Die Dinge hinterfragen

Worin liegen die Chancen früher MINT-Bildung?


Verónica Oelsner: Die Kinder sind neugierig und wollen die Welt verstehen, sie staunen über Dinge und Phänomene, die sie beobachten, sie probieren viele Sachen aus und stellen uns Erwachsenen unzählige Fragen. Warum schwimmt das Boot, aber der Stein nicht? Warum landet mein Hausschuh, wenn ich ihn in die Luft werfe, meistens auf der Sohle? Wie kommt das Bild ins Handy? Die Pädagoginnen können diese Fragen aufgreifen und gemeinsam mit den Kindern nach Antworten suchen. Wenn sie das tun, fördern sie etwas ganz Grundlegendes: eine fragend-forschende Haltung, die wichtig ist für eine konstruktive, offene Auseinandersetzung mit der Welt. Wenn das in den ersten Lebensjahren passiert, legt dies einen sehr wichtigen Grundstein.

Geht es darum, den Forschergeist zu wecken und zu erhalten, da – mit die Kinder später einmal beruflich ‚etwas mit MINT‘ machen?

Es geht darum, Interesse für MINT zu wecken, aber das ist nicht das einzige Ziel. Es geht auch ganz stark darum, eine Haltung gegenüber der Welt zu entwickeln, ein Verständnis für Zusammenhänge. Diese Haltung fördert die Fähigkeit, Dinge hinterfragen zu können: Wie kommt jemand zu diesem Schluss, woher stammen die Zahlen, wer sagt das auf welcher Grundlage? Das gehört nach meiner Meinung zu einer Mündigkeit im Denken dazu – egal ob jemand Physiker ist oder am Schalter bei der Post arbeitet. Mit früher MINT-Bildung bekommen die Kinder dafür das Werkzeug.

Wird deshalb in den Bildungsplänen der Länder die MINT- Bildung für den Elementarbereich herausgehoben?


Ja richtig. Die Verantwortlichen haben die Chancen erkannt und möchten diese forschend-lernende Haltung fördern. Fragen zu stellen, Vermutungen nachzugehen, sich auf den Weg zu machen, Ideen zu entwickeln, einen Plan zu machen, Antworten herauszufinden, natürlich auch gemeinsam mit anderen. Beobachten, dokumentieren, argumentieren … Das ist alles enorm wichtig für die MINT-Fächer, aber auch weit darüber hinaus.


Funktioniert MINT-Bildung im Einklang mit jedem pädagogischen Konzept, zum Beispiel mit offenen Gruppen und einer hohen Partizipation der Kinder?


Ich denke, das kann sich wunderbar ergänzen. Gute MINT-Bildung fördert ja nicht nur MINT-Kompetenzen, sondern auch Sozialkompetenzen, Sprachkompetenzen, Problemlösekompetenzen. Die Kinder lernen sich abzustimmen, Aufgaben zu verteilen, sich auf ein Vorgehen zu einigen. Das lässt sich sehr gut mit einem partizipatorischen Ansatz verbinden. Und ob offene oder geschlossene Gruppen – auch das ist letztlich egal. Ich sehe da keine Hindernisse.


Ich könnte mir vorstellen, dass für manchen Erzieher und manche Erzieherin dieses Themenfeld fremd ist und es Vorbehalte und Ängste gibt. Was benötigen die pädagogischen Fachkräfte für Voraussetzungen, um diesen Bildungsprozess gut begleiten zu können, wie nimmt man ihnen die Befürchtungen?


Ich denke, die zentrale Voraussetzung bei den pädagogischen Fachkräften ist ihre offene Haltung gegenüber den Fragen der Kinder. Dass sie beobachten, womit die Kinder sich beschäftigen, und darüber in den Dialog treten sowie sie beim forschenden Lernen ermuntern und unterstützen. Dazu gibt es im Kita-Alltag unzählige Anlässe. Ganz wesentlich ist auch ein Verständnis von sich selbst als Lernende. Es geht nicht darum, alles von vornherein zu wissen, den Ausgang eines Versuchs zu kennen oder die Antwort auf die Kinderfragen. Ich als Lernende bin bereit, mich ganz offen gemeinsam mit den Kindern mit einer Frage auseinanderzusetzen. Das ist das Konzept der Ko-Konstruktion.


Dem steht gegenüber, dass es zahlreiche Bücher mit Experimenten für Kinder gibt. Auf einer Art Lösungsblatt kann die Fachkraft nachlesen, was da genau passiert und wie sie es den Kindern erklären kann.


Diese Experimente haben durchaus ihre Berechtigung. Sie können die Neugier wecken. Zu einer guten MINT-Bildung gehört aber mehr. Mindestens genauso wichtig wie die wissenschaftlich korrekte Antwort ist nämlich der Prozess, wie es zu dieser Antwort kommt. Die Kinder werden Fragen stellen und Vermutungen äußern. Und dann beginnt es, spannend zu werden. Die Fachkräfte sollten sich darauf einlassen und diesen Weg begleiten. Es kann dabei sogar hinderlich sein, die Erklärung bereits zu kennen, nämlich dann, wenn sich die Fachkraft mit ihrem Wissen nicht zurückhält.


Also ergibt sich alles aus der Situation?


Vieles, aber sicherlich nicht alles. Die Fachkraft kann und soll auch Vorschläge machen. Unsere Aufgabe als Erwachsene und Pädagogen oder Pädagoginnen ist es, bestimmte Interessen zu wecken, sie zu fördern und die Welt der Kinder zu erweitern. Wir können Fragen der Kinder aufgreifen, aber auch Themen und Angebote vorschlagen. Die Kunst besteht darin, dass diese altersgemäß sein und den Interessen der Kinder entsprechen sollten.


Wie ernst muss man die Kritik nehmen, Unternehmen trügen ihre eigenen Interessen in den Elementarbereich, indem sie Fortbildungen und Material finanzieren?


Die Frage haben wir uns zu Beginn der Partnerschaften, von denen ein Teil unternehmensnahe Stiftungen sind, natürlich auch gestellt und deshalb für uns klare Rahmenbedingungen für eine Zusammenarbeit festgelegt. So liegt die inhaltliche Entwicklung der didaktischen Materialien und der Fortbildungen komplett in unseren Händen. Darauf haben die Partner keinen Einfluss. Und die Erfahrungen zeigen zudem, dass es ihnen nicht ausschließlich um die Nachwuchsförderung und Ausbildung zukünftiger Fachkräfte geht, schon gar nicht für ihre eigenen Unternehmen. Es geht unseren Partnern um das Fördern der beschriebenen Haltung und um das Interesse an Bildung und Lernen ganz allgemein. Und das kommt der Gesellschaft als Ganzes zugute.

UNSERE GESPRÄCHSPARTNERIN
Als Fachleiterin bei der Stiftung Kinder forschen begleitet die Erziehungswissenschaftlerin Dr. Verónica Oelsner die Entwicklung von Materialien und Fortbildungen für pädagogische Fach- und Lehrkräfte im Bereich der frühen Bildung für nachhaltige Entwicklung.

So viel Bildung steckt in Mais

KURZ GESAGT!

_MINT-Bildung ist mehr als Experimentieren

_Fachkräfte verstehen sich als Lernbegleiter

_Der Träger unterstützt Kitas mit Fortbildungen und einem Netzwerk von Trainern und Trainerinnen

 

Jeden Mittwoch steht im Kinderzentrum Hügelstraße in Frankfurt „Kochen mit Alex“ auf dem Programm. Bevor es losgeht, flitzen die Kinder zum Händewaschen, Schürzen werden angezogen, der Tisch abgewischt. Heute hat der pädagogische Mitarbeiter Alexander Franke den Kindern eine mit hellgelbem Pulver gefüllte Glasflasche mitgebracht, eine weitere mit gelben Krümeln, dann gibt es eine Schüssel mit Cornflakes und eine Packung eingeschweißten Zuckermais. „Kennt ihr das?“, fragt er und hält die Packung hoch. Maryam weiß natürlich, dass es Mais ist. „Wisst ihr auch, wie Mais wächst?“ Die Jungen und Mädchen überlegen: „Auf Bäumen?“, mutmaßt Oscar. „Nein, das sind so Stangen!“, weiß Aneeq. Der Pädagoge nickt: „Richtig – ich habe ein paar Maispflanzen vom Feld dabei. Die gucken wir uns mal genauer an.“

Kurze Zeit später tragen die Kinder drei riesige Maispflanzen herein. „Wie groß sind die denn?“, staunt Raven. „Miss doch mal nach“, schlägt Alex vor. Maryam, Raven und Stefan müssen den Zollstock zweimal anlegen. Einmal messen sie zwei Meter und noch einmal ungefähr 80 Zentimeter. „Das sind 2,80 Meter. Mehr als doppelt so groß wie du, Raven!“, rechnet Alex vor. Die Kinder sind beeindruckt, sie vergleichen, welche der Maispflanzen die längste ist, ob an ihr die meisten Maiskolben wachsen und wie groß diese sind. Oscar schält einen der Maiskolben aus den Hüllblättern. Blatt für Blatt zieht er nach unten und wundert sich: „Warum ist der Mais denn so oft in Folie gepackt?“ „Das ist keine Folie, sondern die eigene Verpackung vom Mais“, erklärt ihm Alexander Franke, „kennst du noch andere Pflanzen, die du zuerst auspacken musst, bevor du sie essen kannst?“ Oscar braucht nicht lange, bis ihm die Banane einfällt.

„All das ist MINT“, erläutert die Pädagogin Claudia Walter. „Messen, vergleichen, Fragen stellen. Dieses forschende Lernen fördern wir hier.“ Das Team des Kinderzentrums versteht sich als Lernbegleiter und Impulsgeber, die die (Selbst-)Bildungsprozesse der Kinder unterstützen.

Wie lang ist ein Maiskolben? Wie lang die ganze Pflanze? Wo lege ich das Metermaß an? Gemeinsam finden die Kinder es heraus.

Bildungsprozesse begleiten


Claudia Walter hat 2012 eine Trainerausbildung bei der „Stiftung Kinder forschen“ gemacht, die damals noch „Haus der kleinen Forscher“ hieß. Seitdem war sie Trainerin für das lokale Netzwerk Kita Frankfurt und hat pädagogische Fachkräfte zu der ganzen Palette an MINT-Themen geschult. Das Kinderzentrum Hügelstraße, wo sie außerdem als stellvertretende Leiterin tätig ist, wurde kürzlich zum sechsten Mal als MINT-Kita zertifiziert. Wer nun aber erwartet, überall Forscherecken mit Lupen, Mini-Robotern und Experimentierkästen zu finden, wird enttäuscht. Zwar gibt es ein großes Regal mit allerlei Dingen, die das Herz kleiner Forscherinnen und Entdecker höherschlagen lassen, viel Konstruktionsspielzeug zum Erfahren von mathematischen und technischen Grundprinzipien und Material, das keine eindeutige Spiel- und Nutzungsfunktion hat, sondern viel Freiraum und Kreativität zulässt. Aber das eigentliche Erforschen und Entdecken passiert ganz „en passant“. Denn die Kinder gestalten ihre eigenen Lernwege, begleitet von den Fachkräften.

Die Pädagogin verdeutlicht das an einem Beispiel. „Im Frühjahr beginnen immer die Diskussionen, ob die Jacken draußen noch angezogen werden müssen oder nicht. Dann heißt es von den Erwachsenen: Jacke an! Es sind nur 15 Grad! Die Kinder wollten wissen: Was bedeutet das eigentlich? So haben wir mit den Kindern über Temperatur, das Thermometer und das Wetter geforscht. Die Kinder hatten viele Fragen. Zum Beispiel: Warum gibt es die Zahlen auf dem Thermometer doppelt? Was bedeuten das C und das F? Was ist kalt, was warm und warum? Da steckt überall ganz viel MINT-Bildung drin. Die Kinder geben die Themen vor und wir Fachkräfte begleiten sie bei ihrem Lernprozess.“

Die Einrichtung arbeitet nach einem offenen Konzept und ist inklusiv. Partizipation und demokratische Prozesse gehören zum Alltag. „Die Kinder mit besonderen Bedürfnissen profitieren von unserer Grundhaltung der Lernbegleitung vielleicht besonders, da sie ihre Interessen und ihr Tempo weitgehend selbst bestimmen können“, ist die erfahrene Pädagogin überzeugt.

Michi mag keinen Mais


Inzwischen sitzen die Kinder um den Tisch und haben den Mais geschält, mithilfe des Erziehers klein geschnitten und in einen Topf mit Wasser gelegt, damit er gar wird. „Das Wasser ist schon warm“, stellt Maryam fest. „Woran merkst du das?“, erkundigt sich Alex. „Es dampft und da sind so kleine Bläschen!“ „Super beobachtet! Ihr seid richtige Detektive!“

Jetzt ist es an der Zeit, in Augenschein zu nehmen, was Alex heute noch dabeihat. Michi mag zwar keinen Mais, aber die Cornflakes schmecken ihm gut und er knuspert drauflos. Während alle Cornflakes kennen und mögen, sind die Kinder beim Inhalt der beiden Flaschen ratlos. Alex schüttet ein wenig davon in Glasschälchen. Oscar stellt fest: „Das ist ein Pulver!“ und Aneeq vermutet: „Ist das Mehl?“ Der Pädagoge bestätigt: „Ja richtig, und kannst du dir vorstellen, woraus das gemacht ist?“ „Aus Mais, es ist ja gelb.“ Alex nickt: „Richtig! Das ist Maismehl und das andere ist Polenta, so etwas Ähnliches wie Grieß. Der wird auch aus Mais gemacht und man kann daraus Brei kochen.“ Die Jungen und Mädchen kosten vorsichtig – aber mit Cornflakes können Maismehl und Polenta nicht mithalten. „Cornflakes ist englisch und das bedeutet übersetzt Maisflocken“, erklärt Alex. Erstaunte Gesichter. So viele Lebensmittel gibt es, die man aus Mais machen kann! Aber wie wird aus einem Maiskolben eine Maisflocke? Da das eine Frage ist, die sich nicht so einfach beantworten lässt, holt der pädagogische Mitarbeiter ein Tablet und zeigt einen Videoclip der Sendung mit der Maus, in dem genau das erklärt wird.

Die Kinder entdecken, dass es unterschiedliche Formen von Mais gibt: als Kolben, Cornflakes, Polenta oder Mehl.

Netzwerk für MINT-Bildung der Fachkräfte


Alexander Franke hat wie die anderen Erzieher des Kinderzentrums eine Fortbildung für frühe MINT-Bildung gemacht. Der Träger Kita Frankfurt ermöglicht dies den pädagogischen Fachkräften über ein engmaschiges Netz aus speziell geschulten Trainerinnen und Trainern. Die Fachkräfte werden dazu ermuntert, auch darüber hinaus an Webinaren, Workshops und Selbstlernkursen teilzunehmen – was gut angenommen wird. Fast die Hälfte aller Kitas in der Trägerschaft der Stadt sind MINT-Kitas. Alle vier Jahre gibt es für die Teams eine Dienstbesprechung gezielt zu MINT und alle Kitas, die das Zertifikat neu erhalten haben, bekommen im ersten Jahr eine eintägige Inhouse-Schulung dazu. So wird die frühe MINT-Bildung als Bestandteil des pädagogischen Konzepts in den Teams verankert. „Der Aufbau der Fortbildungen ist fast identisch mit dem, wie wir auch mit den Kindern arbeiten. Niemand muss naturwissenschaftliches oder technisches Vorwissen mitbringen. Die Fachkräfte können viel ausprobieren, bekommen aber natürlich auch die Hintergründe vermittelt. Alle, die an diesen Workshops teilnehmen, sind hinterher fasziniert und begeistert“, führt Claudia Walter aus.


Währenddessen ist der Mais gar. Rasch decken die Kinder den Tisch: Für jedes gibt es einen Teller – also werden sieben Teller abgezählt. Wer möchte, bekommt nun ein Stück Mais aufgespießt, kann sich Kräuterbutter nehmen und vergleichen, ob Zuckermais und der vom Feld unterschiedlich schmecken. Michi hat zwar mit Ausdauer die Kräuterbutter gerührt, aber den Mais möchte er trotzdem nicht probieren. Auch Maryam ist nicht begeistert, während Stefan es sich schmecken lässt. „Popcorn!“, sagt er plötzlich nach eingehender Betrachtung eines heruntergefallenen Maiskorns. „Popcorn ist auch aus Mais.“ Und darin sind sich dann wieder alle einig: Das ist wirklich lecker.

Tipp!

Zwölf goldene Regeln zum Forschen mit Kinder unter www.kinderkinder.dguv.de/mais

 

Rahmenbedingungen für sicheres Experimentieren

  1. Das Material ist übersichtlich in geeigneten, kippsicheren Regalen oder Schränken verstaut.
  2. Das Material ist altersgerecht.
  3. Die Fachkräfte haben die Kinder im Blick (proaktives Aufsichtsverhalten).
  4. Die Anzahl der Kinder bei Aktivitäten ist sinnvoll beschränkt.
  5. Die Kinder kennen die Verhaltensregeln zum Umgang miteinander und zur Handhabung der Geräte und Materialien.
  6. Es besteht im Team ein gemeinsames Verständnis zu Aufsichtsführung, Gefährdungen und Risiken.

 

Im Kita-Alltag MINT-Themen setzen

 

 

Was lernen Kitafachkräfte auf den Fortbildungen der Stiftung Kinder forschen?

Es geht zentral um die Lernbegleitung: Wie kann die Fachkraft die Fragen der Kinder aufgreifen, wie das Interesse für ein bestimmtes Thema wecken, wie lassen sich Themen didaktisch gut strukturieren? Es ist sehr praxisnah, vermittelt aber auch Hintergrundwissen. Wir haben Selbstlernkurse, Webinare, Online-Workshops und auch Angebote in Präsenz wie regionale Fortbildungen und Fachtage
(www.stiftung-kinder-forschen.de).

Wie kann eine Fachkraft, die solche Fortbildungen gemacht hat, das Thema erfolgreich in ihr Team tragen? Wie gelingt der Transfer?

Das ist eine spannende Frage. Mir fallen einige Möglichkeiten ein: Bei der nächsten Teambesprechung könnte sie ganz praktisch zeigen, was sie gelernt hat, und damit das Interesse anderer wecken und auch den Ansatz der Lernbegleitung verständlich machen. Die Fachkraft könnte auch bei der nächsten Gelegenheit eine Kollegin in die eigene Gruppe einladen, sie also durchs „Tun“ begeistern und so Verbündete in der Einrichtung finden. Und es hilft auch immer, solche Prozesse zu dokumentieren, vielleicht Plakate mit Fotos zu erstellen und so auch Eltern zu zeigen, was man macht. Auch über kleine Aktionen etwa bei einem Forscherfest kann man das Interesse von anderen wecken und den Ansatz greifbar machen: Es geht bei unserem Ansatz nicht einfach ums Rechnenlernen, sondern vielmehr um das Fördern einer forschend-lernenden Haltung.

Funktioniert frühe MINT-Bildung in Zeiten von Personalmangel oder muss es doch bei einem gelegentlichen Experiment in der Forscherecke bleiben?

Ich bin überzeugt davon, dass das es trotzdem geht. Wenn wir MINT-Bildung nur als Forschen in der Forscherecke begreifen, ja, dann kann unter den aktuellen Bedingungen die Zeit dafür fehlen. Aber MINT ist mehr als nur Experimente machen. Gute MINT-Bildung begegnet uns in ganz alltäglichen Situationen. Es bedeutet, sich auf die Fragen der Kinder einzulassen und in einen Dialog zu treten. Es braucht ein Bewusstsein dafür, wo sich in kleinen, alltäglichen Situationen Gelegenheiten dazu bieten und was man fördern möchte.

MINT-Bildung ist demnach mehr als die reine fachliche Auseinandersetzung mit einem Phänomen.

Absolut! Mindestens genauso wichtig, wenn nicht wichtiger ist all das, was das Kind dazu befähigt, selbstständig zu lernen, gemeinsam mit anderen Wissen zu konstruieren. Fachkräfte können niederschwellig anfangen, es braucht vor allem diese Haltung und Bereitschaft, sich auf die Fragen der Kinder einzulassen und mit ihnen gemeinsam zu lernen. Darin liegt so viel Potenzial.

Die Fragen stellte Stefanie Richter

 

Mädchen machen MINT

 KURZ GESAGT!

_Rollenklischees tragen dazu bei, dass MINT als Männerdomäne wahrgenommen wird

_Kitakinder sind unabhängig vom Geschlecht an MINT-Themen interessiert

_Positive weibliche Rollenvorbilder können Mädchen motivieren

 

Erst im Laufe ihrer Bildungsbiografie fühlen sich Mädchen von MINT-Themen immer weniger angesprochen und schätzen ihre Kompetenzen deutlich geringer ein als Jungen. Zum überwiegenden Teil sind Rollenklischees und Stereotypisierung dafür verantwortlich – es kommt zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Kitafachkräfte können über gendersensible MINT-Bildung schon früh dazu beitragen, dem entgegenzuwirken.

MINT ist überall


Mädchen und Jungen profitieren in der Kita gleichermaßen von MINT-Bildung, da es keine Phänomene gibt, die Mädchen weniger interessieren als Jungen. Das betonen zwei Wissenschaftlerinnen in einem Forschungsüberblick zum Thema „Geschlechtsunterschiede in der frühen MINT-Bildung“ (s. Link). Erst ab dem Grundschulalter lässt sich eine Stereotypisierung des MINT-Bereichs feststellen. Zum Beispiel assoziieren Kinder ab der 2. Klasse Mathematik oft mit Männlichkeit. „Studien zeigen, dass die Zuschreibung ‚MINT ist gleich männlich‘ negative Auswirkungen auf das Vertrauen von Mädchen in die eigenen Fähigkeiten hat“, so Lena Keller, eine der Autorinnen. Denn nach wie vor vermitteln Umwelt und Medien Mädchen und Jungen von klein auf zahlreiche stereotype Verhaltensmuster und Vorstellungen.


Von Pilotinnen und Astronautinnen


Von Vorteil für Mädchen sei es deshalb, wenn Erzieherinnen und Erzieher auf geschlechtssensible Sprache achten, unterstreicht Keller. Die Verwendung von weiblichen Formen in männlich konnotierten Berufen wie „Pilotin“, „Astronautin“ trage dazu bei, dass Mädchen ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass die Berufe auch von Frauen ausgeübt werden können.


Außerdem kommt es darauf an, dass Erzieherinnen und Erzieher allen Kindern MINT-Lerngelegenheiten ermöglichen. „Studien deuten darauf hin, dass Fachkräfte mit einer positiven Einstellung zu MINT-Themen mehr solche Angebote für Kinder machen“, sagt Autorin Elisa Oppermann. Daher sollten Kitafachkräfte regelmäßig mit Fortbildungen in MINT-Themen geschult werden.


Eine Möglichkeit, MINT-Lerngelegenheiten und Interessen der Mädchen und Jungen im Alltag zu erkennen, besteht darin, auf das Tun der Kinder genauer zu achten: Womit beschäftigen sie sich gerade? Was machen sie konkret? Was beobachten sie gebannt? Dann geht es um das spielerische Aufgreifen und fantasievolle Erforschen von Alltagsphänomenen. Das kann eine kleine Beobachtung sein, etwa dass man einen Wasserstrahl nicht mit der Hand festhalten kann. Zudem ist der Kontext von Bedeutung: Die Lernsituationen sollten sich unmittelbar auf das Erleben der Kinder beziehen. „So können Kinder unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem Geschlecht frei explorieren und vor allem Spaß an MINT finden“, erklären die Wissenschaftlerinnen.

Übrigens: Das Bundesbildungsministerium hat 2021 ein Programm in Höhe von 45 Millionen Euro vorgestellt, in dem explizit die Förderung von Mädchen sowie die Ausweitung der MINT-Bildung auf das Kita-Alter als Ziele benannt sind. Denn die großen gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft wie Digitalisierung, Dekarbonisierung und Demografie lassen sich nur meistern, wenn auch Mädchen und Frauen für diese Aufgaben gewonnen werden können.

Mädchen früh fördern

  • Kinder unabhängig vom Geschlecht zum Forschen ermuntern
  • Rollenklischees in der Sprache vermeiden
  • Positive weibliche Rollenvorbilder präsentieren

 

 

Weitere Informationen zu gendersensibler MINT-Bildung

Geschlechtsunterschiede in der frühen MINT-Bildung (PDF)
https://kurzelinks.de/blkn
 
Rollenvorbilder für Mädchen in MINT (PDF)
 
Poster mit in MINT erfolgreichen Frauen zum kostenlosen Download
https://kurzelinks.de/fqqr
 
Mädchen können kein MINT?
https://kurzelinks.de/5odl
 

 

 

 

Miteinander reden – statt übereinander

KURZ GESAGT!

_Werte und Teamregeln bieten Orientierung

_Perspektivenwechsel erleichtert gegenseitiges Verständnis

_Kritik nach „WHWW“ vorbringen: Wahrnehmen, Hinhören, Wirkung, Wunsch

Manuela ist genervt. Die Erzieherin stört es enorm, dass ihr Kollege Michael regelmäßig zu spät in die Kita kommt. Das Problem ist aber nicht nur Michaels Unpünktlichkeit, sondern auch, dass Manuela es ihm nicht sagt. „Einige Konflikte werden erst dadurch groß und immer größer, weil kleinere Unstimmigkeiten nicht angesprochen werden“, weiß Kathrin Hohmann. „Pädagogische Fachkräfte möchten oft die Harmonie wahren und unterdrücken daher Störungen, bis sich diese nicht mehr verbergen lassen. Der Ärger kann dann etwa in passiver Aggression münden.“ Also: Manuela ignoriert Michael absichtlich oder rollt hinter seinem Rücken genervt mit den Augen.

Es sind Unterschiede im Denken, Handeln und Fühlen, die zu Spannungen führen. Das können beispielsweise unterschiedliche Auffassungen über die pädagogische Arbeit sein. Zum Problem werden die Differenzen, wenn sie nicht oder nicht richtig angesprochen werden. Schlechte Kommunikation setzt Hergen Sasse mit verletzender Kommunikation gleich: „Immer, wenn wir uns verletzt fühlen, reagieren wir mit einem Abwehrimpuls.“ Das bedeutet: Der oder die Verletzte wägt nicht rational ab, sondern reagiert reflexartig mit Kampf oder Flucht. „Wir finden uns dann oft auf einem ‚Kriegsschauplatz‘ wieder, wo wir mit Worten um uns schießen und uns gegenseitig verletzen.“

Klare Strukturen geben Fachkräften Sicherheit

Um gut mit Konflikten umzugehen oder sie gar nicht erst entstehen zu lassen, sind die Orientierung an grundlegenden Werten und das Aufstellen klarer Teamregeln wichtig. Sie könnten etwa lauten: „Wenn niemand etwas sagt, ist alles gut“ oder „Wir reden nicht (schlecht) über andere, wenn sie nicht da sind“. Die Kitaleitung sollte diese Werte vorleben und klare Strukturen schaffen: „Das gibt den Fachkräften Sicherheit“, sagt Hergen Sasse. „Sie dürfen zum Beispiel in Teamsitzungen keine Angst haben, durch Kritik bloßgestellt zu werden.“ Im konkreten Konfliktfall rät der Kommunikationscoach, zu versuchen, die Perspektive des Gegenübers einzunehmen. Also Verständnis für die andere Position zu entwickeln – ohne dass man mit der Position einverstanden sein muss. Beim Gespräch sollte man nicht mit der Tür ins Haus fallen, sondern das Thema kurz anreißen, damit sich das Gegenüber darauf einstellen kann. Außerdem sollte geklärt sein, ob er oder sie in dem Moment überhaupt bereit ist, darüber zu sprechen.

Sind die Voraussetzungen erfüllt, hat sich die Kritik nach dem Muster „WHWW“ bewährt: Wahrnehmen, Hinhören, Wirkung, Wunsch. Ein Beispiel: _WAHRNEHMEN Ich habe bemerkt, dass du Tobias heute Morgen die Spielecke verboten hast. _HINHÖREN Was war denn da los? Was ist passiert? _WIRKUNG Wir haben uns im Team dar auf geeinigt, die Kinder auf Augenhöhe und ohne Strafen zu begleiten. _WUNSCH Ich wünsche mir, dass du die Konflikte mit den Kindern ohne Strafe löst. Oder dass du den Konflikt an jemand anderen abgibst, wenn du merkst, dass du gestresst oder genervt bist. Können wir uns darauf einigen oder hast du eine bessere Idee? Mediation als letzter Ausweg Viele Konflikte lassen sich im Team lösen. Sind die Fronten allzu verhärtet, hilft eine Mediation/Konfliktbegleitung durch eine neutrale Person. „Meiner Erfahrung nach ist neben einer punktuellen Mediation die Entwicklung einer Konflikt- und Teamkultur notwendig, damit Teams auch künftig präventiv und aus eigener Kraft mit Konflikten umgehen lernen“, erklärt Hergen Sasse.

Die Fachleute

Hergen Sasse ist Konflikt- und Kommunikationscoach, Autor des Buches „Konflikte lösen“, Fortbildner und Berater im Bereich Konfliktmanagement und Kommunikation – auch für Kitas: www.sozialundstark.com Kathrin Hohmann ist Kindheitspädagogin (M. A.), Doktorandin, Podcasterin („Auf die ersten Jahre kommt es an“), Autorin (u. a. „Gemeinsam durch die Wut“ und „Augenhöhe statt Strafen“) und Fortbildnerin und setzt sich für eine achtsame sowie bedürfnisorientierte Pädagogik ein: www.kathrinhohmann.de

 

Konfliktpotenzial in der Teamentwicklung

„Wenn sich Teammitglieder als aktive Mitgestalter verstehen und ihre Ideen einbringen können, fördert dies eine positive Identifikation mit der Arbeit und dem Team“, sagt Kathrin Hohmann. „Allerdings können strukturelle Probleme – wie unklare Rollen und Entscheidungsbefugnisse – Konflikte verursachen.“ Man unterscheidet vier Phasen der Teamentwicklung, in denen unterschiedliche Konflikte auftreten können.

  1. Forming: das Kennenlernen
  2. Storming: das Aushandeln von Rollen
  3. Norming: das Festlegen von Teamvereinbarungen und Gesprächsregeln
  4. Performing: die produktive Zusammenarbeit

„In diesen Phasen müssen die Konflikte angemessen angegangen werden, um das Team in Richtung einer effektiven Zusammenarbeit zu führen“, fasst Kathrin Hohmann zusammen.

 

Rituale geben Orientierung

Frau Kowarz, welche Rituale gibt es in Ihrer Kita?

Unsere Kita verfügt über Hort, Kindergarten und Krippe. Jeder dieser Bereiche gestaltet seine Rituale selbstverständlich je nach Altersstufe und auch Gruppe individuell. Im Kindergarten ist etwa der Morgenkreis ritualisiert: Die Gruppen beginnen mit einem Guten-Morgen-Lied, danach verschaffen sich die Kinder und ErzieherInnen gemeinsam einen Überblick über die anwesenden Gruppenmitglieder und anschließend über den heutigen Tagesablauf, dargestellt an einer Tafel. Da wir eine katholische Einrichtung sind, haben wir einen christlichen Bildungsauftrag, weshalb das Ritual des Tischgebets vor der Brotzeit und dem Mittag essen fester Bestandteil in allen Bereichen und Gruppen der Kita ist. Im Kindergarten kommt hierfür der Gebetswürfel zum Einsatz, sodass die Kinder verschiedene Gebete kennenlernen und zugleich in Form von Partizipation miteinbezogen werden.

Auch die Geburtstagsfeiern sind von Ritualen geprägt. So wird immer „viel Glück und viel Segen“ gesungen und das Geburtstagskind erhält einen besonderen Platz. Außerdem gibt es an jedem Tag ein „Tageskind“, das die Kinder zählt, das Gebet würfelt oder auch das Spiel im Stuhlkreis aussuchen darf. In allen Kindergartengruppen wird zudem die Klangschale bei Übergängen eingesetzt, während wir in der Krippe hierfür Lieder singen wie „1, 2, 3 – das Spielen ist vorbei“.

Haben die Kinder ein Lieblingsritual?

In unserer Kinderkrippe lieben die Kleinen besonders das Austeilen der Trinkflaschen vor der Brotzeit. Zwei Kinder dürfen den anderen Kindern ihre Flasche an den Platz bringen. Dabei strahlen sie über das ganze Gesicht, was uns zeigt, dass sie sich in diesem Moment als selbstwirksam erleben und zudem mächtig stolz darauf sind zu wissen, wem die Flasche gehört und wo das jeweilige Kind sitzt.

Werden die Eltern einbezogen, zum Beispiel indem Rituale von zu Hause integriert werden?

Der Austausch und die Offenheit gegenüber den Eltern und deren Vorschläge sind die Grundlage für eine harmonische Zusammenarbeit. Gerade in der Eingewöhnung integrieren wir Rituale wie etwa das Singen zum Einschlafen oder das Einführen einer individuellen Verabschiedung an der Tür. Diese Rituale machen es den Kindern einfacher, sich schnell bei uns wohlzufühlen.

Gibt es auch manchmal Probleme bei der Umsetzung von Ritualen?

Die Coronapandemie stellte uns vor neue Herausforderungen. Es wurde zum Ritual,
dass die Kinder nach Ankunft in der Gruppe direkt zum Händewaschen gingen, so lauteten die Hygienevorschriften. Einige Kinder haben deutlich gezeigt, dass es ihnen schwerfällt, dies umzusetzen, da jedes Kind in der Regel seinen eigenen Start in den Tag und die Gruppe hat – so manch eines beginnt sofort zu spielen, ein anderes möchte zunächst seine Freunde begrüßen. All dies war zu der Zeit nicht möglich, da alle den Tag mit dem Händewaschen beginnen sollten. Das haben wir zu Beginn dieses Kitajahres wieder geändert. Nun waschen sich alle Kinder wieder nach dem Morgenkreis die Hände, sodass sie unmittelbar vor der Brotzeit sauber sind. Es gehört zum Qualitätsmanagement und unserer professionellen Einstellung, den Tagesablauf stetig zu reflektieren und wo nötig anzupassen, auch die Rituale.

Kann es Ihrer Erfahrung nach auch ein „Zuviel“ an Ritualen geben?

Man sollte die Häufigkeit der Rituale im Blick haben. Gerade in der Krippe hat sich jedoch in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt, dass viele Rituale für eine klare Struktur im Tagesablauf sorgen und den Kindern Halt geben.

Die Fragen stellte Sabine Biskup

 

Wenn Sie „Rituale“ in der Teamsitzung thematisieren möchten, finden Sie eine Übersicht hilfreicher Online-Publikationen über Rituale sowie eine Karte mit Reflexionsfragen unter
www.kinderkinder.dguv.de/rituale_fragen

Ob Türcode oder Klingel – Hauptsache sicher

KURZ GESAGT!

_Klare Kommunikation mit den Eltern ist die Basis

_Abholberechtigungen im Vorfeld regeln und dokumentieren

_Technische Lösungen ersetzen nicht die Aufsichtspflicht

 

Acht Kinder sind schon da, die nächsten drei im Anmarsch. Mitsamt ihren Eltern, die die Erzieherinnen und Erzieher in Tür-und-Angel-Gespräche verwickeln. Es ist hektisch, es ist stressig – und bei der Ablenkung huscht ein Kind unbemerkt nach draußen. Ein Albtraum für die pädagogischen Fachkräfte und Eltern! Damit das nicht passiert, fängt eine sichere Bring- und Abholsituation schon mit der klaren Kommunikation gegenüber den Eltern an. Die Kita sollte ihnen den zeitlichen und organisatorischen Ablauf erklären. Für längere Gespräche bietet es sich an, andere Termine zu vereinbaren.

Wichtig ist, dass die Aufsichtspflicht während der Bring- und Abholsituation geregelt und durch genügend Personal gewährleistet ist. „Bewährt hat sich in einigen Einrichtungen eine Rezeption“, sagt Oliver Patschula, Aufsichtsperson von der Unfallkasse Rheinland-Pfalz. „In dieser Phase des Tages überwacht und kontrolliert jemand im Eingangsbereich die Zugänge“, führt der Präventionsexperte aus.

Dokumentation der Abholberechtigungen

Beim Abholen müssen die Fachkräfte darauf achten, dass sie die Kinder nur abholberechtigten Personen übergeben. Dafür sollten die Eltern oder Erziehungsberechtigten zu Beginn des Kitajahres angeben, wer abholberechtigt ist. Die Kita sollte das schriftlich festhalten und das Dokument auf dem neuesten Stand halten. Auch Apps, die einige Kitas zur Verwaltung nutzen, können über eine solche Dokumentationsfunktion verfügen.

„Wenn jemand Fremdes kommt, kann es für die Kita natürlich schwierig werden“, sagt Patschula. In dem Fall müssen die Eltern dies im Vorfeld in schriftlicher Form so mitteilen, dass die Kita die Identität des „Ersatzabholenden“ zweifelsfrei feststellen kann. Ist das – beispielsweise wegen einer kurzfristigen Erkrankung der Eltern – schriftlich nicht möglich, können die Eltern mit der Kita zum Beispiel ein geheimes Codewort vereinbaren, das ansonsten nur die abholberechtigte Person kennt.

In jedem Fall sollte die Kita ausführlich dokumentieren: Wer hat das Kind wann gebracht? Wer soll es abholen? Wer hat es wann abgeholt?

Konzeptionelle Überlegungen der Kitas entscheidend

Die technischen Vorkehrungen hängen von den individuellen konzeptionellen Überlegungen und den baulichen Rahmenbedingungen der Kita ab. Sollen Eltern selbstständig Zugang zur Einrichtung haben, kann dies über Türsysteme mit Schlüsselkarten oder Codeeingabe geschehen – allerdings müssen die Kitas darauf achten, dass wirklich nur Abholberechtigte Zugang haben. Andere Kitas dürften den Zugang zum Gebäude stärker kontrollieren wollen. Naheliegend ist eine Klingel mit Gegensprechfunktion. Wer sie bedient, ist wiederum Sache der Kita. Gibt es ein Sekretariat oder eine Rezeption? Kümmert sich die Kitaleitung aus ihrem Büro darum? Oder gibt es vielleicht sogar Klingeln und Gegensprechanlagen für jeden Gruppenraum?

Damit Kinder nicht unbemerkt die Kita verlassen können, dürfen sie die Ein- und Ausgangstür nicht selbstständig öffnen können. Die Türdrücker beziehungsweise Türklinken oder bei elektrischen Türen die Betätigungstasten sollten deshalb außerhalb ihrer Reichweite angebracht sein. Im Gefahrenfall, beispielsweise wenn es brennt, führen die Fachkräfte die Kinder unter Aufsicht nach draußen.

Videoüberwachung nur in Ausnahmefällen erlaubt

Das Kitagelände per Video zu überwachen, ist ein heikles Thema und grundsätzlich nur außerhalb der Öffnungszeiten erlaubt, etwa zur Vorbeugung von Vandalismus. Kitas müssen prüfen (lassen), ob die Installation von Videokameras gestattet ist. In einem konkreten Fall aus dem Jahr 2021 erklärte der Thüringer Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (TLfDI) die geplante Videoüberwachung einer Kita für unzulässig. Begründung: Die Überwachung könne zum einen im Vorfeld nicht verhindern, dass Kinder das Grundstück verlassen. Zum anderen gebe es „mildere Mittel“, die nicht in die Grundrechte eingreifen würden – etwa ein verbessertes Schließsystem mit Gegensprechanlage.

Für eine sichere Bring- und Abholsituation gibt es „keine 100-prozentige Lösung durch technische Vorkehrungen“, lautet das Fazit von Oliver Patschula. „Durch eine bedarfsorientierte technische Ausstattung und gute Organisation lässt sich aber die Stresssituation reduzieren.“

Mit Liebe und „Moni-Salat“

 

Mir ist es wichtig, dass die Kinder über die Natur und unser Essen lernen. Auf dem Außengelände haben wir einen Apfel- und einen Birnbaum, bei uns wachsen Him-, Brom- und Heidelbeeren, wir haben Hochbeete mit Tomaten, Gurken, Karotten und Paprika angelegt. So bekommen die Kinder von klein auf mit, dass es Obst und Gemüse nicht einfach nur im Supermarkt gibt, sondern dass Arbeit dahintersteckt. Ich bereite gerne gesunde Salate und Obstsalate als Nachtisch zu. Morgens kommen die Kinder oft rein und fragen: „Gibt es heute Moni-Salat?“ Es freut mich, dass sie den gerne essen – vor allem, weil sie das zu Hause wohl häufig nicht tun. Vielleicht liegt es daran, dass ich die Gurken einfach sehr klein schneide und entkerne. Oder dass ich die Karotten ganz, ganz fein rasple. Ansonsten mache ich nichts Besonderes, nehme Essig,

Monika Kötter

Kinder im Auto mitnehmen

Wie sieht es mit dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz aus, wenn Fachkräfte Kitakinder in ihrem eigenen Auto mitnehmen?

Ob privater Pkw oder Dienstwagen: Mit welchem Beförderungsmittel Wege zum Beispiel bei Ausflügen zurückgelegt werden, ist für den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unerheblich. Deshalb sind die Kinder, das pädagogische Personal sowie die Begleitpersonen unfallversichert. Voraussetzung ist aber, dass es sich um eine Kitaveranstaltung handelt.

Kommt es zu einem Unfall, sind dann auch die Schäden am Pkw und andere Sachschäden versichert?

Nein. Versichert sind nur Gesundheitsschäden – körperliche wie auch seelische. Ein Anspruch auf Sachschadenersatz besteht grundsätzlich nicht, diesen müsste man beim Haftpflichtversicherer des gegnerischen Fahrzeughalters geltend machen. Eine Ausnahme gilt für sogenannte Körperersatzstücke. Wird durch einen Unfall etwa eine Brille beschädigt, erhält man die Kosten für die Reparatur zurück, oder wenn eine Reparatur nicht möglich ist, die Anschaffungskosten für eine neue, gleich teure Brille.

Können Eltern von den Kitabeschäftigten für erlittene Körperschäden Schadenersatz fordern, wenn ihr Kind bei einem Autounfall verletzt wird?

In der Regel nicht, denn hier gilt das sogenannte Haftungsprivileg. Die Kitakinder sowie Aufsichtspersonen untereinander haften bei dienstlichen Unternehmungen auf Schadenersatz nur dann, wenn die verursachten Personenschäden vorsätzlich herbeigeführt wurden. Im Grunde ist damit deren Haftung in jeder Konstellation untereinander weitgehend ausgeschlossen.

Spielt es eine Rolle, wer an dem Unfall die Schuld trägt?

Für die Leistungspflicht der Unfallkasse ist die Schuldfrage unbedeutend. Die Kinder respektive deren Erziehungsberechtigte haben aber einen zivilrechtlichen Anspruch auf Schadenersatz für erlittene Gesundheitsschäden, wenn nicht die Kitabeschäftigten (hier gilt das vorgenannte Haftungsprivileg), sondern ein Unfallgegner den Unfall verursacht hat. Dies allerdings nur insoweit, als dieser Anspruch über die Leistungen der Unfallkasse hinausgeht. Dies begrenzt
sich regelmäßig auf den Anspruch auf Schmerzensgeld, weil diese Leistung
im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung nicht vorgesehen ist.

Was sollten die Kitabeschäftigten beachten, bevor sie mit den Kindern
losfahren?

Wer die Kinder mitnimmt, braucht dafür natürlich einen verkehrssicheren Pkw. Davon müssen sich der Fahrer oder die Fahrerin vor Antritt der Fahrt überzeugen. Für den Transport der Kinder müssen ausreichend viele und den aktuellen Normen entsprechende Kindersitze oder Sitzerhöhungen vorhanden sein und die Kinder darin sicher angeschnallt werden. Hat die Einrichtung selbst nicht genügend Sitze, sollten die Eltern diese den Kindern mitgeben.

Die Fragen beantwortete Jörg Zervas, Leiter der Abteilung Sicherheit – Gesundheit – Teilhabe der Unfallkasse Rheinland-Pfalz.

In Geborgenheit snoezelen

KURZ GESAGT!

_Snoezelräume sind reiz­arme Rückzugsräume

_Kein offenes Angebot

_Optimal: Einbindung in ein pädagogisches Kon­zept, da 1:1­-Betreuung sinnvoll

Snoezelräume in Kindertagesstätten: gemütlich, aber sicher


In Kindertagesstätten, besonders in integrati­ven Einrichtungen, können Snoezelräume dazu dienen, ganz individuell auf die Bedürfnisse ein­zelner Kinder einzugehen. Es hat sich gezeigt, dass durch das gezielte Nutzen des Snoezel­raums sowohl die Aufmerksamkeit als auch die Entspannung der Kinder zunehmen. (www.hu-berlin.de/de/forschung/szf/forschungsmanagement/veroeffentlichungen/spektrum/mertens_305.pdf) Das Ange­bot in den Räumen mit unterschiedlichen und bewusst gelenkten Reizen kann unter anderem dazu führen, dass sich der Puls verlangsamt und Entspannung eintritt. „Wenn das Snoe­zelen als pädagogische Aktivität regelmäßig durchgeführt wird, ist es ein Highlight, sowohl für Kinder als auch für Pädagoginnen und Päd­agogen. Eine Auszeit, die die Sinne ordnet, zur Ruhe kommen und zugleich Bildungsprozesse stattfinden lässt“, zeigt sich Heike Levin, Erzie­herin und Mitglied der International Snoezelen Association (ISNA), vom Snoezelkonzept über­zeugt. Besonders wichtig ist dabei jedoch eine 1:1-Betreuung und dass sich die betreuende Per­son ganz auf die Bedürfnisse und Reaktionen des snoezelnden Kindes einstellt. Das bedeutet auch: Snoezelräume sind keine offenen Ange­bote.

 

Lesetipp!

Magisterarbeit: „Theoretischer Zugang zum Snoezelen und Aspekte der Gestaltung von räumlichen Bedingun-gen in einer integrativen Kindertagesstätte“, als PDF unter: https://kurzelinks.de/gu86

 

Licht, Farben, Wasser


Im klassischen Snoezelraum sind die Wände weiß. Lichteffekte, also besondere Sinnes­eindrücke für das Auge, werden mithilfe von farbigen Lampen erzielt. Elemente dafür sind LED­-Scheinwerfer, Farbräder, Lichtwasserfälle sowie Lichterketten. Prismen, spezielle Spiegel und Spiegelkugeln sorgen dafür, dass das Licht reflektiert wird. Diese Effekte lassen sich durch Beamer­-Projektionen verstärken. Achten Sie jedoch darauf, die Räume nicht zu überfrachten, und bringen Sie die Lichter und Lampen sicher und unzugänglich für Kinder an. Zudem können die Lichter auch mit einer Fernsteuerung einzeln zuschaltbar und dimmbar sein, um die Inten­sität der Farbgebung zu regulieren. Auf Licht­blitze, flackerndes Licht und Ähnliches sollten Sie allerdings verzichten (Kinder mit Epilepsie!).


Wände, Decke, Boden und Polster-­Module zum Sitzen und Liegen sowie Boden­ und Wandmat­ten­Module können klassisch weiß oder auch gelb, orange oder beige sein. Auch hier gilt: Weniger liebevoll und aufeinander abgestimmte Elemente sind besser als zu viele.

Auch Wasserelemente spielen in Snoezelräumen eine Rolle. Dafür gibt es spezielle Wasserspiele und ­säulen, Aquarien sind ebenfalls denkbar. Unabdingbar ist es auch hier, die Elemente fach­gemäß und kindersicher anzubringen.


Sitz- und Liegepolster


Sitzsäcke, Liegepodeste, Liege­Inseln, Wasser­betten, bequeme Sessel, Boden­ und Wandmat­ten sowie Schaukeln ermöglichen bequemes Sitzen und Liegen und fördern das bewusste Spüren und Fühlen.

Ob Sitzsäcke oder Podeste mit Kissen und Liegematten: Die Möblierung ist schlicht und richtet sich danach, wer den Snoezelraum hauptsächlich nutzt.


Musik

Meditative Töne mit spezieller therapeutischer Musik, mit Klän­gen, Naturgeräuschen und (Kinder­)-Geschichten tragen zur Anre­gung und Entspannung der Kinder bei.


Sicherheit gewährleisten


Die ISNA empfiehlt, niemals Personen allein in den Snoezelraum zu lassen; das Snoezeln sollte kein offenes Angebot sein. Je nach individuellen Voraussetzungen der Kinder ist eine 1:1­-Betreuung sinnvoll.

AHA!

Das Fantasiewort „snoezelen“ (sprich „snuzelen“) ist eine Zusam­mensetzung der niederländischen Begriffe „snuffelen“ (schnüf­feln, schnuppern) und „doezelen“ (dösen, schlummern). Die Nie­derländer Hulsegge und Verheul setzten Mitte der 1970er­-Jahre das Snoezelen zunächst als spontane Aktivität bei schwerst mehrfachbehinderten Menschen ein. Heute gibt es Snoezelräume für alle Ent­wicklungsstufen in unterschiedlichsten Einrichtungen, neben Kitas in Seniorenzentren, Rehabilitationseinrichtungen und Hospizen.

Infos und eine Checkliste zur sicheren Gestaltung von Snoezel-, Rückzugs- und Ruheräumen für ältere Kinder gibt es hier:
https://www.kinderkinder.dguv.de/snoezel_checkliste

Weit mehr als nur An- und Ausziehen

KURZ GESAGT!

_Kinder lernen motorische und kognitive Fähigkeiten

_Garderobensituation als pädagogische Situation planen

_Auswahl des Garderobenortes und der ­-möbel von Anfang an berücksichtigen

Paul quengelt, Nina drängelt. Mia ist sauer, weil es nicht klappt mit den Gummistiefeln. Und eigentlich will sich die Erzieherin doch um Burak kümmern und ihm in die Jacke helfen. Chaos, Hektik, Stress. „Der ‚Augen-­zu­-und­-durch-­Modus‘ wird oft zum Normalzustand“, sagt Erziehungswissenschaftlerin Kira Daldrop. Sie weiß aus ihren Fortbildungen und aus eige­ner Erfahrung als stellvertretende Leiterin einer Leipziger Kita: „Das An­ und Ausziehen der Kin­der ist für viele Fachkräfte die stressigste Situa­tion des Tages.“


Grund genug, sich näher mit der Garderoben­situation zu beschäftigen. Sie gehört zu den Mikrotransitionen, zu den kleinen Übergängen (siehe KinderKinder 2/2021). Von einer Aktivi­tät zur anderen, von einem Raum oder Ort zum anderen. Die Kinder lernen dabei viel: moto­risch, wie sie sich selbst an- und ausziehen. Kognitiv, wie sie sich einen Überblick verschaf­fen, wo ihre Kleidung ist und was sie je nach Wetter und Aktivität brauchen. „In der Gardero­bensituation steckt jede Menge Bildung“, sagt Kira Daldrop. Und sie habe viel Potenzial, weil sie mehrere Male täglich wiederkehre.


Anziehzeit ist Beziehungszeit


Außerdem ist Anziehzeit auch immer Bezie­hungszeit, in der die Fachkräfte viel mit den Kindern kommunizieren können. „Du hast ja einen neuen Pullover, der ist ganz flauschig.“ Oder: „Fühl mal, die Regenjacke ist ganz glatt und kühl.“ Kindern helfe es in der Entwicklung nicht, passiv angezogen zu werden, erklärt Kira Daldrop. Lieber so: „Schau mal, ich stelle den Stiefel hier hin. Du kannst mit beiden Händen an den Seiten festhalten und mit dem Fuß hineinschlüpfen.“


Die Fachkräfte sollten also individuell auf die Kinder eingehen können. Dafür muss die Garde­robensituation als pädagogische Situation ein­geplant werden. Die zentrale Fragestellung für die Umsetzung in der Praxis formuliert die Kindheitspädagogin so: „Wie gelingt das in unserer Kita mit unserer Personalsituation und mit unse­ren räumlichen Gegebenheiten?“


Ist die Garderobe in einem weitläufigen Flur mit Spielgeräten, kann das die Kinder leicht ablen­ken. „Ihnen fällt es dann schwer, sich auf das An­- und Ausziehen zu konzentrieren“, erläutert Kira Daldrop. Zu klein sollte der Platz nicht sein, sonst können durch die Beengtheit Konflikte entstehen, die die Erzieherinnen und Erzieher entschärfen müssen.


Klar ist aber: An den Räumlichkeiten lässt sich selten etwas ändern, die Kitas müssen das Beste daraus machen. Ankerplätze, an denen Kinder mit kleinen Aktivitäten ein wenig Warte­zeit überbrücken können, sind eine mögliche Entlastung. Oder das Herstellen von Schleusen: Kinder gehen nach dem Anziehen direkt in den Garten und werden dort in Empfang genommen. „Klare Absprachen sind nötig: Wer hat welche Kinder und welchen Raum im Blick?“, unter­streicht Kira Daldrop.

Die Erziehungswissenschaftlerin empfiehlt, möglichst kleine Gruppen aus Kindern mit unterschiedlichem Assistenzbedarf zu bilden: „Das gibt Erzieherinnen und Erziehern die Mög­lichkeit, sich den Kindern zuzuwenden, die mehr Unterstützung brauchen.“


Wichtig: sicheres und sinnvolles Mobiliar


Zudem wollen die Garderobenmöbel sinnvoll ausgewählt und gemäß den Sicherheitshinwei­sen der Hersteller aufgestellt sein, damit alles reibungslos und sicher klappt. Typisch sind Bänke, Kleiderhaken und Regale oder Fächer, die wichtige Utensilien wie Schals oder Müt­zen enthalten. Kommen die Kinder selbst gut an alles heran oder ist es gefährlich, wenn sie in Socken oder Matschschuhen hochklettern müssen? Bietet die Bank genügend Fläche, damit die Kinder dort sicher und mit den Füßen auf dem Boden sitzen können? Ist die Sitzflä­che nutzbar oder wird sie von Kleidungsstücken versperrt, die an den Haken hängen? „Auch die pädagogischen Fachkräfte benötigen in der Gar­derobe Mobiliar, das sie entlastet, damit sie sich entspannt dem Kind zuwenden können“, betont Kira Daldrop. Höhenverstellbare Rollho­cker, ein Podest mit Stufen oder ein Stehwickel­tisch könnten Lösungen sein.


Neben den Sicherheitsstandards – stand-­ und kippsichere Anbringung der Garderobe, rutsch­hemmender Bodenbelag, Vorsicht bei Quetsch­stellen, Kanten und vorstehenden Haken – soll­ten auch die Licht­ und Farbgestaltung sowie die Akustik berücksichtigt werden, rät Kira Daldrop. „So lässt sich Ruhe reinbringen und eine Stim­mung erzeugen, die bei der Interaktion hilft.“ Schließlich werde beim An-­ und Aus­ziehen wichtige pädagogische
Arbeit geleistet, um Kompe­tenzen fürs Leben aufzu­bauen. Und das klappt am besten stressfrei. „Die Garderobensitua­tion ist nicht nur Mittel zum Zweck. Sie kann und darf auch Spaß machen“, zieht Kira Dal­drop das Fazit.

Zur Person:
Kira Daldrop studierte Kindheitspädagogik und Erziehungswissenschaften, in ihren Abschlussarbeiten beschäftigte sie sich mit der Garderobensituation in Kitas. Sie war stellvertretende Leiterin einer Leipziger Kita und arbeitet jetzt in der Familienbegleitung sowie in dem von ihr gegründeten InFanT Institut in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von pädagogischen Fachkräften.

Eine Checkliste, was zu einer sicheren Garderobe gehört, finden Sie hier: http://www.kinderkinder.dguv.de/so-werden-garderoben-sicher

So werden Garderoben sicher

  • Wandgarderoben sind schwere Verbundelemente, die sicher an der Wand zu befestigen sind. Diese müssen so gesichert sein, dass sie nicht umfallen können – selbst wenn sich mal ein Kind „dran­hängt“.

  • Bei mobilen Standgarderoben sind die Herstel­lerangaben zu beachten. Sie müssen stabil und kippsicher aufgestellt sein und über Feststellvor­richtungen verfügen, damit sie nicht wegrollen können.

  • Durch den Einbau oder die Aufstellung einer Garderobe wird die zulässige Verkehrswegbreite/Fluchtwegbreite nicht einschränkt und die brand­schutztechnischen Vorgaben werden beachtet.

  • Ein rutschhemmender Bodenbelag reduziert die Gefahr, dass die Kinder sich bei Stürzen verletzen – selbst mit matschnassen Gummistiefeln.

  • Bei Planung und Anschaffung die Größe der Kinder beachten, denn sie sollen ihre Jacken und Fächer selbstständig erreichen können.

  • Wie für alle Einrichtungsgegenstände gilt auch für Garderoben: Es darf keine scharfen Kanten oder Ecken geben, an denen sich Kinder verletzen können.
  • Schubladen müssen gegen Herausfallen gesichert sein.

  • Um Verletzungen zu vermeiden, dürfen Gardero­benhaken nicht hervorstehen. Sie sollten nach innen zeigen, abgeschirmt und abgerundet sein.

  • Ausreichend Abstand zwischen den Kleiderhaken einplanen, damit sich mehrere Kinder gleichzeitig an­ und ausziehen können.

  • Eine Garderobe für das Kitapersonal sollte in der Nähe der Kindergarderobe sein. Das verhindert lange Wege und Lücken in der Aufsicht.

  • Ganz wichtig: Genügend Platz einplanen, um Unordnung und Stress zu vermeiden. Damit die pädagogischen Fachkräfte rückenschonend arbei­ten können, muss Platz für kleine Bänke, Hocker und höhenverstellbare Stühle vorhanden sein.

Rückengerecht arbeiten

  • Nutzen Sie höhenverstellbare Stühle und vermeiden Sie unbedingt, auf Kinderstühlen zu sitzen, denn dadurch können Verspannungen im Bereich der
    Wirbelsäule und Beschwerden an den Kniegelenken auftreten.
  • Verwenden Sie Anziehhilfen wie Podeste, kleine Treppen und ergonomische
    Stühle, um sich mit den Kindern auf Augenhöhe zu bewegen. So vermeiden Sie es, sich ständig vorbeugen und die Wirbelsäule verdrehen zu müssen. Lassen Sie die Kinder möglichst viel selbstständig machen.
  • Nutzen Sie Servierwagen zum Transportieren der Mahlzeiten.
  • Portionieren und richten Sie die Speisen auf den Kindertellern an einem normal
    hohen Tisch oder auf dem Servierwagen an, statt sich zu den Kindern herunterzubeugen, sofern diese überhaupt Ihre Hilfe benötigen.
  • Beim Transport schwerer Gegenstände: Holen Sie sich Hilfe oder greifen
    Sie auf geeignete Hilfsmittel (Sackkarre etc.) zurück.
  • Das Spielen auf dem Boden kann die Kniegelenke belasten.
    Hilfreich sind hier Sitzalternativen, beispielsweise Yogakissen, Meditationsbänkchen oder Bodenstühle.
  • Sie die Kinder nur ausnahmsweise auf den Wickeltisch, lassen Sie die Kleinen vorhandene Aufstiegshilfen nutzen. Ältere Kinder können stehend gewickelt werden, während die Fachkraft auf einem niedrigen Stuhl sitzt.
  • Kann das Kind, das Sie hochheben möchten, nicht doch selbst laufen, klettern o. Ä. – eventuell mit Ihrer Hilfe? Lässt es sich nicht vermeiden: Heben Sie das Kind körpernah und achten Sie darauf, dass Ihre Knie nicht durchgestreckt sind.
    Wenn Sie Babys oder Krabbelkinder länger tragen, ist es sinnvoll, dafür ergonomische Tragesysteme zu verwenden.
  • Nutzen Sie solche Bettchen, in die die Kinder selbstständig hinein- und herauskrabbeln können, damit Sie sie zum Schlafenlegen nicht über das Gitter heben müssen.

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TIPP!

Gefährdungsbeurteilungen geben Ihnen wertvolle Hinweise auf Verbesserungsbedarf in Ihrer Kita. Mehr dazu unter:
www.bgw-online.de/gefaehrdungsbeurteilung-kita

Weitere Informationen zum rückengerechten Arbeiten unter:
www.dguv.de, Webcode: p202106

Reife Leistung

KURZ GESAGT!

_Kitateams werden insgesamt älter

_Kitaleitungen müssen Bedarfen aller Rechnung tragen

_Von Maßnahmen profitie­ren auch die Jüngeren

Der demografische Wandel und der daraus resultierende Fachkräftemangel sind auch in den Kindertageseinrichtungen bereits deut­lich zu spüren. Die durchschnittliche Erzieherin ist knapp 42 Jahre alt – Tendenz steigend. Statistiken zeigen, dass bis zum Jahr 2030 etwa 120.000 pädagogische Fachkräfte in Rente ge­hen werden. Um die Prozessqualität der Einrich­tungen zu sichern, müssen Kitaleitungen und Träger – auch unabhängig vom Personalnot­stand – den älteren Beschäftigten in Kitas eine Arbeitsumgebung bieten, die deren Belange und Perspektiven berücksichtigt. Denn viele von ihnen wollen oder müssen bis zum Rentenalter arbeiten. Von einer solchen Personalentwick­lung profitieren jedoch nicht nur die Älteren, sondern das ganze Team – sowie folglich auch Kinder und deren Familien. Denn: Die Kinder werden immer jünger, ihre Betreuungsdauer ist deutlich länger als noch vor einigen Jahren. Sie sind auf gesunde, motivierte und ausreichend viele pädagogische Fachkräfte angewiesen.

Viele der Maßnahmen, die eine alternsgerechte Arbeitsumgebung schaffen, fallen unter das Schlagwort „Betriebliches Gesundheitsmanage­ment“. Dazu gehören natürlich ergonomisches Mobiliar, Lärmschutz und Rückzugsräume für die Beschäftigten sowie Angebote zur Gesundheits­förderung (z. B. Rückenschule oder Entspan­nungskurse) – Maßnahmen, die letztlich allen Beschäftigten zugutekommen, nicht nur den älteren. Darüber hinaus spielen auch die Orga­nisation der Arbeit sowie eine Präventionskultur, die sich durch einen ganzheitlichen Ansatz aus­zeichnet, eine wichtige Rolle.

Alle Altersklassen ein Gewinn fürs Team


Für die älteren Teammitglieder sind manche dieser Aspekte wichtiger als andere. Welche Faktoren für sie besonders belastend sind, erfahren die Kitaleitung und der Träger durch regelmäßige Befragungen des Personals. Die Antworten geben die Richtung vor. Dabei gilt es, die Potenziale der Einzelnen für das Team gewinnbringend einzusetzen. Vielleicht hat die 55-­Jährige Schwierigkeiten beim Heben und Tra­gen der Krabbelkinder. Digitale Medien sind ihr nicht geheuer, während die 20­jährige Kollegin davon schwärmt. Dagegen ist sie sehr erfah­ren im Führen schwieriger Elterngespräche und behält die Ruhe, wenn sich ein Kind verletzt.

Zusammen und mit guten Absprachen sind alle Altersklassen ein Gewinn fürs Team, nach dem Motto: „Die Jüngeren können schneller laufen, aber die Älteren kennen die Abkürzungen“, wie es die Leitung eines Hamburger Projekts zur alternsgerechten Arbeitsplatzgestaltung in Kitas ausdrückte.
(Michael Schaaf und Costanza Müller­Djalili in: Betriebliche Gesundheitsförderung für ältere Mitarbeitende, KiTa ND, 11/2012).

Dies bedeute nämlich gerade nicht, Schonräume für die Älteren zu schaffen und die Jungen dafür doppelt so viel arbeiten zu lassen, sondern gemeinsam Lösun­gen zu finden, wie sich jede und jeder Einzelne optimal einbringen könne. Das kollegiale Miteinander und die gegenseitige Wertschätzung sind darüber hinaus oft ungleich wichtiger als der durch den Träger finanzierte Yogakurs. Deshalb ist – wie so oft – gute Kommunikation der Schlüssel.

Im Gespräch bleiben


Das gilt besonders dann, wenn es erforderlich sein sollte, die Arbeitsorganisation alternsgerecht zu verän­dern, zum Beispiel wenn ältere Mitarbeiterinnen aus der Krippe in den Elementarbereich wechseln. Das gesamte Team muss bei diesen Veränderungsprozessen einge­bunden werden, damit nicht der Eindruck entsteht, es würden Sonderwünsche Einzelner erfüllt, während die anderen noch mehr aufgeladen bekommen.

