursachen für individuelles Fehlverhalten aus: die Biografie einer pädagogischen Fachkraft inklusive ihrer Erziehungsvorstellungen, die Situation im Team sowie Defizite in der Ausbildung.
Erstaunlicherweise sind institutioneller Kinderschutz, Kinderrechte und feinfühliges Verhalten gegenüber Kindern nicht überall Teil des Ausbildungscurriculums. „Sehr viele Fachkräfte, die schon seit Jahren im Berufsleben sind, haben in ihrer Ausbildung nie etwas darüber gelernt.“ Der Experte sieht hier großen Nachholbedarf. Eine gute Möglichkeit für das gesamte Team sei dazu die Erarbeitung eines Gewalt- und Kinderschutzkonzepts. „Schutzkonzepte bieten den pädagogischen Fachkräften einen Zuwachs an Orientierung und Handlungssicherheit“, ist Maywald überzeugt (siehe Interview).
Die Kita-Leitung ist in der Pflicht
Bei Fachkräften besteht häufig eine große Unsicherheit, wenn sie etwa Situationen beobachten, in denen es nach ihrem Empfinden zu Fehlverhalten von Kolleginnen oder Kollegen gegenüber Kindern kommt. Was ist dann zu tun, wie reagieren? Ein Schutzkonzept legt für pädagogische Schlüsselsituationen Fachstandards fest, die definieren, was angemessen ist, wann eine Grenze überschritten wird und wie eine Einrichtung damit umgeht. Komme es zu einer Grenzüberschreitung, so empfiehlt Jörg Maywald, könne die Fachkraft die Kollegin im Anschluss an die Situation in Ruhe darauf ansprechen und ihren Eindruck in Ich-Botschaften schildern. Oft führe der kollegiale Austausch schon dazu, dass die Fachkraft sich einsichtig zeige.
„Manchmal kommt eine solche Kritik aber nicht gut an und es wird konfrontativ. Dann ist es Leitungsaufgabe, eine Klärung herbeizuführen. Sie ist in der Verantwortung: sowohl für den Kinderschutz als auch für die Mitarbeiterfürsorge, damit niemand zu Unrecht beschuldigt wird.“ Die Leitung hat die Verpflichtung, Fälle von Beeinträchtigungen des Kindeswohls dem Träger zu melden, der wiederum eine Meldepflicht an das Landesjugendamt hat. „Somit kann es nicht nur ein Angebot der Leitung an das Team sein, solche Situationen bei ihr zur Sprache zu bringen, sondern eine Aufforderung“, verdeutlicht Jörg Maywald und betont, dass dies keineswegs als „Anschwärzen“ misszuverstehen sei. „Es geht nicht in erster Linie um Sanktionen, sondern darum, besser zu werden und sich dem Ideal der gewaltfreien Erziehung immer weiter anzunähern.“ Für das Beispiel vom Anfang hieße das etwa, dass die Erzieherin versteht, dass ihr Verhalten den Jungen verletzt hat, sie sich bei Paul aufrichtig entschuldigt und der Vorfall im Team aufgearbeitet wird.
Fehlverhalten gegenüber Kindern kommt vor. In jeder einzelnen Einrichtung. Deshalb gelte es, so der Kinderrechtler, zum Schutz der Kinder die entsprechenden professionellen Vorkehrungen zu treffen.
Gewalt gegen Kinder im Sinne der Kinderrechte
psychische / emotionale Misshandlung (z. B. Anschreien, Demütigen, Liebesentzug)
körperliche Misshandlung (z. B. Schlagen, Schütteln, Fixieren)
sexualisierte Gewalt, Vernachlässigung (das Ignorieren grundlegender körperlicher und seelischer Bedürfnisse)
Mal angenommen, ein Vater beleidigt eine Erzieherin lautstark, baut sich drohend vor ihr auf, drängt sie in eine Ecke, bereit zuzuschlagen. Nach der Situation bricht die Erzieherin zusammen. Die Kolleginnen und Kollegen kümmern sich rührend. Wie kann ihr aber darüber hinaus geholfen werden?