Auch die Älteren sind gefordert, sich den neuen Realitä­ten zu stellen: Pädagogische Konzepte haben sich seit ihrer Ausbildung genauso gewandelt wie der Anspruch an frühkindliche Bildung. Dokumentationspflichten und Verwaltungsaufgaben haben zugenommen, (digitale) Medienbildung gehört zum Standard und die Eltern­kommunikation ist anspruchsvoller als noch vor Jahren. Regelmäßige Fort­ und Weiterbildungen helfen allen (!) Fachkräften, bei diesen Entwicklungen mitzuhalten. Für Kitaleitungen und Träger liegt im Ermöglichen des lebenslangen Lernens ein großes Potenzial.

Letztlich ist die alternsgerechte Gestaltung von Kita­-Arbeitsplätzen ein Werkzeug, um mit einem guten, ein­gespielten Team aus Alt und Jung die Herausforderun­gen der Zukunft zu meistern und erfahrenes Personal zu halten.

Generationen verbinden – Potenziale ausschöpfen

Warum sind ältere Fachkräfte so wertvoll für Kitas?


Oftmals werden die Stärken von älteren Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern unterschätzt und ihre Fähigkeiten werden übersehen. Dabei profitieren Kitas vom Erfahrungswis­sen der sogenannten Aging Workers, die außerdem häufig gut vernetzt sind. Das ist beim Ausbau von Kooperationen hilfreich. Darüber hinaus zeichnet sie eine hohe Arbeitsdisziplin und eine gute Übersicht darüber aus, welche Anforderungen Eltern, Kin­der oder die anderen Fachkräfte an die Kita stellen. In der Regel können sie mit komplexen Situationen und mit Stress gut umge­hen. Häufig lassen sich ältere pädagogische Fachkräfte auch flexibel einsetzen, da sie familiär weniger stark gebunden sind. Kitas haben bei ihnen größere Planungssicherheit, da sie sel­tener eine berufliche Veränderung anstreben – insbesondere, wenn die Zeit bis zum Renteneintritt absehbar ist.

Wie können Kitas die Stärken der älteren Beschäftigten am besten nutzen?


Ziel eines nachhaltigen, altersorientierten Personalma­nagements sollte sein, dass der Kita Erfahrungswissen, aufga­benspezifisches Wissen und Methodenwissen erhalten bleiben. Beispielsweise können ältere Erzieherinnen als Ausbilderinnen oder Mentorinnen fungieren und neue Kolleginnen und Kollegen begleiten. Ein solches Personalmanagement kann auch beinhalten, erfahrenen Fachkräften andere Aufgaben zu übertragen. Das kön­nen Tätigkeiten in der Verwaltung, Planung und Organisation sein.


Die Aging Workers müssen aber auch mitziehen.


Die Arbeitswelt ändert sich und wird komplexer. Lebens­langes Lernen ermöglicht es ihnen, diese Herausforderungen zu meistern. Ältere Beschäftigte profitieren aber auch von Fort-­ und Weiterbildungen, indem ihnen die neuen Qualifikationen neue Karrieremöglichkeiten eröffnen. So kann eine pädagogische Fachkraft beispielsweise zur Expertin für Sprachförderung oder Raumgestaltung werden. Arbeitet sie bei einem größeren Träger, kann sie ihr Wissen beratend auch in anderen Kitas einbringen oder eigene Fortbildungen zum Thema leiten.


Worauf müssen Kitaleitungen achten, um ihre Belegschaft altersgerecht zu führen?


Kitaleitungen sehen in altersgerechter Führung ein wichtiges Thema, weil sie vielleicht ein altersgemischtes Team führen oder die Chancen diverser Teams sehen – in vielen Aus­bildungs­ und Qualifizierungsmaßnahmen für die Kitaleitungen wird die Thematik allerdings nicht berücksichtigt. Deshalb fehlt häufig das Wissen, um das Vorhaben in die Praxis umzusetzen. Kurz gesagt: Eine altersgerechte Führung sollte sich daran orien­tieren, in welcher Lebensphase sich die Beschäftigten befinden, und ihre Stärken berücksichtigen.


Können Sie das konkretisieren?


Die Leitungen müssen den verschiedenen Anforde­rungen und Bedürfnissen der unterschiedlichen Generationen Rechnung tragen, um die Potenziale der einzelnen Altersgruppen gewinnbringend für die Kita zu nutzen. Jüngere Fachkräfte wün­schen sich zum Beispiel häufig eine größere Aufgabenvielfalt, ältere Fachkräfte fordern dagegen eher Autonomie und möchten ihr Wissen weitergeben. Führungskräfte sollten die Ressourcen ihrer Beschäftigten kennen, ihre Gesundheit und Leistungsfähig­keit im Blick haben. Entsprechend sollten sie die Arbeitsanforde­rungen so gestalten, dass es weder zu einer Unter­- noch zu einer Überforderung kommt. Die Erwartungen und Ziele müssen zwi­schen der Kitaleitung und den Beschäftigten klar definiert sein. Eine gute und offene Kommunikation ist dafür wichtig.


Haben die Kommunikation und der Umgang miteinander Auswirkungen auf die Gesundheit?


Das Führungsverhalten beeinflusst die Mitarbeiter­zufriedenheit, die Motivation und sogar die Arbeitsfähigkeit. Hohe Krankenstände können zum Beispiel in Zusammenhang mit schlechtem Führungsverhalten stehen. Empfinden ältere Fachkräfte etwa eine Ungleichbehandlung, kann sich das nega­tiv auf ihre Gesundheit auswirken. Im schlimmsten Fall gehen sie vorzeitig in den Ruhestand.

Was trägt denn dazu bei, dass sich die Fachkräfte wohlfühlen?

Ein wertschätzender Umgang ist immer wichtig. Dazu gehört auch, die Beschäftigten gemäß ihren persönlichen und fachlichen Kompetenzen einzusetzen. So steigert ein nachhal­tiges, altersgerechtes Personalmanagement die Arbeitszufrie­denheit und Leistungsbereitschaft der älteren Beschäftigten, während arbeitsbedingte Belastungen reduziert werden. Das Betriebliche Gesundheitsmanagement gewinnt in Kitas ebenfalls an Bedeutung. Durch gezielte Maßnahmen verbessert eine Kita damit nicht nur die Gesundheit ihrer Beschäftigten – sie erhöht auch ihre eigene Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt und reduziert personelle Fluktuation.


Ihr Fazit: Warum sollten sich Kitas mit nachhaltigem, altersorientiertem Personalmanagement auseinandersetzen?


Weil es aufgrund des demografischen Wandels wich­tig ist, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglichst lange zu beschäftigen. Wenn die pädagogischen Fachkräfte gesund blei­ben und bis zum Renteneintritt zufrieden und motiviert arbeiten, kann das zur Reduzierung des Fachkräftemangels beitragen. Nur mit ausreichendem Wissen über altersgerechtes Führen können Kitaleitungen das wertvolle Potenzial voll ausschöpfen, das in den Aging Workers schlummert.

 

Die Fragen stellte Holger Schmidt

„Ich bin dann eben Mutti“

KURZ GESAGT!

_Von der Zusammenarbeit älterer und jüngerer Fach­kräfte im Team profitieren alle – vor allem die Kinder

_Wertschätzender Umgang miteinander, Kommunika­tions­ und Kritikfähigkeit sind entscheidend

_Erfahrene Erzieherinnen und Erzieher müssen sich Offenheit für Veränderungen bewahren

Mit 64 Jahren ist Regina Dillert die „Alters­präsidentin“ in der Evangelischen Kita „Kleine Wikinger“ in Busdorf bei Schleswig. Und vor allem ist sie „die gute Seele“, wie Sonja Joswig ihre Mitarbeiterin nennt. Die Kitaleiterin spricht liebevoll von ihren „Schätzen“, wenn sie über die Erzieherinnen spricht. Sie alle würden ihre Persön­lichkeiten mitbringen, ihre Fähigkeiten und ihre Quali­täten. Wobei die älteren Fachkräfte für sie, das merkt man, schon besondere Schätze sind. Und die wollen gehegt und gepflegt sein.

Regina Dillert arbeitet schon seit mehr als 30 Jahren als Erzieherin. Früher, blickt sie zurück, habe sie viel Zeit auf dem Fußboden verbracht oder auf den kleinen Holzstühlchen, die es damals noch in den Gruppenräumen gab. Heute zeugen Rücken und Knie davon. „Den Ver­schleiß merke ich schon“, sagt sie. Ihre Arbeits­zeit hat sie deshalb auf 25 Stunden pro Woche reduziert. Alles, das räumt sie ein, kann sie nicht mehr machen. Muss sie auch nicht. Vom regulären Gruppendienst ist sie befreit, stattdessen küm­mert sie sich liebevoll um den Essensraum, den alle in der Kita nur „Restaurant“ nennen. Den Raum deko­rieren, den Tisch decken, Obst und Gemüse schneiden, Geschirr spülen – das sind jetzt ihre Hauptaufgaben. Und, ganz wichtig, Gespräche mit den Kindern: „Ich bin für sie der Kummer­kasten.“

Mit ihrer Tätigkeit ist sie eine wertvolle Entlas­tung für die anderen Fachkräfte. Jede Kollegin kommt mit ihren Kindern beim freien Frühstück zwischen 8 und 10:30 Uhr bei Regina im Restau­rant vorbei. Für alle hat sie ein freundliches Wort und insbesondere für ihre jüngeren Kolleginnen immer auch ein offenes Ohr. Oder, wie sie es selbst schmunzelnd ausdrückt: „Ich bin dann eben Mutti.“

Das Repertoire ist im Kopf statt im Internet


Noch dazu springt Regina Dillert im Gruppen­dienst ein, wenn es personelle Engpässe gibt. Was sollen wir singen? Was können wir spielen? Sie braucht dafür kein Smartphone, kein You­tube oder Pinterest. Sie hat ein großes Repertoire im Kopf und ein Gespür dafür, was gerade passend ist und gut ankommt.


Diese Leichtigkeit hinterlässt Eindruck bei den jüngeren Fachkräften. Zu ihnen gehört Nicole Bendixen. „Wenn man neu in den Beruf star­tet, ist man unsicher“, blickt die 27­-Jährige auf ihre Anfänge zurück. Da habe sie schon Res­pekt gehabt, wenn die erfahrenen Kollegin­nen den Morgenkreis gemacht oder spontan etwas gebastelt hätten. „Wie locker die das machen …“, habe sie gedacht.


Nicole Bendixen profitiert von der Lebens­ und Berufserfahrung der routinierten Kolleginnen. Umgekehrt bringen die Jüngeren neues Fach­wissen ins Team ein. „Es ist ein gegenseiti­ger Austausch“, sagt die Sozialpädagogische Assistentin (SPA). Letztlich sei die Kommuni­kation entscheidend, ob man sich auf einen Ansatz einige oder vielleicht gemeinsam eine neue Lösung finde. „Beide Seiten müssen Kom­promisse eingehen“, sagt Nicole Bendixen. Wichtig seien ein wertschätzender Umgang und die Fähigkeit, konstruktive Kritik anzunehmen. „Ein ‚Du hättest es auch so machen können‘ heißt ja nicht, dass ich es schlecht gemacht habe. Aber ich hätte es auch anders machen können und das wäre vielleicht besser gewesen.“


Fragend Schwachstellen aufdecken und Kritik äußern

Susi Keller­Sievers trägt ihre Kri­tik in Dienstbesprechungen so vor, dass sich niemand verletzt fühlt. Meist macht sie das in Form von Fra­gen. Sie ist gut darin, Schwachstellen aufzu­decken, und beharrlich darin, sie abzustellen.
Eine Sicherheitsbeauf­tragte, wie sie sich jede Kitaleitung wünscht. Und noch dazu eine 57­-Jäh­rige, die ihre Erfahrungen gerne mit der jüngeren Generation teilt, Veränderungen aber gleichzei­tig offen gegenübersteht. „Kinder dürfen jetzt mitentscheiden, was ihnen guttut und wozu sie Lust haben. Das finde ich toll, weil sie als Persön­lichkeiten wahrgenommen und in ihren Fähigkei­ten gefördert werden“, gibt die zweifache Mutter und Großmutter ein Beispiel.

Was sich nicht geändert hat, ist ihr Einsatzge­biet. Susi Keller-­Sievers arbeitet im Krippenbe­reich. „Man hat seine Wehwehchen, das bringt der Beruf mit sich. Aber ich bin gesund.“ Was viel mit der Liebe zu ihrem Herzensberuf zu tun habe, aber auch damit, dass sie sich in der Freizeit viel bewege, sich gesund ernähre und im Beruf auf sich achte. „Wie setze ich mich hin? Wie bücke ich mich? Mehr in die Knie gehen und nicht aus dem Rücken heben“, veranschaulicht sie.


Darüber hinaus unterstützt der Träger das Kita­personal der „Kleinen Wikinger“ mit ergonomi­schen Arbeits­- und Hilfsmitteln. So hat jede Erzie­herin ihren eigenen, auf sie abgestimmten Stuhl. Die Fachkräfte im Krippenbereich haben Yoga­kissen, damit ihnen das Knien leichterfällt und weniger belastend ist. An der Garderobe gibt es eine Anziehhilfe, auf die die Kinder klettern kön­nen, damit sich die Erzieherinnen beim Zubinden der Schuhe nicht bücken müssen. Zudem sind die Wickeltische mit Treppen ausgestattet. Susi Keller­-Sievers rät den jüngeren Kolleginnen, es so zu handhaben wie sie: „Hebt die Kinder nicht vom Wickeltisch, lasst sie die Treppe runterkrab­beln.“ Schließlich wickle man täglich und das Heben belaste Schultern und Rücken.

Damit ihr das Knien im Krippenbereich leichterfällt, benutzt Susi Keller-Sievers ein Yogakissen.


Das Team erleichtert es ihr, motiviert und mit Spaß zur Arbeit zu kommen. „Wir sind unter­schiedliche Charaktere und sind nicht immer alle einer Meinung“, sagt Susi Keller­-Sievers. „Wir können aber andere Meinungen akzeptie­ren und finden auf Augenhöhe zueinander, weil wir das gleiche Ziel verfolgen.“

Projekt „Brücken bauen“ hilft beim besseren Verständnis


Nicht immer war das Betriebsklima so gut. Kitaleiterin Sonja Joswig spürte vor einiger Zeit Konfliktpotenzial zwischen den Generationen: „Deshalb haben wir uns professionell begleiten lassen, damit es gar nicht erst hochkocht.“ Sie machte mit ihrem Team beim Projekt „Brücken bauen“ der Landesvereinigung für Gesund­heitsförderung in Schleswig­Holstein und der Unfallkasse Nord mit. Bei der Fortbildung ging es nicht um pädagogische Themen, sondern um die Zusammenarbeit in altersgemischten Teams und ein bes­seres Verständnis für die Kolleginnen in ihren verschie­denen Lebenspha­sen. Vereinfacht gesagt: Während die Mittzwanziger sich mit Familienplanung oder Hausbau beschäftigen, interessiert die 60-­Jäh­rigen eher, wie sie gesund in die Rente kommen.


Das Ergebnis der Schulung: „Die Stimmung ist jetzt ganz anders, es ist deutlich harmonischer geworden“, sagt Sonja Joswig. „Wir können uns besser in die anderen hineinversetzen.“ Außer­dem habe man gelernt, Berufliches von Priva­tem zu trennen, und Teamregeln aufgestellt: Wenn etwas nicht gut läuft, wird es untereinan­der angesprochen und geklärt.


Die Offenheit, Dinge anzusprechen, schätzt Sonja Joswig an den erfahrenen Erzieherinnen. „Sie sind nicht nur Frau und Erzieherin, son­dern auch Mutter und vielleicht Großmutter. Sie haben einen ganz anderen Erfahrungsschatz und vermitteln das den jüngeren auf eine nette Weise. Sie tun dem Team damit einfach gut“, sagt die 44-­jährige Kitaleiterin. Umgekehrt könnten die jüngeren Fachkräfte besser mit Ver­änderungen umgehen und seien nicht so eingefahren. Beide Seiten würden also voneinander profitieren und sich ergänzen.

Offene Arbeit: Die Skepsis ist gewichen


„Der Beruf hat sich sehr verändert“, sagt Regina Dillert. Sie würde ihn aber immer wieder wäh­len: „Morgens anzukommen, die Freude, die Erwartung, die herzliche Begrüßung der Kinder – das macht mir immer noch viel Spaß.“
Als ältere Fachkraft müsse man aber auch selbst Offenheit für Neues mitbringen. „Ich lerne heute noch dazu – auch wenn es mir schwererfällt als früher“, sagt die 64­-jährige „Restaurant­-Che­fin“. So musste sie sich erst überzeu­gen lassen von der Umstellung von fes­ten Gruppen auf die offene Arbeit. Lärm und Chaos habe sie erwartet. Doch das Gegenteil war der Fall: „Die Kinder sind entspannter und ruhiger, weil sie dahin gehen können, wo sie spielen oder ihre Freunde treffen möchten.“


Regina Dillert jedenfalls gefällt die Mischung aus jüngeren und älteren Kolleginnen, aus alten und neuen pädagogischen Ideen: „Die Jungen bringen einen Schwung mit, der mich mitreißt. Ich kann ihnen noch etwas beibringen, mir aber auch etwas von ihnen abgucken. Am meisten profitieren aber sicher die Kinder.“

Kranke Kinder bleiben zu Hause?

Warum regelt der Träger, also in Ihrem Fall das Bayerische Rote Kreuz, kurz: BRK, nicht einheitlich für die Kitas in seiner Trägerschaft, wann ein Kind zu krank für den Kitabesuch ist?

Hermine Brenauer: Es gibt dazu durchaus von unserer Seite Empfehlungen. Wir tun uns aus Trägersicht allerdings schwer, verbindliche Vor­gaben zu machen, da es keine klare Aussage auf Gesetzesebene gibt. Die einzige gesetzliche Grundlage ist das Infektionsschutzgesetz – das deckt zwar viel, aber eben nicht alles ab, was die Kolleginnen und Kollegen in den Kitas zu sehen bekommen. Außerdem mag eine Vorgabe für die eine Einrichtung passen, aber für die andere überhaupt nicht, weil dort die Gegeben­heiten andere sind. Es gibt etwa ein benachbar­tes Seniorenheim, das es erforderlich macht, auf etwas besonders zu achten. Es besteht eine große Vielfalt, wodurch es für uns als Träger schwierig ist, eine einheitliche Regelung vorzugeben. So liegt es wieder bei den einzelnen Ein­richtungen, wie sie es handhaben und inwiefern auch die örtlichen Gesundheitsämter involviert sind.


Lea Erhard: Beim Roten Kreuz haben wir einen Rahmenvertrag für alle Kitas, dem eine Beleh­rung zum Infektionsschutzgesetz beiliegt. Darin sind die Krankheiten aufgelistet, bei denen die Kinder nicht in die Kita kommen dürfen. In Bayern muss jede Kita einen Hygieneplan erstellen, der unter anderem auch Empfehlungen gibt, wie lange die Kinder bei welcher Krankheit zu Hause bleiben sollten, ob ein Attest erforderlich ist und so weiter.* Damit haben wir Erzieherinnen etwas an der Hand, das wir den Eltern rauskopieren und auf das wir uns berufen können.

Damit können Sie die Diskussionen mit den Eltern sicher abkürzen.


Lea Erhard: Ich führe die Diskussionen trotzdem, auch wenn es von der Aufnahme des Kindes an völlig klar ist, welche Regeln bei uns diesbezüglich gelten. Man­che wollen es nicht verstehen, aber manche können es auch nicht verstehen – schlicht, weil es eine sprachliche oder kulturelle Barriere gibt. Was noch hinzukommt: Wir sind keine Ärzte. Wir wissen nicht, woher beispielsweise der Durchfall beim Krippenkind kommt – vom Zahnen oder einem Infekt? Also lassen wir das Kind lieber abho­len. Das ist ein schmaler Grat und oft schwierig für die Zusammenarbeit mit den Eltern.


Wäre es hilfreich, wenn jede Kita – zum Beispiel mit dem Gesundheitsamt – eigene Hausregeln dazu als Anlage zum Betreuungsvertrag formuliert und damit eine gewisse Verbindlichkeit herstellt?


Lea Erhard: Das kann ich mir schon als entlastend für die Kitafachkräfte in den Gruppen vorstellen. Aber ob es an den Betreuungsvertrag gekoppelt sein muss? Wich­tig wäre vor allem, solche Hausregeln in verschiedenen Sprachen oder rein visuell zu gestalten und so kurz und einfach wie möglich. Man könnte einen solchen Zettel regelmäßig in die Fächer oder auch als Info in die Willkommensmappe legen. Das könnte sich positiv auswir­ken, aber klar: Viele Eltern lesen es auch gar nicht.


Sehen Sie Alternativen?


Lea Erhard: Jede Kita hat einen Hygieneplan, der alle ein bis zwei Jahre erneuert wird. Die Einrichtungen haben dafür ihre Ansprechpersonen, die die dazugehörende Begehung machen. Vielleicht könnte man das Thema dort anbringen und den Hygieneplan ergänzen.

Wie kommt das Landesreferat des BRK in dieser Sache ins Spiel?


Hermine Brenauer: Wir stellen unseren Einrichtungen vor allem Informationen und unterstützende Handlungs­leitfäden über das Intranet zur Verfügung. Hier lassen sich viele Dokumente herunterladen, die dann auch an die Eltern weitergegeben werden können. Außer­dem haben wir eine interne Rechtsabteilung, die zum Beispiel Einwände von Eltern zu Vertragsbestandteilen oder sonstige Beschwerden prüft. Und da komme ich auch noch mal auf die Verbindlichkeit von Hausregeln zurück: Wenn Eltern uneinsichtig sind, ist unser Hand­lungsspielraum begrenzt. In meiner Position kann ich die Kolleginnen und Kollegen in den Einrichtungen aber mit Informationen und Empfehlungen versorgen und sie damit unterstützen.

Die Fragen stellte Stefanie Richter

 

 

Aktualisierte Empfehlungen für entsprechende Hausregeln gibt es auf unserer Webseite: www.kinderkinder.dguv.de/hausregeln-kranke-kinder/

Die Gesprächspartnerinnen

Hermine Brenauer ist Landesreferentin für Kindertageseinrichtungen des Bayerischen Roten Kreuzes, das mehr als 330 Kinder tages- und Schulkindbetreuungseinrichtungen in (Mit-)Trägerschaft hat. Sie berät Träger und Kitaleitungen in sämtlichen Belangen – auch was den Umgang mit kranken Kindern betrifft.

Lea Erhard ist Einrichtungsleiterin und Kinderschutzfachkraft der integrativen Tagesstätte „Zirbelzwerge“ in Augsburg.

*Transparenzhinweis: In der ursprünglichen und gedruckten Version heißt es, in Bayern sei im Rahmenhygieneplan eine Empfehlung zum Umgang mit Kinder mit ansteckenden Krankheiten enthalten. Dies war missverständlich formuliert und wurde online geändert.

Altersgemischte Teams

Welche Vorteile bietet es, wenn jüngere und ältere Fachkräfte in einem Team zusammenarbeiten?

Aus den Erfahrungen und der Routine der älteren Generation kann gepaart mit den frischen Ideen der jünge­ren Beschäftigten eine tolle Energie entstehen. Man profitiert voneinander und die Kita bleibt beweglich. Auch die unterschiedlichen Werte der Generationen können einen Mehrwert darstellen. Loyalität und Kollegialität sind tief verwurzelt in den Biografien der älteren Erzieherinnen und Erzieher, bei den jüngeren sind es Werte wie Selbstfürsorge. Den Älteren würde manchmal mehr Selbstfürsorge guttun, weil sie dazu neigen, sich selbst zu vergessen und sich zu verausgaben. Den Jüngeren kann es helfen wahrzunehmen, wie schön es ist, sich aufeinander verlassen zu können.

Das klingt in der Theorie gut, ist in der Praxis aber sicher nicht immer so einfach.

Die Vorteile sind auch gleichzeitig Spannungsfelder. Vor allem, wenn man nicht offen ist füreinander. Wenn die alten Hasen sagen: „Das haben wir schon immer so gemacht“, oder die Neulinge sich nicht trauen, ihren Platz zu erkämp­fen. In einer Supervision hatte ich zum Beispiel ein Team mit einer Auszubildenden. Sie hatte eine tolle Idee, weil viele Eltern trotz Bitten der Kita die Kleidung ihrer Kinder nicht mit Namen beschriftet hatten: Sie wollte beim nächs­ten Elternabend alle Kleider ohne Beschriftung zu einem Kleiderberg türmen, um den Eltern das Problem vor Augen zu führen. Aber die Auszubildende fühlte sich nicht wahrge­nommen.

Wie gelingt die Zusammenarbeit in altersgemischten Teams?

Es gibt den Ansatz der „kritischen Lerngemeinschaft“. Dem­nach sollten die Aufgaben und Verantwortlichkeiten so ver­teilt sein, dass sie den Stärken der Beschäftigten entspre­chen. Alle haben dabei die Aufgabe, sowohl Lehrer als auch Lehrling zu sein. Wichtig ist, zu reflektieren und sich gegen­seitig Feedback zu geben. Und zu fragen: „Warum hast du das jetzt auf diese Weise gemacht?“ Und zwar als offene Frage, um eine andere Herangehensweise zu verstehen und womöglich dazuzulernen, und nicht als Vorwurf. Außerdem sollte man eigene Vorurteile hinterfragen. Es stimmt zum Beispiel oft nicht, dass ältere Fachkräfte nicht offen sind gegenüber der Digitalisierung.

Welche Rolle spielt die Kitaleitung?

Eine offene Kommunikationskultur steht und fällt mit der Kitaleitung. Sie hat eine Vorbildfunktion. Trotz der ange­spannten Personalsituation sollte die Kitaleitung ver­suchen, feste Teams zu etablieren. Gerade Teams mit Neulingen sollten genügend Zeit haben, Vertrauen zueinander aufzubauen, Strukturen abzuspre­chen sowie Rollen und Aufgaben zu verteilen. 

Die Fragen stellte Holger Schmidt

Beim Kinderrechtepuzzle mitmachen!

UNICEF Deutschland und das Deutsche Kinderhilfswerk fordern ein stärkeres politisches Engagement für eine bessere und gerechtere Zukunft junger Menschen. Dafür gibt es zahlreiche Mitmachaktionen, bei denen auch Kita teilnehmen können.

#wiestarkwäredasdenn
Zum Beispiel beim Kinderrechtepuzzle zum Weltkindertag – „Jedes Kind braucht eine Zukunft! Sei ein Teil davon“. Das Aktionsangebot – ein Kinderrechtepuzzle mit großen Puzzlestücken aus Pappe – stellt am Weltkindertag die Kinderrechte in den Fokus. Insbesondere bietet es Kindern die Möglichkeit, die Bedeutung ihrer Rechte durch eigene gemalte Forderungen, Gedanken und Träume zu unterstreichen. Das aus vielen Einzelteilen entstehende große Kinderrechtepuzzle vereint damit die Gedanken und Wünsche von Menschen unterschiedlichen Alters.

Um den Forderungen der jungen Generation Nachdruck zu verleihen, können die Bilder der Kinder fotografieren und unter dem Aktions-Hashtag #wiestarkwäredasdenn in den sozialen Medien gepostet werden.

Mehr Informationen:
Weltkindertag 2023: Street-Art zum Weltkindertag | UNICEF

„Es braucht Fachwissen zur Vielfalt von Elternschaft“

Was macht eine gute Zusammenarbeit mit den Eltern aus?

Eine der wichtigsten Voraussetzungen ist gutes Fachwissen zur heutigen Vielfalt von Elternschaft. Denn es gibt zahlreiche unterschiedliche Familienformen, unterschiedliche Lebenslagen, unterschiedliche Lebenswelten, in denen Kinder aufwachsen. Damit einher geht natürlich eine große Vielfalt, was den Familienalltag der Kinder betrifft, die eine Kita besuchen. Es gibt außerdem die unterschiedlichsten Erziehungsvorstellungen. Stammt eine Familie etwa ursprünglich aus einer autoritären Gesellschaft, ist für die Eltern eine freiheitliche, demokratische Erziehung zunächst ungewohnt, dann brauchen sie eine Erklärung bezogen auf das Erziehungs- und Bildungsverständnis in der Kita. Für eine gute Zusammenarbeit mit Eltern muss also der jeweilige Hintergrund einer Familie berücksichtigt werden.

Müssen Fachkräfte demnach ihre Konzepte zur Elternkooperation und Erwartungen an die Rolle der Eltern mit der gegebenen Realität abgleichen?


Richtig. Es gibt nicht mehr „die Eltern“. Natürlich darf eine Kita dennoch ganz unabhängig vom Hintergrund der Eltern erwarten, dass diese den Fachkräften zutrauen, zum Wohl des Kindes zu agieren, und dass sie ihre Professionalität anerkennen. Diese Erwartungshaltung müssen Einrichtungen aber auch darstellen und das Ver-trauensverhältnis zwischen den Eltern und den Fachkräften aktiv gestalten. Denn beide – Eltern und Fachkräfte – eint ja ein gemeinsames Interesse: Sie wollen, dass es den Kindern gut geht.

Was können Eltern im Gegenzug von Fachkräften erwarten?

Sie können erwarten, dass die Kita in der Lage ist, ihr professionelles Handeln zu rechtfertigen und darzustellen, gerade auch, wenn es um Konfliktthemen geht, wie unterschiedliche Vorstellungen zur Vorbereitung auf die Schule, das kindliche Spiel oder die Fürsorge – Stichpunkt Beteiligung und Kinderrechte. Eine Fachkraft muss den Eltern gegenüber nachvollziehbar erklären können, warum sie es dem Fünfjährigen zutraut zu beurteilen, ob er eine Jacke anziehen möchte oder nicht.

Das heißt, der Schlüssel ist Kommunikation und damit die Arbeit so transparent zu machen wie möglich?


Ganz genau, darauf kommt es an. Transparenz, gepaart mit einer feinfühligen Kommunikation seitens der Fachkräfte.

Manchmal empfinden Kitabeschäftigte es als anstrengend, diese Transparenz herzustellen und im Gespräch zu bleiben. Worin liegt der Gewinn für die Kita, es doch zu tun?


Fachkräfte suchen sich in erster Linie den Beruf aus, um mit Kindern zu arbeiten. Aber: Es gibt die Kinder gerade in den ersten sechs Lebensjahren nicht ohne ihre Eltern bzw. primäre Bezugspersonen. Wenn ich als Fachkraft die Eltern für mich gewinne, ihnen die Tür öffne, eine Willkommenskultur pflege, sie beteilige und ihnen Mitgestaltungsmöglichkeiten gebe, dann schaffe ich ein Vertrauensverhältnis und zeige den Eltern, dass sie hier gern gesehen sind. Dafür kann die Einrichtung informelle Begegnungspunkte einrichten wie ein kleines Café, einen Stehtisch mit Getränken, eine monatliche Tauschbörse für Bilderbücher. Das Schlimmste, was den Fachkräften passieren kann, ist, dass die Eltern das Gefühl haben, ein Störfaktor zu sein. In einer solchen Kita möchte man sein Kind nicht gern lassen.

Wie viel Eltern-Mitbestimmung und -beteiligung ist sinnvoll und machbar?


Einrichtungen brauchen eine klare Gestaltung der Elternbeteiligung, aber die kann von Kita zu Kita sehr unterschiedlich sein. Die Einrichtung sollte ausloten, welchen Spielraum sie konkret mit „ihren Eltern“ hat, was sie sich und den Eltern zutraut, in welchem Maß und in welchen Fragen sie diese beteiligt. Ein Beispiel wäre, Eltern dabei einzubinden, was die Gestaltung und Themen der Elternabende angeht. Auch bei konzeptionellen Angelegenheiten kann die Elternschaft angehört und deren Argumente berücksichtigt werden. Das Aushandeln von Interessen der Eltern und der Einrichtung ist wichtig. Wenn Eltern mit der groben Linie der Pädagogik einverstanden sind und sie gutheißen, dann profitieren die Kinder.

Es kommen oft die gleichen Eltern zu Wort – die ohnehin sehr engagierten, etablierten. Wie bezieht die Kita auch leisere, zurückhaltende Eltern mit ein?


Eine Möglichkeit wäre, die Elternabende oder -nachmittage anders zu gestalten. Man verständigt sich auf ein übergeordnetes Thema, bietet aber Thementische an, moderiert von einer Fachkraft. Da gibt es eine Vielzahl an alternativen Formaten. Ich finde, sie können nicht niedrigschwellig genug sein und müssen sich an den Bedürfnissen der Eltern orientieren. Auch dazu muss man im Gespräch bleiben.

Ist gute Elternzusammenarbeit langfristig planbar? Was, wenn etwa engagierte Eltern bzw. deren Kinder die Einrichtung verlassen und zum Beispiel plötzlich keine größeren gemeinsam organisierten Aktionen mehr stattfinden können?


Es wird nicht dauerhaft funktionieren, wenn sich Kitas darauf verlassen, dass immer engagierte Eltern da sein werden. Die Gruppe ist zu heterogen. Elternschaft hat sich viel zu sehr verändert. Einrichtungen müssen ein Konzept zur Elternkooperation haben, das die große Bandbreite der Eltern erreicht, und sollten auch die Vermittlung von Lebenspraxis darin verorten. Kinder sind heute immer früher und länger in Kitas. Alltagsbildung findet also vermehrt in den Einrichtungen statt. Kitas können Eltern hier gut unterstützen, vor allem, weil bei diesen immer häufiger Erziehungsunsicherheiten wahrzunehmen sind. Deshalb sollten die Institutionen dringend den Fokus stärker auf diesen Aspekt legen statt auf Event-Pädagogik. Natürlich braucht es noch gemeinsame Feste und Aktionen, aber vielleicht nicht riesige Ausflüge in den Zoo und den perfekten Martinsumzug.

Die Fragen stellte Stefanie Richter

Gesundheit ist kein Randthema

KURZ GESAGT!

_Gesundheitszirkel schaffen eine Struktur, um Belastungen zu reflektieren

_Anleitung von außen nicht nötig (aber möglich)

_Wichtig: lösungsorientierte Herangehensweise

Manchmal ist die Lösung ganz einfach: Die Fachkräfte einer Kita in Schleswig-Holstein fühlten sich gestresst, weil sie nie in Ruhe Pause machen konnten. „Ständig herrschte überall Trubel“, berichtet Olivia Maloku, bei der Unfallkasse Nord zuständig für die Beratung und Begleitung von Projekten zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM). „Sie konnten sich nirgendwo zurückziehen.“ In einem Gesundheitszirkel brachten die Beschäftigten das Problem auf den Punkt – und überlegten gemeinsam, was sich dagegen tun lässt. Das Ergebnis: Die Kita stellte einen Raum bereit, in dem das Team auch mal in Ruhe etwas essen oder Elterngespräche führen kann. „Das sorgte direkt für mehr Zufriedenheit“, sagt Olivia Maloku. Ihrer Meinung nach bieten Gesundheitszirkel eine gute Chance, sich gemeinsam im Team systematisch mit Belastungen im Arbeitsalltag auseinanderzusetzen – und gemeinsam nach Lösungswegen zu suchen.

Oft beschäftigten sich Kitas erst mit dem Thema Gesundheit, wenn der Krankenstand hoch sei. „Nachhaltiger ist es, sich schon vorher Gedanken zu machen“, betont Olivia Maloku. Dazu gehört zu fragen: Was stresst bei der Arbeit? Was belastet? Was trägt zu mehr Zufriedenheit bei der Arbeit bei? Wichtig sei, sich darüber nicht nur nebenbei auf einer Teambesprechung auszutauschen. Sondern es gelte, explizit Strukturen zu schaffen.

Regelmäßig einen halben Tag zusammensetzen


Ideal ist ihrer Erfahrung nach, wenn sich in regelmäßigen Abständen ein kleiner Kreis von bis zu zwölf Personen zusammensetzt. Zwar richteten sich die Gesundheitszirkel in erster Linie an die Beschäftigten, also auch Hausmeister oder Küchenpersonal, erklärt die Referentin, doch könnten auch Eltern und Kinder einbezogen werden. In der Regel lasse sich so ein Workshop relativ unkompliziert selbst durchführen. Möglich sei aber auch, eine externe Moderation hinzuzuziehen. Unfallkassen und Berufsgenossenschaften bieten hierzu kostenfreie Beratung, Qualifizierungen und Informationsmaterial an.

Pro Gesundheitszirkel sollte etwa ein halber Tag eingeplant werden. Im ersten Schritt stehe es an zu klären, was die Beschäftigten als belastend empfinden: Häufig wird in Kitas der Lärmpegel genannt, auch die Zusammenarbeit mit Eltern wird oft als stressig erlebt, außerdem die körperliche Belastung. Alle Themen werden gesammelt. Im nächsten Schritt werden Schwerpunkte gesetzt. Die Referentin empfiehlt, sich auf zwei Schwerpunkte zu konzentrieren. „Wichtig ist, die Themen lösungsorientiert anzugehen.“ Dabei gilt es zu klären: Was ist möglich? Was lässt sich kurzfristig umsetzen? Und wofür braucht es einen längeren Atem?

Eine bewegte Pause von zehn Minuten während der Arbeitszeit zusammen mit den Kindern beispielsweise lasse sich schnell umsetzen, sagt Olivia Maloku. „Allerdings geht es darum, die Belastungen ganzheitlich in den Blick zu nehmen und die Verhältnisse zu verbessern.“ In einer Kita stresste die Beschäftigten zum Beispiel, dass die Eltern sie zwischen Tür und Angel in Gespräche verwickelten, wenn gerade keine Zeit dafür war. Die Einrichtung löste das Problem, indem sich eine Fachkraft am Nachmittag extra Zeit für Elterngespräche nahm. Andere Maßnahmen, wie bauliche Veränderungen erfordern langfristige Planungen. „Wichtig ist, immer klar festzulegen, wer was bis wann umsetzen kann“, betont Olivia Maloku. In den folgenden Gesundheitszirkeln gehe es darum, die Fortschritte zu überprüfen.

Und oft reduzierten schon sehr einfache Maßnahmen viel Stress, so die Gesundheitsexpertin. So habe sich eine Kita entschieden, nicht mehr für jeden Anlass wie Muttertag, Ostern oder Weihnachten kleine Geschenke für die Eltern zu basteln. Die Kinder stattdessen nach Herzenslust spielen zu lassen, tue allen gut. Ihr Fazit: „Manchmal ist weniger mehr.“

Erziehungspartnerschaft

Manche Eltern sind für Fachkräfte – aus welchen Gründen auch immer – nicht greifbar. Von einer echten Erziehungspartnerschaft kann also keine Rede sein. Wie gehen Fachkräfte professionell damit um?

Als Leitung wäre der erste Schritt, zu ermitteln, welche Form des Kontakts und der Kooperation die Eltern überhaupt wollen und zulassen. Für die einzelne Fachkraft ist es hilfreich, sich bewusst zu machen, dass man nicht mit allen Eltern einen intensiven Kontakt und Kommunikation haben muss. Das ist in Ordnung. Gleichzeitig kann man versuchen herauszufinden, ob und wo es vielleicht doch Bedarfe gibt. Möglicherweise wirkt es nur so, als hätten die Eltern kein Interesse. Hier muss man sich auf Ursachensuche begeben und den Eltern ein passendes Angebot machen.

Wie realistisch ist eine Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zwischen Eltern und Kita auf Augenhöhe?

Die Idee der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft entstand auf dem Papier. Ideen sind häufig so lange gut, bis sie auf die Wirklichkeit treffen. Wir haben intensiv vor Ort in verschiedenen Kitas untersucht, was es unter den jeweils gegebenen Bedingungen bedeutet, eine solche Partnerschaft zu leben. Viele Fachkräfte gaben an, sich in einem Spannungsfeld zu bewegen. Sie sind für viele Kinder verantwortlich, haben daneben administrative Aufgaben und sollen, um dem Ideal der Erziehungspartnerschaft zu entsprechen, auch stets engen Kontakt zu den Eltern haben, ihnen Angebote machen, auf sie eingehen. Das erzeugt Druck und Frust, weil sie unter bisweilen herausfordernden Rahmenbedingungen weder den eigenen noch den äußeren Erwartungen und Ansprüchen genügen können.

Ist es bei schwierigen Rahmenbedingungen in Einrichtungen vertretbar, die Elternarbeit zurückzufahren und sich primär auf die pädagogische Arbeit mit den Kindern zu konzentrieren?

Grundsätzlich ist die Arbeit der Kindertageseinrichtungen ohne Eltern weder möglich noch sinnvoll. Das regeln ja auch die gesetzlichen Grundlagen. Das eine ist vom anderen nicht zu trennen. Eltern ist aber häufig nicht bewusst, unter welch herausfordernden Bedingungen die Fachkräfte arbeiten. Einrichtungen könnten das gezielt thematisieren und um Verständnis dafür werben, was gerade machbar ist und was nicht. Auch könnte die Kita eine Prioritätenliste nach den tatsächlichen Bedarfen der Eltern erstellen. Beispielsweise könnte ein wenig nachgefragtes Angebot wie Themenelternabende zeitweise entfallen. Während der Coronazeit ist jedoch in manchen Einrichtungen die Zusammenarbeit mit Eltern sehr vernachlässigt worden. Das kritisieren auch viele Elternvertretungen. Das ist ein schlechtes Signal an Eltern. Denn viele sind sehr an Informationen und Unterstützung interessiert und engagieren sich auch gerne. Darin liegt ein großes Potenzial für die Einrichtungen.  

Die Fragen stellte Stefanie Richter

Ohne Verletzungsgefahr ins Abenteuer

KURZ GESAGT!

_Spielebenen müssen einsehbar sein

_Auf Kopffangstellen und Absturzsicherung achten

_Unfallversicherungsträger berät bei der Planung

Ein niedriges Podest für die Krabbelkinder, eine Ritterburg aus Holz oder eine Empore, die den halben Raum ausfüllt und praktisch eine zweite Etage bildet – es gibt eine große Bandbreite an erhöhten Spielebenen. Die Vorgaben für die erhöhten Spielebenen in Kindertageseinrichtungen sind in der DGUV Vorschrift 82 und der DGUV Regel 102-602 festgeschrieben. Eine eigene Prüfnorm gibt es für sie jedoch nicht. Da die Gefährdungen oft ähnlich sind wie bei Spielplatzgeräten auf dem Außengelände, werden einige Anforderungen – wie beispielsweise Kopffangstellen – von dort abgeleitet.

Aber die Vorgaben der Spielplatzgeräte-Norm passen nicht generell. „Im Gebäude legt ja niemand Rindenmulch als Fallschutz aus“, veranschaulicht Präventionsexperte Holger Eckmann vom zuständigen DGUV-Sachgebiet einen Unterschied. „Einige Gefährdungen wird man drinnen nicht so gut abfedern wie draußen. Deshalb passieren bei erhöhten Spielebenen häufiger schwere Unfälle als bei Spielplatzgeräten.“

Als Aufsichtsperson der Unfallkasse Baden-Württemberg hat Holger Eckmann schon schlimme Unfälle in Zusammenhang mit Spielebenen dokumentieren müssen. Besonders gefährlich ist es, wenn Kinder mit den Köpfen stecken bleiben, zwischen den Stäben von Treppengeländern oder Brüstungen zum Beispiel. Oder wenn sie oben von der Spielebene hinabstürzen. Das kann auch passieren, wenn die vorgeschriebene Mindesthöhe von einem Meter für Umwehrungen (in erster Linie Brüstungen) eingehalten wird. Denn oft ist die Fläche auf der Empore oder dem Podest ja nicht leer. „Kinder nutzen zum Beispiel Möblierung wie Tische und Stühle als Aufstiegshilfe“, sagt Eckmann.

Netze sind die einfachste Lösung zur Absicherung

Nicht empfehlenswert seien geschlossene Brüstungen. „Die haben einen Aufforderungscharakter – die Kinder wollen dann obendrüber gucken.“ Also gilt: Erhöhte Spielebenen müssen einsehbar sein. Zum einen, damit die pädagogischen Fachkräfte auch von unten ihrer Aufsichtspflicht nachkommen können. Zum anderen, um den Kindern keinen Anreiz zu bieten, über die Brüstung zu klettern.

„Eine Spielebene lässt sich mit einfachen Methoden absichern“, sagt Eckmann. Beispielsweise mit Netzen, um die Brüstung zur Decke zu schließen. „Das ist die praktikabelste und einfachste Lösung.“ Dabei müsse darauf geachtet werden, dass das Netz eine kleine Maschenweite habe, damit sich kein Kind mit dem Kopf darin verfängt.

Damit die Kinder sicher auf die erhöhte Spielebene rauf- und wieder runterkommen, eignen sich Treppen. Leitern dagegen nicht, denn hier müsste die Kita wieder für Fallschutz sorgen. „Am besten sind Treppen mit geschlossenen Stufen, unter denen die Kinder nicht durchrutschen können“, erklärt Holger Eckmann. „Auch eine seitliche Absturzsicherung – also ein Handlauf oder ein Geländer – ist immer erforderlich, damit niemand runterfallen kann.“

Vorsicht ist vor allem geboten, wenn erhöhte Spielebenen nachträglich eingebaut oder im Raum aufgestellt werden. Plötzlich kann es sein, dass Kinder an Objekte heranreichen, an die sie nicht heranreichen sollten: an Deckenlampen zum Beispiel, die heiß und zerbrechlich sein können, auch Stromschläge drohen. Oder an Fenster, die vorher keine Rolle gespielt haben, weil sie außer Reichweite der Kinder waren.

Vom Eigenbau von Spielebenen rät Aufsichtsperson Eckmann ab. Das Anlegen eines Barfußpfades oder die Installation eines Balancierbalkens in niedriger Höhe seien in Ordnung. „Aber die kritische Grenze ist erreicht, wenn es in die Höhe geht, wenn Statik ins Spiel kommt und wenn es um Fang-, Scher- oder Quetschstellen geht.“ Dafür seien Fachkenntnisse gefragt. Eckmann empfiehlt den Kitas, sich schon in der Planungsphase vom zuständigen Unfallversicherungsträger beraten zu lassen: „Dafür sind wir da.“

10 Kriterien für erhöhte Spielebenen:

  1. Aufstellung: Sicherheitstechnische Aspekte bei der Planung berücksichtigen.
  2. Statik: Die Ebenen müssen standsicher sein und die Belastungen aushalten.
  3. Aufsicht: Spielebenen müssen von außen einsehbar sein.
  4. Begehbarkeit der Ebene: Erwachsene müssen die Spielebene im Notfall schnell und sicher erreichen können.
  5. Brandschutz: Fluchtwege frei halten, am besten Rücksprache mit vorbeugendem Brandschutz oder Feuerwehr.
  6. Absturzsicherung: Ab einem Meter Absturzhöhe Umwehrungen von mindestens einem MeterHöhe, ggf. mit Netzen zur Decke absichern. Kinder dürfen nicht durch Umwehrungen (vertikale Geländerstäbe) hindurchfallen können.
  7. Aufstiege: Vorzugsweise Treppen mit geschlossenen Stufen sowie Handläufe bzw. Geländer verwenden. Kopffangstellen vermeiden.
  8. Beleuchtung: Leuchten dürfen nicht zugänglich oder müssen geschützt sein (Elektrizität, Hitzeentwicklung, Zerbrechlichkeit).
  9. Verglasungen: Fenster dürfen nicht zugänglich sein, auf Bruchsicherheit achten.
  10. Akustik: Trittschalldämmende Beläge bei der Planung berücksichtigen.

Die Branchenregel Kindertageseinrichtung ist hier abrufbar:
www.dguv.de, Webcode: p102602

Ein thematisch passendes Infoblatt der Unfallkasse Nord gibt es hier als PDF:
https://kurzelinks.de/avs1

Eine Checkliste für Planung und Bau erhöhter Spielebenen finden Sie auf der Seite „Sichere Kita“:
https://www.sichere-kita.de/pdf/128

Endlich Pause

Es gibt einen gesetzlichen Anspruch auf Pausen …


Richtig. Nach dem Arbeitszeitgesetz muss nach einer Arbeitszeit von sechs Stunden eine Pause von mindestens 30 Minuten eingelegt werden. Wer mehr als neun Stunden arbeitet, hat Anspruch auf mindestens 45 Minuten Pausenzeit. Wo die Beschäftigten diese Pause verbringen, bleibt in aller Regel ihnen überlassen. Gibt es in der Einrichtung etwa einen Raum, in dem man ungestört Pause machen kann, dann sind die Wege dorthin versichert, nicht aber das Essen und Trinken. Das muss jeder unabhängig von der Arbeit, weswegen in aller Regel kein Unfallschutz hierbei besteht.

Beschäftigte könnten also auch spazieren gehen?


Ja. Allerdings sind sie auf dem Spaziergang nicht gesetzlich unfallversichert. Hier würde die Krankenkasse zum Beispiel die Kosten einer ärztlichen Behandlung tragen, wenn etwas passieren sollte. Dagegen ist der Weg zu einer Kantine oder Gaststätte in der Regel versichert.

Und wie sieht es mit dem Weg zum Bäcker oder Supermarkt aus?

Solange dort Lebensmittel gekauft werden, um sie direkt oder zeitnah zu verzehren, besteht in der Regel der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung – aber nur auf dem Hin- und Rückweg, nicht im Geschäft. Wenn die Beschäftigten zugleich den Einkauf für das Abendessen erledigen oder unterwegs noch bei der Reinigung oder der Post vorbeigehen, dann sind das private Tätigkeiten, die ebenfalls nicht über die gesetzliche Unfallversicherung versichert sind. Hier greift der gesetzliche Krankenversicherungsschutz.

Wie sieht es denn aus, wenn pädagogische Fachkräfte zusammen mit den Kindern essen und ihnen dabei irgendetwas zustößt?


Das kommt darauf an, was genau passiert ist. Das gemeinsame Essen mit den Kindern ist noch Teil der Arbeit und zählt nicht als Erholungspause. Das gilt auch für die Essensvorbereitung. Verbrüht sich etwa eine Erzieherin beim Erwärmen der Speisen oder schneidet sie sich bei der Zubereitung von Rohkost in den Finger, ist das unfallversichert.

Und was gilt für Raucherpausen?

Hier erkennt die Rechtsprechung keinen Unfallversicherungsschutz an, und zwar auch nicht auf den Wegen zum Rauchen. Das ist für die Gerichte eine absolut private Angelegenheit ohne Bezug zur Arbeit. Auch hier gilt wieder: Passiert etwas, ist die Krankenkasse zuständig.

Das ist eindeutig. Die anderen Fälle scheinen komplizierter in der Bewertung zu sein.


Man unterscheidet, ob der Unfall in einem engen Zusammenhang mit der Arbeit steht oder nicht. Letztlich kommt es immer auf den jeweiligen Einzelfall an, ob die gesetzliche Unfallversicherung zuständig ist, weshalb es sich immer lohnt, dort einen Unfall zu melden.

Die Fragen beantwortete Tobias Schlaeger, Bereichsleiter Grundsatz der Unfallkasse Nordrhein­Westfalen

Mehr Infos zum Thema gibt es bei der Unfallkasse Hessen:
www.ukh.de, Webcode: W378

Hilfreich für gute Pausen ist auch diese Web-App mit schnellen Entspannungsübungen etc.:
https://kurzpausen.uv-kooperation.de

Arbeitserleichterung mit System

KURZ GESAGT!

_Qualitätsstandards zu dokumentieren, erleichtert den Arbeitsalltag

_Ganzes Team setzt sich regelmäßig mit pädagogischen Themen auseinander

_Nebeneffekt: Arbeitszufriedenheit ist gestiegen

Es sind eigentlich nur zwei Aktenordner. Doch die haben es im wahrsten Sinne des Wortes in sich. Darin steckt alles, wofür die Kita steht: vom Leitbild über Führungsaufgaben bis hin zu pädagogischen Konzepten. „Das Qualitätsmanagementsystem gibt unserer Arbeit eine Struktur und bietet Handlungssicherheit“, sagt Nina Ulrich, die Leiterin der Protestantischen Kita Arche Noah. „Alle wissen, was sie machen müssen und wie sie es machen müssen. Das erleichtert den Arbeitsalltag und vermeidet unnötige Diskussionen.“ Denn schließlich habe man sich als Team gemeinsam auf diese Standards verständigt, nach denen sich nun alle richten.

Beispiel Mittagessen: Die Kinder suchen sich aus, in welcher der zwei Essensgruppen sie die Mahlzeit zu sich nehmen möchten. Und sie entscheiden, was und wie viel sie essen. „Alle Kollegen, die das Mittagessen begleiten, führen die Kinder an die Selbstständigkeit heran. Darauf haben wir uns geeinigt“, sagt Nina Ulrich. Diese Standards sind zu allen Themen dokumentiert – sei es nun das Mittagessen, Partizipation, ein Kinderschutzkonzept, Religionspädagogik, Hygiene oder Brandschutz.

AHA!

Vor zehn Jahren machte sich die Kita Arche Noah auf den Weg, ein QMS einzuführen. Seit 2017 ist die Kita mit dem Gütesiegel der Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder (BETA) zertifiziert, alle fünf Jahre muss es erneuert werden. Das QMS umfasst dabei zwei Bereiche: zum einen Führungsprozesse, in denen es um Leitungsaufgaben, die Zusammenarbeit mit dem Träger oder Öffentlichkeitsarbeit geht. Zum anderen Kernprozesse, die das gesamte Spektrum der pädagogischen Arbeit abdecken.

 

Der Anfang, das bestätigen Träger, Qualitätsbeauftragte und Kitaleitung gleichermaßen, sei schwierig gewesen. Aber, und auch das bestätigen alle einhellig: Die Arbeit lohne sich. „Es bedeutet viel Aufwand, das Qualitätsmanagement zu verschriftlichen“, sagt Nina Ulrich. „Aber darin beschreiben wir ja eigentlich nur unseren beruflichen Alltag. Was machen wir in der Kita? Wie ist unsere pädagogische Arbeit?“

Die Dokumentation hilft nun im Arbeitsalltag. Sei es, um selbst die Sicherheit zu haben, für alle Themen gewappnet zu sein. Sei es, um Azubis oder neue Fachkräfte einzuarbeiten. Sei es, um bei der Elternzusammenarbeit eine gemeinsame Linie festgelegt zu haben.

Stimmt noch alles? Überprüfung der Standards gehört dazu


Die Standards sind für zwei Jahre gültig. Danach werden sie überprüft. Spätestens. Wenn es einen Anlass gibt, schnappt sich das Kitateam schon vorher ein Thema aus einem der Ordner und berät, ob Punkte geändert werden müssen. Zum Beispiel, ob die Raumgestaltung für die neue Gruppe noch angemessen ist oder ob die Anziehsituation bei Aktivitäten im Freien neu geregelt werden sollte. „Wir sind gecoacht worden, wie wir zusammen mit dem Team Prozesse erarbeiten und jeden Einzelnen dabei mitnehmen“, sagt Kathrin Winkelsesser, die stellvertretende Leiterin und Qualitätsbeauftragte der Arche Noah. „Beim Formulieren von Standards haben wir uns am Anfang schwergetan – inzwischen geht das ganz schnell, weil alle die Abläufe kennen.“

Ein positiver Nebeneffekt des Qualitätsmanagements: Die Arbeitszufriedenheit der pädagogischen Fachkräfte ist gestiegen. Das ergaben Mitarbeiterbefragungen des Verbunds von 20 protestantischen Kitas in Ludwigshafen, dem auch die Kita Arche Noah angehört. Kathrin Winkelsesser kann das bestätigen: „Bei der Erarbeitung der Themen führt man sich selbst noch einmal vor Augen, was man leistet. Das motiviert.“

Nina Ulrich würde jeder Kita raten, ein Qualitätsmanagementsystem einzuführen und zu etablieren. „Man sieht, dass man schon vieles gut macht. Und man sieht Entwicklungspotenziale“, fasst die Kitaleiterin die Vorteile zusammen. Das gesamte Team setze sich mit pädagogischen Themen auseinander: „Welche neuen Entwicklungen und Ideen gibt es? Was tut Kindern und Eltern gut? Was sollten wir aufnehmen, verändern, festschreiben?“ Das alles wird dann in den zwei Aktenordnern dokumentiert. Die sind eine echte Hilfe für die Kita Arche Noah, um die Qualität der pädagogischen Arbeit systematisch zu reflektieren und verbessern.

Tipp!

Es gibt eine Vielzahl von Anbietern, die Kitas bei der Einführung eines Qualitätsmanage-mentsystems helfen. Wichtig ist, dass das System nach DIN ISO 9001 zertifiziert ist.

Wenn der Flur zum Begegnungsort wird

KURZ GESAGT!

_Angebot soll Familien animieren: erst mitmachen, dann zu Hause nachmachen

_Eltern kommen untereinander und mit Fachkräften ins Gespräch

_Pädagogische Inhalte werden nebenbei vermittelt

„Ich hab voll getroffen! Über meinen Bruder drüber!“, ruft Luis und geht stolz zu seiner Mama. „Toll gemacht“, lobt Angela Nowak ihren sechsjährigen Sohn, während sie ihre jüngeren Kinder Eliano (1) und Amaia-Joly (2) im Blick hat. Luis hat getroffen. Mit dem Stoffball in die Kiste. Ein bisschen wie beim Basketball.

Sportlich geht es hier in Mannheim den Nachmittag über zu. Abholzeit. Der Flur hat sich in eine kleine Oase für Bewegungs- und Geschicklichkeitsspiele verwandelt. Allzu viel Platz ist zwar nicht, aber sie lassen sich eben etwas einfallen in der Kita des Evangelischen Eltern-Kind-Zentrums Kieselgrund, um den Raum optimal zu nutzen. Amelie versucht, auf dem Deckel des präparierten Schuhkartons die passende Öffnung für einen kleinen Plüsch-Pompon zu finden. Mila stolziert auf einem Seil, das geschlängelt auf dem Boden liegt. Bünyamin jongliert beim Eierlaufen eine Kugel auf einem Löffel. David ertastet Gegenstände wie Bälle, Bausteine oder kleine Kuscheltiere in einem Wäschekorb. Die Brüder Yared und Elias balancieren in ihren Batman-Shirts über Bänke und springen anschließend auf eine Turnmatte. Und Luis wirft halt mit Stoffbällen. Mit dabei sind Erzieherinnen und Erzieher – und immer auch die Eltern.

Eltern können Spiele zu Hause nachmachen

„Die einzelnen Stationen sind darauf ausgelegt, dass die Eltern das zu Hause nachmachen können“, erklärt Karin Janke. „Es geht ja darum, dass sich Eltern und Kinder gemeinsam bewegen sollen. Ohne viel Aufwand.“ Die Erzieherin hat für diesen Tag die Spiele ausgesucht. Das Thema liegt ihr am Herzen. Da Karin Janke auch Übungsleiterin im örtlichen Turnverein ist, kennt sie sich damit bestens aus.

„Fluraktion“ nennen sie das in der Kita Kieselgrund, wenn Eltern und Kinder Zeit miteinander verbringen. Einmal im Monat ist das der Fall. Montags zur Abholzeit kommen die Eltern in den Flur und beschäftigen sich dort mit ihren Kindern. Mal bleiben sie nur ein paar Minuten, mal eineinhalb Stunden – je nachdem, wie viel Zeit und Lust sie haben. Die pädagogischen Fachkräfte bereiten dafür bestimmte Themen vor. Eltern und Kinder widmen sich dann zum Beispiel der gesunden Ernährung, sie machen gemeinsam kleine wissenschaftliche Experimente, lesen aus Büchern oder lassen sich an Tablets zeigen, wie Medien richtig und sinnvoll eingesetzt werden können.

Oder sie bewegen sich. „Manches erklären wir. Manches machen die Kinder von allein. Manches erklären die Kinder den Eltern“, fasst Karin Janke die Vorteile des Angebots zusammen. „Bewegung funktioniert unabhängig von der Nationalität immer gleich. Das kann die Sprache ersetzen.“

Für die Mannheimer Kita ist das ein wichtiger Aspekt. „Mit Sprache oder geschriebenen Worten erreichen wir die Eltern oft nicht“, weiß Kitaleiterin Claudia Hauschild. Sei es, weil sie kaum oder gar kein Deutsch verstehen oder weil sie aus bildungsfernen Schichten kommen. „Wir müssen also versuchen, wichtige Dinge in einer möglichst einfachen Form zu verpacken, um sie zu vermitteln“, sagt Hauschild. So war die Idee zu den Fluraktionen geboren.

Die Erzieherinnen und Erzieher sind davon begeistert. „Ich habe noch nie so fröhliche Eltern gesehen“, sagt Karin Janke. „Die Fluraktionen sind eine Bereicherung für die Eltern und für das Kollegium.“

Auch bei den Eltern sind diese besonderen Nachmittage ein Volltreffer. „Die Kita lässt sich immer etwas Neues einfallen, das finde ich super“, sagt Verena Barton. Sie ist ganz überrascht, wie gut ihre zweijährige Tochter Lima schon balancieren kann. „Das hat sie mir zu Hause noch nie gezeigt.“ Die Abwechslung bei den Fluraktionen kommt bei Nurcan Tanis gut an: „Ich sehe zu, dass ich dann da bin“, sagt sie. „Und man kommt mit anderen Eltern in Kontakt.“ Özlem Yorgun gefällt es ebenfalls, andere Eltern kennenzulernen: „Und die Kinder freuen sich, das ist das Wichtigste.“ Nikolina Vragolovic mag die „super Aktion. Es sind immer gute Ideen dabei, auf die ich von allein nicht kommen würde. Wir machen das dann auch zu Hause nach.“

Tipps für die Nutzung von Youtube und Co.

Als multimedialer Ideengeber tritt Paul Heitmann auf den Plan. Der Erzieher, der berufsbegleitend Medienpädagogik studiert, hat dafür Laptop und Tablet im Flur aufgestellt. Bilder für Kids-Yoga oder Mini-Work-outs sind auf den Bildschirmen zu sehen. „Youtube ist nicht nur da, um zu konsumieren“, macht er deutlich, spricht die Eltern aktiv an und gibt ihnen Tipps: „Man kann es auch anders nutzen. Warum nicht mal Videos aufrufen, um zehn Minuten Sport zu machen?“

Im Flur herrscht derweil reges Treiben. Aber es ist eben nicht das übliche Kommen und Gehen der normalen Abholsituationen. Stattdessen bieten sich Gelegenheiten, die Mütter und Väter von einer neuen Seite kennenzulernen. Claudia Hauschild erzählt exemplarisch von einer Spieleaktion. Dabei sei eine Mutter regelrecht aufgeblüht, von der sie es gar nicht erwartet hätte: „Tatsächlich saß sie dann eineinhalb Stunden mit ihrem Kind da und hat Gesellschaftsspiele gespielt.“ Diese Art Exklusivzeit zwischen Eltern und Kindern wollen sie erreichen, „weil das im Alltag zu Hause oft verloren geht“, erläutert die Kitaleiterin.

Zudem erfahren die Fachkräfte in der lockeren Atmosphäre, wo bei den Familien der Schuh drückt. Ganz nebenbei bekommen sie mit, ob es finanzielle oder gesundheitliche Probleme gibt, wie die jungen, alleinerziehenden Mütter zurechtkommen oder wie sich die Großfamilien in ihren kleinen Wohnungen arrangieren. „Manchmal denke ich, dass wir zu viel erwarten von den Eltern. Als Team müssen wir uns oft in ihre Situation versetzen. Da ist das Thema eben nicht die Matschhose des Kindes, sondern wie sie die nächste Stromrechnung bezahlen sollen“, sagt Claudia Hauschild. „Aber: Wir können nicht alles für die Eltern richten und versuchen, sie nicht zu sehr aus der Verantwortung zu entlassen. Wir suchen einen Mittelweg.“

Klassische Elternabende haben ausgedient

Kreativität und Flexibilität sind auch bei anderen Aspekten der Elternarbeit gefragt. Beispielsweise hat die Kita Kieselgrund feste Bringzeiten abgeschafft. „Das hat uns die Nerven kaputtgemacht und den Eltern auch. Am Ende war man dann wütend aufeinander“, sagt Claudia Hauschild. Jetzt ist der Umgang wesentlich entspannter.

Auch die klassischen Elternabende, bei denen eine Erzieherin erzählt und die Eltern im Kreis sitzen und mehr oder weniger interessiert zuhören, haben ausgedient. Stattdessen haben sie zuletzt Eltern und Kinder zusammen eingeladen. Die Kinder zeigten ihren Eltern dann in den Gruppen, was sie gern spielen. „Das hatte einen ganz anderen Charakter, war fröhlich und lustig“, berichtet Claudia Hauschild und ergänzt: „Wir suchen weiter nach neuen Formaten.“ Demnächst wollen sie ausprobieren, an einem Elternabend mehrere Themen vorzustellen. „Wie eine Fluraktion im größeren Rahmen.“

Eine Chance für Quereinsteiger

Den Fachkräftemangel spüren auch wir. Ich denke, Kitas müssen sich öffnen. Qualität können zum Beispiel auch berufsfremde Menschen mitbringen, wenn man ihnen eine Chance gibt. Diese Quereinsteiger werden bei uns erst in den Betreuungsschlüssel für pädagogisches Personal eingerechnet, wenn sie bestimmte Qualifikationen erreicht haben, sie sich also auf den Weg gemacht haben, Assistenzkraft oder Fachkraft werden zu wollen. Vorher zählen sie bei uns zu den sogenannten „helfenden Händen“. Beide Seiten können in dieser Phase testen, ob sie für den Beruf geeignet sind. Das ist eine Chance, Personal zu gewinnen. Wichtig ist dabei, einen Träger zu haben, der offen für neue Lösungen ist und diese ausprobiert.

Pamela Günzinger

Das komplette Interview

Frau Grünzinger, viele Kitas beklagen den Fachkräfte- und Personalmangel. Sie nicht?

Pamela Grünzinger: Auch wir spüren den Fachkräftemangel. Die Erwartungen an die Erzieherinnen und Erzieher werden immer größer. Die Länge der Betreuungszeiten ist ein weiteres Problem, wir haben zehn Stunden von 7 bis 17 Uhr geöffnet. Das Personal muss enorm viel leisten. Wichtig ist es, einen Träger zu haben, der offen für neue Lösungen ist und diese ausprobiert.

Zum Beispiel?

Grünzinger: Ich denke, Kitas müssen sich öffnen. Qualität können auch berufsfremde Menschen mitbringen, wenn man ihnen eine Chance gibt und Vertrauen entgegenbringt.

Sie setzen also auf Quereinsteiger.

Grünzinger: Ja. Sie können durch Praktika, einen Tag der offenen Tür oder auch, wenn sie vom Arbeitsamt vermittelt werden, reinschnuppern in einen Menschenberuf. Viele hatten damit vorher noch nie Berührungspunkte. Man sollte sich ihre Motivation angucken: Vielleicht wollen sie ihr Leben mit einer sozialen Arbeit erfüllen und nicht mehr in der Industrie arbeiten? Das ist eine Chance, Personal zu gewinnen.

Welche Vorteile bringt Ihnen das?

Grünzinger: Multiprofessionalität in Teams ist gefragt. Wenn man solche Assistenz- oder Hilfskräfte zusätzlich mit hinzunimmt, ist es zwar ein bisschen teurer für den Träger, aber es unterstützt auf allen Ebenen. Und sie werden erst in den Betreuungsschlüssel für pädagogisches Personal eingerechnet, wenn sie bestimmte Qualifikationen erreicht haben, sie sich also auf den Weg gemacht haben, Assistenzkraft oder Fachkraft werden zu wollen. Vorher zählen sie zu den sogenannten „helfenden Händen“. Beide Seiten können in dieser Phase testen, ob sie für den Beruf geeignet sind.

Wie kommen Sie an die Menschen heran?

Grünzinger: Durch viele kleine Projekte, Öffentlichkeitsarbeit, Mund-zu-Mund-Propaganda. Wir sind gut vernetzt. Außerdem gehen wir aktiv auf Schulen zu, wenn dort beispielsweise Berufsinformationstage sind. Vielen ist gar nicht bewusst, dass Kitas überhaupt ausbilden. Es geht darum, den Blick auf den Beruf der Erzieherin oder des Erziehers zu verändern, ihn attraktiv darzustellen und zu gestalten.

Wie viele Quereinsteiger oder ehemals Berufsfremde arbeiten bei Ihnen?

Grünzinger: Wir haben aktuell jemanden im Team, dem coronabedingt gekündigt worden ist. Er hat ein halbes Jahr zur Probe gearbeitet, Geschmack daran gefunden und auch die Eignungen mitgebracht. Eine ehemalige FSJ-lerin hat Ihre Ausbildung bei uns gemacht und absolviert inzwischen ihr Anerkennungsjahr hier. Die Möglichkeiten sind also da.

Arbeiten bei Ihnen auch Aushilfskräfte?

Grünzinger: Wir haben „helfende Hände“, die nicht den pädagogischen Weg einschlagen.  Hauswirtschafter zum Beispiel müssen in Kitas viel Empathie mitbringen, weil sie viele Berührungspunkte mit den Kindern und den pädagogischen Fachkräften haben. Wenn es vom Personal eng wird, können sie wahre Perlen ein. Wir sehen das als Mehrwert für die Kinder. Bei uns lernen die älteren Kinder, die den Küchendienst mitgestalten, dabei dann beispielsweise das Zählen in einer fremden Sprache, in dem Fall Türkisch.

Haben Sie noch mehr Personal aus anderen Ländern?

Grünzinger: Wir haben Beschäftigte aus Polen, Bulgarien, Rumänien und Ungarn. Die Fachkräfte haben sich alle durch die deutsche Prüfung gearbeitet. Die Qualität der pädagogischen Arbeit ist nicht schlechter als bei deutschen Fachkräften. Wir müssen den Menschen nur zeigen, wie es bei uns gehandhabt wird.

Wie sind die Reaktionen der Eltern auf das multikulturelle Team?

Grünzinger: Von den Kindern erwarten wir, dass sie offen sein sollen für unterschiedliche Kulturen und dass sie jeden so nehmen sollen, wie er oder sie ist. Den gleichen Wert sollten wir Erwachsenen darauf legen, dass sich Kulturen vermischen. Vielen Eltern ist der Fachkräftemangel bewusst. In der IT-Branche gibt es zum Beispiel keine Berührungsängste, wenn dort Menschen aus den USA oder Indien arbeiten. Nur in sozialen Berufen ist es so. Die Ängste lassen sich aber abbauen, wenn man offen kommuniziert und den Eltern klarmacht, dass wir für die Kinder und Familien nur das Beste wollen mit der Öffnung nach außen. Außerdem ermutigen wir die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Übernehmt einen Part beim Elternabend und stellt euch vor, damit die Eltern euch kennenlernen.

Wie führen Sie die neuen Beschäftigten heran?

Grünzinger: Unser Onboarding-Prozess ist für Praktikantinnen und Praktikanten, berufsfremde Menschen und Menschen, die nicht so gut Deutsch sprechen, im Grunde gleich: Sie bilden ein Tandem mit einer Fachkraft. Die kreative oder musikalische Förderung, auch pflegerische Tätigkeiten wie pädagogisches Füttern und Wickeln kann man gut transportieren, indem man es ihnen vormacht und sie dabei begleitet. Wir legen Wert auf Gespräche, reflektieren viel – nach und nach können wir immer mehr Aufgaben übertragen. Bei Auszubildenden und jungen Menschen geht es viel darum, sie bei der Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen und Verantwortungsgefühl zu vermitteln. Bei den Quereinsteigern, die Erfahrungen aus anderen Berufen mitbringen, geht es mehr um fachliche Vermittlung.

Das klingt trotzdem zunächst nach einer Belastung für die Fachkräfte.

Grünzinger: Da kommen die Träger ins Spiel. Wenn wir wollen, dass es mit Quereinsteigern funktioniert, wird es nicht reichen, nur nach dem gesetzlichen Schlüssel zu arbeiten. Erzieherinnen und Erzieher sollten Quereinsteiger anleiten und begleiten – dafür braucht man eine Fachkraft mehr, als im Schlüssel vorgesehen. Die Fachkräfte reflektieren viel und benötigen dafür mehr Vorbereitungszeit. Das geht im Hort, wo die Kinder erst um 11 Uhr kommen, besser als im Kita-Bereich. Dort ist es notwendig, dass der Träger Stunden für das Ein- und Anleiten freischaufelt. Wenn man das gut hinbekommt, hat man schnell einen Mehrwert. Dann bietet das Modell eine Chance, um neue Fachkräfte hinzuzugewinnen.

Welche Rahmenbedingungen benötigt man innerhalb des Kita-Teams?

Grünzinger: Eine flache Hierarchie. Allein steht man als Leitung auf verlorenem Posten. Wir haben ein gemeinsames Ziel und überlegen gemeinsam, wie wir da hinkommen und es umsetzen. Das hilft auch bei der Akzeptanz, weil es dann alle mittragen.

Wie kommt man als Team da hin?

Grünzinger: Vertrauen und Wertschätzung untereinander finde ich sehr wichtig. Und eine offene Kommunikation. Die Beschäftigten wissen, dass sie sich ohne Angst äußern können und ihre Ideen einbringen sollen. Das hilft jedem Unternehmen sich weiterzuentwickeln, auch Kitas. Außerdem ist eine gesunde Fehlerkultur wichtig. Beim Thema Sicherheit zum Beispiel darf ich nicht davon ausgehen, dass Quereinsteiger oder Auszubildende den gleichen Blick darauf haben wie pädagogische Fachkräfte. Sie müssen diesen Blick erst lernen und wir müssen ihnen die Möglichkeit geben, dass sie ihn schulen dürfen. Wenn ich nach einem Fehler kritisiere, kann es passieren, dass ich Angst aufbaue statt den Wunsch, es zu lernen. Es ist besser, das in sachlichen Gesprächen zu erklären.

Beschwerden sind willkommen

KURZ GESAGT!

_Kitas profitieren von einer guten Beschwerdekultur

_Jede Beschwerde ernst nehmen und transparent damit umgehen

_Beschwerdemanagement ist Teil der Qualitätssicherung

 

Jede pädagogische Fachkraft in der Kindertagesbetreuung kennt solche und ähnliche Situationen:

Frau Niemann holt nachmittags ihre Tochter Suri aus der Kita ab, es ist ein freundlicher Tag, aber sicher nicht wärmer als 8 Grad. Die Kinder spielen auf dem Außengelände. Sie bemerkt direkt, dass Suri keine Jacke trägt, sondern nur einen dünnen Pullover. Darüber ärgert sie sich maßlos, denn sie hat schon mehrfach betont, dass das Kind bei solchen Temperaturen draußen eine Jacke tragen soll. Als sie Suris Sachen holen will, begegnet sie der Erzieherin Ute und geht grußlos und sichtlich verärgert an ihr vorbei. Diese reagiert erstaunt und sagt zu ihrer Kollegin: „Wir leben hier doch Partizipation mit den Kindern. Und wenn Suri keine Jacke anziehen möchte, werden wir sie nicht dazu zwingen. Warum ist Frau Niemann so verärgert?“

Beschwerden gehören zum Miteinander dazu


Beschwerden sollten nicht als Problem betrachtet werden, sondern als wichtige Informationsquelle. Durch sie kann ich erkennen:

  • Was ist falsch gelaufen oder hat gestört?
  • Wie können wir noch besser werden?
  • Wie können Prozesse verbessert werden?

Wenn ein Kitateam offen und interessiert mit Beschwerden umgeht, kann es dadurch seine Arbeit und somit die Zufriedenheit der Familien (weiter) verbessern. Beschwerden sind also eine Chance, die Qualität in einer Kindertageseinrichtung weiterzuentwickeln.

Ein guter Prozess für das Beschwerdemanagement einer Kita besteht aus vier Schritten. Bezogen auf das obige Beispiel könnten diese so aussehen:

1) Beschwerdestimulierung

Die Erzieherin Ute sollte Frau Niemann auf die spürbare Verärgerung ansprechen und dazu motivieren, ihre Beschwerde zu formulieren. Frau Niemann sollte wissen, dass es dem Kitateam wichtig ist, ihre Unzufriedenheit zu verstehen.

Eine beschwerdefreundliche Umgebung vermittelt den Eltern, dass es vollkommen in Ordnung ist, Unzufriedenheiten zu äußern, und dass diese von den Beschäftigten der Kita ernst genommen werden. Eltern werden an verschiedenen Stellen dazu aufgefordert, sich mit ihren Anliegen an die Fachkräfte, die Kitaleitung oder den Elternausschuss zu wenden, und werden in Gesprächen und (anonymen) Umfragen immer wieder nach ihrer Zufriedenheit befragt. Vorstellbar ist auch ein „Kummerkasten“.

2) Beschwerdeerfassung

Die Erzieherin Ute sollte den Vorfall als Beschwerde offiziell annehmen und Verständnis signalisieren. Der Sachverhalt ist nicht zwischen Tür und Angel zu klären, deshalb lässt die Erzieherin Frau Niemann wissen, welche nächsten Schritte erfolgen, zum Beispiel ein Gespräch. Ute füllt das Beschwerdeformular aus und informiert die Kitaleitung über den Vorfall.

Falls eine Beschwerde nicht sofort besprochen und keine Lösung gefunden werden kann, sollte ein Formular vorhanden sein, in dem sachlich dokumentiert wird, worüber sich wer wann beschwert hat und was vereinbart wurde. Ein Beispiel für ein solches Formular finden Sie auf der KinderKinder-Webseite zum Herunterladen.

3) Bearbeitung der Beschwerde

Ist die Beschwerde zur Bekleidung ein Einzelfall, der nur Suris Mutter betrifft, sollte ihr die Einrichtung einen Gesprächstermin anbieten. Ein guter Einstieg könnte sein: „Ich habe den Eindruck, Sie ärgern sich über unsere Regelungen zur Bekleidung der Kinder draußen. Glauben Sie mir: Wir würden Suri immer ansprechen und mit ihr eine Lösung suchen, wenn wir den Eindruck hätten, dass sie zu dünn angezogen ist und sich erkälten könnte.“

In diesem Schritt sollte klar sein, wer im Team die Verantwortung für die Beschwerde übernimmt und beispielsweise die Klärungsgespräche führt. Sehr wichtig ist hier auch festzulegen, wann und von wem die Familie angesprochen und informiert wird.

4) Beschwerdeanalyse

Die Kitaleitung sollte alle Beschwerden in einem Ordner sammeln. Nur so ist es möglich, sicher nachzuvollziehen, ob es ähnliche Beschwerden eventuell schon häufiger gab. Aus dieser Erkenntnis könnte sie eine Informationsveranstaltung zum Thema Kinderpartizipation planen, um dort näher zu erklären, dass die Umsetzung von kindlicher Selbst- und Mitbestimmung eine Pflichtaufgabe für Kindertageseinrichtungen ist.

Es ist hilfreich, wenn die Kitaleitung die in einem Zeitraum angefallenen Beschwerden auswertet, um herauszufinden, ob bestimmte Bereiche oder Themen gehäuft betroffen sind. Sollte dem so sein, kann das Team genauer analysieren, ob es konzeptionelle Anpassungen oder einen besseren Dialog mit den Familien braucht.

Teams, die sich mit solchen und ähnlichen Fragen auseinan-dersetzen und in einen ehrlichen Dialog kommen, können ihre Beschwerdekultur optimal weiterentwickeln.

Fehler sind Helfer

In einer beschwerdefreundlichen Kita sollte sich das Team auch ohne konkreten Anlass mit dem Thema befassen. Gute Reflexionsfragen können dafür sein:

  • Haben alle bei uns im Team das Recht, Fehler zu machen?
  • Warum ist es wichtig zu akzeptieren, dass die Verantwortung für einen von mir gemachtem Fehler zunächst bei mir liegt? 
  • Wie können wir sensibel auch für nonverbale Beschwerden der Eltern werden?
  • Werden Beschwerden von Eltern als willkommener Anlass betrachtet, den Dialog mit den Eltern zu intensivieren?
  • Was tun wir, damit bei uns in der Kita eine möglichst fehlerfreundliche Kultur herrscht – Fehler also offen besprochen und nicht verschwiegen werden?
  • Fühlt sich das komplette Team bei Beschwerden verantwortlich – bis die Beschwerde an der Stelle angekommen ist, an die sie gehört?
  • Suchen wir die Ursache bei Problemen zunächst bei uns?

 

Exklusiv für Sie!

Einen Dokumentationsbogen für Elternbeschwerden, der sich ausdrucken oder auch am Computer ausfüllen lässt, sowie eine Kopiervorlage für Kummerkastenzettel finden Sie als kostenloses Download-Angebot unter:
www.kinderkinder.dguv.de/beschwerden

 

 

Spielplatzspaß – aber nicht für alle

Die Mehrzahl der Spielplätze in Deutschland ist für Kinder mit Behinderung nicht geeignet. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Aktion Mensch. Demnach ist nur jeder fünfte Spielplatz zumindest teilweise barrierefrei oder verfügt über inklusive Spielgeräte.

Die Beschaffenheit der Böden stellt das größte Problem dar. Gerade einmal ein Prozent der Spielplätze verfügt über befahrbare Zuwege, die zu allen Geräten führen und sogar weniger als ein Prozent über Leitsysteme oder andere taktile Hilfen. Statt barrierefreien Flächen aus stoßdämpfendem Gummi oder Korkmischungen sind Sand, Kies oder Hackschnitzel weit verbreitet. Für Kinder mit einer Mobilitätseinschränkung oder Sehbehinderung scheitert das Spielen also spätestens am Erreichen der Spielgeräte.

Dabei existieren mit den bestehenden DIN-Normen bereits Richtlinien, die den Bau von inklusiven und barrierefreien Spielplätzen unterstützen – ihre Anwendung ist jedoch freiwillig. „Ohne ein Gesetz zur verpflichtenden Umsetzung haben die derzeitigen Rahmenbedingungen keine Durchschlagkraft“, sagt Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch. „Auch beim Spielplatzbau müssen Menschen mit Behinderung von den ersten Planungsschritten an mitgedacht werden, um einer Diskriminierung bereits im Kindesalter entgegenzuwirken.“

Als Orte der Begegnung haben inklusive Spielplätze laut Aktion Mensch eine Strahlkraft weit über die Kinder hinaus – nicht nur sie und ihre Begleitpersonen würden von einem gleichberechtigten Miteinander profitieren, sondern letztlich die gesamte Gesellschaft. Gleichzeitig erhöhen sie – wie die Studie zeigt – die Qualität des Spiels sowie die Attraktivität des Standortes. Dort wo inklusive Spielplätze bereits existieren, werden sie gut angenommen. Ihr Angebot ist jedoch zu gering.

Im regionalen Vergleich zeigt sich, dass der größte Nachholbedarf dabei in Brandenburg sowie Schleswig-Holstein besteht. Hier weisen nur 9,8 Prozent der Spielplätze inklusive Merkmale auf. Berlin schneidet mit 36 Prozent inklusiver Spielplätze am besten ab.

Für die Studie hat die Aktion Mensch in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut für Inklusion durch Bewegung und Sport (FIBS) 1.000 Spielplätze in Deutschland untersucht.

Quelle: https://www.aktion-mensch.de/inklusion/sport/barrierefreiheit-im-sport/inklusive-spielplaetze-studie

Welttag gegen das Ertrinken

Bei hohen Sommertemperaturen erfreuen sich Kinder auch in der Kita über eine Erfrischung beim Plantschen im kühlen Wasser. Doch irreführende Begriffe wie „sekundäres Ertrinken“ oder „trockenes Ertrinken“ sorgen für Unsicherheit und schüren Ängste. Die Initiative „Kindernotfall Bonn“ der Abteilung für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin am Universitätsklinikum Bonn (UKB) stellt deshalb auf ihrer Website (www.kindernotfall-bonn.de) Informationen zu Ertrinkungsunfällen bereit, um Wissen für den Notfall zu vermitteln.

Die Begriffe „sekundäres Ertrinken“ oder „trockenes Ertrinken“ sind keine Fachbegriffe, werden häufig synonym verwendet und suggerieren, dass ein Mensch im Nachgang an einen Bade- oder Ertrinkungsunfall verstirbt – vermeintlich nicht durch das „klassische“ Ertrinken, sondern an den Folgen des Wasseratmens. Jedoch ist das Verschlucken oder Aspirieren geringer Wassermengen in die Atemwege beim Spielen im Wasser in den meisten Fällen medizinisch nicht relevant ist. Vielmehr führt dies meistens zu einem Hustenreiz, der die Lunge schützt. Wirkliche Gefahr besteht erst, wenn größere Mengen Wasser in die Lunge gelangen.

Ertrinken ist eine der häufigsten Todesursachen bei Kindern, dabei sind die meisten Ertrinkungsunfälle vermeidbar: „Aufsichtspersonen müssen sich bewusst sein, dass eine uneingeschränkte Aufmerksamkeit, insbesondere ohne Ablenkung durch Handys oder andere Geräte, entscheidend und lebensrettend sein kann“, betont Dr. Till Dresbach, Oberarzt der Neonatologie und Kinderintensivmedizin am UKB.

Um ernsthaften Folgen nach einem Badeunfall vorzubeugen ist es wichtig, dass Aufsichtspersonen richtig reagieren:

  • Das Kind sollte unverzüglich aus dem Wasser gerettet werden.
  • Es ist sofort der notärztliche Dienst (112) zu verständigen. Idealerweise von einer zweiten Person.
  • Wenn das Kind bewusstlos ist und keine Atmung festgestellt werden kann, sollten sofort Wiederbelebungsmaßnahmen eingeleitet werden.
  • Bei der Wiederbelebung von Kindern steht die Beatmung, also das Zuführen von Luft in die Lunge, im Vordergrund. Dies wird durch Mund-zu-Mund-Beatmung erreicht. Die Wiederbelebungsmaßnahmen beginnen bei allen Kindern mit fünf Beatmungen. Dabei sollte die Nase des Kindes zugehalten werden. Wenn nach den fünf Beatmungen keine Lebenszeichen vorhanden sind, sollte mit der Herzdruckmassage begonnen werden.

Wichtig: Bei Wiederbelebungsmaßnahmen kann man nichts falsch machen. Es ist ein großer Fehler, keine Maßnahmen zu ergreifen, da dies den Behandlungserfolg bei Ertrinkungsopfern erheblich beeinträchtigt.

Interaktive Kindernotfall-Webinare bietet die Initiative Kindernotfall Bonn am Universitätsklinikum Bonn an: https://www.kindernotfall-bonn.de/online/

Mehr U3-Plätze – aber auch mehr Bedarf

Bei dem Versuch, die Qualität in Kitas zu verbessern, sind in den vergangenen zehn Jahren Fortschritte zu verzeichnen. Allerdings gibt es immer noch Herausforderungen, was die bedarfsgerechte Ausstattung mit Plätzen und einen angemessenen Personalschlüssel angeht. Zu diesen Ergebnissen kommt das Deutsche Jugendinstitut (DJI), dessen kürzlich veröffentlichter Analyse verschiedene Studien und Datenerhebungen zugrunde liegen.

Zwischen 2012 und 2021 hat sich die Quote der unter Dreijährigen, die in Kitas betreut werden, von 27,6 auf 34,4 Prozent erhöht, wie aus der Kinderbetreuungsstudie 2021 (KIBS) des DJI hervorgeht. Allerdings ist der Elternbedarf im gleichen Zeitraum von 39 auf 47 Prozent gestiegen – die Kluft zwischen Kitaplätzen und Bedarf hat sich somit sogar leicht vergrößert, obwohl mehr Kitaplätze geschaffen wurden.

Der Personal-Kind-Schlüssel hat sich trotz des Fachkräftemangels im vergangenen Jahrzehnt verbessert, die Investitionen einzelner Länder in Qualitätsverbesserungen würden sich auszahlen. Allerdings weist das DJI darauf hin, dass noch nicht geklärt ist, welche Rolle die Corona-Pandemie spielt, beispielsweise durch mögliche verzögerte Kita-Einstiege von Kindern. Diese kurzfristigen Effekte könnten schnell verpufft sein und stünden nicht mit Qualitätsverbesserungen in Kitas in Zusammenhang. In Gruppen von unter Dreijährigen kamen in Deutschland im Jahr 2021 statistisch genau vier Erzieherinnen oder Erzieher auf ein Kind. 2012 lag der Personal-Kind-Schlüssel noch bei 1:4,9. Bei den über Dreijährigen verbesserte sich der Personal-Kind-Schlüssel innerhalb des Zeitraums von zehn Jahren von 1:9,5 auf 1:8.

Quelle: https://www.dji.de/themen/kinderbetreuung/plaetze-und-personalschluessel.html

Neues Infoportal zu Kinderrechten

Vor mehr als 30 Jahren trat die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN) in Kraft. Zur besseren Umsetzung haben das Deutsche Kinderhilfswerk und der Verein Kinderfreundliche Kommunen im Internet ein Infoportal erstellt.

Zielgruppe des Portals sind zwar vor allem Verwaltungsmitarbeitende sowie politische Entscheidungsträgerinnen und -träger in den Kommunen, aber auch für Kita-Träger und Kita-Leitungen können die gesammelten Materialien des Internetauftritts Tipps und Anregungen liefern. Zu den Themen gehören beispielsweise „Empfehlungen zur Erstellung einer inklusionspädagogischen Konzeption für Kindertageseinrichtungen“ oder „Qualitätsstandards für Kinder- & Jugendbeteiligung“.

„Insbesondere den Kommunen kommt bei der Umsetzung der Kinderrechte eine wichtige Rolle zu, da ihre Aufgaben und ihr Handeln sich sehr oft direkt oder indirekt auf Kinder auswirken. Der Wissenstransfer unter den kommunalen Akteurinnen und Akteure ist allerdings bisher eher gering, obwohl kontinuierlich Materialien zum Thema entstehen. Das möchten wir mit dem neuen Infoportal ändern“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Zum Internetportal: https://kommunen.kinderrechte.de

Quelle: https://www.dkhw.de/presse/pressemitteilungen/presse-details/launch-des-infoportals-kinderrechte-in-kommunen-jetzt-breites-informationsangebot-zur-besseren-u/

Zähneputzen wird vernachlässigt

Schon vor der Corona-Pandemie übten nur etwas mehr als ein Viertel der Kitas mit den Kindern das Zähneputzen. Inzwischen hat sich diese Zahl nochmals halbiert, wie eine repräsentative Studie exemplarisch für Baden-Württemberg ergab.

Die Landesarbeitsgemeinschaft für Zahngesundheit Baden-Württemberg (LAGZ) hatte die Online-Befragung in Auftrag gegeben, bei der sich mehr als 6.500 Kitas beteiligten. 27 Prozent (1.820 Kitas) gaben an, vor Corona mit den Kindern Zähne geputzt zu haben. Derzeit machen das nur noch 1.018 Einrichtungen. „Diese Entwicklung ist alarmierend“, sagt LAGZ-Geschäftsführerin Carolin Möller-Scheib.

Das Interesse der pädagogischen Fachkräfte sei laut LAGZ durchaus vorhanden, was sich an der Teilnahme bei Aktionen und Themenwochen rund um Mundgesundheit zeige. Die Gründe für das „Nichtputzen“ seien unterschiedlich. Neben dem Personalmangel würde die fehlende Infrastruktur vor Ort (zum Beispiel zu wenige Waschbecken oder Aufbewahrungsmöglichkeiten für Zahnbürsten) und auch die hohen Hygieneanforderungen Hürden darstellen.

Dabei habe das gemeinsame Zähneputzen einen hohen pädagogischen Wert, der über die Mundgesundheit hinausgehe, wie die Landesarbeitsgemeinschaft betont. Es fördere den achtsamen Umgang mit dem eigenen Körper, die Feinmotorik und ein systematisches Vorgehen, das mit der Zahnputzmethode KAI (erst Kaufläche, dann Außenflächen, dann Innenflächen) geübt werde.

Quelle: Landesarbeitsgemeinschaft für Zahngesundheit Baden-Württemberg

Die kleinen Forscher verlassen das Haus

Nach 17 Jahren ändert das „Haus der kleinen Forscher“ seinen Namen. Deutschlands größte Fortbildungsinitiative für Kita, Hort und Grundschule heißt ab sofort „Stiftung Kinder forschen“.

Damit reagiert die Stiftung auf die zahlreichen Entwicklungen, die nicht nur sie selbst, sondern die Bildungslandschaft insgesamt in den vergangenen Jahren gemacht hat. Das Ziel bleibt auch mit neuem Namen das gleiche: die Förderung von Kompetenzen in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik (MINT) sowie Bildung für nachhaltige Entwicklung bei Kindern im Alter von drei bis zehn Jahren.

„Die MINT-Bildung haben wir erweitert auf MINT-Bildung für nachhaltige Entwicklung. Sowohl die Stiftung als auch ihre Netzwerkpartner bieten jetzt Fortbildungen in Präsenz und digital an“, sagt Prof. Jürgen Mlynek, Stiftungsratsvorsitzender und Mitgründer der Stiftung Kinder forschen. „Gleichzeitig ist die Grundüberzeugung immer die gleiche geblieben: Alle Kinder sollen Freude am Entdecken und Forschen entwickeln, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Religion und Einkommen der Eltern und genau das soll der Name ‚Stiftung Kinder forschen‘ noch stärker zum Ausdruck bringen.“

Kern der Arbeit der Stiftung Kinder forschen ist ein umfangreiches und bundesweites Fortbildungsprogramm, das pädagogische Fach- und Lehrkräfte fit macht, Kinder qualifiziert beim Entdecken und Forschen zu begleiten. Seit der Gründung im Jahr 2006 haben die Stiftung und ihre Partner deutschlandweit rund 86.000 pädagogische Fach-, Lehr- und Leitungskräfte aus mehr als 35.100 Einrichtungen weitergebildet. Bereits 6.000 Kitas, Horte und Grundschulen sind für ihr Engagement in der frühen MINT-Bildung für nachhaltige Entwicklung zertifiziert.

Quelle: https://www.stiftung-kinder-forschen.de/de/ueberuns/presse/pressemitteilungen/haus-der-kleinen-forscher-heisst-jetzt-stiftung

Mehr Bewegung geht immer

Eigentlich sind Kinder von Geburt an in Bewegung. Sie wollen nicht still sitzen, sondern zappeln, krabbeln, hopsen, rennen, klettern und erkunden so ihre Welt. Diesen natürlichen Bewegungsdrang gilt es dauerhaft zu erhalten. Das ist zugleich einfach und schwierig. Einfach, weil Kinder schnell zu begeistern sind und Bewegungsangebote gern annehmen. Schwierig, weil in den Familien dem Thema weniger Bedeutung beigemessen und Kinder häufig ein bewegungsarmer Alltag vorgelebt wird. Kitas haben deshalb eine Schlüsselrolle. Hier ein paar Ideen, wie der Kita- Alltag ohne viel Aufwand noch bewegter wird.

Bewegte Rituale einführen

Zum Morgenkreis oder vor dem Essen: Wann immer es passt, machen ritualisierte Bewegungsspiele Spaß. Und die Großen machen natürlich mit!

Bewegungsgeschichten erzählen

Bewegungsgeschichten können ganz gezielt motorische Fähigkeiten schulen: Anschleichen auf den Zehenspitzen oder die Balance halten, wenn man so tut, als klettere man eine Leiter hinauf. Die pädagogische Fachkraft erzählt und leitet gleichzeitig die Bewegungen an. Ältere Kinder können die Geschichte weitererzählen. Nebeneffekt: Auch die Konzentrationsfähigkeit und Fantasie werden angeregt.

Seiltanz

Alles, was man braucht, sind Seile. Die Kinder legen die Seile in beliebiger Form aus. Als Kreise, Schlangen oder Achten. Dann balancieren sie (sock- oder barfuß) darauf. Jedes Kind darf auf jedem Seil tanzen.

Verrücktes Kartenspiel

Die Karten eines Kartenspiels (z. B. Uno) bekommen eine neue Bedeutung. Es wird normal gespielt, aber wenn bestimmte Karten abgelegt werden, muss das nachfolgende Kind eine bestimmte Bewegung ausführen – zum Beispiel dreimal Hampelmann machen oder auf einem Bein um den Spieltisch hopsen. Geht auch mit Würfelspielen.

Rasender Postbote

Die Kinder müssen „Briefe“ zu einem Ziel befördern, das ihnen angesagt wird, und zwar so schnell wie möglich. Alternative für mehr Platz: Es werden 20 durchnummerierte Umschläge und 20 Karten verteilt (oder auch verschiedene Farben). Die Kinder bringen die Karten zu den entsprechenden Umschlägen, tüten sie ein und transportieren sie zur „Postzentrale“ (immer nur ein Umschlag auf einmal).

Seifenblasen-Fangen

Nur für draußen! Ob große oder kleine Seifenblasen: Sie faszinieren. Feingefühl ist beim Pusten nötig, Bewegung entsteht beim Fangen, bei den Riesenseifenblasen auch beim Schwungholen mit den Stäben. Die Kinder mit der Seifenlösung nicht allein spielen lassen!

Ballspiele – auch ohne Ball

Wenn Ballspiele mit Fangen und Werfen aus räumlichen Gründen nicht machbar sind, eignen sich zumindest für drinnen Luftballons (es gibt dafür dünne Stoffhüllen, um sie stabiler zu machen) oder geknülltes Papier; mit leichten Schaumstoffbällen lassen sich auch Spiele im Sitzkreis realisieren.

Bewegungsparcours

Das geht auch auf kleinem Raum und mit Alltagsgegenständen. Kartons, Seile, Hocker, Tücher, Kissen und Decken: Darübersteigen, Durch- oder Drunterklettern, Balancieren sowie Werfen und Auffangen. Erfinden Sie mit den Kindern zusammen immer neue Aufgaben, wie der Parcours gemeistert werden muss.

Bewegung organisieren

Familien bewegen

Die Bandbreite an Möglichkeiten ist groß. Zusammen mit dem Elternbeirat kann die Kita einen Infonachmittag veranstalten und mit den Familien Ideen entwickeln. Hier einige Vorschläge: Spendenlauf für eine größere Anschaffung, eine Challenge, zum Beispiel: „Mindestens die Hälfte der Kinder kommt diese Woche zu Fuß zur Kita“ oder wöchentliche Aushänge oder E-Mails mit niedrigschwelligen Bewegungsangeboten für zu Hause (etwa die obigen Spielideen).

Netzwerke knüpfen

In Ihrer Kita gibt es keinen Bewegungsraum? Kirchengemeinden und viele Vereine haben meistens einen größeren Multifunktionsraum oder vielleicht dürfen Sie die Schulsporthalle mitbenutzen. Nachfragen lohnt sich! Der Weg dorthin gehört gleich mit zum Training (und zur Verkehrserziehung). Über den örtlichen Sportverein oder die Volkshochschule kann man ausloten, wie eine Kooperation aussehen könnte. Und: Wie handhaben es andere Kitas?

Von bestehenden Programmen profitieren

Unfallkassen, Krankenkassen und die Landessportjugend haben Material und viel Wissen, das Sie abrufen können. Meistens sogar kostenlos.

Zehn Gründe, warum Kinder Bewegung brauchen

Bewegung

1. ist gesund für den gesamten Körper
2. aktiviert das Immunsystem
3. unterstützt die kognitive Entwicklung
4. ermöglicht es, den eigenen Körper kennenzulernen
5. stärkt die sozial-emotionale Entwicklung
6. macht den Raum und die Umwelt und deren Gesetzmäßigkeiten erfahrbar
7. sensibilisiert für Natur und Mitgeschöpfe
8. drückt Gefühle aus
9.   ist fundamental für die Persönlichkeitsentwicklung
10. stärkt das Selbstbewusstsein und die Selbstständigkeit

Noch mehr Bewegungsideen, weitere Spiele, hilfreiche Links und ein geling-sicheres Rezept für Seifenblasen:
www.kinderkinder.dguv.de/bewegungsidee

„ Bewegung bedeutet Bildung“

KURZ GESAGT!

_ Zertifizierung bringt das Thema auf ein neues Level

_ Kinder lernen über Bewegung und Spielen

_ Die Bedeutung von Bewegung den Eltern zu vermitteln ist wichtig

Heute ist was los: Lina baut konzentriert mit den riesigen Bausteinen ein Flugzeug, Luisa schaukelt und wippt auf dem Schaumstoffring und die Jungs wetteifern, wer von ihnen am schnellsten die Rutsche hoch- und runterkommt. Malte hängt am Kletternetz und macht Faxen. Im Turnraum der Kita Argenthal bei Simmern in Rheinland-Pfalz gibt es Platz und Material für viel Bewegung. Klettern, hopsen, werfen, balancieren – alles ist möglich. Die Kinder können die meiste Zeit des Tages den Raum frei nutzen. „Das geht jetzt wieder“, freut sich Kitaleiterin Dajana Bartelmann-Henke. „Während Corona war hier auch ein Gruppenraum, da wir gezwungen waren, vom offenen Konzept in geschlossene Gruppen zu wechseln“, erklärt sie. „Das hat uns ziemlich eingeschränkt.“

Erst ein halbes Jahr vor den ersten Schließungen hatte sich das Team darauf verständigt, dem Thema Bewegung, das ohnehin schon immer präsent war, noch mehr Bedeutung zu geben: Warum sich nicht als Bewegungskita zertifizieren lassen? Die Idee brachte Sabine Baumgärtner, ehemalige Leiterin der Kita und jetzige pädagogische Leitung des Trägers Zweckverband Simmern, mit in die Runde. Überzeugungsarbeit leisten musste sie nicht: „Bewegung spielt hier schon immer eine Rolle. Eigentlich war es eine logische Konsequenz, der nächste Schritt“, erinnert sie sich.

Gut beraten und eng begleitet

Tatsächlich fällt auf, dass die Möblierung in den Gruppenräumen eher spärlich ist. Keine oder nur wenige Tische und Stühle. Viel Raum, viel Fläche, wenige Hindernisse und Stolperfallen. Über die breiten Flure sausen die Kinder auch mal mit Bobbycars.

Die Kita ist nicht neu, in den späten 1980ern gebaut, aber die Planer haben damals offenbar viel richtig gemacht. Das helle Gebäude liegt etwas abseits des Ortes an einem Wendehammer. Hier können die Kinder gefahrlos Rädchen fahren. Der Garten ist groß und die alten Bäume sind zum Klettern gut geeignet, genauso wie zahlreiche Spielgeräte, die es natürlich auch gibt. Auf Bäume klettern? „Ja klar. Wir sind doch immer dabei“, wundert sich Dajana Bartelmann-Henke über die Frage. „Kinder müssen sich ausprobieren. Wie sollen sie lernen, was sie sich zutrauen und was sie schaffen können, wenn wir sie von jeder erdenklichen Gefahr fernhalten?“ Aber, das gibt ihr Kollege Mathias Franz zu bedenken, man müsse das auch aushalten können. „Manche von uns können das weniger gut. Deshalb ist es wichtig, so etwas im Team anzusprechen und zu berücksichtigen.“ Das sei die Grundlage, auf der die Fachkräfte arbeiten müssen, damit sie aufgrund eigener Befindlichkeiten die Kinder in ihrer Bewegung nicht wieder einschränken.

Kitaleiterin Bartelmann-Henke bedauert es, dass in den Familien immer weniger auf Bewegung Wert gelegt werde. „Das hat auch was mit der Pandemie zu tun“, ist Mathias Franz überzeugt. Deshalb sei es umso wichtiger, in der Kita einen Fokus darauf zu setzen und beispielweise auch bei Wind und Wetter rauszugehen. Auch seien die Eltern durch die Einschränkungen der Pandemie unsicherer geworden, was sie ihren Kindern zutrauen könnten, hat Sabine Baumgärtner beobachtet. Deshalb sei Elternarbeit auch in puncto Bewegung wichtig. „Kitas sind Bildungseinrichtungen. Bildung heißt für viele Eltern aber eher ,Input‘ und nicht Bewegung.“ Dabei lernen Kinder in erster Linie über Bewegung, Forschen und Spielen. Bewegung bewirke ganz viel in der Hirnentwicklung. „Unsere Aufgabe ist es, darüber zu informieren“, sagt Mathias Franz. Ein Elternabend dazu stehe noch auf der Agenda. In den Entwicklungsgesprächen sei es jedoch immer Thema.

Auch wenn Bewegung schon immer ein wichtiger Bestandteil der pädagogischen Arbeit war, hat die Entscheidung für den Erwerb des Qualitätssiegels den Blick nochmals geschärft. „Wir denken Bewegung jetzt viel stärker in allen Prozessen mit und sind uns dessen viel bewusster“, verdeutlicht der Pädagoge. Das habe dazu geführt, dass sich das Team fortwährend mit dem Thema auseinandersetzen müsse. Außerdem hat nun jede Gruppe, selbst die Krippenkinder, eine angeleitete Bewegungsstunde in der Woche. „Das ist noch mal ein Meilenstein. Die Kinder freuen sich total darauf und fragen gleich morgens: Haben wir heute Turntag?“

Auch wenn heute für die „Schukis“, wie in der Kita Argenthal die Vorschulkinder genannt werden, kein Turntag ist, so tummeln sich doch einige von ihnen noch immer in der Turnhalle. Aus Linas Flugzeug ist inzwischen eine Burg geworden, die Rutsche ist verlassen, stattdessen werfen sich die Kinder mit vielen weichen Bällen ab. Malte ist es etwas zu viel geworden, er hat sich ein Nest aus Riesenbauklötzen gebaut, in das er sich zurückgezogen hat und von wo aus er die anderen Kinder beobachtet. Was Lina und Luisa am tollsten im Turnraum finden? „Alles!“, rufen beide, bevor sie losflitzen, um die Bälle einzusammeln. Ihre Burg muss schließlich verteidigt werden.

TIPP

In den meisten Bundesländern gibt es Programme, oft in Zusammenarbeit mit den Landessportverbänden und Unfallkassen, die Kindertageseinrichtungen als bewegungsfreundlich auszeichnen. Dazu müssen diese bestimmte Kriterien erfüllen. Ziel ist die Förderung der ganzheitlichen kindlichen Entwicklung durch Bewegung und Spielen. Ist das für Ihre Kita interessant? Hier finden Sie Infos, an wen Sie sich in Ihrem Bundesland für Unterstützung wenden können:

www.kinderkinder.dguv.de/bewegungs-programme

 

Überall bewegt sich was

KURZ GESAGT!

_ Beim Forschen erschließen Kinder ganzheitlich ihre Umwelt

_ Fachkräfte können die kindliche Aufmerksamkeit lenken

_MINT-Grundwissen ist hilfreich, aber keine Voraussetzung

Luna entdeckt: Im Sand kommt sie mit dem Rädchen kaum vorwärts, aber auf dem gepflasterten Weg gelingt das mühelos. Die Kinder können mit verschiedenen Fortbewegungsmitteln eine bestimmte Strecke abfahren. Die Testfahrt führt über unterschiedlichen Untergrund: Wiese, Sand, Kies, Beton. Wie schnell kommen die Mädchen und Jungen ans Ziel? Wo klappt es besser, wo schlechter? Woran mag es liegen? Gibt es ein Fahrzeug, mit dem es sich überall gut fahren lässt?

Denis und Noyan schaukeln, wobei der größere Junge den Kleinen anschubst. Dann wird gewechselt. Noyan schafft es kaum, der Schaukel einen ordentlichen Schwung zu geben. Liegt es nur an seiner Kraft? Oder am Gewicht des anderen? Könnte Noyan ein gleich schweres Kind anschaukeln oder Denis eine Erzieherin? Müsste er sich dazu mehr anstrengen als bei Noyan?

Sina, Marie und Mahmud sollen etwas aus dem obersten Stockwerk holen. Dazu steigen sie über 40 Treppenstufen empor (sie zählen die Stufen mit). Oben angekommen meint Sina: „Das war anstrengend!“ Die Kinder haben eine Strecke von vielleicht 20 Metern zurückgelegt. Warum fällt das sehr leicht, wenn man die gleiche Strecke in der Ebene geht? Wieso ist es anstrengender, einen steilen Abhang hinauf-zuklettern, als Stufen zu steigen? Welche Hilfsmittel haben Menschen erfunden, damit sie leichter nach oben kommen?

„Warum können sich Pflanzen nicht bewegen?“, will Casper wissen. Können sie nicht? Doch! Zwar können Pflanzen nicht laufen, aber natürlich ind auch sie in Bewegung. Das merkt man etwa, wenn man eine Sonnenblume beobachtet, die sich nach dem Licht dreht. Viele andere Pflanzen machen das ebenso. Wicken und Kletterbohnen winden sich um Stangen, Mimosen reagieren auf Berührung und die meisten Blumen schließen ihre Blüten bei Feuchtigkeit. Kressesamen wachsen so schnell, dass man fast dabei zusehen kann. Fällt den Kindern noch mehr ein?

Zeynep und Lola sind darin vertieft, mit Bausteinen einen möglichst hohen Turm zu bauen. Bald sind die rechteckigen Steine aufgebraucht und es gibt in der Kiste nur noch dreieckige und runde Klötze. Die Mädchen entwick eln viel Ehrgeiz, auch mit diesen ihren Turm weiter wachsen zu lassen, stellen aber fest, dass es viel schwieriger ist. Warum eigentlich? Wie ist der optimale Baustein geformt? Könnte man einen Turm nur mit runden Steinen bauen? Wie gelingt es draußen, wenn man nur Naturmaterial zur Verfügung hat?

Romy, Lucie und Oleg haben ein großes Buch an einen Stuhl gelehnt und lassen seit geraumer Zeit Murmeln und andere Gegenstände herunterrollen. Was rollt am besten? Was am weitesten? Macht es einen Unterschied, ob ich große oder kleine Murmeln nehme? Rollt auch ein Wattebausch? Ist die Murmel oder das Spielzeugauto schneller? Was, wenn das Buch nicht mehr an dem Stuhl lehnt, sondern in einem viel flacheren Winkel an einem Schuhkarton? Das sind nur einige Beispiele für Alltagssituationen, in denen die Fachkräfte den Forschergeist der Kinder herausfordern können.

Nachgefragt!

KinderKinder sprach mit Verónica Oelsner. Sie hat bei der Stiftung Haus der kleinen Forscher das Bildungsangebot „MINT ist überall“ mitentwickelt.

Wie können pädagogische Fachkräfte Situationen erkennen, die das Potenzial haben, naturwissenschaftliche Phänomene stärker in den Blick zu nehmen?


Vor allem durch das Beobachten, was ein Kind gerade interessiert, zum Beispiel was es wiederholt ausprobiert. Das kann die Fachkraft aufgreifen, den Dialog suchen und weitere Impulse geben. Darüber hinaus kann sie aufmerksam sein, was die Umgebung Spannendes zum Entdecken und Erforschen bietet, seien es Pfützen oder eine Baustelle.


Wie sinnvoll ist es, naturwissenschaftliches Grundwissen über gewisse Phänomene zu haben?


Das ist hilfreich, aber nicht immer unbedingt nötig. Es geht ja nicht darum, den Kindern Antworten zu geben, sondern sie bei der Auseinandersetzung mit einer Frage oder einem Problem zu unterstützen. Wichtiger, als die Ergebnisse im Voraus zu kennen, sind die eigene Lust und das Interesse, sich gemeinsam mit den Kindern damit zu beschäftigen sowie den Prozess durch anregende, strukturierende Impulse zu begleiten.

Sie wollen noch mehr MINT im Alltag entdecken und noch mehr Rüstzeug bekommen, Kinder beim Forschen und Entdecken zu begleiten? Das Haus der kleinen Forscher bietet zahlreiche unterschiedliche Fortbildungsformate dazu an: www.hdkf.de/mint-ist-ueberall

„ Armut ist wahnsinnig schambehaftet“

Ohne Frühstück in die Kita, Schuhe kaputt und keine Winterjacke: Können Erzieherinnen und Erzieher immer auf den ersten Blick erkennen, dass ein Kind arm ist?


Nein, Armut bei Kindern drückt sich sehr unterschiedlich aus – und ist oft nicht unbedingt sichtbar. Die meisten Familien sind sehr darauf bedacht, sich nach außen nichts anmerken zu lassen. Armut ist wahnsinnig schambehaftet. Die wenigsten Menschen würden sich selbst als arm bezeichnen, obwohl sie es statistisch sind. Die Eltern sparen lieber an sich selbst und kaufen dem Kind die guten Gummistiefel.


Wie können Fachkräfte in Kitas dann merken, dass in einer Familie das Geld knapp ist?


Sie sollten sehr sensibel sein und genau hingucken. So gilt es die Ohren zu spitzen, wenn Kinder nicht die passende Kleidung für die Jahreszeit tragen oder immer wieder bei Ausflügen fehlen, die Geld kosten. Statistisch gesehen ist jedes fünfte Kind von Armut betroffen. Das ist auf der Straße auch nicht auf den ersten Blick zu sehen.


Wie sollten Kitas idealerweise damit umgehen?

Am besten ist, das Thema im Kita-Alltag gar nicht erst aufkommen zu lassen. So sollten Kitas stets versuchen, zusätzliche Kosten zu vermeiden. Muss es wirklich der teure Zoobesuch sein? Oft lassen sich auch andere Lösungen finden. Idealerweise muss niemand etwas bezahlen. Kinder sind sehr feinfühlig und wissen genau, wenn ihre Familie wenig Geld hat. Häufig geht damit das Gefühl einher, dass mit ihnen etwas nicht stimmt. Der Mangel beeinflusst ihr ganzes Leben.


Oft wird bei Elternabenden betont, dass kein Kind benachteiligt werden soll. Wer sich einen Ausflug nicht leisten kann, soll sich bitte melden und erhält finanzielle Unterstützung. Ein guter Weg?


Nein, das funktioniert nicht. Da gibt es sicher nicht viele Rückmeldungen. Die Hemmschwelle ist viel zu hoch. Die allermeisten Familien scheuen sich davor, aktiv Leute um Unterstützung zu bitten. Noch schlimmer ist, wenn die Kinder den Zettel mitbringen müssen. Damit werden sie bloßgestellt. Auch keine gute Idee ist, die Eltern offen zu fragen, ob sie arm sind. Da würden die meisten Familien aus Scham sofort abwehren. Zu groß ist die Angst, in eine Schublade gesteckt zu werden.

Kinderarmut stellt auch ein Risiko für die Gesundheit dar. Viele Familien können sich keine Sportangebote oder Hobbys leisten. Den Kindern fehlt es häufig an Bewegung und gesunder Ernährung. Wie können Kitas gegen-steuern?


Wir wissen, dass der Gesundheitszustand von Kindern eng mit der sozialen Herkunft zusammenhängt. Ernährung und Bewegung spielen eine große Rolle. Da gibt es tolle Angebote von Kitas. So stellen Einrichtungen morgens Müsli und Brot bereit – und stellen so sicher, dass alle Kinder mit einem Frühstück in den Tag starten. Eine gute Idee sind auch Kooperationen mit Vereinen, die zweimal pro Woche nachmittags Sport in der Kita anbieten. Da gibt es tolle Leuchtturmprojekte.


Welche Tipps gibt es noch?


Sinnvoll sind auch Kleidungsbasare oder Tauschbörsen. Kitas können eine Kiste bereitstellen, in der Eltern alte Spielsachen oder Klamotten kostenlos abgeben können. So ein Angebot nutzen viele Familien gern. Das ist ja viel nachhaltiger, als alles neu zu kaufen. Gut ist, konkrete Angebote zu machen, ohne ein großes Fass aufzumachen.

Was sollten Kitas tun, wenn sie sich mit dem Thema noch etwas unsicher fühlen?


Fakt ist: Kinderarmut geht jede Kita etwas an. Doch in der Erzieherausbildung kommt das Thema leider viel zu kurz. Wichtig ist, die Fachkräfte dafür zu sensibilisieren und eigene Vorurteile zu hinterfragen. In den Boulevardmedien wird Armut häufig gleichgesetzt mit Menschen, die faul zu Hause rumliegen. Dieses Klischee entspricht überhaupt nicht der Realität, macht aber auch vor Erzieherinnen und Erziehern nicht halt. Tatsache ist, dass jede zweite alleinerziehende Mutter von Armut bedroht ist. Das sind Wahnsinnsdimensionen. Für Erzieherinnen und Erzieher gibt es dazu viele Fortbildungen. Aber ein guter erster Schritt ist schon, sich im Team zusammenzusetzen und gemeinsam zu überlegen: Was können wir besser machen?


Wie wichtig ist Vernetzung?


Kitas sind in der Regel sehr gut vernetzt, stehen in engem Kontakt mit Jugendämtern und anderen Einrichtungen. Sinnvoll ist, nach rechts und links zu schauen. Da gibt es um die Ecke die Sozialberatung oder andere Hilfsangebote. Gemeinsam kann man auftretende Probleme oft besser lösen und sich in schwierigen Fällen Unterstützung und Rat einholen. 

Die Fragen stellte Kathrin Hedtke

Wie können Kitas sensibel mit Kinderarmut umgehen?

  • Auf Ausflüge verzichten, die Geld kosten
  • Offenes Frühstücksbüffet für alle Kinder
  • Kooperationen mit Sportvereinen
  • Tauschkiste für Kleidung oder Spielsachen bereitstellen
  • Genau hinschauen
  • Eigene Vorurteile hinterfragen

Hilfreiche Links finden Sie auch unter:
www.kinderkinder.dguv.de/kinderarmut

Wie aus Belastungen Herausforderungen werden

KURZ GESAGT!

_Belastungen in Kitas sind vielschichtig

_Resilienz ist nur teilweise Veranlagung und lässt sich verbessern

_Team und Leitungskultur sind entscheidende Faktoren

Personalknappheit, ungenügende Ausstattung des Kitas, Lärm, ergonomische Belastungen, hoher Aufwand für Verwaltung und Dokumentation, gestiegene Erwartungshaltung der Eltern hinsichtlich Transparenz, Mitbestimmung und Öffnungszeiten, aber auch das Einkommen und geringe Aufstiegsmöglichkeiten: „Es gibt nicht die eine große Belastung. Es sind viele verschiedene Herausforderungen, die für die pädagogischen Fachkräfte in der Summe das Problem ausmachen“, sagt Verena Hombücher, Referentin bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW).

Und dann kam 2020 auch noch Corona. „Das hat wie ein Brennglas gewirkt und die ohnehin schon schwierige Situation in Kitas noch schwieriger gemacht“, weiß Verena Hombücher, die am BGW-Trendbericht 2022 über die Situation in der Kinder- und Jugendhilfe als Autorin mitgewirkt hat. Nicht von ungefähr trägt der Bericht den Namen „Zukunftsweisende Entwicklungen zwischen Lockdown und Knock-down“. Zahlen, Daten und die Interviews mit den Führungskräften „zeigen eine Branche am Limit“, heißt es dort.

Kein Wunder also, dass sich viele Kitaleitungen und Fachkräfte nicht nur gefordert, sondern manchmal auch überfordert füh-len. Um mit den Belastungen und dem Stress umgehen und sich davon erholen zu können, braucht es eine stabile psychische Widerstandskraft. Die sogenannte Resilienz.

Eine gute Nachricht dazu haben die Erziehungswissenschaftlerin Dr. Katrin Lattner und die Psychologin Prof. Dr. Petra Strehmel von der Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung und Erziehung in der Kindheit (BAG-BEK): Resilienz ist keine Veranlagung, sondern ein Produkt der Sozialisation und eigenen Erfahrungen – und sie lässt sich verbessern. Die weniger gute Nachricht: Allein wird das schwierig.

„Wichtig ist eine gute Organisationskultur, in der Erzieherinnen und Erzieher die Gelegenheit haben, selbst etwas zu bewirken“, sagt Petra Strehmel. Politik und Trägern komme dabei die Schlüsselrolle zu, weil sie die Rahmenbedingungen vorgäben. Die Kitaleitungen könnten aber ihren Teil beitragen, indem sie den Fachkräften Raum zur Entfaltung und Mitbestimmung geben, ihnen Wertschätzung entgegenbringen und für eine gute Teamkultur sorgen würden. Denn: „Im Beruf Resilienz zu entwickeln, hängt stark von den Arbeitsbedingungen ab.“ Dazu zählt auch, um Hilfe zu bitten und diese anzunehmen, wenn die Belastungen zu groß werden. Oder sich umgekehrt selbst einzubringen, um Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen.

Herausforderungen lassen sich meistern


„Das Team ist die Top-Ressource für die Fachkräfte“, erklärt Katrin Lattner. Unterstützen sich die Erzieherinnen und Erzieher gegenseitig, werde eine Situation weniger als Belastung, sondern eher als Herausforderung begriffen. Und die lassen sich gemeinsam meistern, indem jede und jeder Einzelne eigene Fähigkeiten zum Nutzen aller einbringe. „So kann man die Ressourcen der einzelnen Fachkraft und auch die des Teams stärken“, sagt Katrin Lattner.

Auf der persönlichen Ebene können Erzieherinnen und Erzieher auch etwas tun, um ihre Resilienz zu stärken. Sich der eigenen Bewertungen, Glaubenssätze und inneren Antreiber bewusst zu werden und in gesundheitsförderliche Denkmuster zu überführen, sei ein Ansatz, sagt Katrin Lattner. Also zu hinterfragen: Was stresst mich? In welcher Situation? Warum? Und dann zu schauen: Wie kann ich anders damit umgehen? Was könnte mir helfen? „Wenn eine Fachkraft permanent den Drang hat, alles perfekt zu machen, setzt sie die Erwartungshaltung an sich selbst in einer Krisensituation noch zusätzlich unter Druck“, gibt die Wissenschaftlerin ein Beispiel. In dem Fall hieße das, die eigenen, überhöhten Ansprüche zu überdenken und zurückzuschrauben.

Zeit nehmen für positive Gefühle


Einfacher gesagt als getan. Die eigene Einstellung in Richtung Zielorientierung und positive Emotionen zu verändern, ist ein langwieriger Prozess. Auf individueller Ebene ist er kaum zu bewältigen. „Die Organisation der Kita muss als Ganzes so entwickelt werden, dass es den einzelnen Fachkräften guttut“, sagt Petra Strehmel. Coachings, Supervisionen und Teamtage seien geeignete Instrumente dafür. Die Erzieherinnen und Erzieher könnten sich so über Aufgaben und Erfahrungen austauschen, die sie an ihre Grenzen gebracht hätten. Wichtig sei es, sich auch für positive Gefühle Zeit zu nehmen, ergänzt Katrin Lattner. Stolz darauf zu sein, was man geschafft habe, es innerhalb des Teams wertzuschätzen und Erfolge gemeinsam zu feiern: „Je mehr ich über Positives spreche, desto mehr löscht es negative Emotionen und Ängste.“

Tipp!

Der Trendbericht 2022 steht auf der Webseite der BGW zum Download bereit:
https://kurzelinks.de/iwic

Platz da!

 

KURZ GESAGT!

_Bewegungs- und Multifunktionsräume müssen bestimmte Kriterien erfüllen

_Für die Kleinsten gelten besondere Vorsichtsmaßnahmen

_Wichtig: Gute Aufsicht!

Raumkonzept

Kriechen, Krabbeln, Klettern, Gehen, Laufen, Rutschen oder Hangeln – damit sich U3-Kinder entfalten können, brauchen sie vor allem eines: Platz. Der Raum muss dafür groß genug und sinnvoll gestaltet sein. Das ist dann der Fall, wenn die Kinder Lust und Gelegenheit haben, sich selbstständig „auszutoben“ und ihre Erfahrungen an oder mithilfe von Geräten zu sammeln. Die Fachkräfte haben darüber hinaus die Aufgabe, motorische Entwicklungen gezielt zu fördern, zum Beispiel mit Ball- und Fangspielen, aber auch mit Tanz und Turnübungen.

Der Multifunktionsraum sollte über einen abgegrenzten Bereich für die unter Dreijährigen verfügen. Die Abgrenzung kann eine Turnbank sein, die den Raum in Bereiche für jüngere und ältere Kinder unterteilt. Bei größeren Räumen kann sie eine (weiche) Trennwand sein – mit Schienensystemen in der Decke können sogar unterschiedlich große Teilbereiche hergestellt werden. Die Nutzung lässt sich auch abgrenzen, indem zu bestimmten Zeiten der Raum ausschließlich für U3-Kinder zur Verfügung steht.

Raumbestandteile

Ein Sportboden ist für Bewegungs- und Mehrzweckräume in Kitas nicht erforderlich. Aber der Fußboden muss belastbar, rutschhemmend sowie elastisch oder nachgiebig sein. Linoleum, Kork oder Kautschuk bieten sich beispielsweise an. Bei der Auswahl des Materials ist zu beachten, dass der Boden behaglich ist und nicht zu schnell kühl wird. Sonst drohen kalte Hände und Füße, weil die Jüngsten die meiste Zeit noch krabbeln.

Was für alle Bewegungsräume gilt: Die Wände müssen ebenflächig und glatt sein. Gegenstände wie etwa Heizungen dürfen nicht in den Bewegungsraum hineinragen, Fensterbänke nicht überstehen. Ecken und Kanten müssen gerundet, abgeschrägt oder verkleidet sein. Die Türklinken sollten in die Türen versenkt eingebaut werden, sogenannte „Turnhallenmuscheln“.

Geräte und Matten

Die Auswahl der Spiel- und Sportgeräte ist alters- und entwicklungsabhängig: Was Krabbelkinder herausfordert, kann die älteren U3-Kinder langweilen. Für die Jüngsten eignen sich Materialien, die alle Sinne ansprechen. Denn sie begreifen ihre Welt buchstäblich durch Greifen. Weiche Bälle, Tücher und leichte Schaumstoffelemente bieten sich dafür an. Außerdem Kriechtunnel, niedrige schräge Ebenen und Rutschen für die Bewegung an Geräten, aber auch Alltagsmaterialien wie Kartons oder Schuhschachteln. Kinder, die in ihrer Entwicklung weiter sind, können sich schon an größere Herausforderungen wie Turnbänke, Kästen, kleine Sprossen- und Kletterwände, Roll- und Balancierbretter oder ganze Bewegungslandschaften wagen.

Die Geräte müssen stabil aufgebaut sein und bei möglichen Stürzen einen Fallschutz bieten. Kissen oder Matratzen eignen sich dafür nicht. Doch auch bei Fallschutzmatten gibt es Unterschiede. Für Bodenübungen oder Sprünge von einem Kasten in den Stand sind die klassischen, festeren Turnmatten die erste Wahl. Drohen Abstürze aus größeren Höhen, etwa von der Kletterwand, schützen die dickeren Weichbodenmatten. Das Alter der Kinder und die maximale Absturzhöhe eines Geräts entscheiden darüber, ob ein Fallschutz nötig ist.

Prüfung und Aufsicht

Die Geräte müssen regelmäßig einer Sicht- und Funktionsprüfung unterzogen werden: Sind die Oberflächen splitterfrei? Sitzen die Schrauben, Griffe, Tritte, Sprossen und Holme fest? Weisen die Matten Mulden, Höcker oder andere Verformungen auf?

Die Sicherheit der Geräte reicht aber nicht aus, um für die Kinder eine sichere Umgebung zu schaffen. Je jünger sie sind, desto weniger können sie selbst für ihre eigene Sicherheit sor-gen. Dafür brauchen sie eine Bezugsperson in ihrer Nähe. Die Aufsichtspflicht muss jederzeit sichergestellt sein.

Tipp!

Ausführliche Informationen zur sicheren Verwendung von Matten gibt die Unfallkasse Hessen in der Broschüre „Bewegungsangebote in Kindertageseinrichtungen – Übungsvorschläge und sichere Gerätenutzung“:
www.ukh.de, Webcode: W340M331

Weitere Infos

Die Anforderungen an einen Mehrzweck- und Bewegungsraum werden unter anderem hier beschrieben:
www.sichere-kita.de/mehrzweckraum

Kinder unter drei Jahren sicher betreuen, Broschüre der Unfallkasse Baden-Württemberg (PDF):
https://kurzelinks.de/0xyp

So stellt man eine Unfallanzeige

In welchen Fällen soll die Kita einen Unfall bei der Unfallkasse anzeigen?

Die amtlichen Erläuterungen der Unfallanzeige sagen dazu: Unfälle, die mit dem Besuch der Kita zusammenhängen, und Unfälle auf dem Weg zwischen Wohnung und Einrichtung sind anzuzeigen, wenn sie ärztlich behandelt werden müssen.