Auch psychische Belastungen durch einen solchen Vorfall können als Arbeitsunfall gelten. Die Betroffene sollte sich deshalb an einen Durchgangsarzt (D-Arzt) oder eine -ärztin wenden. Deren Adressen sind in der Kita bekannt. D-Ärzte können dann ärztliche oder psychologische Psychotherapeuten und -therapeutinnen in das berufsgenossenschaftliche Heilverfahren einbinden und das sogenannte Psychotherapeutenverfahren der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) in Gang setzen. Darüber bekommt die betroffene Person schnelle psychologische Hilfe, meist innerhalb einer Woche. Voraussetzung ist natürlich ein Hinweis der Betroffenen auf eine psychische Beeinträchtigung oder Traumatisierung – entweder direkt beim Unfallversicherungsträger oder aber beim D-Arzt. Einige Unfallversicherungsträger, etwa die BGW, bieten auch eine telefonisch-psychologische Beratung mit speziell geschulten Psychotherapeutinnen oder -therapeuten an. Da sollte man sich bei seinem zuständigen Unfallversicherungsträger erkundigen, ob er dies ebenfalls anbietet. Ziel ist immer, einer Entstehung und Chronifizierung von psychischen Belastungen vorzubeugen.
Muss bei jedem Vorfall eine Unfallanzeige erfolgen?
Hier muss man immer den Einzelfall ansehen. Nicht jede verbale Attacke oder Drohgebärde wird als Arbeitsunfall gewertet werden können. Grundsätzlich ist es aber sinnvoll, jeden Vorfall zumindest zu dokumentieren, indem man beispielsweise eine Notiz im Verbandbuch macht. So hat man es direkt greifbar, sollte sich herausstellen, dass eine Situation doch nachwirkt. Es ist ja denkbar und nachvollziehbar, dass jemand zunächst davon ausgeht, allein klarzukommen, und sich erst nach einiger Zeit zeigt, dass die Belastung zu groß ist. Dann kann immer noch eine Kontaktaufnahme zum Unfallversicherungsträger erfolgen und der Verbandbucheintrag dient als Beleg dafür, was wann passiert ist.
Wie kann man sich die Beratung vorstellen?
Es geht erst mal darum, den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, das Erlebte mit Profis aufzuarbeiten. Dafür sind bis zu fünf probatorische Sitzungen angesetzt. Sie sind nicht verpflichtend, sondern nur ein niederschwelliges Angebot und dienen der Krisenintervention – unabhängig von Kausalitätsfragen. Danach wird der Bedarf an weiterer psychotherapeutischer Unterstützung geprüft. In der Regel finden die Sitzungen in einer Psychotherapiepraxis statt.
Was können Kitas im Vorfeld tun?
Sinnvoll ist eine Art Notfallplan. Damit ist es möglich, souverän und sicher zu agieren, sollte es einmal zu aggressiven oder gewalttätigen Vorfällen kommen, was ja zum Glück nicht sehr häufig ist. Es gibt dazu eine Vorlage aus der DGUV-Schrift „Gut vorbereitet für den Ernstfall“, die man für die eigene Einrichtung anpassen kann (siehe: www.dguv.de, Webcode: p206017).
Die Fragen beantwortete Helmut Tusk, Fachbereichsleiter Rehabilitation der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), Bochum.
Mit den Händen in der Erde wühlen, Pflanzen gießen, Käfer beobachten, Minzblätter pflücken, daran riechen, in den Mund stecken: Gartenarbeit ist für Kinder ein tolles Erlebnis. „Gärtnern ist generell für jedes Alter sehr spannend“, sagt Geoökologin Birgitta Goldschmidt von der Bundesarbeitsgemeinschaft Schulgarten. Beete in Kindergärten böten eine tolle Chance, sich hautnah mit der Natur auseinanderzusetzen. Allerdings sind einige Sicherheits- und Hygieneregeln zu beachten, damit bei der Gartenarbeit niemand zu Schaden kommt.
KURZ GESAGT!