Müssen auch Bagatellunfälle an die Unfallversicherungsträger gemeldet werden? Also etwa eigentlich harmlose Beulen oder Schürfwunden, die Eltern sicherheitshalber ärztlich abklären lassen?

Die Meldung erfolgt in solchen Fällen in der Regel durch die behandelnde Kinderärztin oder den Kinderarzt. Eventuell kann es sein, dass wir nachgelagert noch eine Unfallanzeige von der Kita anfordern. Trotzdem müssen natürlich auch solche kleineren Unfälle im Meldeblock (früheres Verbandbuch) dokumentiert werden.

Wie genau wird eine Unfallanzeige gestellt?

Entweder die Kitaleitung hat einen Ausdruck des Formulars und füllt diesen handschriftlich aus oder aber – deutlich besser – sie bearbeitet online eine elektronische Unfallanzeige. Das bringt für beide Seiten viele Vorteile. Die Informationen sind schneller bei den richtigen Personen und die Einrichtung hat direkt Zugriff auf ein Archiv aller Unfallanzeigen. Die meisten Unfallkassen bieten diesen Service inzwischen an, Informationen finden Sie im jeweiligen Internetauftritt. Außerdem kann man dies auch über das Serviceportal unter https://serviceportal-uv.dguv.de erledigen.

Wer füllt das Formular aus und schickt es ab?

Es zu prüfen und an den Unfallversicherungsträger zu übermitteln ist Sache der Leitung, solange diese Aufgabe innerhalb der Kita nicht auf eine andere Person übertragen wurde. Bei der elektronischen Unfallanzeige ist es auch gar nicht anders möglich. Die Kita kann und sollte sich aber zum Beispiel von Eltern den Unfallhergang schildern lassen, etwa wenn es einen Wegeunfall betrifft. Denn auch auf dem Weg zur Kita oder nach Hause sind Kinder gesetzlich unfallversichert.

Gibt es etwas, das man besonders beachten muss?

Am wichtigsten aus unserer Sicht ist es, das große Feld für die Schilderung des Unfallhergangs wirklich auszunutzen. Beschreiben Sie den Vorfall so genau wie möglich, so als ob Sie einem Bekannten eine Filmszene schildern. Also nicht nur: „Das Kind ist gestürzt“, sondern erklären Sie detailliert, wie es dazu gekommen ist. Vielleicht lag es an der Ablenkung durch das vorbeifahrende Feuerwehrauto, an Ungeschicklichkeit oder weil das Kind ein Hindernis übersehen hat. Das würde die Unfallkasse gern wissen, denn es erleichtert die Bearbeitung, erspart Nachfragen und Verwaltungsaufwand. Mit dem Wissen lassen sich künftige Unfälle vermeiden.

Die Fragen beantwortete Klaus Hendrik Potthoff, Geschäftsbereichsleiter Rehabilitation und Entschädigung bei der Kommunalen Unfallversicherung Bayern.

Freund und Helfer

Ich bin ein kommunikativer Mensch, der auf andere zugehen kann. Bei der Polizei war ich im Personalrat und habe mich um die Sorgen und Nöte der Kolleginnen und Kollegen gekümmert. Wenn ich jetzt in der Kita ein weinendes Kind sehe, dann tröste ich es. Oder ich spiele mit den Kindern, wenn ich mal in der Gruppe bin – das ist für sie eine Abwechslung und sie nennen mich „Opa Bernhard“. Ich bin aber kein Erzieher und hätte mir den Beruf nicht so anstrengend vorgestellt. Ich versuche, die Fachkräfte zu entlasten, indem ich ihnen zum Beispiel die wöchentliche Essensbestellung abnehme oder den Telefondienst übernehme. Wenn Kinder Mal- oder Bastelvorlagen haben möchten, suche ich sie im Internet heraus, stimme sie mit den Erzieherinnen ab und drucke sie aus.

Der pensionierte Polizist Bernhard Thomas arbeitet seit 2007
ehrenamtlich in der Evangelischen Kita Sternenwelt in Frankfurt und unterstützt die Fachkräfte insbesondere bei Verwaltungsaufgaben.

Echt praktisch

Wie kann Medienerziehung in der Praxis gestaltet werden? Welche Projekte bieten sich für welche Altersklasse an? Eine ausführliche Übersicht dazu und viel mehr gibt der Medienkindergarten Wien:
https://medienkindergarten.wien


Das Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz (IFP) in Bayern hat Kita-Apps unter die Lupe genommen und die Erfahrungen, wichtige Auswahlkriterien sowie Empfehlungen unter dem Stichwort „Fachpublikationen“ veröffentlicht:
https://kurzelinks.de/l6sv


Viele praxisnahe und pädagogisch sinnvolle Beispiele zum Einsatz digitaler Medien in der Kita gibt es im Online-Kurs „Startchance kita.digital“:
https://kurzelinks.de/vxat


Mitschnitt einer interessanten Veranstaltung zu „Digitale Medien in der frühkindlichen Bildung – politischer Auftrag und Umsetzung in der Praxis“:
https://youtu.be/YCal66raZWo


Auf dem Deutschen Bildungsserver finden Sie Fachbeiträge, Videos, Podcasts, Studien und Textsammlungen zum Thema:
https://kurzelinks.de/zhsc


Erstmals empfiehlt die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK), die digitale Medienbildung in die Rahmen- und Orientierungspläne aller Bundeländer aufzunehmen. Das Gutachten setzt interessante Impulse für eine breite gesellschaftliche Debatte.
https://kurzelinks.de/xgf1

Haben Sie selbst Vorschläge? Gern nehmen wir sie in die Liste auf!
Schreiben Sie uns: kinderkinder@dguv.de

Flohmarkt in der Kita

Ein Vater übernimmt den Aufbau der Stände, die die Kita bereitgestellt hat. Die Kitaleitung hat ihn gebeten, um acht Uhr morgens zu beginnen und die Stände um zehn Uhr fertig aufgebaut zu haben. Versichert?

Ja, denn der Vater hat klare Vorgaben von der Kitaleitung bekommen. Er ist in die organisatorischen Abläufe eingebunden.

Ein anderer Vater will die Veranstaltung unterstützen, indem er Kuchen backt. Er hat zugesagt, zwei Obstkuchen mitzubringen. Was ist, wenn er sich beim Backen zu Hause die Finger verbrennt?


Hier wäre die Krankenkasse zuständig, denn dieser Vater kann ohne Rücksprache mit der Kita entscheiden, wann er die Kuchen backt oder ob er sie nicht vielleicht sogar beim Bäcker kauft.

Die 17-jährige Schwester eines Kitakindes besucht den Flohmarkt, fällt über einen Tretroller und verletzt sich leicht. Wer zahlt die Arztrechnung?

Die junge Frau ist nur Gast des Flohmarktes. Blöd, dass der Roller im Weg stand, aber die Krankenkasse zahlt die Arztkosten. Die Unfallversicherung ist nicht zuständig, da die junge Frau nicht organisatorisch in die Veranstaltung eingebunden war.

Nach getaner Arbeit wollen die an der Veranstaltung beteiligten Eltern noch einen Kaffee trinken gehen. Eine Erzieherin geht mit. Eine Mutter hat Pech und stürzt auf der Treppe. Ist das der Unfallversicherung zu melden?


Nein, das ist ein Fall für die Krankenkasse. Die Veranstaltung war zu Ende und damit auch die organisatorische Verantwortung der Kitaleitung. Auch der Umstand, dass eine Erzieherin mit dabei war, ändert daran nichts.

In einer Kitagruppe ist ein Mädchen aus der Ukraine. Eine Mutter regt an, dass man einen Flohmarkt machen könnte, dessen Erlös der Familie des Mädchens zugutekommt. Die Kitaleitung ist einverstanden und erlaubt den Eltern, die Rasenfläche der Kita zu nutzen. Voraussetzung ist, dass die Eltern sich um alles kümmern und alles wieder sauber übergeben. Wie sind die Organisatoren geschützt?


Da die Kita nur die Fläche anbietet und die Veranstaltung nicht organisiert, wäre bei einer Verletzung die Krankenkasse zuständig.

Die Fragen beantwortete Kirsten Wasmuth von der Unfallkasse Berlin.

Wichtigste Voraussetzung für den Versicherungsschutz ist, dass es sich um eine Veranstaltung der Kita handelt, also erkennbar im organisatorischen Verantwortungsbereich der Kita liegt. Sie muss von der Kita geplant, organisiert, durchgeführt und beaufsichtigt werden. Die Grenze ist da, wo die Tätigkeit überwiegend den privaten Bedürfnissen entspringt.

Ein Flyer für Eltern zum Thema „Feste und Gäste“ unter:
www.unfallkasse-berlin.de, Webcode: ukb137

Zurück in den Job

Beide würden gern weiter in ihrem Job arbeiten und auch die Kita möchte die Kollegin und den Kollegen nur ungern verlieren. Mit Maßnahmen im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) kann es gelingen. Denn egal ob durch einen Unfall, körperliche oder psychische Erkrankungen: Sind Beschäftigte innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten bei einer Fünftagewoche mehr als 30 Tage arbeitsunfähig, ist der Träger der Kita gesetzlich (§ 167 Abs. 1 SGB IX) verpflichtet, den Betroffenen ein BEM-Verfahren anzubieten.

KURZ GESAGT!

_BEM ist eine Chance für langzeiterkrankte Beschäftigte

_Es gibt für das Verfahren klare Regeln

_Für Beschäftigte ist die Teilnahme sinnvoll (aber freiwillig)

Das BEM-Verfahren hat das Ziel, Menschen, die über einen langen Zeitraum erkrankt sind, einen Wiedereinstieg ins Arbeitsleben zu ermöglichen. Es spielt keine Rolle, ob es – wie bei Renata F. – zu wiederholten krankheitsbedingten Ausfällen kommt und es unterschiedliche Krankheitsursachen gibt oder ob Beschäftigte – wie Arno G. – sechs Wochen oder länger am Stück aufgrund einer einzigen Erkrankung ausfallen. Auch Teilzeitbeschäftigte und Auszubildende haben Anspruch auf ein BEM. Es ist wichtig, den Betroffenen zu signalisieren, dass es beim BEM darum geht, im Dialog Wege auszuloten, wie ihre Arbeitsplätze und Aufgaben individuell für sie leidensgerecht gestaltet werden können und welche Maßnahmen dafür konkret vonnöten sind. Wie kann Arno G. weiterhin an Tagesausflügen teilnehmen und das Sportangebot der Einrichtung betreuen? Sollte Renata F. zunächst kürzertreten und würde es ihr helfen, nicht im Frühdienst eingesetzt zu werden? Darüber sollte man gemeinsam vertrauensvoll sprechen.

Ist die betroffene Person mit einem Gespräch einverstanden (es besteht keinerlei Verpflichtung dazu), lädt der Träger offiziell dazu ein. Zu der Runde eingeladen werden in der Regel auch die Personalvertretung, bei schwerbehinderten Beschäftigten zusätzlich die Schwerbehindertenvertretung sowie eventuell der Betriebsarzt oder die Betriebsärztin. Die Betroffenen können jederzeit eine eigene Vertrauensperson hinzuziehen. Das BEM-Gespräch ist ergebnisoffen. Die Betroffenen können ein BEM-Verfahren ablehnen, ohne negative Folgen fürchten zu müssen.

Verständigt man sich darauf, ein BEM-Verfahren zu versuchen, ist es bisweilen ratsam, im Verlauf weitere externe Fachleute hinzuzuziehen, weil diese etwa einen besseren Überblick über die ergonomische Verbesserung des Arbeitsplatzes und des Arbeitsumfeldes haben oder wissen, welche technischen Arbeitshilfen sinnvoll sind.

Wichtig: Niemand ist verpflichtet, Diagnosen offenzulegen und Fehlzeiten zu rechtfertigen. Für das BEM-Verfahren sind nur die Angaben zu gesundheitlichen Einschränkungen wichtig, die die Einsatzmöglichkeiten der Person betreffen. Alles Besprochene unterliegt dem Datenschutz und darf nur im Rahmen des BEM-Verfahrens verwendet werden. Alle Beteiligten unterliegen der Schweigepflicht. Die Betroffenen können das BEM jederzeit abbrechen, die Teilnahme ist freiwillig. Der gesamte Prozess muss für alle Beteiligten jederzeit transparent sein. Kommunikation ist alles.

Der BME-Prozess in der Übersicht

Die Infografik zeigt einen typischen Verlauf des betrieblichen Eingliederungsmanagements. Beim Klick auf das kleine graue Symbol in der oberen rechten Ecke öffnet sich ein neues Fenster mit einer vergrößerten Ansicht der interaktiven Grafik und weiteren Infos zu den einzelnen Schritten des BME. Die Infografik selbst können Sie hier herunterladen.

Schrittweise zu den alten Aufgaben


Als Maßnahme des BEM kann der stufenweise Wiedereinstieg vereinbart werden, was auch als „Hamburger Modell“ bekannt ist. Vereinfacht bedeutet das: Die Betroffenen sind weiterhin krankgeschrieben, aber auf dem Weg der Besserung. Der behandelnde Arzt oder die Ärztin ist der Überzeugung, dass die betroffene Person zumindest stundenweise ihre bisherigen Arbeitsaufgaben bewältigen und ihre Tätigkeit Schritt für Schritt wieder voll aufnehmen kann, und erstellt einen detaillierten Stufenplan. Über einen Zeitraum von etwa sechs Wochen wird nun die tägliche Arbeitszeit schrittweise gesteigert und ständig evaluiert, ob und wie der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin damit zurechtkommt. Eventuell muss der Plan nachjustiert werden. Auch hier steht es der erkrankten Person frei, das Angebot abzulehnen.

Welche individuellen Maßnahmen bei Renata F. und Arno G. sinnvoll sind, ob das Hamburger Modell bei ihnen gute Erfolgs-aussichten hat – all das festzustellen und auszuloten ist Teil des BEM-Verfahrens. Beschäftigte sollten diese Chance nutzen und das Angebot nicht vorschnell ausschlagen.

Das Hamburger Modell im Vergleich zum BME

Das Hamburger Modell ist eine mögliche Maßnahme innerhalb des BEM. Dabei sind der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin weiterhin krankgeschrieben. Sie nehmen an einer stufenweisen Wiedereingliederung teil.

BEMHamburger Modell
ZielsetzungPrävention oder betriebliche Rehabilitation, evtl. neuer Arbeitsplatz im gleichen Betrieb.Betriebliche Rehabilitation und Rückkehr an den alten Arbeitsplatz.
ArbeitsunfähigkeitDie Beschäftigten sind nicht zwingend krankgeschrieben.Die Beschäftigten sind IMMER krankgeschrieben.
MaßnahmenplanDas BEM-Team vereinbart eine oder mehrere Maßnahmen.Die Ärztin oder der Arzt erstellt den Stufenplan.
ArbeitsplatzDas BEM kann am bisherigen, am angepassten oder an einem anderen Arbeitsplatz stattfinden.Die Stufenweise Wiedereingliederung findet am bisherigen Arbeitsplatz stat.t
PflichtWenn die Voraussetzungen vorliegen, sind Unternehmen dazu verpflichtet, ein BEM anzubieten.
Für die Betroffenen ist die Teilnahme freiwillig.
In besonderen Fällen dürfen Unternehmen die StW aus Gründen der Unzumutbarkeit ablehnen.
Für die Betroffenen ist die Teilnahme freiwillig.
MitwirkungsrechtDie betriebliche Interessenvertretung hat bestimmte Informations- und Mitwirkungsrechte.Die betriebliche Interessenvertretung hat keinerlei Mitwirkungsrechte.
Tabelle: Vergleich BEM und stufenweise Wiedereingliederung (auch bekannt als Hamburger Modell)
Quelle: Rehadat talentplus

Hilfreiche Links

BEM: Was Betriebe tun müssen, wenn Beschäftigte lange krank sind:
www.ukh.de, Webcode: W301

Erklärfilme zum BEM für Beschäftigte und Arbeitgeber:
www.unfallkasse-berlin.de, Webcode: ukb694

Hilfreiche Informationen zur stufenweisen Wiedereingliederung gibt es beim Mitteldeutschen Institut für Qualifikation und berufliche Rehabilitation.

Dieser Videoclip behandelt die Frage: Darf eine Erzieherin während der stufenweisen Wiedereingliederung gleich wieder mit der vollen Verantwortung arbeiten, auch im Frühdienst?

Dieser kleine Film des Sozialverbands VdK setzt sich damit auseinander, woher Beschäftigte das Geld erhalten, wenn sie länger als sechs Wochen krank sind.

Umfangreiche Infos rund um die berufliche Rehabilitation gibt es bei der Deutschen Rentenversicherung.

Digitale Bildung fürs Team

Oft fühlen sich pädagogische Fachkräfte mit der berechtigten Forderung nach frühkindlicher Medienerziehung überfordert und lehnen eine Auseinandersetzung damit erst mal ab. Wie kann man diesen Vorbehalten begegnen?

Jasmin Block: Wir haben hier einen grundlegenden Paradigmenwechsel. Noch vor einigen Jahren hieß es, die Kita soll ein Schutzraum sein, wo digitale Medien nicht erwünscht sind. Heute heißt es, frühe digitale Medienbildung ist bedeutsam und wichtig. Da ist die Verunsicherung verständlich. Nach meiner Erfahrung kann der erste Schritt zu einer Öffnung über die mittelbaren pädagogischen Tätigkeiten gehen.

Was bedeutet das?

Die Erzieherinnen und Erzieher nutzen Tablets als Werkzeuge und Arbeitsmittel etwa für die Dokumentation oder Portfolio-Arbeit. Sie merken, dass digitale Geräte und Medien in der Kita positiv besetzt sein können. Der Sprung vom „Schutzraum Kita“ zur „digitalen Kita“ ist dann nicht so gewaltig, sondern erfolgt über einen Zwischenschritt.

Das heißt, die Fachkräfte nutzen digitale Geräte zunächst gar nicht im pädagogischen Kontext?

Genau. Und trotzdem befürchten manche Fachkräfte, dass sie ein schlechtes Vorbild sind, wenn sie hinter dem Tablet verschwinden, da viele Kinder das auch zu Hause erleben, wo es womöglich einen weniger reflektierten Umgang mit digitalen Medien gibt. Wir wissen ja, dass Kinder ungünstiges Mediennutzungsverhalten übernehmen. Dabei können die Fachkräfte ein hervorragendes Vorbild sein, indem sie das Tablet wieder weglegen, sobald die Aufgabe erledigt ist. Damit zeigen sie klare Alternativen zu einem hedonistischen Medienkonsum.

Vor einer pädagogischen Nutzung von Tablets und Co. muss sich das Kitateam gesamtheitlich darauf verständigen und ein Konzept dazu machen. Wie schafft man das?

Das Team sollte für sich klären: Was wollen wir und was auf keinen Fall? Was ist uns wichtig? Wo sehen wir Stolperfallen? Man muss nicht gleich alles wissen, sondern kann sich mit den Kindern gemeinsam auf den Weg machen und sich herantasten. Frühe Medienbildung hat verschiedene Komponenten, eine davon ist reflektiv. Das bedeutet, man greift die Medieninhalte auf, die Kinder zu Hause konsumieren, und spricht darüber. Das können auch diejenigen machen, die sich den direkten Umgang mit Tablet und Apps nicht zutrauen und das Thema skeptisch sehen. Teamfortbildungen sind hilfreich, da sie spezielle Bedürfnisse und Ansprüche der Kita berücksichtigen können. Es gibt kein allgemeingültiges Erfolgsrezept.

Werden sich alle Kitas mit diesem Thema auseinandersetzen müssen?

Ich denke schon. Die Fachöffentlichkeit ist sich einig, dass frühe digitale Medienbildung sein muss, um in unserer Lebenswirklichkeit gut gerüstet zu sein. Es ist an der Zeit, sich zu öffnen.

„Wir haben adultistisches Verhalten verinnerlicht“

Ist adultistisches Verhalten nicht unvermeidlich? Erwachsene haben nun einmal mehr Erfahrung als Kinder und manche Dinge in der Kita laufen nicht, wenn die Erwachsenen keine klaren Ansagen machen.

Fea Finger: Solche Situationen gibt es natürlich. Die Frage ist: Wie verhalte ich mich dann? Wie formuliere ich das? Nehme ich mir die Zeit, es dem Kind zu erklären? Da ist oft die Sorge: Dann wartet meine Kollegin und hat kein Verständnis dafür. Deshalb meine ich, müsste sich ein Team viel mehr austauschen und sich auf eine grundsätzliche Haltung Kindern gegenüber verständigen, was dafür nötig ist, dass sie sich wohlfühlen. Mal ehrlich: Wie ginge es Ihnen, wenn Ihre Wünsche und Bedürfnisse regelmäßig als unwichtig und belanglos abgetan würden?

Wo kommt das adultistische Verhalten her?

Wir alle sind in adultistischen Strukturen sozialisiert worden. Wir hinterfragen das nicht, wir haben das verinnerlicht. Es ist im Grunde eine alltägliche, strukturelle Diskriminierungsform. Wir haben als Kinder gelernt: Wenn ich mal erwachsen bin, dann habe ICH das Sagen. Und das ist bei pädagogischen Fachkräften nicht anders. Manche sind in den Beruf gestartet mit der Idee, Kinder „erziehen“ zu wollen. Ziehen, also die Richtung vorgeben. Das muss man reflektieren und versuchen zu verstehen, an wie vielen Stellen sich ein erwachsener Mensch zurücknehmen muss, damit Kinder eigene Erfahrungen machen und dabei lernen können.

Manche Dinge muss eine Fachkraft entscheiden, etwa um das Kind zu schützen. Da stellt sich die Frage: Adultismus oder Fürsorge?

Worüber die Fachkraft auf jeden Fall entscheiden muss, ist der grundsätzliche Tagesablauf. Besonders im Krippenbereich werden Erwachsene vieles bestimmen müssen. Da gibt es aber individuell durchaus noch Spielräume und es kommt darauf an, wie ich es dem Kind vermittele, ohne es zu etwas zu zwingen, das es partout nicht möchte. Manche können mit zwei Jahren entscheiden, ob sie eine Windel möchten, andere können das nicht. Manche können in dem Alter sicher klettern, andere nicht. Manches ist auch tagesformabhängig. Die Fachkräfte sollten der Individualität jedes Kindes Rechnung tragen. Zur Frage, wann ist Fürsorge Adultismus? Wann ist Partizipation Überforderung? Darauf gibt es keine eindeutige, pauschale Antwort; es spielen zu viele Komponenten mit hinein.

Spätestens wenn Kinder in die Schule kommen, müssen sie sich an ganz viele Regeln halten. Wird das nicht schwierig für sie, wenn sie es in der Kita nicht üben?

Daraus spricht die Sorge, die Kinder nicht gut genug vorzubereiten. Tatsache ist aber: Die Kinder, die jetzt groß werden, brauchen in der Zukunft ganz andere Dinge und Kompetenzen als die Kinder, die wir einmal waren. Wir werden sie nicht auf alles vorbereiten können. Kitas sind aber keine Vorbereitungseinrichtungen für die Schule, sondern ein eigener Lebensabschnitt. Noch eine Kehrseite: Wir kommen von der Kita in die Schule und machen, was man uns sagt. Irgendwann sind wir erwachsen und sollen plötzlich selbst entscheiden. Alle erwarten, dass wir jetzt wissen, was für uns gut ist. Aber wir haben das nie gelernt. Das finde ich schwierig.


Sie sprechen davon, dass Adultismus eine strukturelle Diskriminierungsform ist. Warum?

Wir alle haben als Kinder erfahren: Es ist in Ordnung, eine bestimmte Gruppe von Menschen aufgrund willkürlicher Merk-male – etwa dem Alter – auszugrenzen, abzuwerten oder ihnen Rechte und Fähigkeiten abzusprechen. Das setzt sich unbewusst fort, weil dieses Verhalten internalisiert wurde.


Sie sagen, wir haben adultistisches Verhalten verinnerlicht. Wie kann man es dennoch erkennen und etwas dagegen machen?

Eine gute Frage ist dann: „Würde ich in dieser Situation auch mit einem erwachsenen Menschen so umgehen?“ oder noch besser: „Würde ich wollen, dass man mit mir so umgeht?“ Letztlich ist es eine Haltungsfrage. Wenn ich Kinder als eigenständige Persönlichkeiten akzeptiere, dann kann ich mich automatisch nicht mehr ganz so adultistisch verhalten. Veränderungen beginnen mit der Reflexion und erfolgen in kleinen Schritten.


Wie kann eine Fachkraft ihr Team für das Thema sensibilisieren?

Auch in kleinen Schritten. Nicht das ganze Team in den Blick nehmen, sondern die Kollegin, zu der ich einen guten Draht habe und mit der ich mich ohnehin viel austausche. In solchen Konstellationen geht das gut und von da ausgehend kann man den Kreis erweitern, es vielleicht in einer Teamsitzung aufgreifen und den Begriff „Macht“ als Aufhänger nehmen. Denn dadurch, dass die Erwachsenen in der Kita immer die Verantwortung tragen, haben sie natürlich auch eine gewisse Macht. Das im Team zu reflektieren und zu definieren ist sehr erhellend. Dann gilt es zu überlegen: Wie wollen wir in welchen Situationen mit den Kindern umgehen, wie viel Partizipation ist möglich und für uns machbar? Aber klar: Es ist ein Prozess.

Partizipation und Adultismus schließen sich aus?

Ja sicher. Partizipation ist in den meisten Bildungsplänen fest verankert. Es ist ein Kinderrecht. Es ist keine Frage von gutem Willen. Aber wenn ein Team überlegt, wie man das im Kita-Alltag umsetzen könnte, dann kommen diese ganzen eigenen Adultismuserfahrungen raus: „Ich dufte das auch nie“ oder: „Mir hat das auch nicht geschadet“.

Manche haben die Befürchtung, wenn man Kindern zu viele Wahlmöglichkeiten lässt und alles mit ihnen ausdiskutiert, landen wir wieder bei den antiautoritären Kinderläden der 70er Jahre.

Das sehe ich so nicht. Diese Befürchtung beruht, denke ich, auch auf dem internalisierten Adultismus und der Denke: Wenn wir den Kindern nicht genau vorgeben, wie es laufen muss, dann versinkt alles im Chaos. Es gibt ja Werte, die ich den Kindern vorlebe die sind nicht: Alle machen was sie wollen. Sondern: Ich nehme die Bedürfnisse des einzelnen Kindes wahr und gehe darauf ein. Das bedeutet eben nicht, jedem Wunsch nachzukommen, sondern ein Bedürfnis anzuerkennen. Dann spricht man darüber und tritt in eine Verhandlung ein. Und ja: Manchmal muss ich mich dem Kind anpassen. Manchmal ist es anstrengend. Aber wir sind immer noch sehr weit von Anarchie  und Chaos entfernt. Wir Erwachsenen haben immer die Verantwortung. Wenn etwas schief geht, können uns niemals damit herausreden, die Kinder hätten das so entschieden.

Sie geben Fortbildungen zu Adultismus. Was sind die häufigsten Anliegen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer?

Vielfach gehen die schon reflektiert mit diesem Thema um und wollen Hinweise, wie sie Adultismus erkennen, wie sie es gegenüber der anderen Person ansprechen können, ohne anzuecken. Adultismus zeigt sich ja oft in Situationen mit übergriffigem Verhalten. Viele bewegt auch der Wunsch, typische Situationen zu identifizieren, in denen sie sich adultistisch verhalten.

Typische adultische Redewendungen

  • Weil ich das sage!
  • Solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst, machst du, was ich will.
  • Wenn der Kuchen spricht, schweigen die Krümel.
  • Wenn du jetzt nicht…, dann…!
  • Dazu bist du noch zu klein.
  • Das kannst du noch nicht.
  • Das ist nichts für Kinder.
  • Das verstehst du noch nicht.

Die digitale Entlastung

>> Heute haben wir mit dem Projekt ‚Farben‘ begonnen. Was passiert, wenn zwei oder drei gemischt werden, und wer kennt die jeweiligen Namen? Das Projekt wird ca. vier Wochen gehen, wobei jede Woche eine andere Aktion stattfindet. In dieser Woche gehen wir auf die Farben Rot, Gelb, Blau und Grün ein. […] <<

So beginnt eine Nachricht, die Erzieherin Janine Glenszczyk den Eltern der Kitakinder geschrieben hat. Nicht per E-Mail und erst recht nicht als Aushang auf Papier. Sondern in der App, die die Kita Seesternchen seit etwa einem Jahr für die Organisation und die Kommunikation nutzt. Sobald die Erzieherinnen eine Info über ihr Tablet eingegeben haben, können die Eltern sie in der App sehen. So wissen sie sofort, was ihre Kinder in der Kita machen und lernen.

KURZ GESAGT!

_Die Kita-App unterstützt das Team bei der Organisation, Dokumentation, Kommunikation und Verwaltung
_Nach kurzer Zeit große
Akzeptanz im Team und bei den Eltern
_Deutliche Entlastung spürbar. Die App spart Zeit – und Papier

Diese Nachrichtenfunktion, die in der App so dargestellt wird, wie es Nutzerinnen und Nutzer von gängigen Social-Media-Plattformen gewohnt sind, gefällt Janine Glenszczyk besonders gut. Sie veröffentlicht dort den Tagesablauf ihrer Kitagruppe – und zwar jeden Tag. „Ich liebe es, ins Detail zu gehen, damit die Eltern wie bei einer Geschichte lesen können, was ihre Kinder erreicht haben und wie sie sich entwickeln“, sagt sie. „Ich schreibe manchmal vielleicht ein bisschen zu viel, dann muss ich mich selbst etwas bremsen.“ Die Dokumentation nicht als lästige Pflicht also, sondern als Spaß.

Noch dazu erfüllt es den Zweck, die Übergabe der Kinder an die Eltern zu erleichtern. „Natürlich machen wir trotzdem noch die Übergabe am Nachmittag. Natürlich fragen die Eltern trotzdem nach und zeigen Interesse am Kind. Das ist ja auch wichtig, die App soll uns ja nicht ersetzen“, erklärt Janine Glenszczyk. Aber es bleibt nun eben auch zwischen Tür und Angel mehr Zeit für Gespräche über längerfristige Entwicklungen oder andere wesentliche Themen: Achten Sie mal darauf, ob Ihr Kind zu Hause auch Schwierigkeiten mit dem Balancieren hat! Oder: Ihr Kind hat sich beim Spracherwerb toll entwickelt!

Tablet wird im Kitaalltag für Dokumentation und Kommunikation genutzt
Über die Nachrichtenfunktion der App informieren die Fachkräfte die Eltern über den Tagesablauf.

Mehr Zeit für wesentliche Themen

Denn die grundlegenden Informationen können die Fachkräfte vorher schnell und einfach per Knopfdruck mitteilen. „Die Eltern wissen dann: Mein Kind hat soundso lange geschlafen, das und das gegessen, es wurde so viele Male gewickelt – meinem Kind geht es gut“, fasst die Erzieherin zusammen. Das muss dann bei der Übergabe nicht mehr thematisiert werden, sofern es keine Auffälligkeiten gab. Und dank der Nachrichten über den Tagesablauf wissen die Eltern zum Beispiel auch ganz genau, wie ihren Kindern die eingangs erwähnten Farben nähergebracht wurden:

>> […] Hierfür wurde den Kindern die jeweilige Farbe auf die Handinnenseite gemalt. Henri und Ella konnten diese super benennen und durften auch entscheiden, welche Farbe als Nächstes kommt. Viktor freute sich über jede Farbe, die ihm gezeigt und beschrieben wurde. […] <<

Die Digitalisierung hat einen hohen Stellenwert für den Träger Kinderhut und seine 18 Kitas, zu denen auch die Kita Seesternchen gehört. Beim Projekt „Coding For Tomorrow“ lernen die Vorschulkinder beispielsweise, wie ein Computer funktioniert und wie sie selbst einfache Befehle eingeben können, die ein kleiner, putziger Roboter dann umsetzt, indem er sich dreht oder geradeaus fährt.

Kind bedient kleinen Roboter
Beim Projekt „Coding For Tomorrow“ setzt ein kleiner Roboter Befehle um, die die Kinder ihm geben.

Für Lernspiele kommen Tablets zum Einsatz, wenn es sinnvoll ist. Aber auch für die Verwaltung nutzt die Kita digitale Programme für Dienstplangestaltung, Zeitplanerfassung oder Urlaubsplanung.

Und jetzt seit einem Jahr eben die App. In Zusammenarbeit mit der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) sollte in einem Pilotprojekt getestet werden, ob die Verwendung einer App die pädagogischen Fachkräfte im Kita-Alltag entlastet und den Stress reduziert.

Zwölf Fachkräfte betreuen in Düsseldorf insgesamt 50 Kinder. In jeder der vier Gruppen gibt es ein Tablet, das die Erzieherinnen und Erzieher für die Eintragungen in die App nutzen können – funktionieren würde das mit den Zugangsdaten aber auch über Smartphones oder Laptops. Umfangreiche Schulungen seitens der App-Entwickler hätten bei der Einführung und beim Einsatz des Programms geholfen. Die anfängliche Zurückhaltung und die Berührungsängste einiger Fachkräfte hätten sich jedenfalls schnell gelegt, sagt Kitaleiterin Isabell Degen.

Die Skeptiker unter den Eltern sorgten sich eher um den Datenschutz. Die Erklärungen der App-Entwickler zur Datensicherheit räumten die Bedenken aus. Außerdem verpflichtete sich die Kita selbst, keine Fotos von Kindern hochzuladen und nur die Vornamen der Kinder in den allgemein sichtbaren Nachrichten zu nutzen. Alle Eltern hätten sich daraufhin angemeldet und die App ausprobiert. „Als die Eltern dann festgestellt haben, wie sie funktioniert, was sie dort einsehen können und was nicht, war die Skepsis schnell verflogen“, sagt Isabell Degen. Eltern sehen nur die Informationen zu dem Kind, mit dem sie „verknüpft“ sind, für das sie also ein Profil angelegt haben. Generell kann die Kita in der App Gruppen anlegen und jeweils genau festlegen, wer Schreibrechte, wer nur Leserechte und wer gar keine Zugriffsrechte hat.

Die App ist nach dem Baukastenprinzip aufgebaut. Die Kitas entscheiden also selbst, ob sie sie nur für die Kommunikation oder nur für die Organisation und Verwaltung oder für beide Bereiche nutzen möchten. Und selbstverständlich auch, welche Funktionen sie innerhalb der Bereiche nutzen möchten, weil sie ihnen die Arbeit erleichtern. Der Kita Seesternchen hat beim Pilotprojekt beispielsweise gefallen, dass Eltern ihre Kinder abwesend melden und angeben können, ob urlaubs- oder krankheitsbedingt. Darüber erhalten die Fachkräfte eine Benachrichtigung – alle sind sofort informiert. Sind Veranstaltungen wie Weihnachtssingen, Frühlingsfest oder Sankt-Martins-Umzug im digitalen Kalender eingetragen, können die Eltern ganz einfach zu- oder absagen. Die Kita kann ihrerseits Umfragen erstellen und sich das Feedback einholen, wie die Eltern etwa den jüngsten Infonachmittag fanden. Die Nachrichten über den Tagesablauf und die Basisinformationen werden automatisch in bis zu 50 Sprachen übersetzt, damit auch Familien mit schlechten Deutschkenntnissen immer im Bilde sind.

App erleichtert die Dokumentation

„Ich denke, dass die Eltern besser verstehen, was Erzieherinnen und Erzieher in der Kita leisten, seit wir die App nutzen“, sagt Isabell Degen. Vorher habe man solche Infos in Kurzversion an die Pinnwand gehängt oder als PDF-Datei per E-Mail verschickt. Jetzt lesen die Eltern in der App Dinge wie: „Beim Turnen haben die Kinder balanciert und damit den Gleichgewichtssinn trainiert.“ Oder eben das, was Janine Glenszczyk schreibt:

>> […] Ida fand es scheinbar interessant, auf das Laternenpapier zu stempeln. Das taten auch die anderen Kinder mit ihren angemalten Handflächen, denn jedes Angebot der nächsten vier Wochen ist so aufgebaut, dass am Ende eine bunte Laterne zu St. Martin rauskommt. <<

Also: Projektziel benannt und am Ende noch auf die „Bildungsbereiche: musisch-ästhetisch, Sprache, Kommunikation“ hingewiesen.

Kinder haben ihre Hände farbig angemalt
Zeigt her eure Hände! Beim Projekt „Farbe“ bemalten die Kinder ihre Handflä­chen – und die Eltern waren über die App im Bilde.

„Ich kann nicht genau sagen, wie viel Zeit ich einspare. Aber ich bin definitiv schneller, als wenn ich handschriftlich eintrage oder warten muss, bis ein PC frei wird“, sagt Janine Glenszczyk. „Und ich habe mehr Zeit und Freiheiten, um Projekte zu planen.“

Kitaleiterin Isabell Degen empfindet die App-Nutzung ebenfalls als positiv. Früher habe man eine Mappe für jede Gruppe führen müssen, die pro Jahr etwa 300 Seiten dick gewesen sei. Zwei Stunden pro Woche würde der Aufwand dafür etwa betragen. „Durch die App reduziert sich das wahrscheinlich um die Hälfte.“ Noch dazu werde die Kommunikation wesentlich vereinfacht, sei es mit allen, mit bestimmten Gruppen, mit den Eltern oder mit Einzelnen. „Es ist auf jeden Fall eine Erleichterung“, lautet Isabell Degens Fazit zum App-Einsatz.

Kinder recherchieren mit Hilfe eines Tablets
Wenn es pädagogisch sinn­voll ist, nutzen die Kinder Tablets.

Wohlfühlen beim Wickeln

Atmosphäre

  • Wickeln ist eine intime Situation. Die Kinder sollten vor Blicken geschützt werden.
  • Gesundes Raumklima mit guter Lüftung (Fenster, raumlufttechni-sche Anlage) und Temperatur von mindestens 24 Grad Celsius im Wickelbereich.

Planung

  • Idealerweise befindet sich der Wickel-bereich in einem separaten Raum oder im Sanitärbereich.
  • Der Wickelbereich sollte über ein eigenes Waschbecken verfügen, mit einem heraus-ziehbaren Wasserhahn in Griffnähe.
  • Kinder sollten komplett auf dem Wickeltisch liegen können, deshalb empfiehlt sich eine Tiefe von etwa 100 bis 120 Zentimetern.

Alles griffbereit

  • Was für die Pflege der Kinder benötigt wird, sollte gut erreichbar sein (Windeln, Reini-gungstücher, Creme, Ersatzkleidung usw.).
  • Das gilt auch für Einmalhandschuhe und Desinfektionsmittel.
  • Bitte darauf achten, dass die Utensilien nicht für Kinder zugänglich sind.

Ergonomie

  • Sinnvoll sind kleine Treppen, damit die Kinder selbst auf den Wickeltisch klettern können und unnötiges Heben vermieden wird. Das fördert außerdem die Selbstständigkeit und reduziert das Unfallrisiko.
  • Praktisch: Die Höhe des Wickeltischs lässt sich an die Körpergröße der Fachkraft anpassen. Ideal ist zwischen 85 und 95 Zentimeter.
  • Alternativ: ein kleines Podest oder einen
  • Trittschemel für kleinere Fachkräfte.

Aufstiegshilfe

  • Die Treppe muss mit dem Wickelbereich fest verbunden und sicher zu begehen sein. Leitern eignen sich nicht.
  • Sind die Wickeltische im Waschraum frei zugänglich, müssen Aufstiegshilfen gesichert werden, damit Kinder nicht unbeobachtet hochklettern können.

Schutz vor Verletzungen

  • Bei höhenverstellbaren Wickeltischen darauf achten, dass es keine Klemmstellen gibt, an denen sich Kinder quetschen könnten.
  • Damit Kinder nicht herunterfallen können, sollte der Wickeltisch nach Möglichkeit zwischen zwei Wänden stehen.
  • Alternativ: seitlicher Fallschutz mit einer Höhe von mindestens 20 Zentimetern.

Hygiene

  • Arbeitsplatz mit einem Desinfektionstuch reinigen.
  • Jedes Kind bekommt eine eigene Wickelunterlage.
  • Einmalhandschuhe benutzen. Sie halten Keime ab.
  • Die Handschuhe nach der Benutzung mit den Windeln im Mülleimer entsorgen.
  • Zum Schluss die Hände desinfizieren. Dabei Einwirkzeit beachten. Danach ggf. die Hände eincremen.

Spielerisch lernen

Ich versuche, meine Arbeit als Reinigungskraft wie ein Spiel zu gestalten. Zum Beispiel habe ich einen Staubsauger mit Augen und einem Mund beklebt, sodass er mit dem Schlauch aussieht wie ein Elefant. Ich stelle ihn den Kindern als meinen Freund „Ele“ vor. Sobald ich mit dem Saugen fertig bin, wollen dann alle Kinder das Stromkabel aufwickeln. Indem mir die Kinder beim „Spielen“ helfen, lernen sie meine Arbeit hier und die ihrer Eltern zu Hause zu respektieren. Mich macht es ein bisschen stolz und glücklich, wenn mich die Kinder sehen und um Hilfe bitten, weil vielleicht der Jackenärmel verdreht ist oder sie ihr Lieblingsspielzeug verloren haben – weil sie mich als Mensch, als Marina wertschätzen.

Marina Romandini ist seit 2007 nicht nur Reinigungskraft, sondern auch weihnachtliche Plätzchenbäckerin, inoffizielle Italienisch-Übersetzerin und einfach die gute Seele der Kita Eulenspiegel im hessischen Idstein.

Digitale Medien als Bonus

Die Integration von digitalen Medien wie Tablets, Smartphones und Internet in die bestehenden Konzepte der frühkindlichen Bildungsarbeit ist unabdingbar. Denn Kinder haben das Recht auf ein gutes Aufwachsen und Bildung sowie auf Schutz und Partizipation in der digitalen Welt (vgl. UN-Kinderrechtskonvention, kinderrechte.digital). Schon 2017 hat die Kultusministerkonferenz die Kompetenzen in der digitalen Welt als vierte Kulturtechnik – neben Lesen, Schreiben und Rechnen – festgehalten und sieht sie als Voraussetzung für die gesellschaftliche Teilhabe. Ziel der frühen Medienförderung ist das medienkompetente, medienmündige Kind. Das bedeutet aber, dass Kinder selbstverständlich das Handwerkszeug benötigen, um diese Kompetenzen zu erwerben und eine reflektierte Haltung entwickeln zu können.

Frühzeitiges Erlernen der Fertigkeiten notwendig

Voraussetzung dafür ist, dass Kinder den praktischen Umgang mit informationstechnischen Geräten erlernen, die bereits heute ihren Alltag prägen. Sie müssen demnach lernen, wie diese Geräte verwendet werden, wie sie funktionieren. Sie erwerben so die Kompetenz, Medien zweckbestimmt und kreativ zu nutzen und damit eigene Werke zu erstellen.

KURZ GESAGT!

_Medienbildung – auch digitale – ist ein Kinderrecht

_Kitas haben hier einen klaren Bildungsauftrag

_Bestehende Konzepte können digital sinnvoll ergänzt werden

Die Kindertageseinrichtungen sollten dabei als Chance zur begleitenden Medienerziehung gesehen werden. Sie sind der erste professionelle Bildungsort der Kinder zur Entwicklung von Kompetenzen für die digitale Welt – neben vielen weiteren Kompetenzen in anderen Bildungsbereichen – und als solchen sollten sich Kitas auch begreifen. Die Förderung von Medienkompetenz bei den Kindern beginnt – ganz ohne direkte Mediennutzung – bereits mit Gesprächen über deren Medienerlebnisse und -erfahrungen.

Digitale Medien gemeinsam mit den Kindern entdecken

Digitale Medien eignen sich etwa für die Portfolioarbeit mit den Kindern, um ihre Entwicklung partizipativ zu dokumentieren. Wird das Tablet im Alltag mit einem geeigneten Programm genutzt, lernen die Kinder dieses Medium zum einen als Arbeitsinstrument kennen und merken, dass Geräte für einen Zweck und eine bestimmte Zeit genutzt, danach aber auch wieder weggelegt werden. Zum anderen erfahren Kinder aber auch durch Absprachen mit den pädagogischen Fachkräften, dass sie das Recht am eigenen Bild haben und bei der Frage, was in ihrem persönlichen Portfolio dokumentiert werden soll, eine Stimme haben und mitbestimmen können. Dabei sind Datenschutzfragen im Team (mit dem Träger und eventuell auch mit den Eltern) vor der digitalen Portfolio-Arbeit abzuklären. In diesem Szenario wird Medienkompetenz „en passant“ vermittelt, ohne dass Kinder das Tablet selbst nutzen. Doch natürlich gibt es auch bereichernde Möglichkeiten, wie Kinder selbst aktiv werden und digitale Medien kreativ einsetzen.

Bei der Diskussion um digitale Medien in der Kita ist die Devise wichtig: Ersatz ist Quatsch! Es geht in der Kindertageseinrichtung darum, bestehende Konzepte und Angebote sinnvoll mit digitalen Elementen anzureichern. So kann der Entstehung einer digitalen Kluft entgegengewirkt werden. Denn Bildungschancengerechtigkeit brauchen wir auch in der digitalen Welt. Dafür ist eine Integration von digitalen Medien in Kindertagesstätten unbedingt erforderlich.

Denkbare Einsatzmöglichkeiten in der pädagogischen Arbeit mit den Kindern sind:

  • gemeinsames Forschen und Dokumentieren
  • (z. B. mit digitalem Mikroskop und Endoskop-Kamera und der App Book Creator oder BookTraps)
  • digitale Bilderbücher lesen (Tipps dazu auf lesenmit.app der Stiftung Lesen) und gemeinsam entwickeln (z. B. Kibunet)
  • Bilderbücher in mehreren Sprachen vorlesen / lesen lassen (z. B. Polylino)
  • Partizipation der Kinder bei der pädagogischen Dokumentation (z. B. Kitalino)
  • kreatives Gestalten mit Medien: gemeinsame Entwicklung von digitalen Bilderbüchern oder Fotogeschichten; gemeinsame Filmprojekte (Stop- Motion-Filme, Filme über die Kindertageseinrichtung oder ein Projekt); gemeinsame Hörspielproduktion

Gemeinsames Verständnis entwickeln

Wenn der kleine Sebastian am Tablet sitzt, ist er beschäftigt und die Erzieherinnen und Erzieher müssen sich nicht mehr um ihn kümmern. Eine solche Vorstellung ist unter den Eltern weitverbreitet, weiß Theresa Lienau. Sie leitet bei der Stiftung Digitale Chancen das von der Stiftung Ravensburger Verlag geförderte Projekt „Medienerziehung im Dialog von Kita und Familie“: „Die größte Sorge ist, dass digitale Medien unkoordiniert oder zu Unterhaltungszwecken eingesetzt werden.“ Mit Medienerziehung hat das allerdings nichts zu tun. Ebenso wenig wie die Herangehensweise so mancher Familie, den Medienkonsum des Sprösslings daheim bloß zeitlich zu regulieren ohne die Inhalte zu kontrollieren.

Beim medienpädagogischen Ansatz liege der Fokus vielmehr darauf, „dass Kinder die kreative, gestalterische Mediennutzung erlernen“, sagt Theresa Lienau. Langfristiges Ziel sei es, Kinder zu ermächtigen, kritisch-reflektiert und selbstbestimmt mit Medien umzugehen. „Die populäre, konsumorientierte Ansicht und den medienpädagogischen Ansatz auf einen Nenner zu bringen, ist die Herausforderung, vor der die Fachkräfte stehen.“ Es sei eben ein riesiger Unterschied, ob ein Kind allein YouTube-Videos gucke oder ob es gemeinsam mit anderen in der Gruppe versuche, auf dem Tablet herauszufinden, ob auch Elefantenbabys schon Stoßzähne haben. „Wenn Eltern verstehen, dass es sich dabei um völlig unterschiedliche Situationen handelt, sind die Widerstände meist nicht mehr so groß“, erklärt die Medienforscherin.

Kinder bestimmen mit einem Tablet Blätter aus der Natur
Naturerlebnis und Medienbildung: Im Wald machen die Kinder mit Smart­phone oder Tablet Fotos und bestimmen die Pflanze danach mit einer App.

Auf dem Weg zum gemeinsamen Verständnis von Medienerziehung gibt es ein breites Spektrum an Sorgen und Nöten, dem Erzieherinnen und Erzieher begegnen. Überspitzt formuliert: Während es den einen Eltern gar nicht schnell genug gehen kann, ihre Kinder zu Tablet- und Smartphone-Experten zu machen, schaffen die anderen schon vor der Geburt den Fernseher aus Angst ab, ihre Kinder könnten in der motorischen, sprachlichen oder sozialen Entwicklung zurückbleiben. Deshalb müssten die Fachkräfte die Ängste identifizieren, sagt Theresa Lienau: „Dann wird es meist ein produktiver Austausch zwischen Eltern und Fachkräften.“

Ist erst einmal eine gemeinsame Ebene gefunden, lassen sich die Kritikpunkte meistens entkräften. Zum Beispiel: „Wir befürchten, dass die Kinder süchtig nach digitalen Medien werden!“ Die Fachkräfte sollten den Eltern erklären, dass das Gegenteil der Fall ist. Denn die Kinder finden in der Kita einen sicheren Rahmen für ihre Entwicklung vor. Sie haben nach wie vor eine enge Bindung zu ihren Bezugspersonen. Digitale Medien ersetzen diese Bezugspersonen nicht. Stattdessen setzen die Fachkräfte die digitalen Medien als Werkzeug ein, um Bildungsziele zu erreichen. Dazu gehört auch der reflektierte Umgang mit digitalen Medien. Oder diese Kritik: „Die Kinder bewegen sich zu wenig, weil sie nur vor dem Tablet hocken!“ Studien belegen zwar einen Zusammenhang zwischen Bewegungsmangel und digitalem Medienkonsum. Aber dabei geht es eben wieder um die Vorstellung des passiven Konsums. In der Kita dagegen werden Medien pädagogisch eingesetzt.

Theresa Lienau rät den Kitas deshalb dazu, den Eltern möglichst konkret zu erklären, wie digitale Medien genutzt werden. Zum Beispiel: Die Kinder nehmen Smartphones oder Tablets mit in den Wald, um damit Fotos von Pflanzen oder Tieren zu machen, die sie entdecken. Dann nutzen sie eine App, um die Pflanzen zu bestimmen. Ein Naturerlebnis gepaart mit Bewegung und Medienbildung! Oder die Kinder erstellen einen Stop-Motion-Film.

Kind hält Tablet und macht damit einen Stop-Motion-Film
Wenn die Kinder einen Stop­-Motion-­Film er­stellen, bekommen sie einen Eindruck davon, wie Medien entstehen. Außerdem wird ihre Kreativität angeregt.

Das kann ganz einfach auf dem Spielstraßen-Teppich passieren, indem ein Auto in wenigen Zentimetern Abstand an andere Stellen gesetzt und jedes Mal fotografiert wird. Lässt man die Fotos schnell hintereinander ablaufen, entsteht der Eindruck, das Auto würde sich bewegen. Auch dafür gibt es Apps, die das Erstellen des Trickfilms erleichtern. Die Kreativität der Kinder wird gefördert und außerdem ihre Vorstellung davon, wie Medien entstehen und dass sie von Menschen gemacht sind.

Digitale Medien sind in der Kita kein Selbstzweck

Kurzum: Digitale Medien sind in der Kita kein Selbstzweck, sondern Werkzeuge, die zum Erlernen von Kompetenzen eingesetzt werden. „Wir leben in einer digitalen Gesellschaft und dieses Thema muss man mit Kindern bearbeiten“, findet die Medienforscherin. Damit erst in der Schule zu beginnen, wenn die Kinder zwangsläufig mit digitalen Medien konfrontiert werden, sei zu spät. Dort müssten Kinder bereits in der Lage sein, kritische Situationen – etwa wenn sie in den sozialen Medien von Fremden angesprochen würden – einzuordnen. Kinder bräuchten dann in ihrem Umfeld Erwachsene, am besten die Eltern, als Ansprechpartner und nicht den erhobenen Zeigefinger („Ich habe dir doch gesagt, dass du nicht ins Internet sollst!“).

Manchen Eltern falle es allerdings schwer, sich dem Thema zu öffnen, weiß Theresa Lienau. Was oft auch an eigenen Unsicherheiten liege. Dabei muss digitale Medienerziehung gar nicht kompliziert sein. Ein einfacher Beitrag besteht für die Eltern schon darin, sich zu Hause mit dem Medienverhalten ihrer Kinder zu beschäftigen und zu fragen: `Warum gefällt dir diese Sendung? Was macht die Hauptfigur der Serie für dich so interessant? Was findest du so spannend an dem Spiel?´ Durch konstruktive, wertschätzende Kommunikation können Fachkräfte die Eltern dabei unterstützen – und damit den Grundstein für eine erfolgreiche Erziehungspartnerschaft im Bereich digitaler Medien legen, von der alle profitieren. Insbesondere die Kinder.

Tipp

Die Ergebnisse des Projekts „Medienerziehung im Dialog von Kita und Familie“ haben die Autoren Theresa Lienau und Matthias Röck in einer kostenlosen Broschüre und in einem Buch zusammengefasst. Die Broschüre „Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige digitale Bildung als gemeinsame Aufgabe von Kita und Familie“ gibt es hier als PDF-Download: https://kurzelinks.de/p4jt

Das Buch „Nachhaltige digitale Bildung als gemeinsame Aufgabe von Kita und Familie – Gelingensbedingungen und Praxisempfehlungen“ und ist hier erhältlich: https://kurzelinks.de/6xee

Kyrylo ist angekommen

Kyrylo ist ins Spiel vertieft. Immer wieder lässt er das Spielzeugauto die Rutsche runtersausen. Immer wieder bringt Maya es ihm zurück. Manchmal tauschen sie auch die Rollen. Ist nur fair. Die beiden stimmen sich miteinan­der ab. Das funktioniert ohne Worte. Muss es auch. Denn Kyrylo spricht kein Deutsch. Nur ein paar Monate ist es her, seit er mit seiner Mutter in Hamburg ankam. Raus aus dem Krieg in der Ukraine, rein in die Kita Steilshooper Allee.

KURZ GESAGT!

_Offen und vorurteilsfrei neuen Menschen und Situationen begegnen

_Sprachbarrieren sind für den Aufbau einer Bindung zum Kind nicht entscheidend

_Gesprächsbereitschaft signalisieren: ja – Gespräch suchen: nein

Die Sorgen der Erzieherinnen verfliegen schnell

Seine Bezugserzieherin Sarah Schulte hatte sich auf eine lange Eingewöhnung eingestellt. Schließlich kamen viele Faktoren zusammen: Fluchterfahrung, Trennung vom Vater, neues Land, neue Umgebung, neue Sprache. Kann so etwas spurlos an einem Kind vorbeigehen? Die Sorgen verflogen schnell. „Kyrylo hat das erstaunlich gut gemacht“, sagt die Erzieherin. „Er hat sich recht schnell von der Mutter gelöst.“ Stattdessen knüpfte er buchstäblich spielerisch Kontakt zu den anderen Kindern, „obwohl ihn keiner verstanden hat und er auch nicht viel ver­standen hat. Die Kinder nehmen aber alle so, wie sie sind.“ Mit Kyrylo gebe es kaum Konflikte: „Er hat eine hohe soziale Kompetenz.“ Und im Morgenkreis singt er schon die Lieder mit.

Kyrylo hat spielerisch Kontakt zu den anderen Kindern geknüpft.

Die gut vernetzte Kita Steilshooper Allee musste schnell reagieren, als die Nachricht der benach­barten Grundschule kam: Man habe ein Kind aus der Ukraine aufgenommen, die Mutter wohne in der Nachbarschaft und habe noch ein jüngeres Geschwisterkind: Kyrylo. „Das sind ‚Hoppla­-hopp‘-­Geschichten, auf die wir uns nicht lange einstellen können“, sagt Kitaleite­rin Maren Albers­-Witte. Glückliche Umstände halfen ein wenig: Die ukrainische Schwägerin von Kyrylos Mutter Tetiana wohnt seit 15 Jahren in Hamburg und fungierte am ersten Tag als Dol­metscherin. Außerdem hatte just an Kyrylos ers­tem Kitatag auch Erzieher Allanur Ashyrov aus Turkmenistan seinen ersten Arbeitstag. Rus­sisch können sowohl er als auch Kyrylo.

Erzieher Allanur Ashyrov kann sich auf Russisch mit dem vierjährigen Jungen aus der Ukraine unterhalten.

Integration: eine Frage der Haltung

Selbstverständlich war es nicht nur Zufall, dass die Eingewöhnung so gut funktionierte. Die Kita Steilshooper Allee gehört zu Hamburgs größ­tem Kitaträger, den Elbkindern, die mehr als 180 Kitas betreiben. Integration ist für die Kita eine Frage der Haltung. „Wir profitieren davon, dass wir seit 2006 Kinder mit Behinderungen n unserem Haus betreuen“, erklärt Maren Albers­-Witte. „Ein Kind kann vielleicht nicht laufen, ein Kind kann nicht sprechen, ein Kind schreit ständig – wir müssen uns immer auf die Situation einlassen.“

„Wichtiger als jede Fortbildung ist die innere Haltung“, sagt Erzieherin Sarah Schulte.

Außerdem habe das zu einem grundsätzlichen Perspektivenwechsel bei Erzieherinnen und Erziehern geführt, die einen guten Blick für die besonderen Fähigkei­ten und Talente aller Kinder entwickelt haben. Für die 135 Kinder in Steilshoop sind Inklusion und Integration völlig normal. Sie kennen es nicht anders. „Bei uns werden 22 Muttersprachen gesprochen“, führt Maren Albers­Witte aus. Eine davon spricht Kyrylo. „Für die Kinder ist das nichts Besonderes.“ Im Bewegungsraum, im Spiel mit Autos und auch bei Gesellschafts­spielen ist der Vierjährige aus der Ukraine in sei­nem Element. „Er hat eine unglaublich schnelle Auffassungsgabe“, hat Sarah Schulte festge­stellt. Also: Ich bin dran mit Würfeln, das ist meine Figur, da muss ich lang – los geht’s!

Ich bin dran mit Würfeln – los geht‘s! Seine schnelle Auffassungsgabe hat Kyrylo das Ankommen erleichtert.

Für Erzieherinnen und Erzieher ist es beim Auf­bau einer Bindung keine allzu große Hürde, wenn Kinder die Sprache nicht sprechen – bei Krippenkindern ist das auch der Fall. „Für mich ist es eher problematisch, wenn ich die Eltern nicht verstehe“, sagt Sarah Schulte.

Der imaginäre Rucksack

Soziale und kulturelle Hintergründe spielen beim Verständnis füreinander eine wichtige Rolle. „Für uns ist es immer spannend, wenn Familien neu zu uns kommen und wir ihre Vor­stellungen nicht kennen“, sagt Maren Albers­-Witte. Manche Eltern sind über Eingewöhnungs­konzepte erstaunt. Andere wundern sich, dass ihre Kinder mit vier Jahren noch nicht schreiben können, weil das in ihrem Land so üblich ist. „Alle tragen einen imaginären Rucksack und man bildet sich als Erzieherin oft ein zu wissen, was drin ist. Man weiß es aber nicht, man hat nur Vermutungen. Manchmal hat man damit recht, ganz oft aber auch nicht.“ Deshalb gehe es immer darum, sich der eigenen Vorurteile bewusst zu werden und diese auf den Prüfstand zu stellen. Neugierig zu sein und sich überra­schen zu lassen – das sei die beste Einstellung, um Menschen zu begegnen.

Schon 2015 machte die Kita Steilshooper Allee diese Erfahrung, als sie in Flüchtlingsunter­künfte ging und dort den syrischen Familien Hilfe anbot. „Wir haben gemerkt: Das war nett gemeint, aber nicht das, was die Eltern wollten. Die wollten Sicherheit, einen Arbeitsplatz und einen Deutschkurs“, sagt Maren Albers-­Witte. „Unsere Kernaufgabe ist es, den Kindern mit der Kita einen sicheren Ort anzubieten.“

Im Umgang mit den Kindern ist viel Fingerspit­zengefühl gefragt. Auf der einen Seite schafft die Kita einen Rahmen, in dem die Kinder von sich aus über ihre Erlebnisse reden kön­nen. In Hamburg haben sie 2015 zum Beispiel Bilderbücher angeschafft, die sich mit Flucht­geschichten auseinandersetzen. Über einen tra­gischen Unfall, bei dem ein Kind auf dem Weg zur Kita ums Leben gekommen war, sprachen sie im Morgenkreis. Die Kinder konnten zudem in ein ausliegendes Buch malen oder etwas einkleben, um das Unglück zu verarbeiten. Und manchmal kommt es ganz unvermittelt. Als es einmal Tomatensuppe gab, sagte ein Kind, das seine Mutter verloren hatte, zu Sarah Schulte: „Mama hat auch immer Tomatensuppe gekocht. Aber Papa kann das jetzt auch.“ An solchen bei­läufigen Kleinigkeiten merke man, dass gerade Gesprächsbedarf herrsche.

Aber, und das ist die andere Seite: Kinder soll­ten nicht bedrängt werden, über ihre Erlebnisse zu sprechen. „Die Kinder entscheiden, wie weit es gehen soll“, stellt Erzieherin Sarah Schulte klar. Das machten sie deutlich, indem sie von sich aus das Thema wechseln würden.

Kita unterstützt die Familien

Keinesfalls stellen sie in Hamburg direkte Fra­gen, wie Maren Albers­-Witte veranschaulicht: „Jetzt erzähl doch mal: Seid ihr mit dem Schiff gefahren? War es schlimm?“ Damit würden die pädagogischen Fachkräfte ihren Aufgabenbe­reich verlassen. „Wenn wir das täten, würden wir unter Umständen ein Fass aufmachen, mit dem wir nicht umgehen können – wir wissen ja nicht, ob das Kind traumatisiert ist“, erläutert die Kitaleiterin. Die Aufarbeitung der Erlebnisse oder Traumata sei die Aufgabe von Fachleuten aus Psychiatrie oder Psychotherapie.

Wie die Kinder würden auch Eltern von sich aus auf die Kita zukommen, wenn sie Unterstützung bräuchten. Die Mutter von Kyrylo zum Beispiel hatte zunächst einen Rechtsanspruch auf fünf Stunden in der Kita, wollte aber die Betreuungs­zeit erhöhen, um einen Minijob antreten und einen Deutschkurs besuchen zu können. Die Kita half bei der Behördenangelegenheit – nun wird Kyrylo acht Stunden am Tag betreut. Über die Flucht aus der Ukraine weiß das Kitateam hingegen nicht viel: Die Heimatstadt Dnipro ist immer wieder Ziel von russischen Raketen­angriffen, der Vater noch dort. Alles andere wird Kyrylos Mutter Tetiana schon von sich aus erzählen – falls sie es möchte und wann sie es möchte. „Viele Sachen kommen, wenn die Fami­lien schon eine Weile da sind und eine stabile Bindung besteht“, weiß Maren Albers­-Witte aus Erfahrung.

„Jede Familie ist erst einmal eine Familie“, fasst Sarah Schulte zusammen. „Es sollte egal sein, was in dem imaginären Rucksack ist – wir wis­sen es ohnehin nicht.“ Fortbildungen könnten den Fachkräften zwar Rüstzeug im Umgang mit geflüchteten oder traumatisierten Kindern an die Hand geben. „Wichtiger als jede Fortbil­dung ist aber die innere Haltung.“ Also: keine Berührungsängste haben und offen sein. „Alle so annehmen, wie sie sind – das wird bei uns gelebt.“ So klappt’s auch mit der Integration.

Echt praktisch!

Tipps zur Integration aus der Ukraine geflüchteter Kinder haben wir Ihnen auf unserer Webseite zusammenge­stellt:

www.kinderkinder.dguv.de/krieg-in-der-ukraine/

„ Vermeiden Sie, das Trauma anzusprechen“

Trauma gilt oft als Metapher für alles Furchtbare. Was genau ist ein Trauma?

Trauma bedeutet zunächst Verletzung. Man kennt den Begriff „Trauma“ auch aus der körper­lichen Medizin. Man unterscheidet je nach Kon­text: Ist es eine körperliche Verletzung, die dem Organismus zugefügt wird, oder eine auch noch später bestehende Traumafolgestörung? Das wird oft vermischt. Ein kleineres Ereignis wie ein Hundebiss kann zwar durchaus ein Trauma auslösen – sowohl körperlich als auch psy­chisch –, wird aber vermutlich keine dauerhaf­ten Schäden verursachen. Wenn wir Fachleute von Trauma sprechen, meinen wir ein objektiv sehr schwerwiegendes Ereignis, das subjektiv ein tiefes Gefühl der Verzweiflung, Ohnmacht und Hilflosigkeit nach sich zieht. Das sind Ereig­nisse wie Überfälle, Missbrauch, Misshandlung, Folter, Krieg, der Tod eines nahen Angehörigen, schwere Verkehrsunfälle oder auch die Diag­nose einer lebensbedrohlichen Erkrankung.

In Kitas begegnen die Fachkräfte gelegentlich Kindern, von denen sie annehmen müssen, dass sie im oben genannten Sinn traumatisiert sind. Die Erzieherinnen und Erzieher sind dann oft voller Mitleid und reduzieren unbewusst das Kind auf seine Opferrolle.

Mitgefühl ja, aber bitte kein Mitleid. Traumatisierte Kinder brau­chen vor allem Sicherheit, Struktur und Stabilität. Diese Kinder müssen genauso normal behandelt werden wie andere. Sie aus Mitleid in eine Sonderrolle zu drängen, sie in Watte zu packen, schadet ihnen noch mehr. So entfernen sie sich noch weiter von der Normalität. Aber die ist das A und O. Mag ein Kind vielleicht außerhalb der Kita in weiterhin traumatisierenden Kontexten leben, so erfährt es doch wenigstens während des Kitabesuchs Normalität und Sicherheit. Das ist unschätzbar wichtig.

Wie können pädagogische Fachkräfte in der Kita ein traumatisiertes Kind dabei unterstützen, seine Ressourcen zu stärken, damit es ein Trauma besser verarbeiten kann?

Sie können ein Kind immer wieder fragen: „Was würde dir jetzt gut­tun?“ Für diese Kinder sind verlässliche und zuverlässige Bezugs­personen zentral, die ihnen Struktur und klare Regeln geben, ohne sie zu bedrängen. Überbetreuung führt zu Passivität; diese hin­dert das Kind daran, eigene Bewältigungsstrategien zu erarbeiten. Salopp gesagt: Alles, was ich nach einem Trauma nur passiv erdulde, ertrage, erleide – also mit mir gemacht wird –, das macht mich krank. Alles, was ich selbst aktiv gestalte, hält mich gesund.

Kinder verfügen also über Bewältigungsstrategien?

Ja durchaus, aber die liegen häufig in dem Bereich, der ein oder zwei Entwicklungsstufen zuvor zu finden ist. Das Kind nässt wieder ein, es spricht wieder in Babysprache, möchte wie­der bei den Eltern schlafen oder einzelne kog­nitive Leistungen sind nicht mehr möglich. Das Kind geht quasi zurück und nimmt einen neuen Anlauf. Das ist eine komplett normale Reaktion und kein Grund zur Sorge.

Die Befürchtungen vieler Erzieherinnen und Erzieher sind, sie könnten im Umgang mit traumatisierten Kindern etwas falsch machen und ihnen letztlich nicht gerecht werden, da sie dafür nicht ausreichend geschult seien.

Niemand muss Angst vor „Trauma“ haben. Erzie­herinnen und Erzieher können nicht viel falsch machen, wenn sie dem Kind mit Normalität, Verständnis und Fürsorge begegnen – also das, was bei anderen Kindern auch zählt. Man sollte aber unbedingt vermeiden, das Trauma direkt anzusprechen und konkret über die Gefühle zu sprechen. Wenn das Kind dies von sich aus tut, ist es wichtig, sofort Fachpersonal hinzu­zuziehen. Bei Missbrauch etwa muss abgeklärt werden, ob eine Straftat vorliegt. Dann also niemals selbst das Kind bezüglich der traumatischen Ereignisse befragen, sondern dies immer und unbedingt den Profis überlassen. Hier muss sofort das Jugendamt eingeschaltet werden, denn die Erstaussage ist essentiell für eine mögliche Strafverfolgung.

In Bezug auf Kinder mit Kriegs- und Fluchterfahrung etwa aus der Ukraine gibt es eine ganze Bandbreite, was Kinder erlebt haben. Wie kann eine Fachkraft feinfühlig herausfinden, wie sich ein Kind fühlt, wenn sie nicht gezielt nachfragen soll?

Tatsächlich ist es nicht wesentlich, etwas Genaues zu wissen. Den Kindern geht es gerade meistens recht gut, denn sie sind nach der Flucht nun hier bei uns in Sicherheit. Sie sind keines­falls alle traumatisiert. Wieder: So normal sein, wie es irgendwie geht. Über Spielen und viel Bewegung erreicht man oft mehr als über ein Gespräch. Die Fachkräfte müssen hier nicht anders agie­ren als bei anderen belasteten Kindern. Vieles klären Kinder auch spielerisch mit ihrer Peergroup. Wenn ein Kind allerdings sehr passiv ist, kaum spricht und viel weint, kann akute therapeuti­sche Hilfe angezeigt sein.

Wo findet Kitapersonal fachliche Unterstützung für ein traumatisiertes Kind?

Einen Therapieplatz zu bekommen ist in Deutschland leider oft mit langen Wartezeiten verbunden. Kitas können sich aber an Trauma­ oder Erziehungsberatungsstellen wenden, die es inzwi­schen in fast jeder größeren Stadt gibt. Diese können zwar nicht die Therapie leisten, stehen aber gern mit Rat und Tat in einem spezifischen Fall zur Seite und zeigen Hilfsmöglichkeiten auf.

Die Kita als sicherer Ort

Traumatisierten Erwachsenen kann es genü­gen, sich ihren Rückzugsort vorzustellen.  Man spricht dann vom inneren oder imaginier­ten sicheren Ort. „Kinder benötigen aber einen realen sicheren Ort“, sagt die Kinder­- und Ju­gendpsychotherapeutin Monika Dreiner. „Sie müssen sich in den Räumlichkeiten und bei den Personen, mit denen sie zu tun haben, sicher und gut aufgehoben fühlen.“ Die Grundlagen sind in der Kita ohnehin gegeben: Die Räume sollten so gestaltet sein, dass die Gefahr von Unfällen und körperlichen Verletzungen gering ist. Und die pädagogischen Fachkräfte müs­sen so auftreten, dass die Kinder keine Angst vor Gewalt oder Grenzverletzungen sowie vor Bestrafungen oder Sanktionen für ihr Verhalten haben müssen.

 

KURZ GESAGT!

_Traumatisierte Kinder befinden sich im Überle­bensmodus

_Fachkräfte holen sie in eine sichere Wirklichkeit zurück

_Kita bietet einen Rah­men, in dem sich das Kind alterstypisch entfal­ten kann

 

In der Kita geht es nicht um Therapie, sondern vor allem darum, Verständnis für das Verhalten der Kinder aufzubringen. „Die Kita kann einen Rahmen schaffen und eine Haltung zeigen, die es den Kindern leicht macht, sich so zu zeigen, wie sie sind“, sagt die Expertin. Und nach einem traumatischen Erlebnis würden sie sich eben im Überlebensmodus befinden, was sich unter anderem im Spiel niederschlagen könne. Haben Kinder beispielsweise einen Autounfall erlebt, spielen sie immer wieder mit Autos Zusam­menstöße nach. Kinder, die aus Kriegsgebieten geflohen sind, spielen Verstecken. Scheinbar. „In Wirklichkeit suchen sie Schutz“, erläutert die Therapeutin.

„Nicht alle Kinder, die geflüchtet sind, sind auch traumatisiert“, stellt Monika Dreiner aber klar. Das sei erst der Fall, wenn die eigenen Bewäl­tigungsstrategien nicht ausreichte und auch niemand als „Retter“ zur Seite gestanden habe. „Wenn die Mama, Oma oder eine andere ver­traute Bezugsperson bei der Flucht dabei war, kann es durchaus sein, dass die Kinder zwar extrem belastet und erschöpft sind, aber nicht traumatisiert.“

 

Arten von Traumatisierungen

Unterschieden wird zwischen einmaligen und komplexen Traumatisierungen. Einmalige Traumatisierungen kön­nen etwa der Tod von Eltern, Geschwistern, des Haustiers oder ein schwerer Verkehrsunfall sein. Komplexe Trauma­tisierungen können durch wiederholte oder andauernde Grenzverletzungen entstehen, zum Beispiel bei (sexuel­lem) Missbrauch oder auch, wenn beim Toilettengang wiederkehrend die Intimsphäre der Kinder gestört wird. Die Flucht aus Kriegs­ oder Krisengebieten fällt ebenfalls in diese Kategorie.

 

Wenn es um Leben und Tod geht

Ist ein Kind traumatisiert, kann es in eine „ge­triggerte Verfassung“ geraten. Das bedeutet, dass es durch einen inneren oder äußeren Reiz an die traumatisierende Situation erinnert wird – auch deshalb sollten die Kitafachkräfte nicht von sich aus nach den Erlebnissen fragen (siehe Interview mit Thomas Weber). „Wenn dieser Reiz wirkt, wechselt das Kind von jetzt auf gleich in eine andere Verfassung und ist nicht mehr in der Lage, sein Verhalten zu ändern oder zu kon­trollieren“, erklärt Monika Dreiner. Vielleicht werfe es Sachen durch die Gegend, schreie, beiße oder spucke. Die Fachkräfte müssten sich vor Augen führen, dass es im Erleben des Kindes um Leben und Tode gehe, es könne in dem Moment nicht anders handeln. „Ein Merkmal von Traumatisierungen ist, dass man sich nicht im Hier und Jetzt befindet, sondern im Dort und Damals“, sagt Monika Dreiner.

Das Kind bräuchte dann jemanden, der es auf­fängt und begleitet, statt es auszuschimpfen oder anderweitig zu sanktionieren. Die Aufgabe der Erzieherinnen und Erzieher sei es, das Kind aus dem Traumazustand in die aktuelle Wirk­lichkeit zurückzuholen. „Dafür muss ich kein Therapeut sein, das kann ich auch mit pädagogischen Mitteln erreichen.“ Beispielsweise könne das funktionieren, indem man dem Kind klarmache, dass es an einem sicheren Ort sei: „Du bist in der Kita. Hier ist alles gut. Komm, wir gucken mal, was wir hier so alles haben.“

Wichtig sei es, den Kindern in der Kita das Gefühl zu vermitteln, dazuzugehören und mit anderen gemeinsam etwas machen oder unternehmen zu können. „Einen Rahmen schaffen, in dem sich das Kind alterstypisch entfalten kann“, sagt Monika Dreiner, denn: „In dem Moment, in dem das Trauma passiert, erstarren die Kinder. Sie unterbrechen nicht nur ihre Handlung in der Situ­ation, sondern sie blockieren zu einem großen Teil ihre Entwicklung.“ Ziel müsse es also sein, die Entwicklung wieder in Gang zu bringen.

Die Fachkräfte müssen im Umgang mit traumatisier­ten Kindern aber auch auf sich selbst achten. Nicht umsonst gelten Traumata als „ansteckend“. Gelingt es nicht mehr, die eigenen Gefühle und die zum Kind gehörenden Gefühle voneinander zu trennen, „laufen sie Gefahr, dass sie selbst sekundär traumatisiert wer­den, obwohl sie die Situation gar nicht erlebt haben“, führt Monika Dreiner aus. Die Symptome könnten dann ganz ähnlich sein wie bei den traumatisierten Kin­dern, also zum Beispiel Schlaflosigkeit, Reizbarkeit, Aufmerksamkeitsprobleme oder schreckhafte Nervo­sität. Der Austausch im Team sei als vorbeugende Maßnahme wichtig. Darüber hinaus rät die Expertin zu einer Supervision: „Damit jemand Externes, der nicht im Geschehen involviert ist, aus einer anderen Pers­pektive helfen kann, das Ganze zu sortieren.“

Denn letztlich können die Erzieherinnen und Erzieher nur dann dafür sorgen, dass die Kinder sich in der Kita wohl und geborgen fühlen, wenn sie die Atmosphäre dort selbst so empfinden, fasst Monika Dreiner zusam­men. Ansonsten würden die Kinder das spüren und dadurch verunsichert. Deshalb gilt: „Der sichere Ort ist nie nur der sichere Ort der Kinder, sondern der aller Beteiligten.“

 

Lesetipp

Monika Dreiner: „Trauma bei Kindern und Jugendlichen“, 2018, herausge­geben vom Zentrum für Trauma­ und Konfliktmanagement (ZTK) in Köln

 

 

Das kompetente Team

Ein Kitateam ist verunsichert, ob es ausreichend gut geschult im Umgang mit traumatisierten Kindern ist. Was ist Ihr Rat?

Es ist sinnvoll, sich mit dem Thema Trauma bewusst aus­einanderzusetzen, schon bevor es akut wird. Es hilft zu reflektieren, welche Vorerfahrungen und welches Wissen es dazu bereits gibt – im Gesamtteam, aber auch von Ein­zelnen, etwa durch andere berufliche Stationen. Doch auch in ihrer täglichen Arbeit leisten Kitateams schon sehr viel, was diesen Kindern guttut, sodass sie sich willkommen und geborgen fühlen können.

Was hilft dem Team noch?

Ich rate dazu, Listen anzufertigen mit geeigneten Bera­tungsstellen, Psychologen oder Psychotherapeutinnen und so weiter. Alles sammeln und die Telefonnummern und E­-Mail­-Kontakte aktuell halten. So hat man im Notfall direkt etwas, worauf man schnell zurückgreifen oder das man den Familien an die Hand geben kann.

Ist es für die tägliche Arbeit wichtig, mehr über die körperlich-seelischen Auswirkungen eines Traumas zu wissen?

Es kann auf keinen Fall schaden, wenn Fachkräfte eine grundsätzliche Vorstellung davon haben, was genau im Körper eines traumatisierten Menschen passiert. So entwickeln sie ein Verständnis für das Verhalten und dadurch mehr Feingefühl im Umgang mit dem betroffenen Kind. Aber wie tief ein Team in die Thematik einsteigt, liegt in dessen Ermessen. Genauso wie die Frage, wie viel Zeit das Team dafür investieren möchte oder kann. Es gibt dazu viele Ange­bote: von zweistündigen Online­-Seminaren bis hin zu mehr­tägigen Fortbildungen.

Reicht das aus, um ein kompetentes Team zu sein?

Ich denke, ja. Die Einrichtung kann und soll nicht therapeu­tisch arbeiten. Es geht darum, dem Kind einen guten und sicheren Rahmen zu bieten, in dem es wieder Kind sein kann. Das ist das Wichtigste und passiert in den Einrichtun­gen ja jeden Tag ganz automatisch.

Echt praktisch

Nicht jedes Kind, das schlimme Erfahrungen gemacht hat, ist traumatisiert. Davon wie selbstverständlich auszugehen, kann den Blick auf die Stärken und Ressourcen des Kindes verstellen. Der Beitrag rückt diesen Aspekt kritisch in den Fokus: www.klett-kita.de/blog/das-unsichtbare-kind

Ein Sonderheft von „Kindergarten heute“ beschäftigt sich ausschließlich mit Traumapädagogik in der Kita. Es kann für 15,00 Euro unter dieser Adresse bestellt werden: https://kurzelinks.de/4w4h

Das Niedersächsische Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) hat eine ganze Reihe an Fachbeiträgen zum Thema im Angebot: https://kurzelinks.de/trauma-nifbe

Im Kontext des Kriegs in der Ukraine hat das bayerische Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz (IFP) einen Wegweiser für Fachkräfte geschrieben, wie sie geflüchtete Kinder gut begleiten können. Zu finden ist er hier: https://kurzelinks.de/ifp-ukraine

Im Podcast „Gedankenspiel“ des sächsischen Modellpro­gramms Willkommens­KITAs berichtet Traumapädagogin Heike Krakau von der Arbeit mit traumatisierten Kindern. Nachzuhören hier (Folge 6): https://willkommenskitas.de/material/podcast/

Informationen für alle, die mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen zu tun haben. Das bietet die Broschüre „Trauma – was tun?“. Sie lässt sich bei der Unfallkasse Berlin in vielen Sprachen herunterladen: www.unfallkasse-berlin.de, Webcode: ukb1135

Kinder, bewegt euch

Die Fachkräfte hatten ein Angebot der Unfallkasse Nord angenommen, für ein halbes Jahr an einem bewegungspädago­gischen Fortbildungsprojekt teilzunehmen, in dessen Rahmen das Material – orientiert nach Hengstenberg und Pikler – ausgeliehen werden konnte. Geschultes Personal hat die Kita außer­dem über den gesamten Projektzeitraum inten­siv betreut und stand bei Fragen immer hilfreich zur Seite.

 

KURZ GESAGT!

_Bewegungsangebote nach Hengstenberg und Pikler schulen neben Gleichgewicht und Moto­rik auch Fantasie und Selbstbewusstsein

_Viele positive Effekte in allen Altersstufen

_Fachkräfte beobachten, begleiten und bestärken – leiten jedoch kaum an

 

Nur ein Karton pro Tag durfte ausgepackt werden, um die Kinder nicht zu überfordern. Denn was da zum Vorschein kam, war immer verlockend und hatte einen großen Aufforderungscharak­ter. „Nachdem wir uns mit dem Mate­rial vertraut gemacht hatten, fand für zwei Erzieherinnen die erste von drei Schulungen statt“, erzählt Kitaleiterin Gabriela Heiden. Obwohl die ersten Schulungen noch digital abgehalten wurden, kamen praktische Übungen nicht zu kurz. Die Kolleginnen wiederum gaben ihr neues Wissen ans Team weiter.

Und dann kamen die Kinder. „Barfuß, niedrig beginnend, viel Geduld und Zurückhaltung – das waren die Tipps, die uns mit auf den Weg gege­ben wurden“, erinnert sich Gabriela Heiden. Nach einigen Umräumaktionen war im neuen „Bau­ und Turnzimmer“ auch ausreichend viel Platz geschaffen, um das tolle Material täglich nutzen zu können. Nach etwa sechs Wochen bekamen auch die Eltern bei einem Elternabend Gelegenheit, auf den Balancierstangen, Hühner­leitern, Rutsch­- und Kippelbrettern ihr Gleich­gewicht zu testen. Die Pädagogin schmunzelt: „Barfuß klettern und balancieren – das ist für uns Erwachsene sicher nicht alltäglich.“

Keine Vorgaben an die Kinder

Anfänglich nutzten die Kinder das Bewegungs­material ausschließlich zur Verbesserung der grobmotorischen Fähigkeiten; es wurde viel gerutscht und neue Kletteroptionen ausprobiert. Die Kinder kletterten, turnten, balancierten mit offenen und geschlossenen Augen. Jedes Kind in seinem Tempo mit selbst gewählten Heraus­forderungen. Vorgaben durch Erwachsene gab es in der Regel nicht.

Später errichteten die Kinder Bewegungsland­schaften. „Sie spielen etwa, dass der Boden Lava ist und nicht berührt werden darf“, führt Heiden aus. Oftmals zeigte ein Kind etwas und die anderen Kinder versuchten es anschließend ebenfalls. Die älteren Kinder nutzten das Mate­rial auch viel für Rollenspiele, sie bauten damit Häuser oder Ställe für Spielzeugtiere. Die unter Dreijährigen dagegen verwendeten das Material meist in ihrer Ursprungsform. Für diese Alters­gruppe bauten die pädagogischen Fachkräfte etwas auf oder gestalteten gemeinsam mit ihnen eine Bewegungslandschaft. Eine Fachkraft blieb über den gesamten Zeitraum mit im Zimmer. Bei den Einjährigen ließ sich sehr gut beobachten, wie hoch konzentriert sie bei der Erkundung des Materials waren, verschiedene Möglichkeiten beim Überwinden von Hindernissen ausprobier­ten und dabei sehr bedacht und genau handel­ten (beispielsweise Umgreifen der Hände). Die Kitaleiterin: „Dies unterstützt sie enorm in ihrer Motorik und Selbsteinschätzung.“

Rolle der pädagogischen Fachkräfte: begleiten und bestärken

Klar, dass es für die Nutzung der Geräte auch Regeln geben muss, damit nichts passiert: nur barfuß, nicht drängeln und schubsen, nur das tun, was man sich allein zutraut, und immer noch einmal die Erwachsenen den sicheren Aufbau des Parcours prüfen lassen. Die Fach­kräfte erinnern die Kinder immer wieder daran – und die Kinder sich gegenseitig. Der selbst­ständige Umgang mit dem Material zeigt sich auch in einem erhöhten Selbstwertgefühl. „Die Kinder kommen stolz zu uns und möchten uns gebaute Objekte zeigen oder was sie schon können oder sich zutrauen“, erzählt Gabriela Heiden. Ihre Beobachtung ist, dass die Kinder sich sehr gut selbst einschätzen können und instinktiv wissen, was sie eigenständig bewerk­stelligen können. Die Rolle der pädagogischen Fachkräfte beschränkt sich darauf, die Kleinen moralisch zu unterstützen, ihnen Zuspruch und Vertrauen in ihre Fähigkeiten zu geben. „Wir greifen in der Regel nicht aktiv ein“, betont die Pädagogin. Obwohl das Projekt eigentlich zeit­lich auf ein halbes Jahr befristet war, hat sich die Kita Schatzmoor aufgrund der rundum posi­tiven Beobachtungen dazu entschieden, das Material dauerhaft zu behalten. Im Bau­ und Turn zimmer wird also weiterhin balanciert.

 

Das Kinderhaus Schatzmoor ist eine Montessori­pädagogische Kindertagesstätte und liegt in Süderbrarup bei Flensburg. Die Kita betreut insgesamt 46 Kinder von einem bis sechs Jahren in drei Gruppen.

Schlaft gut!

Ob sie zu ihrer Matratze auf dem Boden tapsen oder ins Bettchen klettern, einen Schlafsack anziehen oder sich in ihre Decke ku­scheln: Damit sich Kinder beim Mittagsschlaf in der Kita wohlfühlen, braucht es nicht viel – wenn nur das geliebte Kuscheltier oder Kuscheltuch dabei ist. Doch damit sie nicht nur gut, sondern auch sicher schlafen, gilt es durchaus ein paar Dinge zu beachten. „Grundsätzlich sollte jedem Kind ein eigener Schlafplatz zur Verfügung ste­hen, der seinem Alter und seiner Entwicklung gerecht wird“, sagt Sicherheitsexperte Uwe Hell­hammer von der Unfallkasse Nordrhein­-Westfa­len. Dazu gehört, dass die Kleinen selbstständig ins Bett hineinkommen – und auch wieder hin­aus. Zudem muss nicht nur der Schlafplatz, son­dern der gesamte Raum sicher sein, weshalb das Kitapersonal genau hinschauen muss, wo Gefahren drohen könnten. Liegen Murmeln oder andere kleine Gegenstände herum, die Krippen­kinder in den Mund stecken könnten? Befinden sich ungesicherte Steckdosen in der Nähe? Gibt es Fenster, die zu einem Risiko werden können? „Da müssen die Erzieherinnen und Erzieher ganz individuell hinschauen“, meint der Experte.

 

KURZ GESAGT!

_Rein und raus aus dem Bett: Kinder sollen dies selbstständig bewältigen können

_Nicht nur das Bett, auch der Raum muss sicher sein

_Der Entwicklungsstand der Kinder sowie Vorgaben des Bundeslands sind für die Aufsichtsregelung ent­scheidend

 

Bett oder Matratze?

Es gibt keine Empfehlung, wie die Betten genau aussehen sollen. Ob Matratzen, Standardbet­ten oder Spezialanfertigungen sei letztlich Geschmackssache – aber: „Alle Betten müs­sen technisch einwandfrei und nach Hersteller­anleitung sicher aufgebaut sein“, betont Uwe Hellhammer, „ohne spitze Kanten oder Ritzen.“ Zwischen den Schlafplätzen sollte ausreichend Platz sein, um sich bewegen zu können.

Gitterbetten seien wirklich nur für Säuglinge empfehlenswert, sagt der Kitaexperte. Babys könnten so in einer geschützten Umgebung ein­schlafen. Hochbetten sind seiner Meinung nach in Kitas nicht geeignet, da die Gefahr von Stür­zen groß ist. Wird zum Schutz die obere Etage mit Gittern versehen, können Kinder das Bett wiederum nicht selbstständig verlassen.

Außerdem ist es wichtig, dass die Kinder beim Schlafen nicht beim Atmen behindert werden und immer genug Luft bekommen. Deshalb sei im Bett auf „voluminöse Materialien“ zu verzich­ten, betont Hellhammer. „Kinder könnten sonst mit dem Kopf hineinsinken und Nase bezie­hungsweise Mund verdeckt werden.“ Das gelte es zu verhindern. Mit anderen Worten: Dicke Kis­sen, Decken und Schaffelle sowie Unmengen an Plüschtieren sind tabu. Ein Schlafsack ist okay, solange der Stoff nicht über den Kopf rutschen kann. Empfohlen wird in Schlafräumen eine Tem­peratur von 18 Grad Celsius, sodass eine dünne Decke ausreicht. Wichtig ist auch, die Kinder vor einem Wärmestau zu schützen. Deshalb ist direkte Sonne zu vermeiden und auf Heizkissen zu verzichten. Zudem muss sichergestellt wer­den, dass sich Kinder im Schlaf nicht irgendwo verheddern. Deshalb dürfen keine Bänder, Schnüre oder Gardinen herunterhängen, wie es bei Himmelbetten mitunter üblich ist.

Aufsicht individuell regeln

Und wie sieht es mit der Aufsicht aus? „In den Bundesländern kann es dazu unterschiedliche Regelungen geben“, sagt Uwe Hellhammer. In der Regel gilt: „Die pädagogischen Fachkräfte müssen im Team selbstständig entscheiden, wie sie die Kinder während des Mittagsschlafs beaufsichtigen.“ Ausschlaggebend dafür seien der Entwicklungsstand und die individuellen Bedürfnisse eines jeden Kindes. „Die können jedoch von Tag zu Tag anders aussehen.“ Je nach Situation kann es ausreichend sein, in regelmäßigen Abständen nach schlafenden Kin­dern zu schauen. Oder das Team legt fest, dass dauerhaft eine pädagogische Fachkraft anwe­send ist.

Ein eigener Schlafplatz in sicherer Umgebung mit geregelter Aufsicht, vielmehr brauche es nicht, so Uwe Hellhammer, „damit Kinder gut und sicher schlafen können.“

Weitere Infos: www.sichere-kita.de/schlafraum

 

Checkliste für sicheres Schlafen

Dos

+ Jedes Kind sollte einen eigenen, altersgerechten Schlafplatz haben.
+ Kinder sollten ihr Bett eigen­ständig erreichen und verlassen können.
+ dünne Decke
+ optimal sind 18 Grad Celsius
+ sichere Umgebung
+ Aufsicht regeln, z. B. regelmäßige Kontrollen oder Schlafwache fest­legen

Don’ts

– dicke Kissen und Daunendecken
– Heizkissen, Wärmflaschen
– Zugluft und direkte Sonne
– ungesicherte Steckdosen
– Kabel, Schnüre, lange Gardinen
– herumliegende kleine Teile, die in den Mund gesteckt werden können
– Vorsicht bei Fenstern

Etwas leiser, bitte!

Sind Beschäftigte über einen längeren Zeit­raum einem Lärmpegel von 85 Dezibel ausgesetzt, gilt das als gehörschädigend. Das entspricht der Lautstärke von mittelstarkem Straßenverkehr oder einem Rasenmäher. In Kin­dertagesstätten wird dieser Wert im Tagesmittel selten oder gar nicht überschritten. Birte Weber, Zuständige für Lärmmessungen der Unfallkasse Nord, erklärt: „Dennoch belastet die dort herr­schende Lautstärke Erziehende und Kinder. Die Ursache ist in den meisten Fällen eine unzu­reichende Raumakustik. Aus einer schlechten Akustik resultiert dann eine schlechte Sprachver­ständlichkeit: Alle sprechen automatisch immer lauter und lauter. Der Lärmpegel schaukelt sich hoch.“ Bei einer schlechten Raumakustik sind Kinder unaufmerksamer und können schlech­ter zuhören. Sie reden mehr durcheinander und müssen stärker um Aufmerksamkeit kämpfen. „Besonders Kleinkinder sind jedoch auf optima­le Hörbedingungen angewiesen, um sprachliche Informationen verstehen und verarbeiten zu kön­nen“, sagt Birte Weber. Ansonsten könnten Pro­bleme beim Spracherwerb die Folge sein.

 

KURZ GESAGT!

_Lärm ist ein bedeu­tender Stressfaktor – für alle

_Bauliche Maßnahmen können die Raumakus­tik deutlich verbessern

_Auch organisatorische und pädagogische Maß­nahmen sind hilfreich

 

Wenn ein Raum „hallig“ klingt, spricht man von einer schlechten Raumakustik. Diese Hallig­keit kennt man beispielsweise von leeren Räu­men oder Bahnhofshallen. Damit es weniger stark und weniger lange nachhallt, müssen also „Schallschlucker“ in den Raum. Oder wie es die Expertin ausdrückt: „Die Schallreflexion von Oberflächen muss verringert und die Schallab­sorption erhöht werden.“

 

TIPP

Filz unter Stühlen und Tischen oder in Schub­laden hilft zusätzlich Lärm zu vermeiden.

 

Vorhänge und Teppiche lösen das Problem nicht

Um das zu erreichen, sind sehr gute Akustik­decken das A und O. „Viele Kitas fragen sich, ob man das Problem nicht auch mit Vorhängen und Teppichboden lösen kann.“ Doch das erhöht die Brandgefahr und „außerdem wird dadurch der Schallpegel nur minimal gesenkt. Vorhänge beispielsweise absorbieren nur 12 Prozent des auftreffenden Schalls. Im Vergleich: Eine gute Akustikdecke absorbiert bis zu 95 Prozent“, erklärt Birte Weber.

Ein häufiger Fehler beim Neubau oder der Sanierung von Kitas: In manchen Räumen wird auf den Einbau sehr guter Akustikdecken ver­zichtet, weil beispielsweise für einen Büroraum die Notwendigkeit nicht gesehen wird. Das wird dann zu einem Problem, wenn der Büroraum zum Gruppenraum umfunktioniert wird – in Kitas keine Seltenheit. Birte Weber vertritt daher den Punkt: „Alle Räume brauchen eine ausge­zeichnete Akustik. Dazu gehören auch Mehr­zweckräume, Sanitärräume und Flure.“ Und die Investition lohnt sich: „Damit gut und gesund gearbeitet und gelernt werden kann, müssen überall sehr gute Akustikdecken und bei Räu­men mit einer Deckenhöhe von mehr als drei Metern zusätzlich sehr gutes Wandakustikmate­rial installiert sein. Davon profitieren alle Betei­ligten über Jahrzehnte.“

Immer noch zu laut?

Wenn es trotz guter Akustik noch immer zu laut ist, können die Räume in Bereiche eingeteilt werden. Schallabsorbierende Möbel eignen sich dafür als Raumteiler. Sinnvoll ist es ebenso, die Kinderanzahl in bestimmten Bereichen zu begrenzen oder die Gruppen zu teilen: Weniger Kinder bedeutet weniger Lärm.

Das Raumkonzept spielt ebenfalls eine wichtige Rolle: Das Raumangebot sollte nach Lautstärke angeordnet werden. Ein Ruheraum verliert zwi­schen Bewegungsraum und Außengelände, wo es laut werden kann und darf, schnell seinen Zweck. Überhaupt sollten lautes Spiel und mög­lichst viele Aktivitäten nach draußen verlegt werden.

Feste Ruhephasen, wie beispielsweise die Mit­tagszeit, sind ein wichtiges Instrument gegen zu viel Lärm. Wird es beim Raumwechsel oder einer Brückenzeit laut, können kleine Rituale wie Schleichspiele helfen. Und wenn es den Kindern selbst zu laut wird, können sie verein­barte Handzeichen oder Handpuppen nutzen. Wichtig ist auch, drinnen ganz bewusst Zeiten einzuplanen, in denen die Kinder laut sein dürfen. Hierfür bieten sich Sing­ oder Bewegungs­spiele an.

„Wichtig ist, bei den Kindern ein Lärmbe­wusstsein zu schaffen“, rät Birte Weber. Erzieherinnen und Erzieher können die Kinder spielerisch über die Ursachen
und Folgen von Lärm aufklären. Sie können Regeln wie „Wir fallen uns nicht
ins Wort“ gemeinsam erarbeiten und in Bildern darstellen. Hier gilt: sichtbare Regeln für alle. Denn nur, wenn sich auch die Erzieherinnen und Erzieher an die Regeln halten, tun es ihnen die Kinder gleich.

Weitere Informationen:

Broschüre der Unfallkasse Nord „Entspannung für alle Ohren“:
https://kurzelinks.de/mnn4

Broschüre der Unfallkasse Berlin: „Auf dem Weg zur leisen Kita“
https://kurzelinks.de/cnau

Ist Ihre Kita optimal gegen Lärm gedämmt?
www.ukh.de, Webcode: W439

DIN 18041 „Hörsamkeit in Räumen – Anforderungen, Empfehlungen und Hinweise für die Planung“
www.sichere-kita.de, Suche: Akustik

Daten unter Verschluss

Eine Kitaleiterin schrieb, sie sei verunsichert, wie sie denn der Dokumentationspflicht nachkommen solle, wenn aus Gründen des Datenschutzes kein Verbandbuch mehr geführt werden dürfe …

Das ist ein Missverständnis. Selbstverständlich darf weiterhin das klassische Verbandbuch geführt werden. Die Kitaleitung muss aber dafür sorgen, dass nur dazu befugte Personen Zugriff auf das Verbandbuch haben. Einer Kita ist es komplett freige­stellt, wie sie Erste­-Hilfe­-Leistungen dokumentiert. Meldeblöcke oder Verbandbücher sind hier nur Angebote. Genauso gut kann man eine Excel­-Tabelle anlegen. Aus Sicht des Datenschutzes ist nur wichtig, dass lediglich die Personen darauf zugreifen können, die das auch dürfen.

Und wer darf das?

Zunächst sind das die Ersthelfer und Ersthelferinnen und dann alle, die im weiteren Sinne etwas mit der Ersten Hilfe in der Einrichtung zu tun haben (z. B. Betriebsarzt, Fachkraft für Arbeitssicherheit). Es können jedoch auch andere Personen mit der Doku­mentation oder anderen Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Ersten Hilfe von der Kitaleitung bestimmt werden.

Welche Vorteile hat der Abreißblock gegenüber dem Verbandbuch?

Man kann ihn, anders als ein Verbandbuch, überall hinlegen, denn die Eintragungen werden ja gesondert aufbewahrt. Das ist schon praktischer, weil so der Block bei Bedarf schnell zur Hand ist. Für das Ver­bandbuch, in dem ja die Eintragungen aller vorigen Erste­-Hilfe­-Leistungen zu sehen sind, muss sich die Einrichtung Sicherungsmaßnahmen überlegen, um dem Datenschutz zu entsprechen. Es muss sicher sein, dass niemand hineinschaut, der das nicht darf.

Wie muss man mit den Zetteln des Abreißblocks vorgehen?

Es muss geklärt sein, wie und an wen die einzelnen Zettel wei­tergegeben und in welcher Form sie abgelegt werden. Sinnvoll ist, die Zettel zentral abzuheften und nicht etwa in der Akte des Kindes oder der Mitarbeitenden. Denn die Personen, die auf die Erste­-Hilfe­-Daten zugreifen dürfen, sind in der Regel nicht auch berechtigt, in die Personalakten zu schauen. Die Daten zentral abzulegen ist auch deshalb zweckmäßig, weil Unfälle, die nicht meldepflichtig sind, erfasst werden können und
deren Auswertung Hinweise auf bestimmte Unfallschwerpunkte liefert, gegen die man präventiv etwas unternehmen sollte. Zudem ist so die Löschung der Daten nach den fünf Jahren Aufbewahrungspflicht leichter.

Und wenn sich eine Kita entscheidet, das Ganze elektronisch zu machen?

Auch dann muss sie Personen bestimmen, die auf die Datei und damit die Daten Zugriff haben. Es reicht nicht aus, den Rechner oder die Datei mit einem Passwort zu sichern. Die sauberste Lösung ist, einen separaten Ordner anzulegen, auf den nur die befugten Personen eine Zugriffsberechtigung haben.

Die Fragen beantwortete Ina Doppstadt, sie ist Datenschutzbeauftragte bei der Unfallkasse NRW.

Die Dokumentation von Erste­-Hilfe­-Leistungen und Unfällen, die nicht meldepflichtig sind, sichert mögliche spätere Ansprüche an die gesetz­lichen Unfallversiche­rungsträger. Sollten sich etwa bei einer Verletzung erst nach einiger Zeit ernstere Folgen heraus­stellen, weist der Eintrag nach, dass der Unfall während des Kitabe­suchs (bzw. während der Arbeitszeit) geschah.

Unfälle sind nur beim Hobby in Ordnung

Ich fahre in meiner Freizeit Stockcar. Bei diesen Autorennen geht es ordentlich zur Sache, da sind Zusammenstöße an der Tagesordnung und man überschlägt sich auch schon mal. Bei meinem Hobby muss man deshalb sehr auf die Sicherheit achten. Genauso liegt es mir am Herzen, dass es für die Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter, für die Eltern und Kinder bei uns in der Kita sicher ist. Als Sicherheits­- und Brandschutzbe­auftragte trage ich dazu bei. Das macht mir Spaß, weil es eine spannende Aufgabe ist, bei der ich Neues lerne und Verant­wortung trage. Wichtig ist es mir, im Team auf Augenhöhe zu agieren und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Die Kolle­ginnen und Kollegen nehmen mich dabei als Ansprechpart­nerin und Unterstützung wahr. Wenn ich wiederum Fragen zu Sicherheitsthemen abklären muss, ist die BGW eine sehr gute Ansprechpartnerin.


Gibt es in Ihrer Kita eine ganz besonders engagierte Person – ganz egal ob pädagogische Fachkraft, Hausmeister, Küchenfee oder Elternteil? Gern stellen wir sie an dieser Stelle vor! Schreiben Sie uns doch einfach eine Mail an kinderkinder@dguv.de.

Sprechen statt schlagen

Heute sind alle Freudibold. Also glücklich und zufrieden. Aber die Kinder dürfen in der ASB-Kita „Sonnenland“ im Neuruppiner Ortsteil Wuthenow auch mal anders sein. Bibberbold, Heulibold oder sogar Zornibold. Wichtig ist, dass sie sich ihrer Gefühle bewusst werden und sie benennen können: Ich habe Angst (Bibberbold), ich bin traurig (Heulibold) oder ich ärgere mich (Zornibold).

Die vier Kobolde, deren Gesichter Erzieherin Birgit Zabel im Morgenkreis als Bilder auf dem Boden ausgebreitet hat, helfen den Kindern dabei. „Seht ihr jemanden, der traurig ist?“, fragt sie. Kami und Klara deuten auf Heulibold. „Ich zeige euch mal, wie ich aussehe, wenn ich traurig bin“, sagt Birgit Zabel und macht ein trauriges Gesicht. Elias ist das nicht genug. „Nein“, sagt er. „Wenn ich traurig bin, dann weine ich.“ Julian ergänzt: „Wenn ich weine, läuft meine Nase.“

Freudibold, Bibberbold, Heulibold und Zornibold – die Bilder der vier Kobolde liegen im Morgenkreis auf dem Boden.

Das Gespräch über Gefühle, es nimmt langsam Fahrt auf. Was ihnen helfe, wenn sie traurig seien, will die Erzieherin wissen. „Ein Stück Kuchen“, sagt Julian. Dann springt ihm Klara zur Seite: „Aber dir geht’s doch auch besser, wenn du ein Kuscheltier hast.“ Stimmt. Wobei es bei Julian ein Kuscheltuch ist. Aber das spielt ja keine Rolle. Hauptsache kuschelig. Und Hauptsache, man hat mal darüber geredet und sich in die anderen hineinversetzt.

 

KURZ GESAGT!

_Kinder früh emotional und sozial zu stärken, hilft ihnen im Umgang mit eigenen Gefühlen und den Gefühlen anderer

_Die Kompetenzen der Kinder stehen im Mittelpunkt, nicht die Defizite

_Augenhöhe mit den Kindern ist wichtig

 

Respektvolle, gewaltfreie Atmosphäre ist Frage der Haltung

„Zeigt mir mal, wie es aussieht, wenn ihr wütend seid“, fordert Birgit Zabel die Kinder auf. Sofort fangen sie an, Grimassen zu schneiden. Das sieht eher lustig aus, weil man den Kindern den Spaß anmerkt. Dann kommt Handpuppe Tom ins Spiel. „Ich bin ganz doll wütend – ein anderes Kind hat mir gestern mein Spielzeug weggenommen“, lässt die Erzieherin ihn sagen, um das Gespräch zu lenken. Toms Ärger darüber können alle nachvollziehen. Aber es geht ja auch darum, den Kindern beizubringen, mit solchen Situationen umzugehen. Das haben sie schon gut verinnerlicht. „Wenn wir etwas nicht wollen: Was machen wir?“, fragt Birgit Zabel. „Stopp!“, rufen die Kinder und untermalen das mit einer Geste. Sie strecken einen Arm aus, die Handfläche zeigt nach vorne. Dann sagen sie laut und deutlich: „Ich will das nicht!“ Sprechen statt schlagen.

Die Kinder bringen klar zum Ausdruck, wenn sie etwas nicht wollen. „Stopp!“, rufen sie und untermalen das mit einer Geste. „Ich will das nicht!“

Eine solch respektvolle, gewaltfreie Atmosphäre ist für den Träger und die Beschäftigten der Kita „Sonnenland“ eine Frage der Haltung. „Wir sind immer schon sehr wertschätzend miteinander und mit den Kindern umgegangen“, sagt Kitaleiterin Doreen Bohm. Bei der Suche nach neuen Ansätzen kam das Programm Papilio wie gerufen.

Papilio entwickelt und verbreitet pädagogische Methoden zur Gewalt- und Suchtprävention mithilfe zertifizierter Trainerinnen und Trainer. Wissenschaftlich fundiert in der Theorie, ganz nah an der Zielgruppe in der Praxis. Ziel des gemeinnützigen Unternehmens ist es, Kinder sozial und emotional zu stärken. „Damit sie später mit sich und ihren Gefühlen, mit anderen Menschen und mit schwierigen Situationen gut umgehen können“, fasst Doreen Bohm zusammen.

Der entwicklungsfördernde Ansatz von Papilio ist recht einfach erklärt: Nicht nur die Defizite der Kinder stehen im Fokus, sondern vor allem das, was sie können und mitbringen. Diese Kompetenzen werden gefördert. Im Kita-Alltag funktioniert das unter anderem mit drei spielerischen Maßnahmen für Drei- bis Sechsjährige, die entwicklungspsychologisch aufeinander aufbauen.

1. Der Spielzeug­macht­-Ferien­-Tag

Das Spielzeug wendet sich in einem Brief an die Kinder: Es möchte sich ausruhen. Diesen Wunsch verstehen die Kinder. An einem Tag in der Woche wird das Spielzeug daher nicht angerührt. „Ziel ist, dass die Kinder ihre Bedürfnisse erkennen und Spielideen entwickeln“, erklärt Papilio-Trainerin Ellen Martin. Außerdem brechen die immer gleichen Gruppen auf, die ansonsten zusammen Türme bauen, mit Puppen oder Bällen spielen. „Die Kinder sollen andere Spielfreunde ansprechen und kennenlernen“, sagt Ellen Martin.

2. Paula und die Kistenkobolde

Die Geschichte, für die in Kooperation mit der Augsburger Puppenkiste die vier Kobolde entworfen wurden, bringt den Kindern den Umgang mit den Primärgefühlen Freude, Angst, Trauer und Ärger näher. „Die Kinder lernen: Bei mir ist das so, bei anderen ist das so – und ich weiß, was ich tun kann“, sagt Ellen Martin. Also: die eigenen Gefühle erkennen und regulieren lernen sowie Einfühlungsvermögen für andere entwickeln.

3. Das Meins­-deins-deins­-unser­-Spiel

Das Einhalten von Regeln wird in ein Spiel verpackt. „Kinder wollen ab einem bestimmten Alter gern die Bestimmer sein. Und sie wollen in den Wettbewerb treten“, erläutert Ellen Martin. Also werden die Kinder in Gruppen eingeteilt und überlegen sich Preise: Bällebad, Spielplatzbesuch oder das Vorlesen eines Märchens im Stuhlkreis zum Beispiel. Das Spiel geht so: Wir teilen beim Malen die Stifte. Oder: Wir lassen uns im Stuhlkreis ausreden. Die Gruppe, die das am besten macht, darf am Ende darüber bestimmen, welcher Preis eingelöst wird – und zwar für alle.

Schon die unter Dreijährigen profitieren im „Sonnenland“ von Papilio. Für die Jüngsten geht es um das Entdecken des eigenen Seins und darum, Bindungen einzugehen, damit sie früh emotionale Sicherheit gewinnen. „Gerade im U3-Bereich sind wir Leuchttürme und Orientierungspunkte für die Kinder“, weiß Erzieherin Anette Drewes dabei um ihre Vorbildfunktion. Also achtet sie wie das gesamte Kitateam auch auf Kleinigkeiten. „Wir erklären: Ich bringe jetzt nur das Taschentuch zum Mülleimer“, gibt sie ein Beispiel. Damit die Kinder wissen: Die Erzieherin ist da, auch wenn ich sie mal für einen Augenblick nicht sehe. „Es ist wichtig, die Kinder bei allen Dingen miteinzubeziehen.“ Dadurch werde der Grundstein für stabile Beziehungen im Leben gelegt.

Erzieherinnen haben auch an sich selbst Veränderungen festgestellt

Mit einfühlsamem, wohlwollendem Blick versuchen sie im brandenburgischen Wuthenow, auf das Verhalten der Kinder einzugehen. Ein lautes „Jetzt reicht’s aber!“ wird man dort nicht hören. „Wenn wir uns auf die Ebene der Kinder einlassen und ‚erraten‘, was gerade ihr Problem ist, fühlen sie sich verstanden und hören dann auch auf zu schreien oder zu weinen“, hat Anette Drewes während ihrer Fortbildung beobachtet. „Die Kinder wirken gleich viel entspannter – auch wenn die Zweijährigen das noch nicht äußern können.“

Doreen Bohm ist nach Abschluss der Präventionsfortbildungen angetan: „Wir sind uns mit Papilio darüber bewusster geworden, dass alles, was wir tun – also zum Beispiel unsere Haltung und wie wir kommunizieren –, eine Wirkung auf unser Gegenüber hat. Wie die Erzieherinnen und Erzieher mit den Kindern kommunizieren, wie die Kinder untereinander kommunizieren, wie sie Gefühle ansprechen und gemeinsam auf Regeln achten – da ist eine positive Entwicklung zu erkennen.“ Gleichwohl geht es auch im „Sonnenland“ nicht ohne Schubsen, Kratzen und Hauen zu. Schließlich gehört das zur kindlichen Entwicklung. „Aber die Kinder haben Strategien entwickelt, solche Situationen zu bewältigen“, sagt die Kitaleiterin.

Die Erzieherinnen haben auch Veränderungen an sich selbst festgestellt: „Ich schaue genauer hin, wie ich die Kinder in ihrem Tun bestärken kann“, sagt Birgit Zabel. Statt des pauschalen „Das hast du toll gemacht“ erklärt sie den Kindern, was sie toll gemacht haben, und berücksichtigt dabei deren Entwicklungsstand. Hat die Sechsjährige das ganze Blatt ausgenutzt und beim Ausmalen darauf geachtet, nicht über die Linien zu malen? Das hast du gut gemacht! Hat der Dreijährige zum ersten Mal allein den Reißverschluss zugemacht? Du kannst stolz auf dich sein!

Zu guter Letzt hat sich auch das Verhalten der Erzieherinnen untereinander verändert. „Papilio verändert die eigene Einstellung zu Menschen. Wir haben mehr über uns selbst und über die Kollegen erfahren, das hat uns als Team zusammengeschweißt“, sagt Birgit Zabel. Und das, obwohl das Präventionsprogramm den Erzieherinnen viel abverlangt, wenn sie sich ihren Umgang mit den Kindern gegenseitig spiegeln müssen. „Dafür muss man offen sein“, weiß Papilio-Trainerin Ellen Martin, der das ehrliche Miteinander und der Zusammenhalt im „Sonnenland“ großen Respekt abnötigen. „Wenn die Erzieherinnen im Team pädagogisch und menschlich auf einer Wellenlänge liegen, funktioniert es auch mit den Kindern. Das habe ich hier sofort gespürt und erlebt.“

In der Kita „Sonnenland“ sind die Kinder deshalb meistens Freudibold. Aber sie haben auch gelernt, wie sie damit umgehen können, wenn der innere Zornibold in ihnen aufsteigt: Stopp – Gewalt ist keine Lösung!

 

ÜBER PAPILIO

Die Fortbildung mit „Papilio-3bis6“ umfasst acht Fortbildungstage, die sich über einen Zeitraum von eineinhalb bis zwei Jahren erstrecken und die entweder als Inhouse-Schulung für das gesamte Kitateam oder in Form gemischter Kurse mit Teilnehmenden aus verschiedenen Kitas stattfinden. Kitas können gemäß Präventionsgesetz (§ 20a SGB V) eine Förderung ihrer Fortbildung bei einer Krankenkasse beantragen. BARMER und Techniker Krankenkasse übernehmen beispielsweise den Großteil der anfallenden Kosten. Auch für die Fortbildung mit dem Programm „Papilio-U3“, die etwa ein Jahr dauert, ist eine Förderung möglich.

Weitere Infos: www.papilio.de

 

Programme zur Gewaltprävention

Neben Papilio gibt es eine Reihe weiterer Programme zur
Stärkung sozial-emotionaler Kompetenzen und zur Gewaltprävention. Eine Auswahl:

 

  • „Kindergarten plus“, ein Projekt der Deutschen Liga für das Kind
    www.kindergartenplus.de
  • „Ich kann Probleme lösen (IKPL)“, ein Programm für Kitas im Rahmen des durch das Bundesfamilienministerium geföderten Projekts EFFEKT (Entwicklungs-Förderung in Familien: Eltern- und Kinder-Training)
    www.effekt-training.de/ikpl
  • „Faustlos“, ein Programm des Heidelberger Präventionszentrums (HPZ)
    www.h-p-z.de/faustlos-kindergarten

Agieren statt reagieren

Kinder dürfen ruhig mal traurig sein, mal aufgedreht – und auch mal aggressiv. Sie lernen so, sich selbst zu behaupten und Grenzen zu setzen. Das ist Teil ihrer Entwicklung. „Erst wenn sich das Verhalten eines Kindes über einen längeren Zeitraum oder in besonders starker Ausprägung vom Verhalten Gleichaltriger unterscheidet, kann man überlegen, von einer Verhaltensauffälligkeit zu sprechen“, sagt der Entwicklungspsychologe Herbert Scheithauer.

 

KURZ GESAGT!

_Ursachen für auffälliges Verhalten herausfinden

_Negatives Verhalten nicht durch Aufmerksamkeit verstärken

_Entwicklungsstand und Kontext sind wichtig

 

Auffälligkeit oder Temperament?

Doch auch in diesem Fall sollten Erzieherinnen und Erzieher noch zwei wichtige Aspekte bedenken. Erstens: Stimmt meine Wahrnehmung? Verhaltensauffälligkeiten würden gelegentlich mit Temperamentsunterschieden verwechselt, weiß Scheithauer. So könne etwa eine ruhige Erzieherin das Verhalten eines sehr lebhaften Kindes leicht als problematisch wahrnehmen. Zweitens: Auch Kinder derselben Altersgruppe können sehr unterschiedlich sein in ihren Wesenszügen und den Kompetenzen, die sie mitbringen. „Das muss keine Verhaltensauffälligkeit sein“, betont der Professor der Freien Universität Berlin. „Es kann sein, dass das eine Kind in seiner sozialen und emotionalen Entwicklung noch nicht so weit ist wie das andere.“

Erzieherinnen und Erzieher sollten versuchen, die Ursachen für das problematische Verhalten herauszufinden. In der Regel wissen sie, ob das Haustier gestorben ist, ein Brüderchen geboren wurde oder die Eltern gerade Streit haben. Das Risiko von auffälligem, aggressivem Verhalten ist vor diesem Hintergrund erhöht. Aber es sollte sich bald wieder einrenken.

Anders gelagert ist der Fall, wenn Kinder bereits aggressives Verhalten erlernt haben, etwa durch Modelle in der Familie oder in den Medien. „Ein Elternteil schreit häufig und setzt durch dieses aggressive Verhalten seine Ziele durch“, veranschaulicht Scheithauer exemplarisch. „Das Kind lernt: So erreiche ich, was ich will. Und so verhält es sich dann auch in der Kita.“ Was bei diesen Kindern helfen kann: in diesem Moment nicht auf das unangemessene Verhalten eingehen. Sonst lernt das Kind, dass es tatsächlich Aufmerksamkeit bekommt, wenn es schreit, tobt, Quatsch oder Krach macht – selbst wenn die Aufmerksamkeit aus Ermahnungen besteht. Das negative Verhalten wird somit noch verstärkt. Stattdessen sollten sich die Fachkräfte dem Kind dann zuwenden, wenn es sich nicht mehr unangemessen oder sogar positiv verhält: „Toll, Jochen, was du da mit Lego baust! Das sieht wirklich schön aus“, nennt Scheithauer ein Beispiel.

Überhaupt blühen Kinder regelrecht auf, wenn sie angemessen Lob erhalten. Haben Kinder positives, prosoziales Verhalten gezeigt, sollte das Kitapersonal ihnen das auch sagen. „Jochen, das hast du toll gemacht, dass du den Bauklotz abgegeben hast. Guck mal, wie Jacqueline sich freut, dass sie jetzt mitspielen kann“, veranschaulicht Scheithauer. „Auf längere Sicht habe ich dadurch viel dafür getan, dass sich seltener aggressives Verhalten zeigt.“

Zum Nachdenken und Nachfühlen anregen

Wird ein Kind gegenüber anderen aggressiv, hilft es, ihm die Auswirkungen seines Verhaltens zu verdeutlichen und es zum Nachdenken anzuregen. Scheithauer: „Jochen, wenn du ihr den Bauklotz wegnimmst: Was meinst du, wie Jacqueline sich dabei fühlt? Wie würdest du dich fühlen?“ Dafür müssen die Kinder in der Lage sein, ihr eigenes Verhalten regulieren und sich in andere hineinversetzen zu können. Eine Frage des Alters und des Entwicklungsstandes sowie des Kontextes.

Zum Kontext gehört auch, die Wahrnehmung und Bedürfnisse der Kinder einer Gruppe im Blick zu haben und auszutarieren. Ein sehr lebhaftes Kind in einer sehr ruhigen Gruppe oder zwei sehr lebhafte Kinder in derselben Gruppe – beides könnte problematisch werden. „Als Erzieherin muss ich sehr feinfühlig sein und die Kinder auf eine Ebene bringen“, sagt Scheithauer.

Das funktioniert über klare Regeln, die in der Kita aber nicht starr festgelegt sein, sondern für die Entwicklung genutzt werden sollten. Beispiel Bauklötze: Nicht alle können immer damit spielen. Jochen hätte zwar Lust darauf, wäre aber eigentlich nicht dran. „Jochen ist heute traurig. Wollen wir ihm nicht einen Bauklotz abgeben?“, beschreibt Scheithauer ein Szenario. Gesagt, getan. „Und dann erleben Kinder etwas total Schönes im zwischenmenschlichen Bereich.“

Die Kinder mit proaktivem Verhalten zu erreichen, ist für Herbert Scheithauer der Schlüssel für einen wertschätzenden Umgang miteinander: „Dann werde ich in Zukunft mit geringerer Wahrscheinlichkeit aggressives Verhalten erleben.“

 

Verhaltensauffälligkeiten

  • Verhaltensdefizit: Kinder sind sehr ruhig und emotional gehemmt. Sie haben beispielsweise Ängste, sind sehr schüchtern und ziehen sich zurück.
  • Verhaltensexzess: Kinder zeigen hyperaktives oder aggressives Verhalten in hoher Frequenz und sehr intensiv. Sie sind beispielsweise leicht ablenkbar oder impulsiv, sie schlagen und treten andere oder beschädigen Gegenstände.
  • Verhaltensstörung: Kinder zeigen konstant über einen langen Zeitraum ein Bündel negativer Verhaltensweisen. Sie sind beispielsweise sehr egoistisch, können sich nicht gut in andere hineinversetzen und sind unsensibel gegenüber Gefühlen anderer, ihnen fehlt es an Schuldbewusstsein, sie deuten das Verhalten anderer falsch und reagieren darauf mit Gewalt, sie drangsalieren andere oder quälen Tiere.

Bei einigen Kindern lässt sich mit erzieherischen Maßnahmen nichts mehr bewirken, sodass ein Kinder- und Jugendpsychologe hinzugezogen werden sollte. Ist ein Kind gegenüber anderen über einen längeren Zeitraum aggressiv und gewalttätig, sollte die Kita das Gespräch mit den Eltern suchen.

 

Hinsehen, ernst nehmen, angehen

Die Krippengruppe ist gerade im Aufbruch. Das Fertigmachen der Kleinen hat Zeit und Nerven gekostet, aber jetzt sind alle bereit. Da bemerkt die Erzieherin, dass Paul eine volle Windel hat. Also führt sie den Kleinen seufzend zum Wickelbereich und macht ihn sauber. Als sie mit Paul zurück zu den anderen kommt, sagt die Erzieherin laut: „So, hier ist er wieder, der kleine Hosenscheißer, wegen dem ihr alle so lange warten musstet!“

Diese Szene schildert der Kinderrechtsexperte Jörg Maywald. „Das ist Gewalt“, sagt er, „dem Kind wird hier ein Schaden zugefügt, indem die Erzieherin es zutiefst beschämt. Es wird eindeutig eine Grenze überschritten.“ Doch wo genau verläuft diese Grenze? Welches Verhalten gegenüber Kindern ist gewaltvoll und verletzend? Maywald sieht da geringe Interpretationsspielräume. Gewalt gegen Kinder heißt für ihn im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention zum Beispiel, sie demütigen, auslachen, ausgrenzen, nicht trösten, ignorieren und bedrohen, aber auch körperliche Nähe und Distanz nicht ausbalancieren, sie schubsen, zum Essen, Schlafen oder Toilettengang zwingen, fixieren, ungefragt streicheln oder sie nicht angemessen beaufsichtigen. „In jeder Kindertagesstätte gibt es derlei Fehlverhalten und Gewalt durch pädagogische Fachkräfte“, macht Maywald klar. Wichtig sei, sich dieser Tatsache zu stellen und Vorfälle nicht zu banalisieren.

KURZ GESAGT!

_Gewalt gegen Kinder hat mehrere Ursachen

_Gewaltschutzkonzepte bieten allen Orientierung und Sicherheit

_Kitaleitung ist in der Pflicht

Aber wie kommt es zu solchem Fehlverhalten? „Etwa 30 Prozent der Prozessqualität im Umgang mit Kindern lassen sich laut NUBBEK-Studie (www.dji.de/nubbek) auf strukturelle Faktoren zurückführen, der überwiegende Teil aber nicht“, sagt Maywald. Flapsig gesprochen hieße das, dass es sehr gut ausgestattete Einrichtungen gebe, die schlecht arbeiteten, während mangelhaft ausgestattete Einrichtungen hervorragende pädagogische Arbeit leisteten. „Selbst wenn nächsten Monat ein Geldsegen auf die Kitas niederginge, hätten wir damit die Probleme nicht gelöst.“

Maywald macht weitere wichtige Ursachen für individuelles Fehlverhalten aus: die Biografie einer pädagogischen Fachkraft inklusive ihrer Erziehungsvorstellungen, die Situation im Team sowie Defizite in der Ausbildung.

Erstaunlicherweise sind institutioneller Kinderschutz, Kinderrechte und feinfühliges Verhalten gegenüber Kindern nicht überall Teil des Ausbildungscurriculums. „Sehr viele Fachkräfte, die schon seit Jahren im Berufsleben sind, haben in ihrer Ausbildung nie etwas darüber gelernt.“ Der Experte sieht hier großen Nachholbedarf. Eine gute Möglichkeit für das gesamte Team sei dazu die Erarbeitung eines Gewalt- und Kinderschutzkonzepts. „Schutzkonzepte bieten den pädagogischen Fachkräften einen Zuwachs an Orientierung und Handlungssicherheit“, ist Maywald überzeugt (siehe Interview).

Die Kita­-Leitung ist in der Pflicht

Bei Fachkräften besteht häufig eine große Unsicherheit, wenn sie etwa Situationen beobachten, in denen es nach ihrem Empfinden zu Fehlverhalten von Kolleginnen oder Kollegen gegenüber Kindern kommt. Was ist dann zu tun, wie reagieren? Ein Schutzkonzept legt für pädagogische Schlüsselsituationen Fachstandards fest, die definieren, was angemessen ist, wann eine Grenze überschritten wird und wie eine Einrichtung damit umgeht. Komme es zu einer Grenzüberschreitung, so empfiehlt Jörg Maywald, könne die Fachkraft die Kollegin im Anschluss an die Situation in Ruhe darauf ansprechen und ihren Eindruck in Ich-Botschaften schildern. Oft führe der kollegiale Austausch schon dazu, dass die Fachkraft sich einsichtig zeige.

„Manchmal kommt eine solche Kritik aber nicht gut an und es wird konfrontativ. Dann ist es Leitungsaufgabe, eine Klärung herbeizuführen. Sie ist in der Verantwortung: sowohl für den Kinderschutz als auch für die Mitarbeiterfürsorge, damit niemand zu Unrecht beschuldigt wird.“ Die Leitung hat die Verpflichtung, Fälle von Beeinträchtigungen des Kindeswohls dem Träger zu melden, der wiederum eine Meldepflicht an das Landesjugendamt hat. „Somit kann es nicht nur ein Angebot der Leitung an das Team sein, solche Situationen bei ihr zur Sprache zu bringen, sondern eine Aufforderung“, verdeutlicht Jörg Maywald und betont, dass dies keineswegs als „Anschwärzen“ misszuverstehen sei. „Es geht nicht in erster Linie um Sanktionen, sondern darum, besser zu werden und sich dem Ideal der gewaltfreien Erziehung immer weiter anzunähern.“ Für das Beispiel vom Anfang hieße das etwa, dass die Erzieherin versteht, dass ihr Verhalten den Jungen verletzt hat, sie sich bei Paul aufrichtig entschuldigt und der Vorfall im Team aufgearbeitet wird.

Fehlverhalten gegenüber Kindern kommt vor. In jeder einzelnen Einrichtung. Deshalb gelte es, so der Kinderrechtler, zum Schutz der Kinder die entsprechenden professionellen Vorkehrungen zu treffen.

 

Gewalt gegen Kinder im Sinne der Kinderrechte

  • psychische / emotionale Misshandlung
    (z. B. Anschreien, Demütigen, Liebesentzug)
  • körperliche Misshandlung
    (z. B. Schlagen, Schütteln, Fixieren)
  • sexualisierte Gewalt, Vernachlässigung
    (das Ignorieren grundlegender körperlicher und seelischer Bedürfnisse)

Mehr Infos bei UNICEF: www.kurzelinks.de/unicef-was-ist-gewalt

Hilfe bei traumatischen Erlebnissen

Mal angenommen, ein Vater beleidigt eine Erzieherin lautstark, baut sich drohend vor ihr auf, drängt sie in eine Ecke, bereit zuzuschlagen. Nach der Situation bricht die Erzieherin zusammen. Die Kolleginnen und Kollegen kümmern sich rührend. Wie kann ihr aber darüber hinaus geholfen werden?