_Gartenarbeit spricht alle Sinne an _
_Wenige, aber klare Regeln aufstellen und auf Einhaltung pochen
_Beete räumlich sichtbar von der Spielfläche abtrennen
Birgitta Goldschmidt rät den Einrichtungen, beim Gärtnern klein anzufangen. Im Kita-Alter gehe es weniger um das klassische „Säen, Pflanzen, Ernten“. Später für Schulkinder sei spannend zu beobachten, wie eine Pflanze langsam wächst und Früchte trägt. Doch für jüngere Mädchen und Jungen ist die Wartezeit viel zu lang. Im Mittelpunkt steht vielmehr das sinnliche Erleben von Natur.
Natur mit allen Sinnen erleben
„Der beste Weg ist übers Essen“, sagt Birgitta Goldschmidt. Dabei gilt die klare Regel: Bei allem, was gegessen wird, muss vorher gefragt werden. Weil Kinder sich Früchte draußen am liebsten direkt in den Mund stecken, müssen sie zudem lernen: „Vorher alles mit Trinkwasser abwaschen!“ Denn an Obst und Gemüse können sich Urin oder Kot von Tieren befinden, die Krankheiten wie Salmonellen oder Toxoplasmose übertragen können.
Die Umweltexpertin empfiehlt, die Beete im Außenbereich räumlich von der Spielfläche abzutrennen. Ein kleiner Zaun zeigt den Kindern: Was dahinter wächst, kann – theoretisch – gegessen werden. Deshalb sei es sinnvoll, im Kindergarten auf Kulturobst oder Kräuter zu setzen. Gemüse erfordere beim Anbau nicht nur mehr Geduld, gibt die Goldschmidt zu bedenken, sondern viele Pflanzenteile seien zudem nicht essbar: So enthalten Nachtschattengewächse wie Kartoffeln oder Tomaten in allen grünen Pflanzenteilen, teilweise auch in den Früchten, mehr oder weniger hohe Konzentrationen an giftigen Alkaloiden. Zupft hingegen ein Kind unreife Himbeeren oder Johannisbeeren vom Strauch und probiert sie, „dann schmecken die zwar nicht“, sagt Birgitta Goldschmidt, „aber sie sind auch nicht giftig“.
Naschen und matschen
Die Erzieherinnen und Erzieher müssen sicher wissen, was die Kinder essen dürfen. „Grundsätzlich gilt: Wenn sie nicht 100-prozentig sicher sind, bleibt die Pflanze stehen. Punkt!“ Das ist übrigens eine wichtige Regel, die Kinder fürs ganze Leben lernen: lieber einmal mehr eine Pflanze im Buch nachschlagen, als ein Risiko einzugehen. Vorsicht sei auch bei Pflanzen geboten, die leicht verwechselbar seien, warnt Birgitta Goldschmidt, etwa Bärlauch, der dem giftigen Maiglöckchen sehr ähnlich sieht. Darauf sollten Kindergärten verzichten. Einen Überblick, welche Pflanzen giftig oder gänzlich ungeeignet fürs Kitagelände sind (z. B. Ambrosia, Herkulesstaude), sollten Erzieherinnen und Erzieher ohnehin haben.
Bei der Gartenarbeit rät Birgitta Goldschmidt, die Kinder viel mit den Händen arbeiten zu lassen. Schon Kleinkinder lieben es, in Sand und Erde zu wühlen. Kommt noch Wasser hinzu und es entsteht Matsch, ist das Glück perfekt. „Das hat eine therapeutische Wirkung.“ Außerdem stärkt der Kontakt mit den Mikroorganismen in der Erde das Immunsystem. Wichtig ist allerdings, danach gründlich die Hände zu waschen. Das gilt immer nach der Gartenarbeit, vor allem vor dem Essen.
Aufsicht gewährleisten
Kinder haben auch viel Spaß daran, Laub zusammenzurechen. Oder mit kleinen Gießkannen Wasser für die Pflanzen zu holen. „Im Idealfall sollen sie dafür Regenwasser verwenden“, empfiehlt Birgitta Goldschmidt. Das sei besser für die Pflanzen – und für die Umwelt. Die Regentonne muss mit einem Deckel gegen ein Hereinfallen gesichert sein. Außerdem muss die Tonne sicher stehen, auch wenn sie leer ist. Eine wichtige Regel lautet außerdem, dass niemand Regenwasser trinken darf. Vor allem bei kleineren Kindern ist – auch deshalb – eine gute Aufsicht wichtig. Im Zweifel sollten die Erzieherinnen und Erzieher lieber auf Nummer sicher gehen und die Kinder mit Trinkwasser aus dem Hahn gießen lassen. „Aber normalerweise halten sich die Kinder sehr gut an die Regeln“, sagt Birgitta Goldschmidt. „Und sie lernen im Garten eine Menge fürs Leben“.