Auch psychische Belastungen durch einen solchen Vorfall können als Arbeitsunfall gelten. Die Betroffene sollte sich deshalb an einen Durchgangsarzt (D-Arzt) oder eine -ärztin wenden. Deren Adressen sind in der Kita bekannt. D-Ärzte können dann ärztliche oder psychologische Psychotherapeuten und -therapeutinnen in das berufsgenossenschaftliche Heilverfahren einbinden und das sogenannte Psychotherapeutenverfahren der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) in Gang setzen. Darüber bekommt die betroffene Person schnelle psychologische Hilfe, meist innerhalb einer Woche. Voraussetzung ist natürlich ein Hinweis der Betroffenen auf eine psychische Beeinträchtigung oder Traumatisierung – entweder direkt beim Unfallversicherungsträger oder aber beim D-Arzt. Einige Unfallversicherungsträger, etwa die BGW, bieten auch eine telefonisch-psychologische Beratung mit speziell geschulten Psychotherapeutinnen oder -therapeuten an. Da sollte man sich bei seinem zuständigen Unfallversicherungsträger erkundigen, ob er dies ebenfalls anbietet. Ziel ist immer, einer Entstehung und Chronifizierung von psychischen Belastungen vorzubeugen.

Muss bei jedem Vorfall eine Unfallanzeige erfolgen?

Hier muss man immer den Einzelfall ansehen. Nicht jede verbale Attacke oder Drohgebärde wird als Arbeitsunfall gewertet werden können. Grundsätzlich ist es aber sinnvoll, jeden Vorfall zumindest zu dokumentieren, indem man beispielsweise eine Notiz im Verbandbuch macht. So hat man es direkt greifbar, sollte sich herausstellen, dass eine Situation doch nachwirkt. Es ist ja denkbar und nachvollziehbar, dass jemand zunächst davon ausgeht, allein klarzukommen, und sich erst nach einiger Zeit zeigt, dass die Belastung zu groß ist. Dann kann immer noch eine Kontaktaufnahme zum Unfallversicherungsträger erfolgen und der Verbandbucheintrag dient als Beleg dafür, was wann passiert ist.

Wie kann man sich die Beratung vorstellen?

Es geht erst mal darum, den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, das Erlebte mit Profis aufzuarbeiten. Dafür sind bis zu fünf probatorische Sitzungen angesetzt. Sie sind nicht verpflichtend, sondern nur ein niederschwelliges Angebot und dienen der Krisenintervention – unabhängig von Kausalitätsfragen. Danach wird der Bedarf an weiterer psychotherapeutischer Unterstützung geprüft. In der Regel finden die Sitzungen in einer Psychotherapiepraxis statt.

Was können Kitas im Vorfeld tun?

Sinnvoll ist eine Art Notfallplan. Damit ist es möglich, souverän und sicher zu agieren, sollte es einmal zu aggressiven oder gewalttätigen Vorfällen kommen, was ja zum Glück nicht sehr häufig ist. Es gibt dazu eine Vorlage aus der DGUV-Schrift „Gut vorbereitet für den Ernstfall“, die man für die eigene Einrichtung anpassen kann (siehe: www.dguv.de, Webcode: p206017).

Die Fragen beantwortete Helmut Tusk, Fachbereichsleiter Rehabilitation der Berufs­genossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), Bochum.

 

Ausführliche Online-Infos der BGW zu Hilfe nach Extremereignissen:
www.kurzelinks.de/extremerlebnis

sowie
Notfallplan – Gewalt und Aggression gegen Beschäftigte in Betreuungsberufen:
www.kurzelinks.de/notfallplan-aggression

Informationen zum Psychotherapeutenverfahren:
www.dguv.de, Webcode: p012733

 

Natur hautnah erleben

Mit den Händen in der Erde wühlen, Pflanzen gießen, Käfer beobachten, Minzblätter pflücken, daran riechen, in den Mund stecken: Gartenarbeit ist für Kinder ein tolles Erlebnis. „Gärtnern ist generell für jedes Alter sehr spannend“, sagt Geoökologin Birgitta Goldschmidt von der Bundesarbeitsgemeinschaft Schulgarten. Beete in Kindergärten böten eine tolle Chance, sich hautnah mit der Natur auseinanderzusetzen. Allerdings sind einige Sicherheits- und Hygieneregeln zu beachten, damit bei der Gartenarbeit niemand zu Schaden kommt.

 

KURZ GESAGT!

_Gartenarbeit spricht alle Sinne an _

_Wenige, aber klare Regeln aufstellen und auf Einhaltung pochen

_Beete räumlich sichtbar von der Spielfläche abtrennen

 

Birgitta Goldschmidt rät den Einrichtungen, beim Gärtnern klein anzufangen. Im Kita-Alter gehe es weniger um das klassische „Säen, Pflanzen, Ernten“. Später für Schulkinder sei spannend zu beobachten, wie eine Pflanze langsam wächst und Früchte trägt. Doch für jüngere Mädchen und Jungen ist die Wartezeit viel zu lang. Im Mittelpunkt steht vielmehr das sinnliche Erleben von Natur.

Natur mit allen Sinnen erleben

„Der beste Weg ist übers Essen“, sagt Birgitta Goldschmidt. Dabei gilt die klare Regel: Bei allem, was gegessen wird, muss vorher gefragt werden. Weil Kinder sich Früchte draußen am liebsten direkt in den Mund stecken, müssen sie zudem lernen: „Vorher alles mit Trinkwasser abwaschen!“ Denn an Obst und Gemüse können sich Urin oder Kot von Tieren befinden, die Krankheiten wie Salmonellen oder Toxoplasmose übertragen können.

Die Umweltexpertin empfiehlt, die Beete im Außenbereich räumlich von der Spielfläche abzutrennen. Ein kleiner Zaun zeigt den Kindern: Was dahinter wächst, kann – theoretisch – gegessen werden. Deshalb sei es sinnvoll, im Kindergarten auf Kulturobst oder Kräuter zu setzen. Gemüse erfordere beim Anbau nicht nur mehr Geduld, gibt die Goldschmidt zu bedenken, sondern viele Pflanzenteile seien zudem nicht essbar: So enthalten Nachtschattengewächse wie Kartoffeln oder Tomaten in allen grünen Pflanzenteilen, teilweise auch in den Früchten, mehr oder weniger hohe Konzentrationen an giftigen Alkaloiden. Zupft hingegen ein Kind unreife Himbeeren oder Johannisbeeren vom Strauch und probiert sie, „dann schmecken die zwar nicht“, sagt Birgitta Goldschmidt, „aber sie sind auch nicht giftig“.

Naschen und matschen

Die Erzieherinnen und Erzieher müssen sicher wissen, was die Kinder essen dürfen. „Grundsätzlich gilt: Wenn sie nicht 100-prozentig sicher sind, bleibt die Pflanze stehen. Punkt!“ Das ist übrigens eine wichtige Regel, die Kinder fürs ganze Leben lernen: lieber einmal mehr eine Pflanze im Buch nachschlagen, als ein Risiko einzugehen. Vorsicht sei auch bei Pflanzen geboten, die leicht verwechselbar seien, warnt Birgitta Goldschmidt, etwa Bärlauch, der dem giftigen Maiglöckchen sehr ähnlich sieht. Darauf sollten Kindergärten verzichten. Einen Überblick, welche Pflanzen giftig oder gänzlich ungeeignet fürs Kitagelände sind (z. B. Ambrosia, Herkulesstaude), sollten Erzieherinnen und Erzieher ohnehin haben.

Bei der Gartenarbeit rät Birgitta Goldschmidt, die Kinder viel mit den Händen arbeiten zu lassen. Schon Kleinkinder lieben es, in Sand und Erde zu wühlen. Kommt noch Wasser hinzu und es entsteht Matsch, ist das Glück perfekt. „Das hat eine therapeutische Wirkung.“ Außerdem stärkt der Kontakt mit den Mikroorganismen in der Erde das Immunsystem. Wichtig ist allerdings, danach gründlich die Hände zu waschen. Das gilt immer nach der Gartenarbeit, vor allem vor dem Essen.

Aufsicht gewährleisten

Kinder haben auch viel Spaß daran, Laub zusammenzurechen. Oder mit kleinen Gießkannen Wasser für die Pflanzen zu holen. „Im Idealfall sollen sie dafür Regenwasser verwenden“, empfiehlt Birgitta Goldschmidt. Das sei besser für die Pflanzen – und für die Umwelt. Die Regentonne muss mit einem Deckel gegen ein Hereinfallen gesichert sein. Außerdem muss die Tonne sicher stehen, auch wenn sie leer ist. Eine wichtige Regel lautet außerdem, dass niemand Regenwasser trinken darf. Vor allem bei kleineren Kindern ist – auch deshalb – eine gute Aufsicht wichtig. Im Zweifel sollten die Erzieherinnen und Erzieher lieber auf Nummer sicher gehen und die Kinder mit Trinkwasser aus dem Hahn gießen lassen. „Aber normalerweise halten sich die Kinder sehr gut an die Regeln“, sagt Birgitta Goldschmidt. „Und sie lernen im Garten eine Menge fürs Leben“.

 

Tipps für sicheres Gärtnern

  • Wichtig sind klare Regeln.
  • Zum Trinken eignet sich nur Trinkwasser, Regenwasser ist tabu.
  • Vor dem Verzehr einer Pflanze muss immer eine erwachsene Person gefragt werden, ob die Pflanze essbar ist.
  • Wird etwas geerntet, sollte es vor dem Verzehr mit Trinkwasser abgewaschen werden.
  • Nach der Gartenarbeit und vor allem vor dem Essen gilt: Hände waschen.
  • Erzieherinnen und Erzieher sollten über die angebauten Pflanzen gut Bescheid wissen.
  • Eltern nach Allergien der Kinder fragen (Insektengift, Schimmelsporen etc.).
  • Regentonnen müssen einen Deckel haben, damit niemand reinfallen kann.

 

 

Welche Pflanzen sind giftig, welche nicht? Die Broschüre zeigt‘s:
www.dguv.de, Webcode: p202023

Eine Vorlage für ein Plakat mit Gartenregeln sowie eine Liste mit tollen Links zum Thema Gärtnern mit Kindern finden Sie auch hier:
www.kinderkinder.dguv.de/garten

Viel mehr als nur ein grüner Daumen

Die Tätigkeit als Gärtner bringt mich in Kontakt mit Kindern, die mir als Großvater von zwei Enkelkindern sehr am Herzen liegen. Sie stellen mir viele Fragen, wenn sie mich bei meiner Arbeit beobachten, und ich freue mich, ihren Wissensdurst zu stillen und ihnen die Natur sowie den achtsamen Umgang mit Pflanzen und Tieren näherzubringen. Wir Erwachsenen sind da Vorbilder. Wenn die Kinder draußen spielen, muss ihre Sicherheit an erster Stelle stehen. Das habe ich stets im Blick. Durch den guten Kontakt zur Kita und den pädagogischen Fachkräften habe ich auch immer ein offenes Ohr für weitere Anliegen – wenn in der Kita etwas zu reparieren, aufzubauen oder zu verschönern ist, oder wenn im Rahmen der pädagogischen Arbeit etwas handwerkliches Geschick gefragt ist, helfe ich jederzeit gerne.

Acht Tipps und eine Bitte für Ihre Gesundheit

1. Denken Sie an Ihren Rücken und beugen Sie Fehlbelastungen vor.

Bücken, Kinder tragen und heben, häufig ungeeignetes Mobiliar für die Erwachsenen – Sie haben einen Knochenjob. Denken Sie an die richtigen Bewegungsabläufe und machen Sie regelmäßig Ausgleichsübungen. Wie das geht? Beispiele unter: www.ukrlp.de, Webcode: 1912

2. Stärken Sie Ihr Immunsystem!

Regelmäßige Bewegung an der frischen Luft, ausreichend Schlaf und ausgewogene, vitaminreiche Ernährung halten Ihre Abwehrkräfte fit.

 

3. Regelmäßig, aber nicht zu oft die Hände waschen.

Waschen Sie die Hände, wenn sie deutlich verschmutzt sind, vor dem Essen und nach dem Wickeln und Toilettengang. Nur milde Reinigungsmittel verwenden und regelmäßig eincremen. Wie´s genau geht, steht hier: www.kinderkinder.dguv.de/hauptsache-gesund

4. Sonnenschutz ist auch für die Großen wichtig!

Verwenden auch Sie Sonnenschutzmittel mit hohem LSF, eventuell Sonnenhut und Sonnenbrille, wenn Sie sich bei Sonnenschein draußen aufhalten. Weitere Tipps unter: www.kurzelinks.de/sichere-kita-sonnenschutz und www.dguv.de, Webcode: d1028607

5. Versuchen Sie, Lärm zu vermeiden.

Sehen Sie leise Spielzeiten vor, sensibilisieren Sie die Kinder für Lärm, gehen Sie oft mit den Kindern nach draußen – besonders, wenn Sie lärmintensive Aktivitäten planen. Teilen Sie, wenn möglich, die Gruppen auf. Weniger Kinder, weniger Lärm. Weitere Hinweise in dieser Broschüre der Unfall-kasse NRW (PDF): www.kurzelinks.de/laerm-in-kitas

6. Betreiben Sie unbedingt Selbstfürsorge!

Sie arbeiten in einem sehr bereichernden, aber auch unglaublich anstrengenden Beruf. Versuchen Sie herauszufinden, wo Ihre Kraftquellen liegen, und zapfen Sie diese regel mäßig an. Lernen Sie eine beliebige Entspannungstechnik. Nehmen Sie sich bewusst die Zeit für sich! Auch Fortbildungen zu Achtsamkeit und Selbstfürsorge sind eine gute Investition.

7. Trinken Sie ausreichend viel!

Auch wenn es immer hoch hergeht: Denken Sie ans Trinken. Das kommt auch Ihrer Stimme zugute. Mindestens 1,5 Liter am Tag sollten es sein – am besten Wasser oder ungesüßte Tees.

8. Machen Sie Pausen …

Leichter gesagt als getan? Abgesehen davon, dass Sie einen gesetzlichen Anspruch auf eine Pause haben, ist es auch fahrlässig, diese regelmäßig auszulassen. Sie werden unkonzentriert und unaufmerksam. So können brenzlige Situationen entstehen. Interessant: aug.dguv.de  ▸ Suche: Pausenkultur

 

 

Bitte: Lassen Sie sich impfen

Wenn noch nicht geschehen: Lassen Sie sich bitte gegen Covid-19 impfen. Das schützt Sie und andere vor einem schweren Krankheitsverlauf. Haben Sie trotzdem ganz individuelle Befürchtungen, die Sie bislang vom Impfen abgehalten haben, sprechen Sie Ihren Arzt oder Ihre Ärztin an und lassen Sie sich ergebnisoffen beraten.
Eine Impfberatung gibt es auch hier:
www.psychologie.uni-greifswald.de/gemeinsam/covid-impfberatung/

Hasi muss mit

Frau Finger, eigentlich sind pädagogische Fachkräfte doch froh, wenn Eltern im Aufnahmegespräch die Frage nach einem Übergangsobjekt bejahen. Warum gibt es diesbezüglich trotzdem Redebedarf?

Fea Finger: Solange ein Kind noch in der Eingewöhnung ist, werden die Kuscheltiere, Schnul-lis oder was auch immer ein Kind als sein Übergangsobjekt auserkoren hat akzeptiert, weil ja bekannt ist, dass diese Gegenstände eine Art Brücke nach Hause schlagen. Sie machen für Kinder den Übergang in die außerfamiliäre Betreuung leichter. Aber nach ein paar Wochen heißt es oft: „Nun leg das doch mal weg. Das brauchst du doch jetzt nicht mehr.“ Oder die Eltern werden gebeten, dass der Hase oder das Kuscheltuch doch ab jetzt bitte zu Hause bleiben soll.

Und das kritisieren Sie?

Unbedingt. Aus Sicht des Kindes ist das Festhalten an einem Übergangsobjekt eine hervoragende Strategie, sich selbst zu regulieren, um Stress abzubauen. Festhalten ist da durchaus wörtlich gemeint. Man darf ja nicht vergessen, dass die Kinder nun viele Stunden von ihren primären Bezugspersonen getrennt sind, sich an viele neue Menschen und Abläufe gewöhnen müssen. Das ist eine große Herausforderung für so kleine Menschen und unvorstellbar anstrengend. Manches Kind sucht dann Halt beim Teddy, Schnuller oder dem Kuscheltuch, das so schön nach Geborgenheit, Schutz und Sicherheit duftet.

Aber die Aufforderung, das auch mal wegzulegen, weil es etwa beim Spielen behindert, die ist doch legitim?

Das Kind hat ja in dem Moment ein Bedürfnis und dieses Bedürfnis muss gestillt werden. Bevor das nicht passiert, findet das Kind überhaupt nicht ins Spiel. Das konnte ich in meiner jahrelangen Praxis in verschiedenen Einrichtungen immer wieder beobachten. Die Kinder kooperieren, legen ihr Übergangsobjekt zur Seite – im schlimmsten Fall bekommen sie es auch weggenommen, weil die Erzieherin sich nicht viel dabei denkt – aber das Kind wird nicht spielen. Es wird vermutlich auch nicht weinen. Es wird versuchen, die Situation auszuhalten. Für die Beziehung zwischen der Fachkraft und dem Kind ist so etwas aber auf keinen Fall gut. Erst wenn diese gefestigt ist, sich das Kind sicher fühlt und richtig angekommen ist, wird es sein Übergangsobjekt von allein weglegen.

Wie lange kann das dauern?

Das kann ganz unterschiedlich sein. Wochen, Monate. Manche Kinder brauchen ihr Übergangsobjekt auch nur noch beim Ankommen und bei den Mikroübergängen, die gerade für die Kleinen oft eine Verunsicherung bedeuten.

Hat es etwas mit dem Alter zu tun, wachsen Kinder da raus?

Das würde ich nicht unbedingt sagen, es gibt auch Vier- oder Fünfjährige, die in bestimmten Situationen ihr Übergangsobjekt noch brauchen. Man sollte das durchaus mal positiv sehen: Die Kinder wissen, wie sie sich regulieren können! Das ist doch eine großartige Kompetenz!

Wohin mit den Teddys und Tüchern, wenn die Kinder sie gerade nicht brauchen oder etwa beim Essen wirklich im Weg sind?

Die Fachkraft kann dem Kind das Angebot machen, den Teddy auf ein Regal oder einen benachbarten Stuhl zu setzen – wichtig ist aus meiner Sicht, dass das Objekt im Machtbereich des Kindes bleibt und es jederzeit darauf Zugriff hat. Viele Kinder lassen sich darauf ein, manche aber nicht, da muss man sich dann eine andere Lösung überlegen. Weniger gut finde ich, wenn dem Kind gesagt wird: Wir tun das jetzt weg und du bekommst es dann später wieder. Das ist für Kinder nicht greifbar.

Ich stelle es mir schwierig vor zu unterscheiden, ob ein Kind sein Übergangsobjekt noch aus einem echten Bedürfnis dabei hat oder aus Gewohnheit und es auch gut im Eigentumsfach „warten“ könnte.

Wenn die Fachkraft eine gute Beziehung zu dem Kind hat, wird sie einschätzen können, was mit ihm gerade machbar ist und was nicht und womit es ihm gut geht. Der Prozess sollte ergebnisoffen sein. Aus meiner Sicht ist es adultistisch, einfach zu entscheiden: Das Kind hat das Bedürfnis jetzt gar nicht, also nehme ich ihm das Tuch, den Teddy oder den Schnulli weg. Punkt. Die Botschaft dahinter ist: Dein Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit ist nichts wert und ungerechtfertigt.

Kommt das vor?

Ja, sicher. Besonders wenn Kinder abgelenkt scheinen. Für die Kinder ist das trotzdem schrecklich. Oft geschieht es durchaus in guter Absicht. Etwa weil befürchtet wird, der Teddy könnte schmutzig werden oder verloren gehen. Aber ich habe noch nie erlebt, dass in der Kita etwas für immer verschwunden ist. Man sucht ja ständig irgendetwas. Und eigentlich findet sich alles wieder. Und was dreckig geworden ist, kann man meistens waschen.

Das Thema Hygiene ist doch sicher unter dem Aspekt Corona nochmals wichtiger geworden.

Ja, anfangs hieß es, dass möglichst wenige Gegenstände von zu Hause mit in die Kita gebracht werden dürfen, und wir haben sehr darauf geachtet. Wenn es ein Übergangsobjekt gab, dann sollte auch immer nur dieses eine mitgenommen werden und nicht noch etwas anderes. Inzwischen ist das alles wieder sehr locker geworden. Aber jede Einrichtung wird sich dazu Gedanken gemacht haben. Ich finde es wichtig, hinsichtlich echter Übergangsobjekte das Bedürfnis der Kinder in den Mittelpunkt zu stellen und eventuell bei der Hygiene Abstriche zu machen. Bei Corona sind bestimmt andere Aspekte entscheidender.

Willkommen, Welt!

Hûn bixêr hatin! Hoş geldiniz! Bine ati venit! Benvenuti! Welcome! Ob auf Kurdisch, Türkisch, Rumänisch, Italienisch oder Englisch – im Weltkinderhaus Magdeburg sollen sich alle willkommen fühlen. Egal, woher sie kommen. Das geht aber nur, wenn man sich versteht. Gar nicht so einfach. Denn für fast Dreiviertel der Eltern sei Deutsch nur die Zweitsprache, sagt Kitaleiter Sebastian Schmidt.

Das Weltkinderhaus liegt in einer Gegend, die geprägt ist von einem hohen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund und von hoher Arbeitslosigkeit. Die regionalen Medien benutzen oft die Begriffe „sozialer Brennpunkt“ oder „Problemviertel“, wenn sie über diesen Stadtteil namens Neue Neustadt berichten. Die Kita, die dort in einer denkmalgeschützten Villa aus dem 19. Jahrhundert untergebracht ist, stellt diesem Image ihr Konzept, Kitasozialarbeit und ihre Haltung entgegen: Aus der sozialen und kulturellen Vielfalt ziehen sie hier das Positive, suchen nach Lösungen statt nach Problemen. „Es ist ein anspruchsvoller Job, der einem täglich viel Geduld, Verständnis und Ideenreichtum abverlangt“, unterstreicht Sebastian Schmidt.

 

KURZ GESAGT!

  • Damit die Eingewöhnung gelingt, ist das Überwinden der Sprachbarriere ein entscheidender Faktor
  • Schafft Vertrauen: Willkommensgruß in der Heimatsprache, Ansprechen der Eltern mit Namen, Infos mit Fotos statt Texten
  • Fachkräfte brauchen Lösungskreativität, Geduld, Beständigkeit und eine persönliche Haltung – das hilft den Kindern beim Ankommen

 

Suche nach kreativen Lösungen

Die Eingewöhnung in die Kita und eine Willkommenskultur sind für ihn zwar zwei unterschiedliche Paar Schuhe. „Sie lassen sich aber nicht voneinander trennen.“

Die Sprachbarriere zu überwinden, ist eine Herausforderung für die Kita. Mehrsprachige Bücher sind eine Möglichkeit.

Die Sprachbarriere zu überwinden, ist für das Gelingen des Übergangs von der Familie in die Kita ein entscheidender Faktor. Deshalb ist der Willkommensgruß in den Sprachen aller Familien zu finden, deren Kinder die Kita besuchen. Ein kleines Zeichen, um von Anfang an den Kontakt herzustellen. Ein weiteres sind die Fahnen der 19 Länder, die im Eingangsbereich aufgehängt sind. „Ein Vater, der kaum Deutsch spricht, stand im Hausflur, zeigte auf die Flagge von Kamerun und lächelte“, erinnert sich Sebastian Schmidt. Das Eis war gebrochen. „Solche Aufmerksamkeiten ebnen den Weg.“

Herzlich willkommen! Mit Flaggen ihrer Herkunftsländer werden Eltern und Kinder im Eingangsbereich begrüßt.

Die vielen kleinen Dinge führen in der Summe dazu, dass die Eltern ihre Kinder bei den pädagogischen Fachkräften in guten Händen wissen. „Wir nehmen uns vor, die Eltern mit Familiennamen anzusprechen“, gibt Erzieherin Simone Renhak ein Beispiel – auch wenn die Aussprache mitunter nicht einfach sei. Aber diese persönliche Note helfe dabei, Vertrauen aufzubauen: „Das ist ein Zeichen der Wertschätzung.“

Gleichwohl: Um eine Erziehungspartnerschaft aufzubauen, reichen derlei Gesten nicht aus. „Wir haben gutes Material“, sagt Renhak, die über das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ als Fachkraft für Sprache und Integration im Weltkinderhaus arbeitet. Die Broschüren und Checklisten nutzen Piktogramme und Bilder, etwa um den Eltern zu veranschaulichen: Was sind eigentlich diese Matschklamotten oder diese Gummistiefel, die unsere Kinder benötigen?

Was sind eigentlich Gummistiefel? Die Broschüren und Checklisten zeigen es den Eltern auch mit Bildern.

Simone Renhak arbeitet über das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ als Fachkraft für Sprache und Integration im Weltkinderhaus.

Der Speiseplan der Woche hängt gar nicht erst in Schriftform aus. Jedes Gericht ist mit einem Foto abgebildet. Zudem signalisieren kleine Symbolbilder, ob das jeweilige Essen Schwein, Huhn, Rind oder Milch enthält, um den religiösen und kulturellen Gepflogenheiten Rechnung zu tragen. „Wir wollen, dass wir als Einrichtung mit unserer Einstellung und Vielfalt akzeptiert werden“, sagt Sebastian Schmidt. „Da müssen wir auch genauso die andere Seite akzeptieren und nicht auf dem Schweineschnitzel beharren. So kann ein respektvolles Miteinander wachsen.“

Auf dem Speiseplan sind alle Gerichte mit einem Foto abgebildet. Außerdem zeigen kleine Symbolbilder, ob das Essen etwa Milch oder Fleisch enthält.

Fingerspitzengefühl ist gefragt

Bei der Kommunikation mit den Eltern ist viel Fingerspitzengefühl gefragt. Zum Beispiel wenn ihnen die Eingewöhnung erklärt wird, die im Weltkinderhaus angelehnt an die Phasen des Berliner Modells abläuft. Mal will die eine Mutter ihr Kind nur „schnell betreut wissen“, weil sie das so aus ihrer Heimat kennt, wo vielleicht die Großmutter immer auf die Kinder aufgepasst hat. Mal will sich die andere Mutter gar nicht lösen. „Es ist manchmal ein ganz schöner Spagat“, sagt Sebastian Schmidt. Denn die Eingewöhnung der Kinder und das Mitnehmen der Eltern seien eng miteinander verknüpft. „Die kulturelle Vielfalt führt dazu, dass jeder anders abgeholt werden muss, damit auch ihre Kinder in der Kita ankommen.“ Das verlange den 15 Erzieherinnen und Erziehern im Weltkinderhaus eine Menge ab, ist sich der Kitaleiter bewusst.

Das Weltkinderhaus arbeitet auf zwei Etagen nach dem offenen Konzept. Die Kinder können also recht frei zwischen den Themenräumen wählen. Mal spielen sie im Familienzimmer mit der Kinderküchenzeile oder dem Kaufmannsladen, mal konstruieren sie im Bauraum mit Lego, Duplo oder Holzbausteinen, dann verkleiden sie sich im Märchen- und Musikzimmer. Vieles, wie zum Beispiel das Spielzeug, ist in den Räumen mehrsprachig beschriftet. Außerdem gibt es eine kleine Bibliothek mit zweisprachigen Kinderbüchern. Studierende der örtlichen Hochschule kommen regelmäßig in die Kita und lesen vor, abwechselnd in Deutsch und in ihrer Muttersprache. Dieses Tandemlesen fördert den Spracherwerb.

Kniffliger wird es bei Elterngesprächen, für die mehr Zeit als gewöhnlich eingeplant werden muss. Wenn es beispielsweise um die Aufnahme geht, helfen entweder eine Kurdisch- und Arabischdolmetscherin aus einem städtischen Projekt oder Familienangehörige, die als Sprachmittler fungieren. Für den kurzen Austausch in Hol- und Bringsituationen muss meist improvisiert werden. Übersetzungs-Apps auf Smartphones leisten ihren Dienst, zumindest um grobe Ideen zu vermitteln. Wenn alle Stricke reißen, bleibt als letztes Mittel noch „die Kommunikation mit Händen und Füßen“, so Simone Renhak. Irgendwie bekommen sie es in Magdeburg aber immer hin.

Sicherheit durch Kontinuität

Zu Renhaks Aufgaben gehört es, den Kontakt zu den Eltern zu halten. Dabei muss sie anfangs oft mit falschen Vorstellungen aufräumen, was eine Kita überhaupt leisten kann: Nein, Kita ist nicht wie Schule, macht sie dann deutlich. Oder dass keine Einzelbetreuung stattfinde. Oder dass es nicht egal sei, ob die Kinder nun um acht oder um elf Uhr gebracht würden. Stattdessen erklärt sie, dass es am besten für die Kinder sei, wenn sie regelmäßig zur gleichen Zeit gebracht würden: „Kontinuität ist wichtig, gibt Orientierung und führt letztendlich zur emotionalen Sicherheit bei den Kindern.“

Die tägliche Arbeit bedeutet für die pädagogischen Fachkräfte: viel zeigen, viel wiederho-en, einfache Sprache benutzen. Geht es zum Händewaschen, wird das Wort beispielsweise gleichzeitig mit einer Geste untermalt. „Die Kinder lernen von sich aus beim Spielen“, sagt Renhak. „Und sie lernen schnell. Wichtig ist, dass die Kinder Freude am Sprechen haben.“

Ganz schön bunt: Kinder aus 19 Ländern besuchen das Weltkinderhaus. Beim Spielen miteinander haben alle sichtlich Spaß. Und: „Die Kinder lernen von sich aus beim Spielen“, sagt Simone Renhak.

Das bereitet dann auch den Erzieherinnen und Erziehern Freude. „Das Schönste ist, wenn uns die Kinder eines Tages auf Deutsch ansprechen und wenn sie von sich aus anfangen zu erzählen“, sagt Renhak. Dann weiß sie: Die Arbeit und der Aufwand, die Familien von Anfang an mitzunehmen, haben sich gelohnt.

„Die persönliche Haltung, Ideenreichtum, Lösungskreativität, Geduld und Beständigkeit führen zum Ankommen der Kinder“, resümiert Sebastian Schmidt. „Wenn die pädagogische Fachkraft nun noch transparent machen kann, was der elternhausergänzende Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag der Kita ist, was sie leisten kann und wo ihre Grenzen sind, versteht man in jeder Sprache die Gegebenheiten zum Ankommen und ebnet letztendlich den Weg für ein Miteinander.“

Beziehungsabbrüche

Stabile Beziehungen zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern sind wichtig für deren Entwicklung. Was also tun, wenn mit einer Erzieherin oder einem Erzieher eine wichtige Bezugsperson die Kita verlässt?

Kinder neigen dazu, die Verantwortung für solche Beziehungsabbrüche zu übernehmen. Deshalb ist es wichtig, ihnen altersgerecht die Gründe für den Abschied zu erklären. Zieht eine Erzieherin um oder kann sie krankheitsbedingt nicht mehr arbeiten, lässt sich darüber mit den Kindern sprechen. Schwieriger ist es, wenn sie die Kita wegen der Arbeitsbedingungen oder Konflikten innerhalb des Teams verlässt. Entscheidend ist in jedem Fall, dass die Trennung benannt wird und dass man „Tschüss“ sagen kann. Das ist ein ganz wichtiges Ritual und macht es den Kindern leichter, innerlich damit klarzukommen.

Wie kann es gelingen, dass der Abschied nicht zu hart wird?

Die Kinder müssen emotional mitgenommen und begleitet werden. Das braucht einen gewissen Vorlauf. Dann können die Kinder beispielsweise zum Abschied etwas vorbereiten und in der Gruppe darüber sprechen. Es kann eine gute Idee sein, ein kleines Abschiedsfest zu feiern, damit es für die Ki-der einen Abschiedspunkt gibt.

Was passiert, wenn eine Erzieherin in der Eingewöhnungsphase geht?

Das ist eine ganz sensible Zeit, denn schon die Trennung von den Eltern ist ein enormer Einschnitt für die Kinder. Je jünger sie sind, desto stabiler sollte die Beziehung zu den Erzieherinnen und Erziehern sein und desto mehr Kontinuität braucht es. In den ersten zwei Lebensjahren entsteht ein Urvertrauen, eine Sicherheit. Das können Kinder durch eine gute Eingewöhnung auf eine Person übertragen. Es kommt vor, dass Kinder in der Krippe zu der Erzieherin „Mama“ sagen. Ich begleite die Eltern oft dahingehend, dass sie dann nicht eifersüchtig sind, sondern dass es ein positives Zeichen ist: Das Kind nimmt die Erzieherin als eine Person an, die sich um es sorgt und an die es sich wenden kann. Wenn das Kind anfängt, das Vertrauen auf eine Person zu übertragen, die dann wegbricht, kann das eine Verunsicherung und sogar einen Rückschritt in der Entwicklung bedeuten.

Spielt das Alter der Kinder generell eine Rolle?

Je jünger die Kinder sind, desto wichtiger ist es, dass es einen reibungslosen Übergang gibt und sie nicht ohne Bezugsperson in der Luft hängen. Die Jüngeren – insbesondere im v orsprachlichen Bereich – sind darauf angewiesen, dass ihre Gefühle reguliert und ihre Bedürfnisse wahrgenommen werden. Im Vorschulbereich beschäftigen sich die Kinder dagegen schon mit Abschied und Trennung, sie lösen sich ja innerhalb ihres Kita-Alltags schon von ihren Erzieherinnen. Dennoch ist es wichtig, mit ihnen über den bevorstehenden Abschied zu sprechen.

Kann ein Abschied – ein Beziehungsabbruch also – auch positive Effekte für die Kinder haben?

Er muss gut begleitet sein, dann kann er Entwicklungsprozesse in Gang bringen. Es hängt vor allem davon ab, was die Ursache für den Abschied ist und wie er kommuniziert wird.

Den Kindern hilft es also bei der Verarbeitung, über den Abschied zu sprechen. Wie sieht es mit den pädagogischen Fachkräften selbst aus?

Egal, wie konflikthaft die Situation mit Kollegen und Vorgesetzten am Ende möglicherweise auch gewesen sein mag: Für die eigene psychische Gesundheit ist ein Abschied wichtig, weil es zwar eine professionelle Beziehung ist, aber eben auch wichtige Beziehungen, die man mit den Kindern eingeht.

Auch für die Eltern ist es ein Einschnitt, eine Art Beziehungsabbruch, wenn ihr Kind in die Kita kommt. Was müssen die Erzieherinnen und Erzieher bei diesem Übergang beachten?

Für die Eingewöhnung ist Elternarbeit enorm wichtig. Es geht darum, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Gerade für Mütter ist es oft ein schwerer Schritt, das Kind in die Kita zu geben. Da sollte kein großer Druck ausgeübt werden. Meine Erfahrung ist, dass Erzieherinnen und Erzieher dafür einen sehr guten Blick haben. Es sind eher die Eltern, die falsche Vorstellungen haben, wie die Eingewöhnung abläuft: Okay, am 1. Oktober muss ich wieder arbeiten, dann könnten wir doch eine Woche vorher mit der Eingewöhnung anfangen. Den Eltern muss verdeutlicht werden, wie so ein Abschieds-prozess gestaltet werden kann und dass die Eingewöhnung auch sechs bis acht Wochen dauern kann.

Wenn etwas Neues beginnt

KURZ GESAGT!

  • Die gezielte Analyse von Mikroübergängen lohnt sich – auch für die Fachkräfte
  • Gerade Situationen mit Wartezeiten sind für alle herausfordernd
  • In Mikroübergängen liegt ein großes Lernpotenzial

Amy weint. Gerade hat die Eineinhalbjärhige noch auf dem Bauteppich gespielt, jetzt heißt es: Alle gehen raus in den Garten. Nicht nur, dass sie ihr Spiel unterbrechen soll, jetzt wird es auch wieder wuselig und laut, weil Schuhe, Jacken und Sonnenhüte angezogen werden müssen. Für Amy ist das der pure Stress.

Mikrotransitionen, also die kleinen Übergänge im (Kita-)Alltag sind gerade für Krippenkinder enorme Herausforderungen. Werden die Kleinen dadurch quengelig, unruhig oder zeigen ihre Überforderung durch konflikthafte Interaktionen, überträgt sich das wiederum häufig auf die pädagogischen Fachkräfte, die weniger gelassen reagieren, als sie möchten und es angemessen wäre. Deshalb ist es wichtig, dass sich die pädagogischen Fachkräfte intensiv mit den kleinen Übergängen beschäftigen und Wege finden, sie behutsam und sensibel zu begleiten. Das sollte nicht „en passant“ geschehen, findet Fortbildnerin Helia Schneider. Sie plädiert dafür, sich im Team gezielt dafür Zeit zu nehmen und typische Übergangssituationen zu analysieren.

Sicherheit durch Skripte

Kinder brauchen Routinen und Rituale. Sie wissen etwa: Wenn ich dieses bestimmte Lied höre, wird gleich aufgeräumt und etwas Neues beginnt. Im pädagogischen Fachjargon spricht man davon, dass sie innere „Skripts“ zu den verschiedenen Situationen und Übergängen bilden (Nelson 2009, Gutknecht 2015)*. Diese vermitteln Struktur, Verlässlichkeit, Orientierung – und damit Sicherheit. Durch eine durchdachte Gestaltung von Alltagsroutinen unterstützen die Fachkräfte die Bildung dieser inneren Drehbücher. Sind sie fest verankert, kann sich ein Kind auch nach und nach davon lösen. Es wird selbstständiger und kann sich besser selbst regulieren. Ein wichtiger Lernprozess. „Zunächst sollten die Abläufe ohne größere Veränderungen immer gleich gestaltet sein, um die Kontinuität zu wahren, vor allem bei jungen Kindern“, sagt Helia Schneider. Rituale, die Kindern helfen, die Übergangsgestaltung gut zu bewältigen, können auch auf sinnlicher Ebene verankert werden, zum Beispiel durch einen Klang, einen Geruch, mit einer Bewegung, einem Lied oder einem Spruch. Manche Teams verständigen sich deshalb darauf, dass von allen Fachkräften die gleichen Gesten, Sprüche oder Lieder verwendet werden. Schneider indes sieht das eher kritisch: „Das finde ich persönlich einschränkend, denn es kann dazu führen, dass sich Fachkräfte unauthentisch verhalten.“ Davon habe niemand etwas.

Wartezeiten sind kritisch

Will sich ein Team gezielt die Alltagssituationen und Übergänge vornehmen und das Thema bearbeiten, sollte es Schritt für Schritt vorgehen. „Zählen Sie doch einmal an einem Tag die Wartezeiten der Kinder in Minuten zusammen“, schlägt die Expertin vor. „Wo lässt sich Wartezeit reduzieren?“ Denn während des Wartens kippt ganz häufig die Stimmung. „Besonders die Garderobensituation wird immer wieder von vielen Fachkräften als sehr stressig empfunden.“ Gerade hier entstehen oft Wartezeiten, die die Kinder als frustrierend und quälend wahrnehmen. Was also tun? „Der wichtigste Tipp: Die Gruppe teilen. So entsteht von vornherein weniger Gewusel und die Fachkraft kann sich dem einzelnen Kind zuwenden und sich auch mehr Zeit nehmen zu assistieren, zu erklären, über das Wetter und die richtige Kleidung zu sprechen.“ Nach und nach werden dann auch die übrigen Kinder der Gruppe an die Garderobe geschickt. Für die Kinder, die bereits fertig sind, sollte ein Ankerplatz in der Nähe sein. Den Begriff hat die Kindheitspädagogin Dorothee Gutknecht geprägt. Er meint einen festgelegten Ort etwa im Flur, an dem attraktives Material dazu einlädt, die Wartezeit spielend zu überbrücken. Geeignet sind da etwa Wandpaneele, Drehscheiben, Spiegel, eine Bücherkiste oder auch ein Aquarium, um Fische zu beobachten. Von diesem Ankerplatz aus geht es dann nach draußen. Ankerplätze sind generell ein wertvolles Mittel, um bestimmte Übergänge, die mit dem Wechsel von Räumen und Aktivitäten zu tun haben, zu strukturieren. Es zeigt sich immer wieder, dass räumliche Gegebenheiten die Gestaltung von Mikrotransitionen maßgeblich beeinflussen und bei deren Planung oder Reflexion berücksichtigt werden müssen.

In Mikrotransitionen liegt ein großes Bildungspotenzial. Sind sie gut gestaltet, bieten sie Kindern eine Vielzahl an Lernerfahrungen. Dies zu erkennen und zu fördern ist die Aufgabe und die Kompetenz der pädagogischen Fachkräfte.

* Nelson, K. (2009): Young minds in social worlds: Experience, meaning, and memory. Cambridge: Harvard University Press. Gutknecht, D. (2015): Bildung in der Kinderkrippe. Wege zur professionellen Responsivität. Stuttgart: Kohlhammer.

Fragen zur Gestaltung von Übergängen

  • In welcher Situation befindet sich das Kind gerade? Ist es vertieft in ein Spiel, ist es hungrig?
  • Wer kündigt den Übergang an? Die pädagogische Fachkraft selbst? Ein von ihr beauftragtes Kind? Eine Kollegin? Eine „magische Figur“ oder Puppe?
  • Über welchen Wahrnehmungsweg kündigt sich der Übergang an: durch einen Klang, ein visuelles Zeichen, eine Berührung, einen Duft?
  • In welche Situation kommt das Kind anschließend und wie ist diese Situation vorbereitet? Gibt es eine Kollegin, die die Kinder empfängt? Welcher Vorbereitung bedarf der Raum bzw. Platz (Wickelplatz, Schlafraum, Waschraum, Morgenkreis)? Gibt es hilfreiche Markierungen in der neuen Situation (z. B. Sitzkissen)? Kommen die Kinder in einen dunklen oder hellen Raum? Welchen Wahrnehmungsreizen ist das Kind ausgesetzt? Soll die Atmosphäre beruhigend und spannungsabbauend oder anregend sein?

Quelle: Dorothee Gutknecht: Mikrotransitionen: Kleiner Wechsel, große Wirkung – Übergänge im Krippenalltag sensibel gestalten, Entdeckungskiste 1 / 2013, Verlag Herder

Gut vernetzt

Viele der Projekte wurden ursprünglich von Kolleginnen oder Kollegen angestoßen und betreut. „Oft ergibt sich das durch die Mitarbeiterjahresgespräche, bei denen die Beschäftigten ein Jahresziel formulieren sollen“, erklärt die Kitaleiterin Romy Damme im Gespräch. Es ginge darum, welche Idee oder welchen Plan die Person in den kommenden zwölf Monaten im Sinne der Einrichtung verantwortlich umsetzen möchte. Weil dabei auf individuelle Interessen und Stärken eingegangen werde, seien die Beschäftigten mit Freude und Motivation dabei. Auf diese Weise kam etwa der Kinderyogakurs zustande, den es in Zukunft geben wird.

Wichtig ist, dass die Angebote möglichst nichts oder nur wenig kosten. Denn den Eltern, die meistens ohnehin nicht viel Geld haben, kann man zusätzliche Kosten nicht zumuten. Die Einrichtung selbst hat ein bestimmtes Budget, aber manche Ausgaben übersteigen auch dieses. Die Kita hält deshalb auch Ausschau nach Fördermöglichkeiten. Ob frisches Obst (EU-Schulobstprogramm) oder Milch (EU-Schulmilchprogramm) oder auch Workshops zu naturwissenschaftlichen Themen und Material zur Naturbeobachtung (wikilino) – bei Bummi ist man findig, bestehende Förderprogramme oder passende Wettbewerbe aufzuspüren und daran teilzunehmen.

Neben der Finanzierbarkeit der Projekte achtet die Kitaleitung auch stark darauf, dass sie inhaltlich passend sind, denn viele der Kinder haben sprachliche und motorische Defizite. So kommt es, dass manche Projekte, die zunächst vielversprechend klangen, nicht weitergeführt werden, wie etwa das Frühenglisch „Happy English“. „Davon haben die Kinder nicht profitiert“, bilanziert die stellvertretende Leiterin Theresa Schuwerak. Stattdessen kommt nun wöchentlich ein junger Mann der Kirchengemeinde und singt und musiziert mit den Kindern. An einem anderen Tag der Woche lauschen die Kleinen der Vorlesepatin Anita.

 

Steckbrief AWO-Kita Bummi

  • Träger ist die AWO Kindertageseinrichtungen Halle (Saale) gGmbH
  • liegt in Halle-Neustadt, ein Viertel mit einem großen Anteil an Familien in prekären Lebensverhältnissen, viele haben eine Migrationsgeschichte
  • 14 pädagogische Fachkräfte plus Praktikantinnen und FSJler betreuen …
  • … etwa 100 Kinder zwischen 8 Wochen und 6 Jahren in drei Nestgruppen und Elementargruppen
  • nimmt am Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ teil und wurde bereits zum 4. Mal als „Gesunde Kita“ zertifiziert

 

Öffentlichkeitsarbeit durch persönliche Kontakte

Die Kindertageseinrichtung ist generell sehr gut in ihrem Umfeld vernetzt. Während enge Verbindungen zur örtlichen Grundschule und zum Hort für Kitas eine Selbstverständlichkeit sind, gibt es bei Bummi auch regelmäßigen Kontakt zur Sparkasse (die die Einrichtung gelegentlich mit einer Spende unterstützt), zum Altenheim und zu örtlichen Geschäften. Es ist ein Geben und Nehmen und ein gutes Miteinander im Stadtteil – getragen vor allem über persönliche Kontakte. „Das ist eine Form von Öffentlichkeitsarbeit“, meint Kitaleiterin Romy Damme schmunzelnd.

Mit dem Sportverein gibt es bereits seit Jahrzehnten gemeinsame Projekte, das hat beinahe Tradition, und Bewegungsförderung ist im Konzept der Kita Bummi ein entscheidender Baustein zur gesunden Entwicklung der Kinder.

Bewegungsangebote sind bei Bummi ein wichtiger Baustein des Konzepts.

Durch das Engagement einer Kollegin besteht auch ein guter Austausch mit einer Holz- und Textilwerkstatt, in der Menschen arbeiten, die für den ersten Arbeitsmarkt „fit gemacht“ werden sollen. Dort hilft man gern für kleines Geld aus, wenn etwa das riesige Puppenhaus grundsaniert werden muss. Theresa Schuwerak:„Da haben beide Seiten etwas von. Wir freuen uns und die sich ebenso.“ Neben den Projekten für die Kinder bietet die Kita aber auch in Kooperation mit Fachstellen, den „frühen Hilfen“ und den vielen Angeboten ihres Trägers Unterstützung für Familien (nicht nur) in schwierigen Situationen an. „Hier kümmert sich vor allem unsere Resilienzfachkraft, ohne die wir das nicht schaffen würden“, erklärt Romy Damme.

Trotz der umfangreichen Öffnung der Kita nach außen mit vielen Partnerinnen und Partnern ist die Kita recht gut durch die Coronapandemie gekommen. Manche Projekte und Aktionen wurden an die Gegebenheiten angepasst, andere neu entwickelt, nur wenige sind völlig weggebrochen. Das Fazit bislang: „Wir sind noch mehr zusammengerutscht. Unsere Kinder haben das wirklich prima gemacht und gut verkraftet.“

 

TIPPS

  • Angebote des Trägers sichten und wahrnehmen
  • Im Viertel nach Kooperationspartnern / Unterstützern Ausschau halten und persönlich ansprechen, z. B. Apotheke, Ladengeschäfte, Sparkasse, Kirchengemeinden, Sportvereine, Polizei (Verkehrssicherheit) und Feuerwehr (Brandschutzerziehung)
  • Budget für Fortbildungen nutzen, um die Stärken und  Interessen der Beschäftigten zu fördern
  • Angebote der Frühförderstellen nutzen, guten Kontakt halten
  • „Fertige“ Projektideen und Material externer Anbieter nutzen (z. B. Haus der kleinen Forscher)
  • An Wettbewerben, Projekten oder Förderprogrammen teilnehmen, die ohne viel Aufwand realisierbar sind (z. B. EU-Schulprogramme, Präventionsprogramme der Kranken- und Unfallkassen)

Hau(p)tsache gesund!

 

Haut schützen

Bei Arbeitsbeginn, vor hautbelastenden Tätigkeiten und nach dem Händewaschen eine Hautschutzcreme auftragen und einmassieren. Dabei auch Fingerzwischenräume, Nagelfalze und Handgelenke berücksichtigen. Die Creme stärkt die Barrierefunktion der Haut.

Hände waschen

So oft wie nötig, aber so selten wie möglich. Denn häufiges Händewaschen lässt die Haut austrocknen. Bei sichtbarer Verschmutzung und nach dem Toilettenbesuch die Hände und Fingerzwischenräume mit einem pH-hautneutralen, duftstofffreien Präparat gründlich waschen und danach sorgfältig mit einem Einmalhandtuch trocknen. Anschließend sollten die Hände wieder eingecremt werden.

Hände desinfizieren

Das Desinfizieren der Hände ist hautschonender und deshalb dem Waschen vorzuziehen, sofern es keine sichtbaren Verschmutzungen gibt. Alkoholbasierte, rückfettende Desinfektionsmittel verwenden, deren Wirksamkeit geprüft ist. Ausreichende Menge sorgfältig in die trockenen Hände einreiben und einwirken lassen. Vor dem Umgang mit Lebensmit-teln und vor der Versorgung von Wunden sowie nach der Versorgung von erkrankten Kindern (Durchfall, Erbrechen, Atemwegsinfektionen) und nach dem Kontakt mit Blut oder Ausscheidungen anwenden – auch wenn bei der Tätigkeit Handschuhe getragen wurden.

Handschuhe tragen

Das Tragen von Einmalschutzhandschuhen kann bei möglichem Kontakt mit Blut, Ausscheidungen, Schmutzwäsche oder anderem keimbehafteten Material verhindern, dass die Hände anschließend gewaschen werden müssen. Keine gepuderten Handschuhe verwenden (Allergiegefahr, Hautreizung) und nur über vollständig getrocknete Hände ziehen. Nach Beendigung der Tätigkeit die Handschuhe ausziehen und die Hände desinfizieren.

Hände pflegen

Am Ende des Arbeitstags und darüber hinaus in der Frei-zeit fetthaltige, duftstofffreie Hautpflegecreme auftragen und einmassieren. Das unterstützt die Hautbarriere bei der Regeneration.

Weitere Infos

Einen übersichtlichen „Hautschutz- und Händehygieneplan für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kindertagesstätte“ gibt es auf der Internetseite der BGW: www.bgw-online.de

Lesen Sie ein Interview mit Prof. Dr. med. Manigé Fartasch vom Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV (IPA). Darin erklärt die Dermatologin unter anderem, was die Corona-Hygieneregeln für den Hautschutz bedeuten und was bei der Hautpflege zu beachten ist: www.kinderkinder.dguv.de/handpflege

Früh kneippt sich auch in der Kita

Kneippen ist mehr als nur eine Wasseranwendung: In der Kita, die meine Tochter besucht, lernen die Kinder durch die regelmäßige Bewegung viel über ihre Gesundheit, sie machen wichtige Körpererfahrungen und stärken ihr Immunsystem. An den Kneipptagen und Kneippevents wechseln sich Bewegungs- und Ruhephasen ab. Das machen die Kinder ganz eigenständig. Sie sind da sehr vertieft und geben uns Erwachsenen auch mal Tipps – denn auch die Eltern dürfen beim Wassertreten mitmachen. Und jedes Jahr bekommt jedes Kind ein Teil zur Vervollständigung seines eigenen Kneippsäckchens mit Massagebällen, Bürsten und warmen Socken. Bei Austritt aus der Kita nehmen sie das Säckchen und die gesammelten Erfahrungen dann mit.

Mit Vorsicht zu behandeln

KURZ GESAGT!

  • Bestandsaufnahme: In jeder Kita gibt es Gefahrstoffe
  • Viele Stoffe lassen sich durch ungefährlichere Alternativen ersetzen
  • Kinder verstehen altersgerechte Erklärungen, warum gefährliche Stoffe für sie tabu sind

Sie glauben nicht, dass es in Ihrer Kita Gefahrstoffe gibt? Dann Sie wissen ja, dass beides so gar nicht zusammenpasst: kleine Kinder und gefährliche Substanzen. Aber was ist mit dem lösemittelhaltigen Alleskleber, den Sie zwar weit hinten in der Schublade aufbewahren, aber manchmal doch einsetzen, weil sich nicht alles mit Bastelleim kleben lässt? Natürlich ist er für die Kinder tabu. Doch dann kommt Neele und sagt, ihr wäre ein Malheur passiert, und so bleibt die Tube auf dem Tisch liegen, während Sie schnell die Bescherung aufwischen und dem Kind beim Umziehen helfen. Alltag eben. Ob sich alle Kinder erinnern, dass dieser Kleber nur von Ihnen benutzt werden darf?! Carolin Langer ist Aufsichtsperson der Unfallkasse Sachsen. Für eine solche Situation empfiehlt sie: „Wenn wirklich keine Zeit ist, den Klebstoff wegzuräumen, muss die Erzieherin um Unterstützung bitten.“ In den Gruppenräumen haben Produkte, die Gefahrstoffe enthalten, nämlich absolut nichts verloren. In einem Materiallager, zu dem Kinder keinen Zutritt haben, gibt es auch für die Tube Alleskleber einen sicheren Platz. Tipp der Fachfrau: „Im Idealfall hat die Tür zum Materialraum einen Knauf, damit Kinder sie nicht selbstständig öffnen können. So wird außerdem von vornherein vermieden, dass jemand vergisst, die Tür abzuschließen.“

Bestandsaufnahme und Gefahrstoffverzeichnis

Hilfreich kann es sein, etwa an „Aufräumtagen“ eine Bestandsaufnahme zu machen, welche Stoffe und Arbeitsmaterialien, die in der Einrichtung verwendet werden, potenziell gefährlich sind. Erkennbar sind sie an den rautenförmigen Symbolen mit rotem Rand auf der Verpackung. Manchmal tauchen auch noch alte Produkte mit orangefarbenen Symbolen auf. „Die dürfen zwar weiterverwendet, aber nicht mehr verkauft werden“, erklärt Sebastian Hellmann, ebenfalls Aufsichtsperson der Unfallkasse Sachsen. „Aber ganz egal, ob neue oder alte Symbole: Die Beschäftigten müssen wissen, was sie bedeuten. Damit das so ist, müssen sie unterwiesen werden.“

Gefahrstoffe, das können lösemittelhaltige Far-ben, Lacke und Verdünner sein, auch Haushaltschemikalien für die Küchen- und Sanitärreinigung. Diese sind ätzend oder reizend, ebenso wie Spülmaschinenmittel, Bleiche und Entkalker. Spraydosen enthalten oft leicht entzündliche Treibgase, die als gefährlich eingestuft werden. Hellmann: „Die Gefahrstoffverordnung schreibt eigentlich ein Gefahrstoffverzeichnis vor. Wenn aber nur sehr geringe Mengen an Gefahrstoffen vorhanden sind, kann darauf verzichtet werden. Eine Übersicht über den Bestand sollte aber in jedem Fall vorhanden sein.“

 

Warum ein Gefahrstoffverzeichnis sinnvoll ist

Das Gesetz schreibt vor, dass überall dort, wo Gefahrstoffe eingesetzt werden, ohne Ausnahme eine Gefährdungsbeurteilung gemacht werden muss (§ 6 der Gefahrstoffverordnung). Die Gefährdungsbeurteilung kann etwa anhand der Sicherheitsdatenblätter der jeweiligen Produkte durchgeführt werden, die man von den Webseiten der Hersteller beziehen kann und die Sie ohne-hin griffbereit haben sollten. Wenn die Gefährdungs-beurteilung ergibt, dass nur eine geringe Gefährdung von den Stoffen ausgeht, müssen die Stoffe nicht in ein Gefahrstoffverzeichnis aufgenommen werden. Trotzdem hat ein Gefahrstoffverzeichnis Vorteile: Sie bekommen so einen raschen Überblick über die vorhandenen Gefahrstoffe in Ihrer Einrichtung und können beurteilen, welche womöglich gar nicht mehr benötigt und entsorgt oder aber durch andere, ungefährlichere ersetzt werden könnten. Auch bei möglichen Notfällen haben Sie so alle Informationen schnell zur Hand.

Mehr zu den gesetzlichen Vorgaben und deren Umsetzung in der Praxis finden Sie unter www.komnet.nrw.de in den Dialogen mit den Nummern 13207, 22273, 18145 und 2971. Tipp: Lassen Sie sich von Ihrer Fachkraft für Arbeitssicherheit beraten!

 

Reinigungsmittel kindersicher aufbewahren

Unvermeidbare Gefahrstoffe, selbst in Kindertageseinrichtungen, sind Reinigungsmittel. Ob Spülmaschinentabs, Handspülmittel oder Sanitärreiniger: Das alles gehört nicht in Kinderhände. Aber auch wenn es hinter geschlossenen Schranktüren aufbewahrt wird: Kinder sind findig. Überall dort, wo Kinder unbemerkt hineingehen können, müssen gefährliche Produkte so aufbewahrt werden, dass sie unzugänglich für die Kleinen sind. Das heißt also: Schränke absperren oder die Mittel weit nach oben räumen. Auch auf der Personaltoilette und in der Küche. „Außerdem dürfen Gefahrstoffe nicht neben Lebensmitteln oder anderen harmlosen Stoffen und Gemischen gelagert werden und schon gar nicht in Lebensmittelbehältern, wie Joghurtbechern oder Saftflaschen“, führt Hellmann aus.

Sonderfall Desinfektionsmittel

Bedingt durch die Coronapandemie sind inzwischen überall Desinfektionsmittel vorhanden. Viele Kinder mögen den Geruch und bedienen sich gern. Aber: Desinfektionsmittelspender sollten fest und immer außerhalb der Reichweite von Kindern montiert sein. Carolin Langer warnt: „Desinfektionsmittel sind Gefahrstoffe und dürfen nicht in Kinderhände gelangen. Ihre Anwendung muss auf die im Hygieneplan vorgesehenen Tätigkeiten beschränkt sein.“

Es ist immer besser, nicht nur ein Verbot auszusprechen, sondern es auch zu begründen. Die meisten Kinder sind wissbegierig und können schon – abhängig vom Alter und Entwicklungsstand – kindgerechte Erklärungen verstehen, warum bestimmte Sachen nicht für sie geeignet sind. Mit älteren Kindern können Sie dazu sogar kleinere Experimente machen, zum Beispiel um die Wirkung von säurehaltigen Reinigungsmitteln vorzuführen: Geben Sie dazu einige Tropfen Essigreiniger oder Entkalker auf ein Stück Eierschale. Es beginnt leicht zu schäumen, die Schale löst sich. Klar, dass diese Mittel auch für die Haut nicht gut sein können. Generell bietet es sich an, überall, wo es möglich und sinnvoll ist, milde und unbedenkliche Stoffe – am besten mit dem Kennzeichen Blauer Engel – zu verwenden. Carolin Langer meint dazu: „Prüfen Sie vor dem Einsatz eines Gefahrstoffs immer, ob dieser nicht durch ein ungefährliches Produkt ersetzt werden kann. Falls das gelingt, schließen Sie Gefährdungen für Kinder und sich selbst aus.“ Denn: Wo immer Gefahrstoffe vermieden werden können, dankt das nicht nur die Gesundheit, sondern (meistens) auch die Umwelt.

 

Achtung Notfall

Gefahrstoffe können, abhängig von ihren Eigenschaften, zu akuten Vergiftungen, Verätzungen, Reizungen oder erbrennungen führen. Bei schweren Gefahrstoffunfällen kontrollieren Sie immer die Vitalfunktionen (Atmung, Puls, Bewusstsein) und wählen Sie den Notruf (112)! Stellen Sie Reste des Gefahrstoffs oder das Etikett sicher. Bei weniger schweren Gefahrstoffunfällen und Anzeichen einer Vergiftung kontaktieren Sie den Giftnotruf oder den ärztlichen Bereitschaftsdienst (116 117).

Telefonnummern des Giftnotrufs
Berlin: 030 19240
Bonn: 0228 19240
Erfurt: 0361 730730
Freiburg: 0761 19240
Göttingen: 0551 19240
Mainz: 06131 19240
München: 089 19240

www.kurzelinks.de/gift-notruf

 

 

Mehr erfahren!?

Die Broschüre „Gefahrstoffe in Grundschulen und
Kindertageseinrichtungen“ geht vertieft auf die Problematik ein (PDF): www.kurzelinks.de/9sc7

Kleine Experimente zu Chemie im Alltag gibt es in einer PDF-Broschüre vom Haus der kleinen Forscher: www.kurzelinks.de/mm6i

 

 

„So oft wie nötig, so selten wie möglich“

Manigé Fartasch
Foto: Volker Wiciok/Lichtblick

Warum schadet das Händewaschen eigentlich der Haut?

Manigé Fartasch: Beim Händewaschen gelangt Flüssigkeit in die Hornzellen und in die Zwischenräume der Hornzellen. Dadurch kommt es zur Quellung der Hornschicht. Wenn das mit Detergenzien – also Reinigungsmitteln wie Seifen oder Waschlotionen – kombiniert wird, dann wird die Hornschicht, die Barriere der Haut, geschädigt.

Das klingt so, als wäre es besser auf das Händewaschen zu verzichten…

Fartasch: Aus dermatologischer Sicht wäre es besser, wenn man die Hände desinfiziert und nicht mit Seife wäscht. Desinfektionsmittel sollten alkoholbasiert sein und zusätzlich rückfettende Substanzen enthalten. Das ist hautschonender, als die Hände zu waschen. Man kennt das aus Krankenhäusern und Kliniken. Dort werden die Hände nur nach dem Toilettenbesuch mit Seife gereinigt oder wenn es optisch sichtbare Verschmutzungen gibt. Ansonsten reicht das Desinfizieren mit alkoholbasierten Desinfektionsmitteln. Aus Sicht des Hautschutzes gilt die Faustformel: Händewaschen so oft wie nötig, aber so selten wie möglich.

Was ist, wenn man die Haut erst wäscht und dann desinfiziert?

Fartasch: Wenn Sie beides kombinieren, wird die Haut noch mehr geschädigt. In Krankenhäusern wird dies weitgehend vermieden.

Nun lässt sich Händewaschen selbstverständlich nicht gänzlich vermeiden. Was ist für Kitas bei Seifen oder Waschlotionen zu beachten? Ist der pH-Wert entscheidend?

Fartasch: Man kann nicht grundsätzlich sagen, dass allein der pH-Wert ein Garant für die Hautverträglichkeit ist. Die Zusammensetzung der Reinigungsmittel ist dafür ausschlaggebend. Im Prinzip ist es so: Alles, was schnell reinigt, ist auch hautreizend. Mittel, die eine sehr hohe Reinigungswirkung haben, haben andererseits auch eine größere hautschädigende Wirkung. Auf jeden Fall empfiehlt es sich, duftstofffreie Reinigungsmittel zu verwenden, auch wenn nicht alle Duftstoffe Allergien auslösen.

Inwiefern können Einmalschutzhandschuhe die Erzieherinnen und Erzieher beim Wickeln oder der Wundversorgung schützen?

Fartasch: Es ist besser, Handschuhe zu tragen, als die Hände waschen zu müssen. Handschuhe dienen also dazu, die Waschfrequenz zu reduzieren und haben dadurch einen positiven Effekt. Nach dem Ausziehen der Handschuhe sollten Erzieherinnen und Erzieher nicht unbegründet die Hände mit Seife waschen, sondern sie desinfizieren. Wenn sie beim Wechsel der Handschuhe schwitzen, dann sollten sie die Hände besser nur mit Wasser abspülen und gut abtrocknen, bevor sie die nächsten Handschuhe anziehen.

Vor der Arbeit sollten pädagogische Fachkräfte Hautschutzcremes auftragen, nach der Arbeit Hautpflegecremes. Worin besteht der Unterschied?

Fartasch: In Hautschutzmitteln sind Inhaltsstoffe, die die Hornhaut nicht durchlässig machen und sie eher stabilisieren. Wenn das Präparat das DGUV-Prüfzeichen „Wirksamkeit geprüft“ trägt, kann man eher sicher sein: Es bringt etwas. Dadurch ist nachgewiesen, dass es bei der Anwendung zu einer geringeren Schädigung der Hautbarriere oder der Haut an sich kommt. Manche Hautpflegemittel enthalten Zusätze, die die Hornschicht durch Zusätze wie zum Beispiel Harnstoff dagegen etwas durchlässiger machen können, damit die pflegenden Substanzen tiefer in der Hornschicht einwirken können. Das ist beim Umgang mit verschiedenen reizenden oder chemischen Stoffen nicht wünschenswert, deswegen sollten sie erst nach der Arbeit aufgetragen werden und die Hände damit gepflegt werden, damit sich so die Barriere besser regenerieren kann.

In der Corona-Pandemie gehört häufiges Händewaschen zu den Hygieneregeln. Was hat das für Auswirkungen auf die Haut?

Fartasch: Bei Kindern, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die sich häufiger die Hände waschen müssen oder sollen, kann ein irritatives Kontaktekzem entstehen. Darunter versteht man eine Entzündung der Haut aufgrund der Reizung, die zum Beispiel durch das häufige Händewaschen entsteht. Es zeigt sich in trockener, rissiger Haut, die manchmal mit Rötungen einhergeht.

Wer ist besonders anfällig dafür?

Fartasch: Wenn man in der Kindheit – insbesondere im Bereich der Hände – Neurodermitis hatte, besteht bei Feuchtarbeiten ein erhöhtes Risiko, an einem irritativen Kontaktekzem zu erkranken oder Schübe einer Neurodermitis im Bereich der Hände zu bekommen. Wenn man zu dieser Gruppe gehört, sollte man die Hände besonders gut pflegen – und zwar vorbeugend, bevor Hautveränderungen auftreten.

Müssen Kinder eigentlich andere Reinigungs- und Hautpflegemittel benutzen als Erwachsene?

Fartasch: Nein, es können die gleichen Produkte verwendet werden. Die Unterschiede beim Hautschutz sind nicht so groß, dass man hier spezielle Produkte bräuchte.

 

 

 

Krieg in der Ukraine

Hilfen für Geflüchtete und Menschen, die sich um sie kümmern

Die Unfallkasse Berlin hat einen 12-seitigen Ratgeber „Trauma – was tun?“  veröffentlicht, der aus aktuellem Anlass auch ins Ukrainische und ins Russische übersetzt wurde. Er liefert Informationen für alle, die mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen zu tun haben – also Fachkräfte, aber auch Eltern.

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Die Langfassung dieser Broschüren (44 Seiten, 3,40 € Schutzgebühr inkl. Porto) und weiteres Material zu Traumata bei Kindern und Jugendlichen gibt es beim Zentrum für Trauma- und Konfliktmanagement (nur auf Deutsch).

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Der Onlinekurs „Trauma im Kontext Flucht und Asyl – Herausforderungen in nicht- therapeutischen Berufen“ vermittelt Basisinformationen für Helfende und Unterstützende – aus aktuellen Gründen derzeit kostenlos.

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Hilfreiche Texte und pädagogische Hinweise zu Trauma und Flucht im Kontext Kita gibt es (seit 2015) auf den Seiten des Niedersächsischen Instituts für frühkindliche Bildung und Entwicklung (Nifbe).

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„Folgen einer Flucht für Eltern und Kinder“ – Eine Informationsbroschüre für Familien, Angehörige, Lehrkräfte, Helfende und alle Interessierten von zwei Psychologinnen der Uni Marburg (PDF).

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„Vom Umgang mit traumatisierten Kindern in Kindertagesstätten“ – Skript eines Workshops des Kinderschutzbunds Münster zum Thema mit konkreten Ideen für die Praxis (PDF).

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Sprachbarrieren überwinden

Wenn die ersten Kinder in der Kita ankommen und weder sie noch die Mütter Deutsch verstehen, sind Bildwörterbücher praktisch. Dazu gibt es z. B. diese:

Wort-Bildkarten

mit Aussprachhilfe

Bei Gesundheitsthemen können Sie zum Übersetzen auch das Ethno- Medizinische Zentrum kontaktieren.

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Übrigens: Alle Hilfsorganisationen (Caritas, Diakonie, AWO, Rotes Kreuz etc.) können eine Übersetzerin oder einen Übersetzer vermitteln.

Umfassende Sammlungen

Kleine Kinder müssen besonders feinfühlig begleitet werden, wenn es darum geht „Krieg“ zu erklären, Ängste zu nehmen und den Kindern Sicherheit zu vermitteln. Wie das gelingen kann, dazu hat sich die Online-Akademie für mehr Qualität in Kitas Gedanken gemacht und Tipps zusammengetragen: Es gibt Literaturhinweise für pädagogische Fachkräfte, Hilfestellungen für die Eltern, Leseempfehlungen für Kinder  – und wer etwas tun möchte, um ein Zeichen zu setzen, findet auch Basteltipps.

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In dieser Sammlung gibt es neben einem Vorschlag für einen Gesprächsleitfaden „Mit Kindern über den Krieg sprechen“ auch Buchtipps, Hinweise auf passende Lieder und Links zu zahlreichen weiteren Materialien für die Arbeit mit Kindern.

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Diese Sammlung von Materialien und Online-Ressourcen für ukrainische Kinder und Jugendliche wurde von der Lehrerin Claudia Potthoff zusammengestellt (@alles_sophie). Einiges könnte im Kontext Kita ebenfalls nützlich sein. (Übrigens lohnt es sich, die Plattform Taskcards mit dem Stichwort „Ukraine“ zu durchsuchen – man stößt auf weitere gute Pinnwände.)

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Für Kitas kirchlicher Träger ist diese Materialsammlung eventuell hilfreich.

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Dieses Material zu Frieden und Krieg, Streit und Vertragen ist von den Sternsingern für Kitas und Kindergruppen entworfen worden (aber es ist in weiten Teilen auch für nicht-konfessionelle Kitas interessant).

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Basteln zum Thema Frieden

Friedenskraftkarten: 10 DIN A4-Poster-Vorlagen zum Ausmalen mit dem Wort Frieden in 10 verschiedenen Sprachen. Kostenloser Download von Labbé – aus Gründen…

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Eine Vorlage für einfache Friedenstauben aus Papier.

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Hier gibt es noch weitere Basteltipps für Kitas.

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Das macht auch Spaß: Steine bemalen und zu einem Friedenssymbol legen, Peace-Zeichen aus Papptellern gestalten, Origami-Tauben falten (für Fortgeschrittene), Friedensstele aus Kanthölzern bauen (Seiten bemalen und mit „Frieden“ auf verschiedenen Sprachen beschriften). Viele Ideen finden Sie auf Pinterest.

Buchtipps

Frieden

Schönes Bilderbuch für Kinder ab 4 Jahren: Was brauchen wir für Frieden? Nicht allzu viel: eine Umarmung, jemand, der deinen Namen richtig ausspricht. Frieden braucht Mut und Geborgenheit. In kurzen Reimen erzählt das Buch, wie wenig und wie viel für Frieden nötig ist. Großformatige, in warmen Farben gehaltene Bilder laden ein, zu erzählen, zu träumen und zu philosophieren.

Zum digitalen Buch

Empfehlungsliste der avj

Wie ist es, wenn es Krieg gibt?

Bilderbuch mit etwas mehr Text für Kinder ab 5: Was ist der Unterschied zwischen Streit und Krieg? Was passiert, wenn Krieg ist? Wie setzen sich Menschen für Frieden und Sicherheit ein?

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Es ist Platz für alle

Bilderbuch für Kinder ab 4 Jahren: Das Buch ist ein Plädoyer für mehr Toleranz und Gemeinschaft. Überall gibt es Menschen, die um noch mehr Platz kämpfen. Warum streiten die Menschen ständig darum? Es wäre doch genug Platz für alle da, wenn alle ein bisschen freundlicher wären.

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Der Nord-Süd Verlag stellt seine Bücher zum Thema Frieden bis auf weiteres kostenlos digital zur nicht-kommerziellen Nutzung zur Verfügung:

Sechs Männer von David McKee

Zum digitalen Buch

Empfehlungsliste der avj

Die Fleckenfeder von Johanna Ries 

Zum digitalen Buch

Varenka  von Bernadette

Zum digitalen Buch

Der Regenbogenfisch stiftet Frieden von Marcus Pfister

Zum digitalen Buch

Der geheimnisvolle Koffer von Herrn Benjamin von Pei-Yu Chang 

Zum digitalen Buch

Wem gehört der Schnee? von Pei-Yu Chang 

Zum digitalen Buch

 

Weitere geeignete Bücher für Kinder ab drei Jahren hat der Evangelische Kita-Verband Bayern zusammengetragen.

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und sonst?

Corona… — das gab es ja auch noch. Die wichtigsten Informationen des Bundesintegrationsamts  dazu gibt es derzeit leider nur auf Russisch.

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[Stand: 6.5.2022]

Gemeinsam stark

Hört man sich im Kitateam von Pikkolo in Bonn um, fallen immer wieder ähnliche Begriffe: „tolle Kollegen“, „freundschaftliches Verhältnis“ oder „familiäre Atmosphäre“. Auch Jomon Tharayil George benutzt diese Worte. Seit mehr als 15 Jahren arbeitet der Erzieher, den alle nur Jo nennen, für Pikkolino. „Ich genieße es jeden Tag, hierherzukommen und zu arbeiten.“ Zum einen, weil er seinen Beruf liebt und ihm das Herz aufgeht, wenn er die Entwicklung der Kinder beobachten kann. Zum anderen aber auch wegen des Arbeitsklimas, an dem alle ihren Anteil haben – angefangen vom Träger über die Kitaleitung bis hin zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

KURZ GESAGT!

  • Gute Teams haben gemeinsame Werte und klare Rollenverteilung
  • Wertschätzender Umgang miteinander, auch bei Meinungsverschiedenheiten
  • Feedbackkultur, Partizipation und Transparenz fördern den Zusammenhalt

Das übergeordnete Ziel ist für alle bei Pikkolino die optimale Förderung und Entwicklung der Kinder. Sie sind überzeugt: Der Weg dahin führt nur über ein gutes, funktionierendes Team. „Das Wir-Gefühl zeichnet uns aus“, betont Kitaleiterin Helene Zahn. „Wir haben gemeinsame Werte und Spielregeln für die Zusammenarbeit.“ Die fallen allerdings nicht vom Himmel, sondern sind das Ergebnis harter Arbeit. Voraussetzungen für gelungenes Teamwork seien eine gute Organisation und eine klare Rollenverteilung, führt Zahn aus. Ein respektvoller Umgang und ehrliche Transparenz gehörten ebenfalls zwingend dazu. „Nicht jeder muss alles können. Ein gutes Team erkennt und würdigt die Stärken jedes Einzelnen.“ Oder wie es George veranschaulicht: „Eine Kollegin singt vielleicht nicht gerne, backt dafür aber sehr gut. Eine ist bei der schriftlichen Dokumentation besser, die andere kann dafür tolle Turnstunden planen.“ Alle setzen ihre Stärken also zum Wohle aller ein – müssen aber auch zu ihren Schwächen stehen.

Ziele benennen stärkt das Miteinander

Die Kommunikation ist offen, dabei aber zugleich wertschätzend. „Feedback hilft. Gerade wenn etwas nicht so gut läuft“, sagt Erzieherin Kristina Jonen. „Aber die Wortwahl muss stimmen.“ Wichtig sei außerdem das klare Formulieren von Zielen, „damit alle an einem Strang ziehen und es ein Miteinander und kein Gegeneinander ist“.

Als Beispiel nennt sie die Regeln für den Außenbereich. Da sich die Gruppen coronabedingt nicht mehr mischen durften, musste der Garten mit den Spielgeräten in drei Bereiche aufgeteilt werden. „Wir haben bei der Diskussion versucht, auf einen Nenner zu kommen. Schließlich stehen die Kinder im Vordergrund.“

Knackpunkt war dabei auch ein kleines Gerätehäuschen, in dem Spielgeräte untergebracht sind. Sollten sich die älteren Kinder daraus selbst Bobbycars holen dürfen? Dazu gab es unterschiedliche Standpunkte. Die Erzieherinnen stimmten mehrheitlich dafür ab und probierten es aus. „Auch wenn vielleicht nicht alle zufrieden sind, müssen alle die Entscheidung akzeptieren“, stellt Kitaleiterin Zahn klar. „Wir halten uns an getroffene Vereinbarungen. Zwei Wochen später wird dann bewertet, Probleme und Herausforderungen offen angesprochen.“ Ergebnis in diesem Fall: Es herrschte ein ziemliches „Verkehrschaos“ auf den Wegen und niemand fühlte sich für das Wegräumen der Bobbycars zuständig. Erkenntnisgewinn: Wir rudern zurück und geben den Kindern wieder selbst das Spielzeug raus.

Dürfen sich die älteren Kinder selbst Bobbycars aus dem Gerätehäuschen holen? Darüber wurde im Team viel diskutiert.

Helene Zahn lässt ihren pädagogischen Fachkräften einen großen Handlungs- und Entscheidungsspielraum. „Ich möchte, dass die Beschäftigten sehen, dass ich ihre Arbeit wertschätze. Ich versuche, nichts zu bestimmen“, sagt sie. Lieber lenkt sie in persönlichen Gesprächen, per E-Mail oder mit Nachrichten in der gemeinsamen WhatsApp-Gruppe sanft in die Richtung, dass sich freiwillig jemand findet, der die Verantwortung für ein bestimmtes Projekt übernimmt. Und auch bei Entscheidungen, die sie allein treffen muss, versucht sie, die Fachkräfte einzubeziehen. „Wenn Mitarbeiter wissen, worum es geht, schafft das Transparenz.“

Alle können eigene Ideen einbringen

Das kommt gut an. Bei Jana Wolf etwa. Die Erzieherin arbeitet erst seit August bei Pikkolino, hat den Zusammenhalt im Team und das gute Arbeitsklima aber schnell bemerkt. „Es gibt regelmäßiges Feedback, es wird nicht hinter dem Rücken kommuniziert“, sagt die 28-Jährige. „Wenn du etwas gut machst, wirst du dafür gelobt.“ Die konstruktive Kritik nimmt sie gern an, „weil ich mich dann verbessern kann. Das ist sehr motivierend.“ Außerdem bekomme jeder viel Verantwortung und könne eigene Ideen einbringen.

Von ihrem früheren Arbeitgeber kennt sie das anders. „Da wurde viel in Du-Botschaften kommuniziert“, sagt Jana Wolf. Also: Du musst …! Du hast vergessen, die Spülmaschine einzuschalten! Ein Vorwurf schwingt dabei immer mit. Bei Pikkolino würden Dinge in Ich-Botschaften angesprochen. Also: Ich würde mir wünschen, dass … Mir ist aufgefallen, dass … Das trage zu einem schönen Miteinander bei, findet Jana Wolf.

Jede Teamsitzung beginnt mit einer Feedbackrunde

Die Teamsitzungen spielen für die Zusammenarbeit eine entscheidende Rolle. Alle zwei Wochen kommen die Kleinteams aus den einzelnen Gruppen zusammen, mindestens einmal im Monat das gesamte Team. Es geht um Organisatorisches wie Dienstpläne, um Berichte von aktuellen Projekten, um anstehende Termine und um die Einschätzung der Kolleginnen und Kollegen zur Entwicklung einzelner Kinder. Am wichtigsten für das Miteinander ist aber wohl immer der erste Tagesordnungspunkt: die Feedbackrunde. „Jeder soll die letzten zwei Wochen Revue passieren lassen. Es geht darum, offen und ehrlich zu sagen, wie es ihm geht“, sagt Helene Zahn und betont: „Das kommt auch nicht ins Protokoll.“ Aber jeder soll wissen, wo beim anderen der Schuh drückt und was ihn beschäftigt.

Um diesen offenen Umgang und dieses Vertrauen untereinander zu fördern, können gemeinsame Aktivitäten helfen. Auch um die Kolleginnen und Kollegen mal von der privaten Seite kennenzulernen. Das Pikkolino-Team hat beispielsweise zusammen einen Escape-Room besucht. Und dann liegt Bonn ja bekanntlich im karnevalsaffinen Rheinland. „An Weiberfastnacht schließt die Kita um 11:11 Uhr. Danach marschieren wir zusammen los“, sagt Helene Zahn.

All das dient dem Zusammenhalt und fördert die Teamarbeit. Und die ist – wie Erzieherin Jennifer Köster zusammenfasst – in Kitas überaus wichtig, „da sich Stimmungen innerhalb des Teams auf die Kindergruppe übertragen. In positiver wie in negativer Hinsicht.“ Ein gutes Team würde die Motivation und Zufriedenheit der pädagogischen Fachkräfte steigern. Und aus ihrer Erfahrung weiß sie: „Das färbt auch auf die Kinder ab, sie haben dann mehr Spaß und sind neugieriger.“

„Reden, reden, reden“

In einigen Kitas spürt man direkt, dass sich das Team super versteht. Wovon hängt ab, ob die Kolleginnen und Kollegen gut miteinander auskommen?

Das ist kein Zufall, sondern Ergebnis langjähriger, kontinuierlicher Arbeit. In einem Team kommen viele verschiedene Persönlichkeiten zusammen. Wichtig ist, dass die Rollen und Aufgaben klar verteilt sind. Außerdem kommt es darauf an, die Stärken und Ressourcen anzuerkennen. A und O ist eine gute Feedbackkultur. Dazu gehört, gemeinsam Regeln aufzustellen: Wie gehen wir damit um, wenn wir bei einer Kollegin etwas beobachten, das wir nicht in Ordnung finden? Dabei sollten wir stets zuerst davon ausgehen, dass die Kollegin gute Gründe hat – und das Verhalten nicht bewerten.

In der Praxis gar nicht so einfach: Wie sage ich der Kollegin am besten, dass sie sich nicht immer um die Dienste im Garten drücken soll?

Am besten persönlich ansprechen. Und zwar nach dem Leitfaden der gewaltfreien Kommunikation. Das heißt, sich um Ich-Botschaften bemühen, also wertfrei sagen: „Ich habe beo-achtet, dass du eher drinnen bleibst.“ Im zweiten Schritt gilt es, die eigenen Gefühle zu artikulieren: „Ich merke, dass mich das ärgert.“ Dabei sollte ich erklären, was mich daran stört: Fühle ich mich draußen allein mit den Kindern überfordert? Oder bin ich selbst nicht gern im Garten? Im letzten Schritt kann ein Kompromiss angeboten werden, stets verbunden mit Rückfragen: „Wie siehst du das?“

Warum fällt uns so etwas oft schwer?

Oft steckt dahinter die Angst, sich unbeliebt zu machen oder dass jemand böse ist. Alles wird ins Harmoniepaket gepackt, sodass gar keine Lösung miteinander gefunden wird. Das hat viel mit der eigenen Biografie zu tun: Wie habe ich selbst gelernt, mit Konflikten umzugehen? Eine Erzieherin ist zum Beispiel stets Konflikten aus dem Weg gegangen. Sogar wenn sie darauf angesprochen wurde, sagte sie, es sei alles in Ordnung. Der Grund: Als sie in einer Kita offen Kritik geäußert hatte, war ihr Mobbing vorgeworfen worden. Eine andere Erzieherin realisierte in der Supervision, dass bei ihr zu Hause früher nie Konflikte ausgetragen wurden. So etwas ist mit viel Zündstoff verbunden.

Was tun, wenn ich die Situation ganz anders wahrnehme als meine Kollegin?

Jeder hat seine Sicht auf die Dinge, das ist völlig normal. Ein Problem entsteht erst, wenn beide Seiten beanspruchen, recht zu haben. Deshalb ist wichtig, im Team so viel Feedbackkultur wie möglich zu entwickeln. Zu einer guten Fachkraft gehört meiner Meinung nach dazu, sich auf Selbstreflexion einzulassen.

Wie kann so etwas gefördert werden?

Dafür eignet sich zum Beispiel die Marte-Meo-Methode. Dabei werden kurze Alltagssituationen per Video aufgenommen: wie eine Erzieherin einem Kind die Jacke anzieht oder bei einem Streit vermittelt. Das Team wird in der Reflexion geschult: Wie sah der Blickkontakt aus? Wie die Körperhaltung? Dabei geht es nicht darum, Defizite zu entdecken. Der Fokus liegt auf den Stärken: Was läuft gut – und könnte noch besser werden? Was zählt, ist die Haltung.

Gibt es für den Einstieg etwas niedrigschwelligere Methoden?

Sinnvoll ist zu Beginn jeder Teamsitzung eine kurze Blitzlichtrunde: Was beschäftigt jede Fachkraft gerade? Wie geht es ihr? So entwickelt man mehr Verständnis füreinander. Das muss gar nicht lang sein. Doch so eine Viertelstunde bringt unglaublich viel – und zeigt auch, welcher Stellenwert der Teamarbeit beigemessen wird.

Welche Tipps gibt es noch?

Voraussetzung ist, sicher miteinander zu werden. Dafür sollte man sich bewusst machen, was man aneinander schätzt. Jeder kann zum Beispiel seinem rechten Sitznachbarn ein paar nette Worte sagen. Oder bei der „warmen Dusche“ ist der Fokus auf eine Person gerichtet. Ich erlebe oft, dass Leute dabei richtig aufblühen. Andere können Lob schlecht aushalten. Warum ist das so? Da ist man direkt mittendrin in einer Diskussion.

Welche Rolle kommt der Kitaleitung dabei zu?

Alles steht und fällt mit der Leitung. Ich beobachte immer wieder: Wo es wunderbar funktioniert, hat es viel mit der Kompetenz der Leitung zu tun – oder zumindest mit der Bereitschaft, Unterstützung von außen zu holen, wenn sie nicht weiterkommt. Dabei ist es sinnvoll, nicht erst zu warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist. Regelmäßige Sitzungen mit einem Coach oder eine Supervision tragen viel zum guten Klima bei.

Worauf sollte die Leitung im Alltag achten?

Reden, reden, reden. Viel Zeit in Teamsitzungen wird auf Wochen- und Jahresplanungen verschwendet, dabei wird zum x-ten Mal das Laternenfest geplant. Dabei wäre es viel wichtiger, sich mit sich als Team zu beschäftigen. Dazu gehört zu überlegen, in welcher Teamphase man sich gerade befindet: Hat zum Beispiel eine Kollegin neu angefangen? Welche Unterstützung braucht sie?

Vor allem die ersten beiden Wellen der Coronakrise waren für die Teams in Kitas eine schwere Zeit. Worauf kommt es jetzt besonders an?

Viele haben die Nase so voll, dass sie gar nicht zurückblicken wollen. Doch wichtig ist eine Krisenbewältigung, darüber zu sprechen, wie schwer die Zeit war – aber auch darüber, was man gemeinsam gemeistert hat. Prinzipiell gilt: Teams, die gut funktionieren, bewältigen auch Krisen viel besser.

Kollegial führen

Wie wichtig das Engagement für ein gutes, lebendiges und lernendes Team ist, weiß auch Kati Nguimba. Die Berlinerin hat vor vier Jahren die Leitung einer mittelgroßen Kindertagesstätte im Stadtteil Mitte übernommen. Seitdem hat sich die Teamgröße auf 24 Kolleginnen fast verdoppelt. Ihre Erkenntnis: „So viele Menschen kann man nicht mehr zu einem einzigen Team zusammenbringen, da gibt es unweigerlich Reibungsverluste.“ Und dann kam Corona. „Plötzlich waren wir gezwungen, anders zu arbeiten, uns neu zu organisieren, und stellten fest: In mehreren, sich selbst organisierenden Abteilungsteams funktioniert es deutlich besser“, berichtet sie.

KURZ GESAGT!

  • Bei vielen Personen: mehrere kleine Teams sinnvoller als ein großes
  • Flache Hierarchien und Partizipation erfordern mehr Eigenverantwortung
  • Gute Fehlerkultur sucht nach Lösungen, nicht nach Schuldigen

Zugleich mit ihrer neuen Leitungsposition wollte Kati Nguimba auch neue, sinnvolle hierarchische Strukturen schaffen, hin zu einem kollegialen Führungsstil. Dazu wurde im Haus eine Steuerrunde gegründet, der aus jeder der vier Abteilungen eine Kollegin sowie sie selbst und ihre Stellvertreterin angehören. Dort wird alles besprochen, was die gesamte Kita betrifft, die Ergebnisse werden daraufhin in den Abteilungen diskutiert und ein Feedback zurück in die Steuerrunde gespielt, die dann eine Entscheidung trifft oder sich erneut bespricht. „So konnten wir während Corona gut zusammenarbeiten und Absprachen treffen, obwohl wir uns nicht in der ganz großen Runde treffen durften“, erzählt Nguimba.

Die einzelnen Abteilungsteams organisieren sich ohne eine Teamleitung. „Trotzdem haben die Kolleginnen innerhalb einer Abteilung klare Aufgaben, sodass es nicht an den immer gleichen Personen hängt.“ Für Kati Nguimba gehört dies zu einer kollegialen Führung und flachen Hierarchien dazu: sich einbringen, mitgestalten und mitbestimmen. „Partizipation ist eine tolle Chance, aber eben auch anstrengend und mit der Übernahme von Verantwortung verbunden. Das will nicht jeder.“ Die organisatorische Neuausrichtung war ein wichtiger und manchmal auch schmerzhafter Prozess, ein Weg, den nicht alle gleich begeistert mitgehen konnten und der Konfliktpotenzial barg. Hilfreich war, dass die Beschäftigten seit etwa zwei Jahren durch ein regelmäßiges Coaching begleitet werden. Auch Kati Nguimba ist zuweilen als Moderatorin während der Abteilungssitzungen gefragt. „Das bewegt sich in Wellen. Gerade haben wir wegen Personalwechsels eine Umstrukturierung vorgenommen, da bin ich etwas häufiger dabei.“

Abgesehen von all diesen Veränderungsprozessen bleiben Konflikte in einer so großen Gruppe unterschiedlicher Menschen nie aus. „Natürlich ist nicht immer alles super. Aber wir haben inzwischen gelernt, es anzusprechen, wenn etwas nicht gut läuft. Zuvor wurden Konflikte oft unter den Teppich gekehrt, bis sie eskaliert sind.“ Ziel von Kati Nguimba ist es, eine gute Fehlerkultur in ihrer Einrichtung zu etablieren, wo nicht nach Schuldigen, sondern Lösungen gesucht wird, damit es beim nächsten Mal besser läuft. „Das kommt gerade in Gang“, freut sich die Kitaleiterin, „aber es braucht Zeit.“

Teamentwicklung ist ein ständiger Prozess, der nie völlig abgeschlossen ist und auf den sich alle einlassen müssen. Motivierend ist dabei das Gefühl der Wertschätzung, etwa durch schöne gemeinsame Aktionen. Kati Nguimba ist so etwas wichtig. „Zu Weihnachten gönnten wir uns, finanziert aus unserem Gesundheitsbudget, einen gemeinsamen Wellnesstag.“ Denn miteinander Spaß haben, abseits des Jobs – auch das ist Teamentwicklung.

LESENSWERT!

„Viel Bewegung in Kitas“ – Ergebnisse aus einem Projekt zur Organisationsentwicklung, als PDF unter:
www.kurzelinks.de/fato

REFLEXIONSFRAGEN

  • Welche Erwartungen hat das Team an die Leitung, diese an sich selbst und jeweils umgekehrt?
  • Welche Werte teilen wir?
  • Wie vermitteln wir uns gegen seitig Wert-chätzung?
  • Welche Rolle nehme ich in  meinem Team ein –und wie geht es mir damit?
  • Wie kommunizieren wir miteinander?
  • Werden Konflikte erkannt und benannt?

Strukturierte Teamentwicklung

Wie schafft man es, aus einer Gruppe lauter verschiedener Individuen ein Team zu formen?

Ich vergleiche das gern mit einer Fußballmannschaft: Da gibt es unterschiedliche Positionen, die die eine Person gut, die andere weniger gut ausfüllen kann. Denn jeder Mensch hat nun einmal Vorlieben, Stärken und auch Schwächen. Die Kitaleitung fungiert wie ein Trainer und besetzt in enger Absprache mit ihrem Team diese Positionen. Dabei sind Offenheit und Transparenz ganz wichtig.

Wie lassen sich neue Beschäftigte in ein solches gewachsenes Team integrieren?

Ein strukturierter Einarbeitungsprozess gibt hier Sicherheit. Das Stichwort ist Onboarding. Es lohnt sich, darin Zeit zu investieren. Einem Neuankömmling sollte eine Patin oder ein Mentor zur Seite stehen. Neue Teammitglieder müssen lernen, wie die Prozesse und Regeln innerhalb der Einrichtung funktionieren, denn sie kennen noch nicht die ungeschriebenen Regeln und Normen. Sie müssen aktiv in die „Teamkultur“ eingebunden werden.

Was hilft, den Teamgeist zu erhalten oder zu stärken?

Da gibt es viele Möglichkeiten. Grundlage ist die persönliche Haltung jeder Person. Wichtig sind das Bestreben nach Zusammengehörigkeit sowie das „Wir-Gefühl“ erreichen und halten zu wollen. Wenn diese Basis gestört ist, sollten die Gründe dafür geklärt werden. Erst ein ungetrübter Wunsch nach Zusammenarbeit und Hilfsbereitschaft führt bei Teamstärkungsmaßnahmen zum Erfolg.

Wie Sie psychischen Belastungen entgegenwirken

Personalmangel, Zeitknappheit, Konflikte mit Eltern – die meisten Träger und Kitaleitungen glauben zu wissen, wo bei ihren Beschäftigten der Schuh drückt. Weshalb sich also die Mühe machen, die psychischen Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung (GBU) aufzunehmen? Zum einen natürlich, weil es gesetzliche Pflicht ist. Und zum anderen, weil nur so aus Vermutungen Gewissheiten werden und sich dann geeignete Maßnahmen treffen lassen, die die Situation der pädagogischen Fachkräfte verbessern. Das trägt dazu bei, die Arbeit sicherer und gesünder zu gestalten und Ausfallzeiten zu verringern.

Eine GBU psychischer Belastungen zu erstellen, ist weniger aufwendig und bürokratisch, als viele befürchten. Zumal es von Unfallkassen und Berufsgenossenschaften speziell für Kitas nützliche Handlungshilfen gibt (siehe Kasten unten rechts). Diese können unkompliziert an die Bedingungen der eigenen Kita angepasst werden.

Sieben Schritte führen zu einer erfolgreichen GBU psychischer Belastungen:

1. Vorbereitung

Kitaleitungen, die vom Träger mit der Beurteilung und Dokumentation der Arbeitsbedingungen beauftragt wurden, sind nicht allein. Sie können und sollten die Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Sicherheitsbeauftragte, Betriebsärztinnen und -ärzte sowie die Personalvertretung miteinbeziehen. Methodisch gibt es nicht den einen, festgelegten Weg zur Ermittlung der psychischen Belastungen, sondern eine Vielzahl von Ansätzen. Teamsitzungen, Workshops und Vorgesetzten-Mitarbeiter-Gespräche bieten sich an. Vieles wird in Kitas auch schon gemacht – nur die schriftliche Dokumentation fehlt dann eigentlich noch zur GBU.

2. Gefährdungen und Belastungen ermitteln

Die oben genannten Handlungshilfen bilden eine übersichtliche Grundlage, um Gefährdungen und Belastungen richtig einschätzen zu können. Mit Prüflisten oder Fragebögen wird die Wahrnehmung verschiedener Situationen aus dem Arbeitsalltag systematisch erfasst: Wie wird der Lärm empfunden? Wie nehmen die Beschäftigten Teamsitzungen wahr? Wie ist das Arbeitsklima?
Beispiel: Kitaleiterin Frau Helmer hat bemerkt, dass ihr Team mit den Kindern immer öfter lieber im Gruppenraum bleibt, statt nach draußen zu gehen, auch wenn es nur ganz leicht nieselt. Sie will der Sache im Rahmen einer Teamsitzung auf den Grund gehen.

3. Gefährdungen und Belastungen beurteilen

Um die Bewertungen der Beschäftigten schriftlich zu dokumentieren, sind die Handlungshilfen ebenfalls ein wichtiges Instrument. Beispielsweise können Fragebögen verwendet werden, bei deren Auswertung gut ersichtlich wird, in welchen Bereichen Handlungsbedarf besteht.
Beispiel: Auf Basis der Handlungshilfen fragt Frau Helmer in der Teamsitzung nach. Es stellt sich heraus, dass die Erzieherinnen und Erzieher das Anziehen der „Matschklamotten“ besonders stressig finden. Während die älteren Kinder längst in Hosen und Gummistiefel geschlüpft sind, benötigen die jüngeren Hilfe. Die Älteren langweilen sich, schwitzen, sind laut und ungeduldig. Das überträgt sich auf das pädagogische Fachpersonal, das sich um ältere und jüngere Kinder gleichzeitig kümmern muss. Die Folge: Hektik, Stress, schlechte Stimmung.

4. Maßnahmen festlegen

Auf Grundlage der GBU werden konkrete Maßnahmen festgelegt, um die erkannten Gefährdungen und Belastungen zu beseitigen.
Beispiel: Bei der Teamsitzung werden Vorschläge gemacht und schriftlich festgehalten: Die älteren Kinder sollen erst den jüngeren helfen, bevor sie sich selbst anziehen. Eine Erzieherin nimmt außerdem draußen die fertig angezogenen Kinder in Empfang, damit diese nicht warten müssen, bis die ganze Gruppe so weit ist.

5. Maßnahmen durchführen

Wenn die personellen Zuständigkeiten für die Umsetzung der Maßnahmen festgelegt und unter Berücksichtigung des Gefährdungsrisikos Prioritäten sowie Umsetzungsfristen gesetzt worden sind, werden die Maßnahmen umgesetzt.
Beispiel: Die Kinder, die ihre Matschklamotten schon tragen, gehen nach draußen, wo Frau Müller schon auf sie wartet. Frau Uzun und Jahrespraktikant Herr Schultze helfen gemeinsam mit den Vorschulkindern, die jüngeren Kinder anzuziehen.

6. Wirksamkeit überprüfen

Hat sich die Situation verbessert? Nach einem festgelegten Zeitraum wird das überprüft. In diesem Fall können die von der Änderung betroffenen Beschäftigten einfach dazu befragt werden.
Beispiel: Vier Wochen später fragt die Kitaleitung bei der Teamsitzung nach. Einhellige Meinung: Die Kinder sind leiser und nicht mehr so ungeduldig. Erzieherinnen und Erzieher fühlen sich weniger gestresst.

7. GBU fortschreiben

Die Gefährdungsbeurteilung muss in angemessenen Zeiträumen aktualisiert werden. Hierfür müssen Fristen festgelegt werden. Außerdem muss sie angepasst werden, wenn sich Gegebenheiten verändern (z. B. hohe personelle Fluktuation, neue Aufgabenverteilung im Team, vermehrtes Auftreten von Krankheitsfällen).
Beispiel: Teamsitzung ein Jahr später: Hat sich das Prozedere mit den Matschklamotten aus Sicht der Beschäftigten bewährt? Oder muss nachjustiert werden?

Eine Gefährdungsbeurteilung ist ein kontinuierlicher Prozess, der nicht nur den Status quo festigen, sondern die Gesundheit und Sicherheit in der Kita verbessern soll. Sie muss so dokumentiert werden, dass daraus die Beurteilung der Gefährdung, die festgelegten Maßnahmen und das Ergebnis ihrer Überprüfung hervor gehen. Das dient nicht nur der Rechtssicherheit, sondern auch als wertvolle Arbeitshilfe im Kita-Alltag.

 

GBU IM INTERNET

  • Infos, Handlungshilfen, Mitarbeiter- und Dokumentationsbögen zur GBU psychischer Belastungen hat die Unfallkasse Berlin speziell für Kitas zusammengestellt:
    www.kurzelinks.de/4boj
  • Ausführliche Informationen und Prüflisten zu einer Vielzahl von potenziellen Gefährdungen bietet die Unfallkasse NRW in der Broschüre „Gefährdungsbeurteilung für Kindertageseinrichtungen – Handlungshilfe“:
    www.kurzelinks.de/yfii
  • Übersichtliche Informationen zur „Gefährdungsbeurteilung in der Kinderbetreuung“ und Checklisten hält die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) bereit:
    www.kurzelinks.de/t0vz
  • Die Unfallkasse Rheinland-Pfalz erklärt die Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen in einem Video:
    www.kurzelinks.de/r4ar

„ Gute Hygiene ist das A und O“

Egal, ob das Mittagessen vom Caterer in Wärmeboxen geliefert oder ob in der Küche selbst gekocht wird oder aber die Kinder ihr eigenes Frühstücksbrot schmieren: „Gute Hygiene ist das A und O“, betont Ökotrophologin Costanza Müller aus Hamburg, die Hygieneschulungen für Kitas anbietet. Die Einrichtungen müssten großen Wert darauf legen, dass alle Speisen einwandfrei seien, sagt sie. Andernfalls sei es möglich, dass Kinder krank werden. „Doch für gute Hygiene braucht es eigentlich gar nicht viel“, betont die Trainerin.

Ein wichtiger Unterschied zum Kochen oder Putzen zu Hause sei, dass Kitapersonal eine große Verantwortung für viele Kinder trägt. „Kinder gehören zum sensiblen Personenkreis.“ Deshalb sei wichtig zu wissen, welche Risiken es gibt – und wie ihnen am besten zu begegnen ist. Allerdings stelle sich gar nicht die Frage, ob Kitas der Hygiene viel Aufmerksamkeit widmeten oder nicht, so Costanza Müller. „Das ist Vorschrift. Punkt.“ Außerdem gebe es die Pflicht zur Dokumentation als Nachweis für die Behörden.

 

KURZ GESAGT!

  • Gute Hygiene in der Kitaküche ist ein Muss
  • Regelmäßige Schulungen für alle Beschäftigten verhindern „Betriebsblindheit“
  • Eigenkontrollsystem HACCP gut geeignet, um Überblick zu behalten

 

Als Einrichtung der Gemeinschaftsverpflegung unterliegen Kitas der Hygieneverordnung Nr. 852/2004, die Standards für den Umgang mit Lebensmitteln festlegt. Außerdem schreibt Paragraf 36 des Infektionsschutzgesetzes unter anderem vor, dass Kitas einen Hygieneplan aufstellen müssen. „Das ist nicht nur Pflicht“, so die Ökotrophologin, „sondern auch sehr sinnvoll.“ Denn die Teams bräuchten eine gemeinsame Basis. Sonst gilt eine Kollegin schnell als penibel, eine andere als nachlässig. Das Hygieneempfinden sei sehr unterschiedlich, gibt Costanza Müller zu bedenken. Während es eine Person nicht stört, wenn der gleiche Löffel für Reis und Soße benutzt wird, kann sich jemand anders davor ekeln. Deshalb lautet eine wichtige Regel: „Hygiene funktioniert nur, wenn alle in der Kita nach dem gleichen Standard arbeiten.“

Mehr als nur Sauberkeit

Einmal pro Jahr ist das gesamte Team zu einer Schulung verpflichtet. Ihrer Erfahrung nach ist diese Vorschrift sehr sinnvoll. „Es geht darum, Betriebsblindheit zu vermeiden.“ Ein Beispiel sei etwa die Vorschrift, Trinkwasser nur aus einem eigens dafür bestimmten Wasserhahn zapfen. Auf keinen Fall sollten Kinder das Wasser aus dem Sanitärraum holen, warnt Costanza Müller. Dort befinden sich Toiletten, außer Seifenresten könnten auch Bakterien am Hahn kleben. „Damit einher geht eine Gefahr der Verunreinigung.“

Generell sollte das Kitapersonal gut darauf achten, dass nichts ins Essen gelangt, was dort nicht hingehört. Das gilt für Plastikteile und Verpackungsreste ebenso wie für Haare. Deshalb müssen lange Haare zurückgebunden werden beziehungsweise die Küchenkraft eine Haube tragen. Außerdem sollte darauf geachtet werden, dass nach dem Wischen keine Schaumreste auf der Arbeitsfläche oder den Tischen zurückbleiben. Die Hygieneexpertin empfiehlt, Reinigungstücher mindestens täglich zu wechseln und das sogenannte Vier-Farben-System einzuhalten, sprich: verschiedene Farben für unterschiedliche Reinigungsbereiche wie Küche, Oberflächen, Sanitär und WC zu verwenden. Auch für Schneideunterlagen und Messer sind in der Küche unterschiedliche Farben zu benutzen.

Costanza Müller warnt vor der Gefahr durch krank machende Mikroorganismen. „Sie sind so winzig, dass man sie nicht sieht, riecht oder schmeckt“, sagt die Ökotrophologin. Salmonellen zum Beispiel, die sich etwa in oder an rohen Eiern, aber auch in rohem Geflügelfleisch befinden können. Deshalb gilt hier eine strikte Trennung von allen Gerätschaften, die bei der Zubereitung des Fleisches verwendet werden, von den übrigen Küchenutensilien. Und beim Kuchenbacken empfiehlt es sich daher immer, eine separate Schüssel zu verwenden, um die Eier aufzuschlagen. Kinder sollten außerdem keinen rohen Teig probieren.

Generell wird die Hygiene in drei Bereiche unterteilt: Die Personalhygiene schreibt vor, in der Küche saubere Arbeitskleidung zu tragen Schmuck abzulegen, Haare mindestens zurückzubinden, auf Nagellack und künstliche Nägel zu verzichten, Wunden wasserdicht abzudecken und so weiter. Zur Küchenhygiene gehören Ordnung in den Regalen, Schutz vor Ungeziefer und die Sauberkeit von Räumen und Arbeitsmitteln. Im dritten Bereich wird der gesamte Prozess der Lebensmittel – vom Einkauf über Lagerung, Verarbeitung bis hin zur Ausgabe und Transport – in den Blick genommen.

Nicht schwierig: Qualitätskontrolle vor Ort

Das Eigenkontrollsystem Hazard Analysis and Critical Control Points (HACCP) eigne sich hervorragend, um alle Arbeitsschritte genau zu prüfen: Welche Gefahren gibt es? Und was ist zu tun, wenn ein Risiko auftritt? Wichtig sei zum Beispiel, bei der Wareneingangskontrolle auf einwandfreie Lebensmittel zu achten, rät Costanza Müller. Ist eine Packung beschädigt, das Haltbarkeitsdatum der Milch überschritten oder weist der Fisch bei der Kontrolle mit dem Thermometer nicht die korrekte Temperatur auf, heißt es: Die Produkte dürfen nicht angenommen werden.

„Das ist alles eigentlich nicht schwierig“, meint die Hygieneexpertin. „Wichtig ist, es zu machen.“ Gern gemeinsam mit den Kindern: Hände waschen, Schürze anziehen, Tisch abwischen, saubere Messer holen, Geschirr am Rand anfassen – und los geht es, die Brote für die Mahlzeit schmieren. „So lernen die Kinder, wie es richtig geht.“

 

Gut zu wissen

Im Kapitel 3.7 der DGUV Regel „Kindertageseinrichtungen“ finden Sie weitere hilfreiche Hinweise zu rechtlichen Grundlagen und möglichen Gefährdungen im Zusammenhang mit der Gemeinschaftsverpflegung:

www.dguv.de, Webcode: p102602

Die Rahmenhygienepläne der Bundesländer geben über länderspezifische Regelungen Aufschluss. Bei Fragen können Sie sich auch an die zuständigen Behörden wenden, etwa Gesundheits- oder Veterinärämter, die Gemeinschaftseinrichtungen zu Hygienemaßnahmen beraten.

Analog vor digital?!

In der evangelischen Kita Oberlin in Berlin-Steglitz wird gematscht, gespielt, getobt, gebastelt und gern in Bücher aus der Kitabibliothek geschaut, die von den Kindern selbst verwaltet wird. Digitale Medien werden dort eingesetzt, wo es sinnvoll ist – etwa im Bilderbuchkino, bei dem die Kindergruppe gemeinsam ein Buch über den Beamer betrachtet, oder wenn die Fachkräfte auf Tablets etwas im Internet recherchieren. Kitaleiterin Silke Glückstein meint: „In der frühen Kindheit wird der Grundstein für die Medienmündigkeit gelegt. Gleichzeitig sind auch Greifen und Begreifen zentrale Erfahrungen der kindlichen Entwicklung. Das Buch ist ein altersgerechtes geeignetes Medium, das haptische Erfahrungen ermöglicht und etwa durch das Zeigen die Koordination von Hand und Auge fördert.“

Digitale Medienzeiten für Vier- bis Sechsjährige sollten sich nach der Empfehlung von Medienfachleuten auf höchstens eine halbe Stunde am Tag beschränken. Auch deshalb setzt sie in ihrer Kita auf analoge Bildungs- und Spielangebote. Silke Glückstein weiß, dass viele der Eltern die Medienzeiten ihrer Kinder bereits gut im Blick haben.

 

KURZ GESAGT!

  • Auch das Angucken von Bilderbüchern ist ein Schritt zur Medienmündigkeit
  • Abwägen: Kann das Bildungsziel nur durch digitale Medien erreicht werden?
  • Initiative „ECHT DABEI“ unterstützt Kitas mit
    Fortbildungen sowie Angeboten für Eltern und Kinder

 

Unterstützung durch Initiative „ECHT DABEI“

Es ist aber immer sinnvoll, sich zu diesen Themen durch Fachleute auf den aktuellen Stand bringen zu lassen. Dafür hat sich die Einrichtung Unterstützung durch die Initiative „ECHT DABEI“ geholt. Diese sieht neben den Chancen auch die Risiken der digitalen Mediennutzung, die, befördert durch die Pandemie, auch bei den Jüngsten stark gestiegen ist. Stephanie Stalter vom Projektbüro: „Wir möchten Orientierung geben und die Fachkräfte darin bestärken, bei der Entscheidung ‚analog versus digital‘ stärker abzuwägen.“ Sie plädiert dafür, dabei immer den Blick auf das Kind und seinen Entwicklungsstand zu haben.

Die Initiative bietet Kitas und Grundschulen eine Fortbildung für pädagogische Fachkräfte an. Denn oft gibt es auch in Bildungseinrichtungen mehr Fragen als Antworten zu diesem komplexen Thema. Das Team von Silke Glückstein wurde von einem „ECHT DABEI“-Coach an zwei Tagen geschult – dabei ging es etwa um Ressourcen und Fähigkeiten, die Kinder brauchen, um im digitalen Zeitalter gesund groß zu werden, und um den altersgerechten Umgang mit Medien.

Hilfreich für die Praxis waren die aufgezeigten Beispiele, wie die medienpädagogische Arbeit mit Kindern konkret gestaltet und die Eltern miteinbezogen werden können. „Außerdem kamen die Kinder in den Genuss eines spannenden Mitmachtheaters“, berichtet die Kitaleiterin. Zusätzlich stand ein Online-Elternabend auf dem Programm. All dies war für die Einrichtung dank der BKK-Förderung kostenlos.

Das Blättern und Schmökern in Bilderbüchern schult Fähigkeiten, die digitale Medien weniger gut bedienen.

Medienbildung geht auch analog

„ECHT DABEI“ ist ein bundesweites Präventionsprogramm, das von den Betriebskrankenkassen gefördert wird. Erste Anlaufstelle für die Fachkräfte ist das Servicebüro. Die zertifizierten, regional tätigen „ECHT DABEI“-Coaches gehen dann in die Einrichtungen vor Ort. Stalter erklärt, das Ziel sei keineswegs, digitale Medien aus den Kitas und Grundschulen zu verbannen, sondern neue Impulse dafür zu geben, das, was in Einrichtungen bereits zur Förderung der Medienmündigkeit getan wird, bewusster zu tun. „Wir sind kritisch-reflektiert“, fasst Stalter die Haltung zusammen. „Es geht uns um das Bildungs- oder Erziehungsziel, das erreicht werden soll. Die verschiedenen Medien sind dabei nur Hilfsmittel.“

Ob analog oder digital: Diese Einschätzung mit Blick auf den Entwicklungsstand der Kinder und die jeweilige Situation zu treffen, erfordert die Kernkompetenzen pädagogischer Fachkräfte. „Im Zweifel plädieren wir aber immer dafür, analogen Medien den Vorzug zu geben“, sagt die Projektleiterin und erklärt: „Medienbildung im Kindergarten kann vollständig analog erfolgen.“ Es gehöre schließlich deutlich mehr dazu, als ein Tablet bedienen zu können. Das Team der Kita Oberlin jedenfalls hat den Schwerpunkt auf analoge Medien gelegt und macht gute Erfahrungen damit.

 

 ECHT DABEI

… ist ein Präventions- und Bildungsprogramm. Es richtet sich an Kindertageseinrichtungen und (Grund-)Schulen und hat zum Ziel, Medienrisiken und -problematiken vorzubeugen und Medienmündigkeit zu fördern. Hand in Hand damit geht die Vermittlung von Kompetenzen zur Medienbildung.

www.echt-dabei.de, E-Mail: info@echt-dabei.de,
telefonisch erreichbar Di–Fr, 9–12 Uhr unter der Nummer 0761 15 61 02 32

Medikamentengabe in der Kita

Ganz grundsätzlich: Dürfen Erzieherinnen und Erzieher Kindern Medikamente verabreichen?

Ja. Sonst wäre es etwa chronisch kranken Kindern gar nicht möglich, eine Regelkita zu besuchen. Natürlich liegt die Verantwortung für die Medikamentengabe zunächst bei den Eltern im Rahmen der Personensorge für das Kind. Die Eltern können diese Aufgabe aber an die Beschäftigten in der Einrichtung übertragen. Das sollte nicht ohne ärztlichen Rat geschehen. Wir empfehlen diesbezüglich dringend eine schriftliche Vereinbarung mit den Eltern.

Die größte Sorge der Fachkräfte ist vermutlich: Was, wenn doch etwas schiefgeht?

Sollte ein Kind tatsächlich durch einen Fehler bei der Medikamentengabe zu Schaden kommen, kommt die gesetzliche Unfallversicherung für die Gesundheitsschäden auf. In der Regel muss man sich keine Sorge um Schadenersatzzahlungen machen, es sei denn, es liegt Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vor.

Ist es rein rechtlich ein Unterschied, welches ärztlich verordnete Medikament ein Kind durch das Kitapersonal verabreicht bekommt, also ob es sich dabei etwa um Insulin oder eine Salbe handelt?

Für den Versicherungsschutz spielt das keine Rolle. Aber natürlich sind bei chronischen Erkrankungen wie Diabetes oder ernsten Allergien sehr enge Absprachen mit den Eltern nötig. Das vermeidet Unklarheiten und gibt den Kitabeschäftigten Handlungssicherheit.

Was muss eine Kita alles bedenken?

Neben der Absprache mit Eltern und eventuell auch medizinischem Personal müssen Regelungen zur genauen Verabreichung, Dosierung und zur Lagerung des Medikaments getroffen werden. Je genauer, desto besser und am besten auch schriftlich. Gibt es Vorgaben des Trägers, müssen diese natürlich auch beachtet werden.

Was muss auf personeller Ebene organisiert werden?

Das gesamte Team sollte über typische Symptome und Anzeichen für einen Notfall Bescheid wissen. Je besser informiert ein Team ist, desto geringer sind die Befürchtungen, man könne Situationen falsch einschätzen und das Kind dadurch gefährden. Ideal ist es, wenn mehrere Mitarbeitende bei einer vereinbarten Medikamentengabe den Hut aufhaben und unterwiesen werden oder sich schulen lassen – sie können sich gegenseitig vertreten.

Die Fragen beantwortete Katrin Weise, Juristin bei der Unfallkasse Berlin.

Ausführlichere Informationen dazu finden Sie auch unter:
www.dguv.de, Webcode: p202092

Den Kindern einen Schritt voraus

„Bereits die Kleinsten lernen in unserer Einrichtung, den Alltag selbstständig zu bewältigen – aber schon eigenständiges Treppensteigen kann schnell zur Gefahr werden. Auch beim Spielen entgeht ihnen kein Detail, das sie erforschen wollen. Und sei es auch nur ein kleines Loch im Zaun. Die Kinder haben manchmal Ideen, auf die wir Erwachsenen gar nicht kommen würden. Bei meiner Tätigkeit als Sicherheitsbeauftragte versuche ich deshalb, den Kindern einen Schritt voraus zu sein: Ich begehe jeden Monat den Außenbereich und richte mein Augenmerk besonders auf Spielgeräte und Zäune. Ich begutachte den Innenbereich, zum Beispiel Treppen und Aufenthaltsräume. Dabei bin ich sehr gewissenhaft. Denn wenn ich weiß, dass die Kinder bei uns ein sicheres Umfeld haben, kann ich ihnen die Welt nicht nur zeigen – ich kann sie sie auch selbst erfahren lassen.“

Lüften – aber wie?

Auch im zweiten Coronawinter bleibt Lüften ein wichtiger Baustein für eine gesunde Raumluft in Kindertagesstätten. In manchen Einrichtungen werden nun mit Fördergeldern mobile Lüftungsanlagen angeschafft, auch wenn die das Fensterlüften nicht vollständig ersetzen können. Auf was ist bei ihrem Einsatz besonders zu achten? Und wie kann das Kitapersonal prüfen, ob ausreichend gelüftet wird?

Dies und mehr lesen Sie in dem Beitrag „Gesunde Luft in Kitas und Schulen“.

Lieber LED statt Spiel mit dem Feuer

Weihnachten steht bald vor der Tür. Da soll es selbstverständlich auch in der Kita besonders behaglich und heime­lig sein. Dann werden kleine Sterne aus Stroh gebastelt, Schneemänner aus Pappmaschee und Christbäume aus Krepppapier. Und was wäre ein weihnachtlicher Gruppenraum schon ohne einen Adventskranz?

„Auf jeden Fall ein sichererer Ort“, würde Wilhelm Deml dieser Frage entgegnen. In der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb) ist der Feuerwehrmann stellvertretender Leiter des Referats Brand­schutzaufklärung und ­-erziehung. Offenes Feuer – also auch Kerzen und Teelichter – würden die Gefahr von Bränden erhöhen, sagt er.

 

KURZ GESAGT!

  • Für Adventskränze statt echter Kerzen lieber wel­che mit LED­„Flammen“ wählen
  • Besonders sicher: GS­-geprüfte LED­-Lichterketten mit Batterien
  • Gilt immer: Fluchtwege frei halten, Gefährdungs­beurteilung machen und Maßnahmen ableiten

 

Das heiße Wachs stellt eine zusätzliche Unfall­quelle dar. „Wenn es runtertropft, greifen die Kinder hin – und dann fällt die Kerze um“, ver­anschaulicht Deml. Befinden sich in der Nähe brennbare Materialien wie beispielsweise Bas­tel- und Malsachen, kann ein unachtsamer Moment oder ein Windstoß einen Brand entfachen. Offenes Feuer muss immer beaufsich­tigt werden und auf einer nicht brennbaren Unterlage – einer Tortenplatte aus Glas oder einer Fliese aus dem Baumarkt beispielsweise – stehen. Ein Feuerlöschspray sollte griffbereit sein.

Deml rät aus Sicherheitsgründen ohnehin ganz klar dazu, für Adventskränze LED-Kerzen oder LED-Teelichter zu verwenden: „Die flackern auch und der Effekt ist fast der gleiche wie bei einer echten Kerze.“

Auch Lichterketten können ganz schön heiß und gefährlich werden. Die Kitas sollten schon bei der Anschaffung auf die Sicherheit achten. Tragen Lichterketten die Siegel GS („geprüfte Sicherheit“) oder VDE (Verband der Elektro­technik, Elektronik und Informationstechnik), kann man sich darauf verlassen, dass das Pro­dukt von unabhängigen Stellen geprüft wurde. Gerade bei Billigprodukten besteht dagegen nicht nur die Gefahr von Bränden durch Über­hitzung, sondern auch von Stromschlägen. „Wenn eine Lampe kaputtgeht, kann es schnell zum Kurzschluss kommen“, weiß Deml, der zu LED-­Ketten mit Niederspannung rät. Noch eine Nummer sicherer sei es, zu batteriebetriebenen Lichterketten zu greifen.

Vorsicht gilt selbstverständlich zu jeder Jahres­zeit. Deml denkt dabei etwa an Stehlampen, die gern in Kuschelecken und Snoezelräumen für Wohlfühlatmosphäre sorgen sollen. Gerade ältere Modelle können überhitzen. Sind dann Tücher oder andere leicht entflammbare Stoffe in der Nähe oder gar zu Dekozwecken auf der Lampe, kann das zu einem Brand führen, der schnell auf Kissen, Decken und Plüschtiere übergreift. Auch hier gilt: auf LED-­Beleuchtung setzen.

Brennt es an anderer Stelle in der Kita, sind Schlaf­- und Snoezelräume aus einem anderen Grund gefährlich, erklärt Deml: „Kinder haben ein Bedürfnis, sich in Sicherheit zu bringen, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert. Das heißt, sie verstecken sich irgendwo, viel­leicht unter dem Tisch, im Schrank oder in der Kuschelecke hinter einem Kissen.“ Das sollte man auf jeden Fall auf dem Schirm haben.

In Kitas lauern zudem Gefahren, die übersehen oder nicht ernst genommen werden. Bei Bege­hungen fallen Deml immer wieder die gleichen Dinge auf: Fluchtwege, die durch Schuhe ver­stellt sind. Jacken und Rucksäcke, die aus Platz­mangel in engen Gängen an Garderoben auf­gehängt werden und dort im Fall der Fälle als „Brandbeschleuniger“ fungieren. Oder Fuß­matten, die vor Notausgängen zu Stolperfal­len werden. Dies zu beurteilen, entsprechende Maßnahmen abzuleiten, deren Wirksamkeit zu prüfen und bei Bedarf Anpassungen vorzuneh­men, ist Teil der Gefährdungsbeurteilung.

 

PRAXISTIPPS

Die DGUV Information 203­049 enthält Praxis­tipps für die „Prüfung ortsveränderlicher elekt­rischer Betriebsmittel“.
https://publikationen.dguv.de, Webcode: p203049

 

Ist sich eine Kita unsicher, ob die Ausstattung den Brandschutzregeln entspricht, sollte sie beim Träger nach einer Arbeitsschutzbegehung fragen. Zudem besteht die Möglichkeit, sich bei der örtlich zuständigen Stelle für vorbeugenden Brandschutz beraten zu lassen.

Die Prüfung der Elektrogeräte sollte eben­falls nicht vernachlässigt werden. Denn Kurz­schlüsse oder Überhitzungen gehören zu den häufigsten Brandursachen. Für diesen soge­nannten E­-Check nach DGUV Vorschrift 3 ist eine vom Träger beauftragte Fachfirma zustän­dig. Diese überprüft die ortsveränderlichen Geräte wie Toaster oder Wasserkocher ebenso wie ortsfeste Geräte, etwa Herd oder Kühlschrank.

 

BRANDSCHUTZHELFER

Für den Brandschutz ist der Träger der Kita verantwortlich. Er hat dafür zu sorgen, dass Brandschutzhelfer aus­gebildet werden. Mehr dazu gibt es in der DGUV Information 205­023 „Brand­schutzhelfer – Ausbildung und Befähigung“:
https://publikationen.dguv.de, Webcode: p205023

Spürnasen mit Feuerdiplom

Elyas zögert noch einen Moment. Mit der Zunge zwischen den Lippen wirkt er hoch konzentriert. Ratsch! Das Streichholz in seiner Hand brennt. Elyas‘ Miene entspannt sich zu einem Strahlen. Geschafft! Er hat ganz allein das Streichholz angemacht und darf jetzt die Kerze anzünden. „Super!“, lobt Steffi Ems, die die Kita Rambazamba in Lahnstein und auch das Brandschutzprojekt leitet. „Und jetzt das abgebrannte Streichholz noch in das Was­serglas geben. Wer will es als Nächstes pro­bieren?“ Alle wollen.

Eine ganze Woche lang beschäftigen sich die sechs Vorschulkinder der Einrichtung mit Feuer, Feuerwehr, Brandschutz. „Leider können wir in diesem Jahr wegen Corona nicht so viel machen wie normalerweise. Denn eigentlich ist die ganze Kita mit dabei.“ Nun aber sind nur die „Detektive“, wie sich die Vor­schulkinder selbst nennen, auf den Spuren des Elements Feuer. Der Pädagogin ist es wichtig, dass sich Kinder schon früh und immer wieder damit auseinandersetzen – das führe schließ­lich zu einer größeren Sicherheit. „Kinder im Kindergartenalter verhalten sich sehr unter­schiedlich im Umgang mit Feuer. Manche sind sehr ängstlich, andere fast furchtlos. Für uns ist es wichtig, dass sie in einem geschützten Rah­men, zusammen mit einem Erwachsenen, Erfah­rungen machen können und lernen, verantwortungsvoll mit Feuer umzugehen.“

 

KURZ GESAGT!

  • Zusammen mit einem Feuer­wehrmann richtet die Kita jährlich eine Woche zum Thema Feuer, Feuerwehr und Brandschutz aus
  • Kinder lernen spielerisch, verantwortungsvoll mit Feuer umzugehen
  • Ausprobieren gehört dazu, aber nur unter Aufsicht Erwachsener

 

Das Feuer mit allen Sinnen wahrnehmen: seine Wärme, seinen Duft, das Knistern von Holz­scheiten im Lagerfeuer und seinen flackernden Schein – was auf der einen Seite behaglich ist, kann auf der anderen Seite gefährlich sein. „Die Kinder sollen keine Angst, aber großen Respekt vor Feuer haben“, verdeutlicht Steffi Ems. „Verbieten ist der falsche Weg. Anleiten der richtige. Dann verliert das eigenmächtige und gefährli­che Kokeln seinen Reiz.“

Experimente hautnah

Nachdem alle Kinder das Streichholz­- und Kerzenanzünden ausprobiert haben, steht ein neues Experiment an. Auf einer nicht brennba­ren Unterlage sollen Alltagsgegenstände auf ihr Brennverhalten getestet werden. Dazu ist extra der Brandschutzbeauftragte von der Feuer­wehr, Sebastian Schmitt, in die Kita gekommen. „Was glaubt ihr? Brennt dieser Stein?“, fragt er die Kinder. „Nein!“, tönt es vielstimmig, Letizia kichert. Steine brennen doch nicht. Schmitt ver­sucht, den Stein anzuzünden. Vergebens. „Da hattet ihr recht. Aber was ist mit Pappe?“ Theo weiß es: „Pappe brennt!“ Das wird direkt aus­probiert. Und richtig, sie fängt Feuer. Genau wie die dünne Serviette, die regelrecht auflodert. Große Augen bei den Kindern.

So testen sich Schmitt und die „Detektive“ durch eine ganze Reihe Materialien. „Die Kinder bekommen so einen Überblick, welche Materialien leicht und welche schwer entflammbar sind.“ Vertieft wird dieses Wissen mit kleinen Rätselaufgaben und Ausmalbildern. Ruhig beantwortet Schmitt jede Frage – und die „Detektive“ sind als richtige Spürnasen äußerst wissbegierig.

Ein Streichholz muss nach oben gehalten werden, damit sich niemand die Finger verbrennt. Es darf weder zu kurz noch beschädigt sein. Das erklärt Feuerwehrmann Sebastian Schmitt den neuen Vorschulkindern.

Keine Angst vor der Schutzausrüstung

Dann macht Sebastian Schmitt „Modenschau“. Nach und nach zieht er vor den Kindern seine Persönliche Schutzausrüstung (PSA) an und erläutert jedes Teil. „Der Stoff meiner Hose und Jacke ist ganz besonders. Er hält große Hitze und einige Zeit auch Flammen aus. Hier hin­ten am Helm ist der Schutz dafür da, dass mir keine Funken in den Nacken fallen“, erklärt er den staunenden Kindern, die alles anfas­sen und in Augenschein nehmen dürfen. Nach einer Weile steht dann statt Herrn Schmitt mit Hemd und blauer Hose ein Feuerwehrmann in voller Montur im Gruppenraum. Amy raunt ihrer Freundin Paula zu: „Das hört sich aber komisch an, wenn der atmet!“ In der Tat macht die Atemschutzmaske ungewohnte Geräusche und der Anblick ist ebenfalls nicht alltäglich. Hinter­grund der Präsentation in Schutzausrüstung ist es, den Kindern mögliche Ängste zu nehmen, sollten sie bei einem Brand Feuerwehrleute in Vollschutz sehen. Beim Angebot, selbst mal Jacke und Helm auszuprobieren, gibt es kein Halten. „Ganz schön schwer!“, bemerkt Elyas. Schmitt nickt: „Alles zusammen wiegt mehr als du.“

Zum Abschluss dieses Vormittags dürfen die „Detektive“ noch das Löschfahrzeug inspi­zieren, mit dem Herr Schmitt gekommen ist, und in den Führerstand klettern. „Aber bitte keine Knöpfe drücken!“, mahnt Schmitt und erklärt Jann Louis dann noch geduldig die Füllmenge der Wassertanks und wie weit ein Wasserstrahl reicht. „Hier wächst ein Nachwuchs­-Feuerwehr­mann heran!“ lacht Kitaleiterin Ems. Und tat­sächlich sind zwei Kinder ihrer Kita der örtlichen Lösch-­Bande, der Bambini-­Gruppe der freiwilligen Feuerwehr, beigetreten.