Tipps für sicheres Gärtnern
Wichtig sind klare Regeln.
Zum Trinken eignet sich nur Trinkwasser, Regenwasser ist tabu.
Vor dem Verzehr einer Pflanze muss immer eine erwachsene Person gefragt werden, ob die Pflanze essbar ist.
Wird etwas geerntet, sollte es vor dem Verzehr mit Trinkwasser abgewaschen werden.
Nach der Gartenarbeit und vor allem vor dem Essen gilt: Hände waschen.
Erzieherinnen und Erzieher sollten über die angebauten Pflanzen gut Bescheid wissen.
Eltern nach Allergien der Kinder fragen (Insektengift, Schimmelsporen etc.).
Regentonnen müssen einen Deckel haben, damit niemand reinfallen kann.
Eine Vorlage für ein Plakat mit Gartenregeln sowie eine Liste mit tollen Links zum Thema Gärtnern mit Kindern finden Sie auch hier: www.kinderkinder.dguv.de/garten
Die Tätigkeit als Gärtner bringt mich in Kontakt mit Kindern, die mir als Großvater von zwei Enkelkindern sehr am Herzen liegen. Sie stellen mir viele Fragen, wenn sie mich bei meiner Arbeit beobachten, und ich freue mich, ihren Wissensdurst zu stillen und ihnen die Natur sowie den achtsamen Umgang mit Pflanzen und Tieren näherzubringen. Wir Erwachsenen sind da Vorbilder. Wenn die Kinder draußen spielen, muss ihre Sicherheit an erster Stelle stehen. Das habe ich stets im Blick. Durch den guten Kontakt zur Kita und den pädagogischen Fachkräften habe ich auch immer ein offenes Ohr für weitere Anliegen – wenn in der Kita etwas zu reparieren, aufzubauen oder zu verschönern ist, oder wenn im Rahmen der pädagogischen Arbeit etwas handwerkliches Geschick gefragt ist, helfe ich jederzeit gerne.
1. Denken Sie an Ihren Rücken und beugen Sie Fehlbelastungen vor.
Bücken, Kinder tragen und heben, häufig ungeeignetes Mobiliar für die Erwachsenen – Sie haben einen Knochenjob. Denken Sie an die richtigen Bewegungsabläufe und machen Sie regelmäßig Ausgleichsübungen. Wie das geht? Beispiele unter: www.ukrlp.de, Webcode: 1912
2. Stärken Sie Ihr Immunsystem!
Regelmäßige Bewegung an der frischen Luft, ausreichend Schlaf und ausgewogene, vitaminreiche Ernährung halten Ihre Abwehrkräfte fit.
3. Regelmäßig, aber nicht zu oft die Hände waschen.
Waschen Sie die Hände, wenn sie deutlich verschmutzt sind, vor dem Essen und nach dem Wickeln und Toilettengang. Nur milde Reinigungsmittel verwenden und regelmäßig eincremen. Wie´s genau geht, steht hier: www.kinderkinder.dguv.de/hauptsache-gesund
4. Sonnenschutz ist auch für die Großen wichtig!
Verwenden auch Sie Sonnenschutzmittel mit hohem LSF, eventuell Sonnenhut und Sonnenbrille, wenn Sie sich bei Sonnenschein draußen aufhalten. Weitere Tipps unter: www.kurzelinks.de/sichere-kita-sonnenschutz und www.dguv.de, Webcode: d1028607
5. Versuchen Sie, Lärm zu vermeiden.
Sehen Sie leise Spielzeiten vor, sensibilisieren Sie die Kinder für Lärm, gehen Sie oft mit den Kindern nach draußen – besonders, wenn Sie lärmintensive Aktivitäten planen. Teilen Sie, wenn möglich, die Gruppen auf. Weniger Kinder, weniger Lärm. Weitere Hinweise i