Mila versinkt fast in der Feuerwehrjacke und ist beeindruckt, wie schwer und dick diese ist.

Louis probiert eine Fluchtmaske aus. Die kommt dann zum Einsatz, wenn Menschen aus einem verrauchten Gebäude gerettet werden müssen.

Eine Woche voll heißer Ideen

Langweilig wird es während der Brandschutz­woche nie. Die Höhepunkte sind aber ganz klar der Besuch des Brandschutzbeauftrag­ten in der Kita und der Gegenbesuch auf der F euerwache – der dieses Jahr wegen Corona allerdings ausfallen musste. Im Freispiel haben die Kinder die Möglichkeit, sich mit verschiede­nen Rettungsfahrzeugen von Feuerwehr, THW, Polizei und Rettungsdienst zu beschäftigen, viele Einsätze werden im Rollenspiel nachge­stellt, wozu es ein großes Repertoire an „ech­ten“ Kleidungsstücken und anderen Requisiten gibt.

Immer wieder sprechen die Erzieherinnen und Erzieher über das Thema Feuer, es gibt eine Arbeitsmappe dazu, mit der sich die Mädchen und Jungen gern beschäftigen. „Wir machen auch regelmäßig eine Evakuierungsübung und die Kinder lernen, wie man einen Notruf rich­tig absetzt“, berichtet die Kitaleiterin, der das Thema Brandschutz eine Herzensangelegen­heit ist. Nach der Projektwoche sind alle fit in Sachen „Feuer und Flamme“. Die „Detektive“ nehmen stolz eine Urkunde entgegen: Sie sind jetzt nicht nur Spürnasen, sondern auch Inhaber eines Feuerdiploms.

Kommunikation braucht Zeit und Raum

Die vergangenen 20 Monate waren für die meisten Teams eine echte Herausforderung. Wie kommt ein Kitateam mit einer solchen Krise klar?

Ich habe tatsächlich von Teams Rückmeldungen bekommen, die daran fast zerbrochen sind, und andere sind an der Situation sogar gewachsen. Einige haben zu neuer Kreativität und einem tollen Zusammenhalt gefunden und gehen geradezu gestärkt daraus hervor. Die Pandemie ist aber noch nicht vorbei …

Was haben diese Teams besser oder anders gemacht?

Darauf gibt es keine pauschale Antwort. Die Anforderungen und Erwartungen an die Kitaleitung und ihre Stellvertretung in der Coronazeit waren extrem hoch. Und doch ist es vielen gelungen, in dieser Zeit ihr Team hervorragend zu führen. Das hat sehr viel mit einer grundsätzlichen Haltung zu tun: Transparenz in den Ent­scheidungen, Offenheit, dem Team Handlungsspielraum geben, es mit einbeziehen. Das alles ist ganz wichtig. Nicht nur in Kri­senzeiten. Deshalb kann ich nur sagen: keine Panik. Corona ist ein großes Thema, hat alles auf den Kopf gestellt. Aber jede Kita hat schon Erfahrungen mit Krisen gemacht: seien es Personalnot­stand, massive Konflikte der Beschäftigten untereinander oder auch mit Eltern, die Druck machen.

Sie meinen, jede Kita hat bereits Erfahrungswerte, wie solche schwierigen Zeiten gemeistert werden können?

Ja, genau. Es gibt da Bewährtes, das auch jetzt hilfreich ist. Kommunikation ist der entscheidende Schlüssel. Jetzt muss ein Fokus darauf liegen, den Austausch untereinander zu fördern. Die Kitaleitung sollte unbedingt versuchen, dies sich und ihrem Team zu ermöglichen. Ein Beispiel, Stichwort: Handlungssicher­heit. Der Erzieherin wurde es bisher überlassen zu entschei­den, ob die laufende Nase eines Kindes eine Corona-­Infektion sein könnte. Was also soll sie in einer solchen Situation tun? Die Verantwortung wurde ja an die Kita übertragen. Also müssen sich die Kolleginnen und Kollegen jetzt kurz beraten und abstim­men. Schließlich müssen sie ihre Entscheidung gegenüber den Eltern souverän vertreten können. Das setzt voraus, dass sie auf eine Vorgehensweise zurückgreifen können, die vorher im Team besprochen wurde. Eine gelingende Kommunikation braucht aber immer Zeit und Raum. Die sollte sich ein Team jetzt unbe­dingt nehmen. Es klingt abgedroschen, aber es ist wichtig zu f ragen: Wo stehen wir? Wem geht es gerade nicht gut? Wo wollen wir hin? Was brauchen wir dafür?

Im Prinzip hat sich für die Kitaleitung also gar nicht so viel verändert, was ihre Führungsrolle angeht?

Doch, thematisch auf jeden Fall! Allerdings inhaltlich, in ihrer Rolle und strategisch hat sich nichts geändert. Jetzt sollten die Leitung und die Stellvertretung analysieren, welche Strukturen, Methoden und Verfahren sich in der Vergangenheit in krisenhaf­ten Situationen bewährt haben. Das steht auch jetzt zur Verfü­gung. Da viele Beschäftigte in dieser Coronasituation aber sehr belastet und erschöpft waren und teilweise noch immer sind, kann ich nur empfehlen, sich Unterstützung von außen zu holen, um von hier auf das System „Kitateam“ zu schauen und die wichtigen und richtigen Fragen zu stellen. Ich bin überzeugt: Jedes Team hat bereits die Fähigkeiten, eine Krise zu meistern, diese sind manchmal nur verschüttet. Es gilt, sie wieder zu aktivieren.

Sie meinen also, alles sei machbar?

Es ist ganz wichtig, sich miteinander auszutauschen. Nicht ins „Jammertal“ zu gehen, sondern den Blick nach vorn zu richten. Da ist wieder die Haltung der Leitung entscheidend, die wert­schätzend auf ihr Team sieht und auch fragt: Was kann ich für euch tun? Was braucht ihr?

Oft genug ist eine Kitaleitung aber selbst betroffen und verunsichert, fühlt sich aufgerieben und erschöpft.

Genau. Wenn eine Leitung sagt, dass sie an ihre Grenzen kommt, dann ist das für mich kein Versagen, sondern eine professionelle Stärke. Sie kann und sollte auch hier ihr Team miteinbeziehen und mit ihm gemeinsam nach einer Problemlösung suchen. Eine offene Feedback­ und Fehlerkultur sind an dieser Stelle wichtige Stichworte.

Können Sie das näher erklären?

Das Etablieren einer Feedbackkultur innerhalb eines Teams ist ein ganz wichtiges Steuerungselement. Sich zuzugestehen, dass man an irgendeiner Stelle überfordert ist, sich mit einer Aufgabe überhaupt nicht wohlfühlt, oder auch, dass man etwas falsch gemacht hat, davon kann ein Team nur profitieren und lernen. So etwas muss allerdings gut eingeführt werden, es ist kein Selbst­läufer, Leitung und Beschäftigte müssen es hegen und pflegen.

Ist in Fragen der Teamentwicklung auch der Träger gefordert?

Grundsätzlich ja. Der Träger sollte mit der Kitaleitung zumindest die Rahmenbedingungen abstecken, etwa mehr Zeit für die Team­sitzungen zugestehen oder auch eine Supervision unterstützen. In beides ist gut investiert, da das Team auf diese Weise wieder schneller zu seiner Handlungssicherheit zurückkehrt, was der Qualität der Betreuung und letztlich den Kindern zugutekommt. Denn wer sich sicher fühlt, hat weniger Stress, ist motivierter und wird seltener krank.

Was geben Sie den Teams, die Sie selbst beraten, noch mit auf den Weg?

Ihr habt in den vergangenen Monaten Beachtliches geleistet! Habt Spaß miteinander, lacht miteinander. Unternehmt etwas außerhalb der Kita zusammen. Und ich wiederhole noch einmal: keine Panik! Geht es langsam an, kein Aktionismus. Nicht alles muss jetzt nach­ und aufgeholt werden. Das führt nur zu Druck, der vermeidbar ist. Und den spüren auch die Kinder – mit allen Konsequenzen.

Foto: emotive-photography.de

Die Fragen beantwortete Jürgen Schweidler. Der Diplom­-Sozialpädagoge aus Alzey ist Gründer und Mitinhaber des Instituts für psychosoziale Beratung Lifeline­-24. Als Supervisor, Coach und Mediator berät er seit mehr als 20 Jahren unter anderem auch Kinder­tageseinrichtungen in Rheinland­-Pfalz und Hessen.

 

Diabetes in der Kita

„Als Johannes die Diagnose Diabetes bekam, waren wir natürlich erst mal verunsichert und auch ängstlich, was da auf uns zukommen würde“, erzählt Jasemine B., Erzieherin im ele­ment­-i Kinderhaus Steppkes in Stuttgart. „Aber es stand nie ernsthaft zur Debatte, dass er die Einrichtung nicht mehr besuchen dürfte.“ Nach reiflicher Überlegung im Team erklärten sich schließlich gleich drei pädagogische Fachkräfte bereit, sich in besonderer Weise um den Jungen kümmern zu wollen.

Trotzdem stand noch immer die Sorge im Raum, was ihnen rechtlich passieren könnte, würde ihnen doch einmal ein Fehler unterlaufen. Die Eltern nahmen diese Ängste ernst und setzten mit Unterstützung des Kita­-Trägernetzwerks Konzept­e ein Dokument zur Teilübertragung der Personensorge auf, das das pädagogische Personal von der Haftung entbindet und rechtliche Ansprüche der Fami­lie ausschließt. „Mit dieser Sicherheit war mir schnell klar, dass ich hier meinen Beitrag leis­ten möchte. Meine Kollegen und ich wurden also vom Diabetesteam des Olgahospitals in Stuttgart sehr ausführlich geschult“, berichtet Jasemine B. „Wir fühlten uns gut vorbereitet.“

 

KURZ GESAGT!

  • Unter bestimmten Voraus­setzungen dürfen pädago­gische Fachkräfte Medika­mente verabreichen
  • Unumgänglich bei Diabe­tes: Schulung der Beschäf­tigten
  • Unsicherheiten anspre­chen und gemeinsam angehen – Hand in Hand mit den Eltern

 

Gemeinsam mit der Familie tasteten sich die Erzieherinnen und Erzieher an die neuen Auf­gaben und Herausforderungen heran. Essen abwiegen, Blutzucker messen, die Werte beur­teilen, Insulingaben berechnen und verabrei­chen – das war für alle neu. Auch Johannes‘ Eltern mussten viel Flexibilität beweisen. Mut­ter Melanie I. begleitete ihren Sohn die ersten Wochen täglich in den Kindergarten, war – falls nötig – bei jedem Ausflug dabei und jederzeit für Nachfragen erreichbar. „Uns war es immer wichtig, nichts zu erwarten, nichts als selbst­verständlich zu nehmen und der Kita immer zu signalisieren: Wir wissen, ihr macht das frei­willig. Dafür sind wir euch dankbar“, macht sie deutlich.

Viel Bürokratie

Als ausgesprochen umständlich erwies es sich, personelle Unterstützung für die Kita finanziert zu bekommen, denn dazu gibt es keinerlei ein­heitliche Regelungen. Es kostete die Familie viel Energie und Zeit, ihr Recht einzufordern. Sie konnte schließlich erreichen, dass auch jetzt noch eine FSJlerin die pädagogischen Fachkräfte personell unterstützt. „Sie ist nicht aus­schließlich für unseren Sohn zuständig, sondern hilft überall mit. Denn wenn die Erzieherinnen sich stärker um Johannes kümmern, haben sie natürlich in diesem Moment weniger Zeit für die anderen Kinder“, erklärt die Mutter. Wichtig ist hierbei die Unterscheidung, dass er eine pflege­rische Unterstützung und keine integrative benö­tigt. „Die Verantwortung für sein Diabetes­-Ma­nagement verschiebt sich mit jedem Lebensjahr immer mehr auf Johannes. Er muss ja lernen, das irgendwann alles selbst zu machen. Das erfordert viel Geduld und ein sicheres Umfeld, in dem Feh­ler passieren dürfen.“

So normal wie möglich

Es brauchte ein wenig Zeit, bis sich im Kita­-Alltag alles gut eingespielt hatte. „Vielleicht waren wir am Anfang alle etwas zu sehr bemüht und über­vorsichtig. Das hat sich aber recht bald gelegt“, erinnert sich Jasemine B. „Wir sind mit der Situation gewachsen – und sehr schnell auch sicher geworden. Johannes hatte nie einen Sondersta­tus und konnte an allen Aktionen teilnehmen.“ Überaus hilfreich war die enge und vertrauens­volle Zusammenarbeit zwischen Kita und den Eltern. Für Melanie I. ist klar: „Es ist wichtig, dass sich die pädagogischen Fachkräfte mit der Situation ‚wohlfühlen‘. Wenn sie unsicher sind, überträgt sich das sofort aufs Kind. Und das ist in diesem Alter kritisch. Wir können von unse­rem Sohn sagen: Er hat seinen Diabetes akzep­tiert, auch weil sein Umfeld ihn akzeptiert und es ihm dadurch leicht gemacht hat.“

 

„Verpflichtende Fortbildungen wären sinnvoll“

Dr. Markus Freff ist Facharzt für Diabetologie an den Kinderkliniken Prinzessin Margaret in Darmstadt. Er und sein Team schulen pädago­gische Fachkräfte in eintägigen Seminaren und online zu chronischen Krankheiten.

Herr Dr. Freff, es kommt vor, dass Kinder aufgrund ihrer Diabetes-Erkrankung die Kita verlassen müssen, statt dass die Familien in dieser Lage unterstützt werden.

Ja, leider. Diese Kinder haben ohnehin schwie­rigere Startvoraussetzungen im Leben und dann tun sich plötzlich unnötige Hürden auf. Wenn Kinder immer wieder gesagt bekommen, dass sie etwas aufgrund ihrer Krankheit nicht dürfen oder können, dann hat das negative psycho­soziale Auswirkungen – nicht zuletzt, was die Akzeptanz ihrer Krankheit betrifft.

Haben Sie eine Erklärung dafür, dass manche Kitas zögern, diabeteskranke Kinder aufzunehmen?

Ich denke, es liegt oftmals an fehlendem Wis­sen und mangelnden Vorkenntnissen. Wenn auf Leitungsebene immer noch jemand davon überzeugt ist, dass das Personal unter keinen Umständen Medikamente geben darf, dann wird es auch die engagierteste Erzieherin schwer haben, sich dagegen zu behaupten. Deshalb halte ich es für sinnvoll, das Thema chronische Erkrankungen ins Ausbildungscur­riculum aufzunehmen und eine verpflichtende Fortbildung für pädagogische Fachkräfte dazu einzuführen. Optimal wäre es natürlich, wenn es in jeder Kita und Schule Gesundheitsfach­kräfte geben würde – das würde vieles leichter machen.

Solange das alles noch nicht der Fall ist: Wer schult Kitapersonal im Umgang mit diabeteskranken Kindern?

Das ist in der Tat teilweise schwierig und hängt stark von der Region und dem Engagement der Diabetesteams vor Ort ab; es ist nicht bun­deseinheitlich geregelt. Oft können Kinder­ärzte, Eltern initiativen und Diabetesvereine weiterhelfen.

 

Hilfreich: die DGUV Informa­tion „Medikamentengabe in Kindertageseinrichtungen“:
https://publikationen.dguv.de, Webcode: p202092

Viel Wissenswertes zum Thema gibt es auch in der Broschüre „Kinder mit Diabetes im Kindergarten“:
https://kurzelinks.de/kzw8

 

 

Schnellcheck für mehr Bewegung

Ein wenig erstaunt war Kitaleiterin Silvia Härtel schon: „Wir haben gedacht, dass sich sowohl die Erzieherinnen und Erzieher als auch die Kinder bei uns ohnehin schon viel bewegen.“ Denn Bewegung sei im Konzept ein wichtiger Baustein. Dann nahm ihre AWO­-Kita Lindennest aus Limmersdorf wie elf andere Kitas aus den Regionen Coburg und Nürn­berg / Erlangen an einem Forschungsprojekt teil. Und schon bald merkte Silvia Härtel: Da ist noch einiges mehr möglich.

QueB heißt das Projekt der Hochschule Coburg und der Universität Bayreuth, die Abkürzung steht für „Qualität entwickeln mit und durch Bewegung“. Die zentrale Fragestellung dabei lautet: Wie gelingt es, dass die Bewegungsmög­lichkeiten für alle Kinder – aber auch für die pädagogischen Fachkräfte – gefördert werden und sich alle mit Spaß bewegen?

 

KURZ GESAGT!

  • Projektziel: Bewegungs­förderung mit Spaß
  • Anregungen für nachhaltig mehr Bewegung betreffen auch die Organisation
  • Trotz Corona: Teilnehmende Kitas waren weiterhin „bewegt“

 

Workshops, die Vernetzung und der Austausch der Kitas untereinander sowie die Entwicklung eines Zertifizierungsverfahrens zur „Beweg­ten Kita“ waren Teil des Projekts. „In den Kitas wird jetzt mehr für ein ausgeglichenes Verhält­nis zwischen Ruhe und Bewegung getan“, fasst Christina Müller zusammen, die QueB an der Hochschule Coburg von Anfang an betreute.

Deutlich aktiver und bewegter

Beispielsweise hat das Forscherteam die Schrittzahlen gemessen. Ergebnis: Kinder machten in den Kitas durchschnittlich 100 Schritte mehr pro Stunde als vor dem Projekt. Bei den Erzieherinnen und Erziehern waren es sogar 150 Schritte mehr. Auch die Aktivi­tät wurde überprüft: Lag die Dauer der mode­raten oder intensiven Aktivität bei der ersten Messung im Jahr 2018 bei durchschnittlich 41 Minuten pro Tag, steigerte sich die Dauer im vergangenen Jahr auf 57 Minuten – die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO liegt bei einer Stunde. Für die Kita Lindennest bringt es Silvia Härtel auf den Punkt: „Wir konnten einen großen Fortschritt feststellen.“

Den Ist­-Zustand hatte sie zu Beginn des Projekts über die „Kita­-Check-­App“ ermittelt. Dieser Fra­genkatalog, den die Uni Bayreuth entwickelt hat, beinhaltet neun praxisnahe Kategorien: von den räumlichen Gegebenheiten über die Ausstattung bis hin zur Kitakultur und Eltern­arbeit. Hat man die zutreffenden Antworten angeklickt, kommt prompt das Ergebnis, wie aktiv die eigene Kita ist. „Das hat uns weiter­geholfen“, sagt Härtel. Daran habe sie ablesen können, was ohnehin schon gut laufe, was noch möglich sei und wo man an Grenzen stoße.

Veränderungen in Räumen und in der Einstellung

Einige Veränderungen hat die Kita Lindennest daraufhin angestoßen. Sichtbar sind sie bei­spielsweise im Gruppenraum. „Wir haben ein paar Schränke rausgeschafft und Spielsachen aussortiert“, sagt Silvia Härtel. Jetzt können sich die Kinder freier bewegen und ausleben.

Nicht sichtbar, aber mindestens genauso wich­tig: Die Einstellung des Teams hat sich durch die Teilnahme am QueB­-Projekt verändert. „Man muss ja gar nicht immer mit den Kindern am Tisch sitzen zum Spielen“, veranschaulicht Härtel. Jetzt spielen die Kinder viel am Boden, sie werden kreativer, bauen sich zum Beispiel Höhlen aus Decken.

Auch auf dem Außengelände der Kita ist das Umdenken auf einem naturnahen Spielplatz, der mit Baumstämmen gestaltet ist, spürbar. „Die Erzieherinnen und Erzieher haben mehr Mut, trauen den Kindern mehr zu“, hat Silvia Härtel beobachtet. Klettern und balancieren ausdrücklich erwünscht: „Je mehr sich die Kin­der bewegen, desto mehr spüren sie sich selbst und machen wertvolle Körpererfahrungen.“ Ein Plumpser vom Baumstamm gehört auch mal dazu.

 

DAS QUEB- PROJEKT

Das Projekt wird seit 2015 an der Hoch­schule Coburg unter Leitung von Prof. Dr. Holger Hassel vom Institut für angewandte Gesundheitswissen­schaften (IaG) durchgeführt mit dem Ziel, nachhaltig mehr Bewe­gung in den Kita­-Alltag zu integrieren. Geför­dert wird QueB vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.

 

Die Lust an der Bewegung ebbte bei den am QueB­-Projekt teilnehmenden Kitas auch wäh­rend Corona nicht ab: „Es freut uns zu sehen, dass die erschwerten Bedingungen der Corona­pandemie nicht zu einem Einbruch geführt haben und die Kitas weiter am Ball geblieben sind“, sagt Christina Müller.

„Wir wollen den Weg fortsetzen“, unterstreicht auch Silvia Härtel. Mehr noch. Die Kita Linden­nest hat sich fest vorgenommen, den Bewe­gungsraum noch häufiger zu nutzen, Yoga-­ und Entspannungsübungen in den Kita­-Alltag zu integrieren und regelmäßig Ausflüge in die Natur zu unternehmen und dabei die Eltern mitzunehmen. Härtels Fazit nach dem Projekt: „Wir konnten die Kinder zu mehr Bewegung motivie­ren und dazu beitragen, dass sie lernen, sich gesund zu verhalten.“

 

Digitale Bewegungs-Checks

Mit der kostenfreien Kita-Check-App können Kitas herausfinden, wie gut ihre Bewegungsangebote bereits sind und wo es noch Verbesserungspotenzial gibt. Die Webversion ist hier zu finden:
https://queb.eu/kca/

Für Android­-Geräte gibt es die App außerdem im Google Play Store.

Der Schnellcheck-Bewegung ist eine vereinfachte Version zum Ausprobieren:
https://queb-schnellcheck.de

Beaufsichtigte Experimente mit Feuer

Aus pädagogischer Sicht sind beaufsichtigte Experimente mit Feuer sinnvoll – aber was sagt der Feuerwehrmann dazu?

Wir Brandschutzerzieher müssen dafür Sorge tragen, dass es nicht zu einem Brand kommt – dazu gehört es, dass Kinder frühzeitig den sicheren Umgang mit Streichhölzern und dergleichen lernen. Denn Verbote bewirken meist das Gegenteil. Solange immer eine erwachsene Person dabei ist, die gut aufpasst, spricht also auch aus meiner Sicht nichts gegen Experimente. Nur sollte man diese unbedingt auf das Alter der Kinder abstimmen.

Wenn Kitas Brandschutzprojekte ohne die Unterstützung der Feuerwehren durchführen, worauf sollten sie achten?

Die pädagogischen Fachkräfte müssen das nötige Vor­wissen und die erforderlichen Kenntnisse haben. Brand­schutzhelfer etwa bringen das mit. Ich empfehle aber dringend, sich vor Ort mit der Feuerwehr in Verbindung zu setzen. Coronabedingt sind zwar viele Aktionen nicht möglich gewesen, aber der enge Kontakt ist immer vor­teilhaft, auch für die jährliche Evakuierungsübung.

Haben Sie Tipps, wie sich Kitas darüber hinaus informieren und vorbereiten können?

Eine tolle Sammlung mit kostenfreiem Material für Kinder und Hintergrundwissen für Erzieherinnen und Erzie­her gibt es beim Deutschen Feuerwehrverband unter https://www.vfdb.de/referat-12/publikationen unter dem Punkt „Materialsammlung“.

„Digitale Medien gehören dazu wie Bilderbücher“

Am Anfang haben sich alle Kinder auf die Computer gestürzt. Die Erzieherinnen mussten einen Wecker stellen, damit jedes an die Reihe kam. Doch die Aufregung legte sich schnell. „Die Computer sind für un­sere Kinder zur Normalität geworden“, sagt die Leiterin der Kita Senfkorn in Gera, Antje Neuge­bauer. An manchen Tagen werden die Rechner in der Einrichtung der Diako Thüringen gar nicht eingeschaltet, weil alle Kinder in andere Spie­le vertieft sind. Genau so soll es sein, findet die Pädagogin. „Unser oberstes Ziel ist es, dass die Kinder sorgsam mit Medien umgehen.“

Die Kita legt Wert darauf, sich an der Lebens­welt der Mädchen und Jungen zu orientie­ren. Und Medien gehörten ganz selbstver­ständlich zur modernen Kindheit dazu, betont Antje Neugebauer. Viele können schon im Kindergartenalter mühelos das Smartphone der Eltern bedienen, gucken Filme auf YouTube oder spielen mit Apps. Die Kitaleiterin ist über­zeugt: „Verteufeln bringt nichts.“ Stattdessen gelte es, schon von klein auf Medienkompe­tenz zu vermitteln. So lernen die Mädchen und Jungen in der Kita, nicht allen Inhalten im Netz blind zu vertrauen. Und dass nicht alle Seiten für Kinder geeignet sind. Einmal haben sie zum Bei­spiel im Kindergarten selbst eine Werbung für Süßigkeiten gedreht. „Dabei haben sie erfah­ren, wie Manipulation funktioniert“, sagt die Pädagogin, „und dass nicht alles wahr ist.“

 

KURZ GESAGT!

  • Kindern lernen, sorgsam und verantwortungsvoll mit digitalen Medien umzugehen
  • Für die Kita Senfkorn auch eine Frage der Bildungs­gerechtigkeit
  • Technik wird mit Aktivi­täten verbunden und ist kein Selbstzweck

 

 

Die Einrichtung hat den Umgang mit Neuen Medien bereits seit 15 Jahren als Schwer­punkt im Konzept verankert. Am Anfang waren viele Eltern skeptisch – und auch einige Erzie­herinnen taten sich zunächst etwas schwer damit. Immer wieder bekam die Leiterin zu hören: „Computer im Kindergarten? Was soll das? Die Kinder sollen spielen und nicht vor dem Bildschirm hocken!“ Etwas Mut sei schon erforderlich gewesen, räumt Antje Neugebauer ein. Doch die Pädagogin war überzeugt, dass Neue Medien zur pädagogischen Arbeit der Einrichtung passen: „Die Kinder sollen so gut wie möglich aufs Leben vorbereitet werden.“ Hinzu kam die Frage nach Bildungsgerechtig­keit. Viele Kinder hätten zu Hause schlichtweg keinen Laptop oder keine Digitalkamera, die sie einfach mal so ausprobieren könnten.

Also schaffte die Kita für jede Gruppe ein Tab­let an, außerdem Computer, Fotodrucker und Digitalkameras. Die Leiterin betont, dass alle Medien eine große Rolle spielten, auch Bücher und Lexika. Zudem achten die Erzieherinnen darauf, die Technik stets mit Aktivitäten zu ver­binden. So denken sich die Kinder zum Beispiel zum Märchen der drei kleinen Schweinchen Zilli, Billi und Willi ein Theaterstück aus – und filmen die Aufführung mit der Digitalkamera. Sie tanzen zum YouTube­-Video auf der Wiese oder fotografieren einen selbst gebauten Turm aus Bauklötzen.

In erster Linie kommen digitale Medien im Alltag zum Einsatz. Wenn die Kinder auf einem Spazier­gang eine seltene Blume entdecken, fragt die Erzieherin: „Wie können wir herausfinden, wie sie heißt?“ Die Mädchen und Jungen machen ein Foto von der Pflanze, drucken es in der Kita am Farbdru­cker aus, vergleichen das Bild mit Abbildungen in Büchern oder Lexika. Nichts gefunden? Da hilft der gemeinsame Blick ins Internet. „Es geht darum, dass die Kinder möglichst viel selbst ausprobieren“, sagt Antje Neugebauer.

In der Kita machen alle Vorschulkinder einen Computerführerschein: Dafür lernen sie, den Rechner einzuschalten, sich mit ihrem Namen anzumelden und ein Lernspiel zu starten. Der Computer steht bewusst etwas abseits in einem Nebenraum, damit sich die Kinder in Ruhe zurückziehen können. Gute Erfahrungen macht die Einrichtung mit der kostenfreien Lernsoftware „Schlaumäuse“: Mädchen und Jungen ab fünf Jahren entdecken dabei erste Buchstaben, ordnen Gemüsesorten zu oder spielen Hör­-Memory.

Die Skepsis der Eltern hat sich schnell gelegt. „Sie staunen, was alles möglich ist“, so Antje Neugebauer, „wenn man Geduld und Zeit hat.“ Und den Kindern zutraut, die teure Digital­kamera selbst zu bedienen. Auch die Erzie­herinnen wollten längst nicht mehr darauf verzichten, jederzeit ein Tablet griffbereit zu haben. Wenn es passt. „Digitale Medien gehö­ren zum Kita-­Alltag dazu wie Bilderbücher“, sagt die Leiterin, „ganz normal.“

 

Was für Kinder geeignet ist

Ob Fußball, Wildtiere oder Abenteuer, ob spielen oder lernen: Die Seite klick-tipps.net – ein Angebot von jugendschutz.net – stellt tolle Apps und Homepages für Kinder vor.

Das Deutsche Jugendinstitut hat eine Datenbank erstellt mit über 500 Rezensionen zu Kinder­Apps, bewertet nach pädagogischen Kriterien: www.dji.de

Auch analog können Kinder spielerisch den Umgang mit digitalen Medien üben: Viele Praxisideen und Tipps für den Kita­-Alltag bietet der Medienkindergarten (MeKi): medienkindergarten.wien

Ab dem Vorschulalter geeignet: Material für das Training allererster Medienkompetenzen in Form eines Stationenlernens: www.dguv-lug.de, Webcode: lug1003414

Wer kehrt?

Welche Wege in und um die Kita müssen gekehrt oder gestreut werden?

Das hängt von der Satzung der jeweiligen Kommune ab. Grundsätzlich müssen alle Wege und Flächen, die Dritte nutzen – also die sogenannten Verkehrsflächen – gekehrt und gestreut werden, etwa auch der Müllplatz. Es spielt dabei keine Rolle, ob diese Verkehrsflächen vor oder hinter dem Tor der Kita liegen.

Wer muss sich darum kümmern?

Zunächst hat der Eigentümer die Pflicht, diese Verkehrsflächen zu räumen, er kann diese Pflicht aber auf andere übertragen, auf die Mieter oder Pächter genauso wie auf eine Firma. Trotzdem sollte er sich regelmäßig – besonders bei Beschwer­den – davon überzeugen, dass in dieser Hinsicht alles klappt. Ob eine Kita bzw. der Träger selbst in der Pflicht ist, kann anhand der Verträge geprüft werden.

Wann muss überhaupt gekehrt oder geräumt werden?

Generell: Schneit es, müssen die Ver­kehrsflächen unverzüglich nach Been­digung des Schneefalls geräumt sein. Bei anhaltendem Schneefall reichen ange­messene Zeitabstände aus. Glatte Flächen aber müssen direkt abgestreut werden (Streusalz ist auch für Firmen verboten). Bei Laub ist die Rechtsprechung nicht eindeutig. Besser, man räumt auch diese Sturzgefahr so schnell wie möglich aus dem Weg. Da im Grunde alle Angelegen­heiten rund um die Straßenreinigung kommunal geregelt sind, muss man in die jeweilige Verordnung, Satzung oder das Gesetz schauen. Darin findet man dann auch die Uhrzeiten, von wann bis wann eine Räumpflicht besteht. Ein guter Anhaltspunkt ist von 7:00 Uhr bis 20:00 Uhr. In der Nacht muss also nicht geräumt werden, solange morgens um 7:00 Uhr die Verkehrsflächen frei sind.

Müsste je nach Wetterlage ein Räumdienst mehrmals am Tag kommen?

Ja, durchaus. Trotzdem sollte man unbe­dingt auch zwischendurch glatte Stellen beseitigen und nicht auf den Dienstleister warten!

Gibt es Vorschriften, wie breit die Wege geräumt sein müssen?

Auch das ist kommunal geregelt und hat oft etwas damit zu tun, wie stark frequentiert ein Weg ist. Vor Kitas empfiehlt es sich aber, großzügig zu räumen, denn schließlich sind hier ja auch Eltern mit Kinderwagen und Kindern an der Hand unterwegs.

Was passiert, wenn man den Verkehrssicherungspflichten nicht nachkommt?

Dann haftet man, sollte es zu einem Unfall kommen. Da kommen leicht einige Tausend Euro an Forderungen zusammen. Außerdem muss man mit einem Bußgeldverfahren rechnen.

Die Fragen beantwortete Judith Häusler, Abteilung Recht der Unfallkasse Berlin

Mit geschultem Blick

Ich bin seit zwei Jahren in unserer Kita mit zwei Standorten einer der beiden Sicherheitsbeauftragten. Als sehr hilfreich bei allen sicherheitsrelevanten Fragen hat sich mein „besonderes Hinschauen“ erwiesen, das ich mir bei meiner ehrenamtlichen Arbeit bei der freiwilligen Feuerwehr angeeignet habe. Besonders wichtig ist mir aber der immer stärker in den Fokus rückende Aspekt der psychischen Gesundheit. Die Persönlichkeit zu stärken kann nicht früh genug beginnen, deshalb leite ich auch gemeinsam mit einer Kollegin das Projekt „Kinderrat“.

Preis für NRW-Kitas

In einer „guten gesunden Kita“ wird der Kita-Alltag gesundheitsförderlich gestaltet. Dabei richtet die Kindertageseinrichtung ihre Aufmerksamkeit über Gefährdungen und Belastungen hinaus besonders auf alle Faktoren, die Gesundheit und Wohlbefinden der Kinder und des Personals erhalten und fördern.

Mit der Ausschreibung des Kita-Preises „Gute gesunde Kita“ möchten die Unfallkasse NRW und die BGW Kitas dazu motivieren, in besonderer Weise Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten und Kindern in ihre tägliche Arbeit zu integrieren und damit ihre Qualität zu verbessern. Die Förderung von Sicherheit und Gesundheit wird dabei nicht als zusätzliche Aufgabe verstanden, sondern als ein Hilfsmittel, um den Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag gut zu erfüllen.

Kitas aus NRW, die sich erfolgreich um den Kita-Preis bewerben, erhalten eine Prämie. Die Prämie ist zweckgebunden für Anschaffungen und Maßnahmen, die der Sicherheit und Gesundheit des Personals und der Kinder zugutekommen, und beträgt bis zu 3.000 Euro zuzüglich 500 Euro pro Gruppe.

Die Bewerbungsfrist endet am 29. Oktober 2021. Hier geht es direkt zur Bewerbung: https://kita-preis-nrw.de/index.php/bewerbung

Jetzt geht’s los!

Exkursionen gehören in der Kita Pusteblume in Schafhausen (Kreis Heinsberg, NRW) zur Routine – wenn nicht gerade eine Corona-Pandemie sie ausbremst. „Wir sind nun einmal eine total ausflugsfreudige Kita“, sagt Britta Steinmann, als sie nach dem Geheimnis gefragt wird, wie es gelungen sei, Ausflüge als festen Bestandteil des Programms der Einrichtung zu etablieren. „Es macht uns einfach allen großen Spaß und gehört dazu.“ Also nutzen die Erzieherinnen und Erzieher jede sich bietende Gelegenheit, mit den Kindern loszuziehen. Mal geht es ganz spontan nach dem Frühstück ins Naherholungsgebiet des 1.200-Seelen-Ortes, mal auf den tollen Spielplatz hinter der niederländischen Grenze, aber auch mit Bus und Bahn 80 Kilometer weit zum Düsseldorfer Flughafen. Das ist dann ein „echter“ Ausflug. „Die Flugzeuge sind das eine, aber noch eindrucksvoller ist für die Kinder das U-Bahn-Fahren“, schmunzelt die Kitaleiterin.

Bei den größeren Exkursionen begleiten vier Fachkräfte etwa 20 bis 25 Kinder im Vorschulalter. Bei den eher spontanen Aktionen sind die drei Gruppenerzieherinnen für die rund 20 Kinder einer Kitagruppe im Alter zwischen zwei und sechs Jahren verantwortlich. „Die Gruppen treffen sich nach dem Frühstück und beschließen dann gemeinsam, was sie unternehmen möchten“, erklärt Steinmann. „Und dann geht’s los – in der Regel bis zum Mittagessen.“

 

KURZ GESAGT!

  • Exkursionen gelingen nur, wenn die Verantwortlichen Spaß daran haben
  • Gute Vorbereitung ist das A und O
  • Ausflüge bedeuten auch Verkehrserziehung, Frühförderung, Bewegungsanreiz etc.

 

Lieber in kleinen Gruppen unterwegs

Ähnlich verfährt auch die Xenia Kita Steingasse aus Wiesbaden. Die Einrichtung ist in der dicht bebauten Innenstadt beheimatet, das Außengelände nicht sehr groß. Im Umkreis befinden sich jedoch einige öffentliche Spielplätze, mit dem Bus ist auch der Stadtwald unkompliziert erreichbar. Auch bei Xenia entscheiden schon die Kleinsten mit, ob sie nach dem Frühstück einen Spaziergang – beispielsweise zum Spielplatz – machen möchten.

Anders als in der Dorfkita in Schafhausen nimmt hier aber nur in Ausnahmefällen die gesamte Gruppe an solchen Aktionen teil. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es besser ist, sich aufzuteilen“, erklärt Alexandra Lemcke, die die Einrichtung leitet. „Unsere Kinder leben in der Regel in beengten Wohnverhältnissen und die Eltern gehen erfahrungsgemäß selten mit ihnen raus. Auch deshalb sind Ausflüge mehr als nur ‚ins Grüne gehen‘. Es bedeutet Verkehrserziehung, Kennenlernen des Lebensumfelds und natürlich Bewegung.“ Manchmal begleiten nur zwei Kinder eine Erzieherin in die Fußgängerzone, um kleinere Besorgungen zu machen. Der Weg führt vorbei an einer Baustelle. „Gehen nur zwei Kinder mit, gibt es Gelegenheit, auch mal länger zuzugucken, zuzuhören und viel individueller auf sie einzugehen. Nebenbei wird auch noch der Wortschatz zu Baustellen und Verkehr trainiert. Denn im Alltag steckt ganz viel Frühförderung.“

Das Aufteilen in Kleingruppen hat weitere handfeste Vorteile: „Manche Kolleginnen sind schlicht nicht so gerne draußen unterwegs, andere dagegen sehr.“ So kommen alle Kinder in den Genuss von Ausflügen, selbst wenn die Bezugserzieherin eher zu jenen Personen zählt, die lieber drinnen arbeiten.

Beim Ausflug auf den Spielplatz können sich die Kinder austoben. Gut für die Motorik ist es noch dazu.

Gut vorbereitet auch zu fernen Zielen

Die Einrichtung in Schafhausen scheut auch vor größeren Aktionen nicht zurück. Damit die Eltern Bescheid wissen, was die Kinder an Ausflugstagen mitnehmen müssen, bekommt jede Familie direkt mit der Aufnahme einen Flyer mit allem Wissenswerten zu Ausrüstung und Verpflegung überreicht.

Die Erfahrung vieler Jahre zahlt sich aus. In der Vergangenheit haben Britta Steinmann und andere Erzieherinnen die Strecken und Wege gecheckt: Wo müssen wir lang? An welchem Bahnsteig geht es weiter? Wie lange dauert das Umsteigen? Wo sind Toiletten oder ein geeigneter Ort fürs Picknick? So vorbereitet, gelingt auch ein Ausflug mit vielen Kindern. Jetzt hoffen alle, dass auch in diesem Jahr die Tour der Vorschulkinder in den großen Freizeitpark „Phantasialand“ stattfinden kann. Coronabedingt steht dieser Ausflug – ein Höhepunkt der Kindergartenzeit – nämlich noch auf der Kippe.

Lernen, erleben, bewegen – draußen geht es auf Entdeckungstour.

 

 

Tipps

  • Klein anfangen; zumindest ein Teil des Teams muss wirklich Lust auf Unternehmungen mit den Kindern außerhalb der Kita haben
  • Kolleginnen und Kollegen nach persönlichen Vorlieben zu Exkursionen oder Innendienst einteilen
  • Ausflüge als Chance für Frühförderung abseits spezieller Projekte begreifen
  • Gruppen aufteilen und nur mit einem Teil der Kinder etwas unternehmen
  • Personal knapp? Rechtzeitig Eltern/fitte Großeltern als Begleitpersonen bei größeren Exkursionen mobilisieren
  • Eventuell zu Beginn eines Kitajahres Elternbrief zur richtigen Ausstattung der Kinder bei Exkursionen verteilen

Tierhaltung in der Kita

Ist für jede Art der Tierhaltung eine schriftliche Erlaubnis des Trägers notwendig?

Ob schriftlich oder mündlich – der Träger muss auf alle Fälle mit ins Boot, selbst bei einem Aquarium. Gemeinsam müssen Träger und Kitaleitung entscheiden, welches Tier in der Kita gehalten werden darf und kann sowie welches pädagogische Ziel mit der Haltung verfolgt wird. Eine Gefährdungsbeurteilung im Vorfeld ist ebenso unerlässlich. Je nach Tierart sind Behörden wie Gesundheits- und Veterinäramt einzubeziehen. Bei einer tiergestützten Pädagogik ist natürlich eine Abstimmung mit dem Jugendamt notwendig.

Müssen Eltern vor der Aufnahme eines Kindes über die Tierhaltung informiert werden?

Die Eltern müssen vor Anmeldung ihres Kindes Bescheid wissen, ob in der Kita Tiere gehalten werden. In jedem Fall sind vorab mögliche Allergien der Kinder abzufragen. Wird Tierhaltung neu ins Konzept aufgenommen, sollten die Eltern beteiligt werden. Ein Elternabend schafft zudem Transparenz.

Wie sieht der geeignete Standort für einen Tierkäfig, ein Aquarium oder Terrarium aus?

Sie sollten möglichst in einem geschützten, ruhigeren Bereich stehen und natürlich kipp- und standsicher sowie auslauf- und ausbruchsicher sein. Die Verglasung sollte aus bruchsicherem Material bestehen. In den meisten Rahmenhygieneplänen der Länder sind wichtige Anforderungen hinsichtlich der Tierhaltung in Kindertageseinrichtungen formuliert. Im sächsischen Rahmenhygieneplan ist zum Beispiel klar verankert, dass in Räumen, in denen Tiere gehalten werden, auf Teppichböden verzichtet werden sollte, keine Käfige in Schlaf- und Gruppenräumen aufgestellt werden dürfen und täglich feucht gewischt sowie intensiv gelüftet werden muss. Futter und Pflegeutensilien sollten zudem separat gelagert werden. Auf eine ausreichende Händehygiene nach Tierkontakt ist ebenfalls zu achten.

Wie kann eine Kita die möglichst artgerechte und gesunde Haltung von Tieren gewährleisten?

Jeder Tierhalter hat nach Tierschutzgesetz eine Sicherungs-, Aufsichts- und Sorgfaltspflicht gegenüber den Tieren. Eine artgerechte Tierhaltung in der Kita ist mit einem hohen Aufwand verbunden und sollte wohl bedacht sein. Es ist ungemein wichtig, die spezifischen Bedürfnisse der Tiere zu respektieren und sich genau zu informieren. Mindestens zwei Beschäftigte sollten für das Wohl der Tiere verantwortlich sein. Betreuung, Futter, eine artgerechte Unterbringung, Fürsorge und Zuwendung müssen dauerhaft organisiert und gesichert sein, auch an Wochenenden, im Urlaub und im Krankheitsfall der Betreuungspersonen. Der Pflegeaufwand muss für die Beschäftigten in ihrer Arbeitszeit machbar sein. Auch Zeit und Geld etwa für jährliche tierärztliche Kontrollen, Impfungen oder Wurmkuren müssen eingeplant werden.

Die Fragen beantwortete Carolin Langer, Aufsichtsperson Unfallkasse Sachsen

Tschüss, Spielzeug

Zuerst die Bilderbücher, danach die Bauklötze, zum Schluss die Puppen und die Verkleidungskiste. In Windeseile räumen die Kinder das gesamte Spielzeug aus den Schränken, packen alles in Pappkartons. Mindestens sechs Wochen lang werden sie nicht mehr angerührt. Jedes Frühjahr ist in der Kita „7 Raben“ in Greifswald spielzeugfreie Zeit angesagt. „Damit wollen wir die Lebenskompetenzen der Kinder stärken“, sagt Kitaleiterin Heike Rieck vom Institut Lernen und Leben e. V. in Mecklenburg-Vorpommern. Die Pädagogin staunt jedes Jahr aufs Neue, was für tolle Ideen die Kinder in dieser Zeit entwickeln, wie selbstbewusst sie werden – und wie stark sich ihre Sprachkompetenz und Konfliktfähigkeit verbessern.

 

KURZ GESAGT!

  • Für die Vorbereitung genug Zeit einplanen
  • Durchführung im Sommerhalbjahr ermöglicht es, viel draußen zu spielen
  • Im Vorfeld schon Naturmaterialien, Kartons und Pappröhren sammeln
  • Gute Kommunikation mit den Eltern und auch die Kinder aktiv einbeziehen

 

Doch obwohl die Mädchen und Jungen fleißig beim Wegräumen helfen, ist am Montag der Schreck erst einmal groß: Die Räume sind komplett leer, außer Tischen, Stühlen, Decken und Tüchern ist alles weg. Hinzu kommt, dass nicht nur das Spielzeug fehlt. Das Konzept setzt auch darauf, dass von den Fachkräften keine Impulse kommen. Kein Vorschlag, ein Lied zu singen oder einen Käfer im Gras zu beobachten. „Wir leben in einer Überflussgesellschaft“, meint Rieck. „Die Kinder haben oft ein Zuviel an allem, an Material und Angeboten, sowohl in der Kita als auch zu Hause.“ In der spielzeugfreien Zeit sollten die Kinder wieder stärker lernen, ihre Bedürfnisse wahrzunehmen.

Gute Vorbereitung ist entscheidend

Aufgabe der Fachkräfte sei es, die Kinder zu beobachten und zu begleiten. „Dieser Rollenwechsel fällt uns Erzieherinnen oft nicht leicht“, gesteht die Pädagogin. „Wir lieben es, den Kindern etwas zu zeigen und zu erklären.“ Doch während der spielzeugfreien Zeit beschäftigten sich die Kinder im Idealfall stundenlang, ohne ein einziges Mal die Erzieherin etwas zu fragen. Dadurch entstehe leicht das Gefühl, überflüssig zu sein. „Doch das Gegenteil ist der Fall.“ Die Kinder könnten sich nur so ausgiebig ihrem Spiel widmen, „weil wir sie so gut auffangen“, so Rieck. „Das kommt nicht aus dem Nichts.“

Die Kitaleiterin ist überzeugt, dass das Projekt nur so gut funktioniert, weil alle wissen, worum es geht – und richtig mitmachen. Deshalb führt sie jedes Jahr mit ihrem Team eine Weiterbildung durch. Zudem legt Rieck großen Wert darauf, auch Eltern und Kinder gut vorzubereiten. Schon bei der Anmeldung klärt sie die Eltern über das Projekt auf, außerdem gibt es einen Elternbrief oder Elternabend. Die Fachkräfte erklären auch den Kindern vorher ganz genau, was passiert. Sie sagen: „Wir wollen sehen, auf was für Ideen ihr kommt, wenn ihr euch langweilt.“

Mindestens sechs Wochen im Jahr ist die Kita in Greifswald spielzeugfrei.

Aller Anfang ist schwer

Wenn es so weit ist, toben die Kinder erst einmal wild herum. „Die ersten Tage sind für die Erzieherinnen am schwersten auszuhalten“, berichtet die Leiterin. Doch schnell gewöhnen sich die Kinder an die neue Situation und genießen die Freiheit. Erlaubt ist, Naturmaterialien wie Holz oder Steine sowie Werkzeug mitzubringen. Und so basteln die Mädchen und Jungen aus Pappkartons tolle Spielhäuser, bauen Höhlen oder denken sich selbst Theaterstücke aus. „So etwas passiert in der Regel nicht in der ersten Woche“, sagt Rieck.

Die Erzieherinnen und Erzieher der Kita „7 Raben“ sind während der spielzeugfreien Zeit jeden Tag mit den Kindern im Gespräch, fragen, wie sie sich fühlen, wo sie Unterstützung brauchen. Ein Junge sagt, dass ihm die Bauklötze so fehlen. Warum? Weil er so gerne einen Turm bauen würde. Hat er vielleicht eine Idee, womit er sonst etwas bauen könnte? Der Junge überlegt kurz. Er bräuchte etwas Holz, sagt er, und eine Säge. Und schon flitzt er los.

 

PROJEKT ZUR SUCHTPRÄVENTION

Das Projekt wurde vor rund 30 Jahren zur Suchtprävention entwickelt. In einem Papier der Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz e. V.(BAJ) heißt es, es gehe darum, Kindern wieder mehr Spielraum zu schaffen für Fantasie und Kreativität. Und damit auch für Selbstbestätigung und Selbstbewusstsein. Zu beobachten sei, dass die Kinder viel mehr miteinander redeten, im Team gemeinsam Lösungen fänden. Sie entwickelten eigene Themen, erlebten, dass sie für ihre Probleme auch selbst Lösungen finden können und „dass der Erfolg ihnen ganz alleine gehört“. Wissenschaftliche Studien belegen die positive Wirkung.

„Den Körper zu erforschen, ist ganz normal“

Kinder sind kleine Entdecker, auch wenn es um ihren Körper geht. Wie kann sich dieses Bedürfnis in der Kita äußern?

Es kann sein, dass ein Junge und ein Mädchen zusammen auf die Toilette gehen und sich zeigen, wie sie zwischen den Beinen aussehen. Vielleicht fassen sie sich auch gegenseitig an. Oder Kinder liegen in der Kuschelecke aufeinander und bewegen sich auf und ab.

Wie sollten Betreuerinnen und Betreuer dann reagieren?

Ruhig bleiben. Kindliche Sexualität hat nichts mit erwachsener Sexualität zu tun. Bei Kindern geht es meist um die Erforschung des Körpers. Das ist ein normaler Teil der Sexualentwicklung. Und es ist auch normal, dass sie Verhaltensweisen nachspielen, die sie beobachtet haben. Andere Situationen gehen dagegen zu weit.

Zum Beispiel?

Eine Grenze ist überschritten, wenn Kinder sich verletzen können oder eines von beiden etwas nicht möchte. Wenn beispielsweise Gegenstände in Körperöffnungen gesteckt werden. Oder wenn ein Sechsjähriger einen Vierjährigen im Spiel damit bestraft, dass dieser sich die Hose ausziehen muss. Viele Situationen können nur im Einzelfall beurteilt werden.

Was kann pädagogischen Fachkräften dabei helfen?

Ein sexualpädagogisches Konzept, das mit dem Träger und dem Team abgesprochen ist. Darin ist geregelt, welche gemeinsame Haltung die Kita zur Sexualentwicklung hat: Welche Situationen wollen wir zulassen? Wollen wir Kuschelecken einrichten, in denen Kinder sich körperlich-sinnlich erfahren dürfen? Haben wir einen Arztkoffer, mit dem sich die Kinder untersuchen dürfen? Oder bleiben die Hosen bei uns immer an? Es ist auch sinnvoll, sich im Team auf Begriffe für Geschlechtsorgane zu einigen. Das gibt Halt. Und nur wenn ein Kind Worte für seine Sexualität hat, kann es auch sagen, wenn ihm ein sexueller Missbrauch passiert ist.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten zudem über ihre eigene Haltung zum Thema Sexualität Bescheid wissen. Denn ihre Erfahrung beeinflusst, wie sie Situationen einschätzen. Darüber zu reflektieren, geht nicht im Team oder im Alltag, sondern nur mit Supervision oder in speziellen Fortbildungen, zum Beispiel von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutz-Zentren e. V. (www.kinderschutz-zentren.org). Im Idealfall nehmen Kitateams mehrfach an Fortbildungen teil, weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wechseln und es zu ganz unterschiedlichen Situationen kommen kann.

Warum ist es so wichtig, als Team eine gemeinsame Haltung zu kindlicher Sexualität zu entwickeln?

Weil diese Haltung auch für die Kinder und Eltern transparent sein muss. Im Grunde sollte das Thema schon beim Kennenlerngespräch aufkommen. Kitas können ihr sexualpädagogisches Konzept auch auf Elternabenden vorstellen. Lehnen Eltern die Haltung der Kita ab, ist es wichtig zu verstehen, welche Sorgen dahinterstecken. Dabei hilft ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Kita und Familie.

Was ist in einer kritischen Situation zu tun?

Es hilft, sich Fragen zu stellen wie: Handelt das Kind aus Neugier oder ist Macht im Spiel? Besteht ein großer Altersunterschied oder ein Gefälle im Entwicklungsstand? Passiert etwas mehrfach? Als wie intensiv empfinde ich die Situation? War das freiwillig? Verhält sich ein Kind auch in anderen Bereichen auffällig? Dafür ist es unerlässlich, die Kinder in der Gruppe gut zu kennen.

Das genaue Vorgehen muss in einem Schutzkonzept geregelt sein. Darin steht, wer intern die richtigen Ansprechpersonen sind, um gemeinsam zu diskutieren, was zu tun ist. Außerdem legt das Schutzkonzept fest, wann eine Fachberatungsstelle oder der Träger kontaktiert wird.

Was brauchen die betroffenen Kinder?

Ein Gespräch und Verständnis. Jemanden, der nicht gleich Partei ergreift, aber klar sagt, wenn etwas nicht erlaubt ist. Und auch alleine mit den Kindern spricht, damit sie sich öffnen können. Gegebenenfalls müssen Maßnahmen getroffen werden, damit sich eine Situation nicht wiederholt, zum Beispiel indem die Kinder nicht mehr zusammen auf die Toilette gehen dürfen.

Wie kann ein Vorfall in der Kitagruppe thematisiert werden?

Indem pädagogische Fachkräfte die Kinder fragen, wie sie die Situation empfunden haben. Dann sollten sie erklären, welche Regeln für alle gelten und warum, zum Beispiel weil Betreuerinnen und Betreuer manchmal schwer einschätzen können, ob Kinder etwas freiwillig machen.

Und worum sollte es im Gespräch mit den Eltern gehen?

Haben Kinder nur ihren Körper erforscht, können Betreuerinnen und Betreuer beruhigend sagen, dass das normal ist. Wenn Macht und Gewalt im Spiel waren, müssen sie im Hinterkopf behalten: Kinder, die in solcher Weise übergriffig werden, könnten selbst Missbrauch erlebt haben. Das passiert am häufigsten in der Familie, deshalb sollten Kitafachkräfte über einen Verdacht nicht mit den Eltern sprechen, sondern Vorfälle und Beobachtungen zunächst intern dokumentieren. Und sich dann Unterstützung von lokalen Kinderschutzzentren holen. Niemand kann ein Kind alleine retten.

Foto: Tina Niedecken

Die Fragen beantwortete Elisabeth Raffauf. Die Diplom-Psychologin bietet Vorträge und Seminare zur Sexualerziehung an und ist Autorin eines Ratgebers zum Thema („Wenn Sophie und Jonah Doktor spielen“, Cornelsen Verlag).

 

IM ZWEIFELSFALL LIEBER BERATEN LASSEN

Fachkräfte finden lokale Beratungsstellen, die sich mit sexualisierter Gewalt gegen Kinder auskennen, über die Suchmaschine des Hilfeportals Sexueller Missbrauch: www.hilfeportal-missbrauch.de. Auch bei einem vagen Verdacht berät zudem das Hilfetelefon Sexueller Missbrauch. Dort können alle anrufen, die sich Sorgen um ein Kind machen, anonym und kostenfrei.
Telefon: 0800 22 55 530, www.anrufen-hilft.de

Eine prall gefüllte Schatzkiste

Hinz und Kunz gehen lieber erst einmal in Deckung. Wer weiß, was da gleich auf sie zukommt? Cindy und Bert macht es dagegen nichts aus, im Mittelpunkt zu stehen. Falls doch, lassen sie sich nichts anmerken. Das rege Treiben um sie herum und die vielen Streicheleinheiten nehmen sie an diesem sonnigen, aber kühlen Frühlingsmorgen mit stoischer Gelassenheit hin. Buchstäblich mit einer Eselsruhe. Denn genau das sind Cindy und Bert, Esel. Immer wieder, wenn auch nicht sonntags, kommen Kitakinder zur „Farm For Kids“. Den Umgang mit den kleinen Besuchern sind Cindy und Bert also ebenso gewohnt wie die anderen Tiere: Hühner, Hasen, Ziegen oder die Schafe Hinz und Kunz, die sich wenig später doch aus ihrem Versteck trauen.

 

KURZ GESAGT!

  • Beim Ausflug auf den Bauernhof lernen die Kinder, Verantwortung zu übernehmen
  • Freie Entfaltung bedeutet nicht, dass es keine Regeln gibt
  • Insbesondere für Stadtkinder sind Naturerlebnisse wichtig

 

Alpakawolle für zu Hause

Die heimlichen Stars sind die drei Alpakas. Mateo jedenfalls ist Fan von den gemütlichen Tieren. „Das Füttern“, sagt der Dreijährige auf die Frage, was ihm am besten an den Alpakas gefalle, und hält dem plüschigen Bobbel eine Handvoll Heu hin. „Und dass sie so flauschig sind.“ Im Sommer, wenn die Tiere geschoren werden, dürfen die Kinder etwas Alpakawolle mit nach Hause nehmen. Das fühlt sich dann immer ein bisschen wie Bauernhof an – und es riecht auch danach.

„Das Füttern“ gefällt Mateo am besten. Gesagt, getan. Alpaka Bobbel freut sich über das Heu.

Dabei bedeuten die Tage auf dem Bauernhof in Bad Schwalbach mehr als nur schöne Erlebnisse. Für die „Terminal for Kids gGmbH“ (TfK), zu der neben dem SpaceShip in Wiesbaden noch 17 weitere Kitas in Hessen und NRW gehören, sind Ausflüge, Bewegung und tiergestützte Pädagogik wesentliche Bestandteile des Konzepts. „In allen Kompetenzbereichen werden die Kinder hier auf der Farm gefördert. Sie können viele wertvolle Erfahrungen sammeln“, sagt Birgit Werner, die stellvertretende Leiterin des SpaceShips. „Das ist für Kinder wie eine Schatzkiste.“

Was sie darin finden, ist zunächst einmal: viel Mist. „Die Ziegenkacka müssen wir wegmachen. Los geht’s!“, sagt Birgit Werner. Aber sie braucht die Kinder gar nicht zu motivieren. Drei von ihnen sind schon mit kleinen Schippen eifrig dabei, die kaffeebohnengroßen Hinterlassenschaften in die Schubkarren zu schaufeln, mit denen zwei andere Kinder hinter ihnen hertapsen. Sie lernen, was Verantwortung für Tiere bedeutet: sich um sie zu kümmern, sie zu füttern und eben auch sauber zu machen. „Wir als Fachkräfte erleben die Kinder hier noch einmal ganz anders als im Gruppenraum in der Kita“, erklärt Werner.

Die Kinder lernen, Verantwortung für die Tiere zu übernehmen. Dazu gehört die Pflege der Gehege.

Auf der „Farm For Kids“ sollen sich die Kinder frei entfalten. Lena Dörr, die den Biobauernhof zusammen mit ihrem Mann Simon bewirtschaftet, bezeichnet deshalb als eine der größten Herausforderungen, „die Erzieherinnen und Erzieher zurückzuhalten, damit sie die Kinder einfach mal Kinder sein lassen“. Man müsse die Kinder nicht animieren, sagt Lena Dörr: „Das ist das Tolle hier: Die Kinder nehmen einfach mal einen Stock in die Hand und bohren in der Erde.“ Nicht immer stehen für sie die Esel oder Alpakas im Mittelpunkt. Manchmal toben sie bei Regen im Matsch, klettern und balancieren auf Baumstämmen oder es geht für sie darum, wer auf der Wiese den kleinsten Regenwurm entdeckt.

Da lässt es sich gut klettern. Und keine Sorge: Nicht nur die Ziege im Hintergrund guckt hin. Auch eine Erzieherin ist ganz in der Nähe und passt auf, dass Miriam nichts passiert.

Geräte sind vom TÜV geprüft

Natürlich ist auch der Bauernhofbesuch für alle Beteiligten nicht frei von Regeln. Das Kitapersonal darf dabei seine Aufsichtspflicht nicht vernachlässigen. Der Bauernhof, der ein großes Areal speziell auf die Kinder zugeschnitten hat, hat die Sicherheit der Spiel- und Klet-termöglichkeiten vom TÜV prüfen lassen. Und für die Kinder gilt: „Bei uns ist es klar, dass die Tiere sich aussuchen, ob sie gestreichelt werden möchten oder nicht“, sagt Lena Dörr. „Unsere Tiere sind nicht auf Futter konditioniert wie in vielen Streichelzoos.“ Die Kinder lernen schnell: Was bedeutet diese und jene Ohrstellung beim Esel? Was heißt es für mich, wenn die Ziege einen Buckel macht? Achtsamkeit eben.

Gemeinsames Frühstück als festes Ritual

Insbesondere für Stadtkinder sind die Erfahrungen auf dem Bauernhof wichtig, weiß Erik Hensgen. „Viele Erlebnisse und Naturerfahrungen können sie in der Stadt gar nicht machen“, sagt der Erzieher, der eine Zusatzausbildung zum Erlebnispädagogen gemacht hat und dreimal in der Woche auf der „Farm For Kids“ im Einsatz ist. „Es gibt Kinder, die hierherkommen und vor jedem kleinen Käfer Angst haben. Wir können ihnen vermitteln: Natur ist dein Freund und nicht dein Feind.“

Zur Natur gehören die Elemente. Auch damit machen die Kinder ihre Erfahrungen. Bei Wind und Wetter steuern die „Terminal for Kids“-Kitas den Bauernhof an, mindestens einmal im Monat. „Wenn der Nordostwind pfeift, ist es hier oben wirklich kalt“, sagt Hensgen. Wird es zu ungemütlich, können sich die Erzieherinnen und Erzieher mit den Kindern in einen Bauwagen aus Holz zurückziehen, in dem es reichlich Spiel-, Bastel- und Malmaterial gibt.

Ein festes Ritual ist das gemeinsame Frühstück nach der Ankunft am Hof, noch bevor es zu den Tieren geht. Erwachsene und Kinder sitzen an einer Feuerstelle auf Hockern aus Baumstämmen zusammen, schon die Kleinsten wissen: Näher ans Feuer heran dürfen wir nicht. Dann verteilen die Erzieherinnen das Essen, das sie vorbereitet haben. An diesem Tag gibt es Laugenbrezel sowie Gurken, Paprika, Tomaten und Käse.

Ein festes Ritual ist das gemeinsame Frühstück. Manchmal kommt auch schon ein tierischer Begrüßungsgast.

Aber auch über das Ausflugsziel Bauernhof hinaus legt die „Terminal for Kids gGmbH“ auf Ausflüge viel Wert, meist in den Wald oder auf Spielplätze in der Umgebung. Schon bei den Aufnahmegesprächen erklären sie das im SpaceShip den Eltern und geben ihnen eine Liste mit, was das Kind benötigt. „Matschhosen, Gummistiefel, all diese Dinge. Die Eltern wissen schon genau, was auf sie zukommt“, sagt Erzieherin Birgit Werner. Sie selbst weiß das ebenfalls: „Je öfter man Ausflüge macht, desto mehr Routine hat man.“ Deshalb haben sie in der Kita zum Beispiel schon fertig gepackte Kisten mit Erste-Hilfe-Tasche, Handtüchern, Ersatzkleidung, Trinkbechern und Wasserflaschen parat stehen.

Auf der Farm neigt sich der Ausflug dem Ende entgegen. „Können wir uns eine Schubkarre holen?“, fragt Noan. Zum Abschluss wollen der Dreijährige und die anderen Kinder das Ziegengehege noch einmal sauber machen. Die Tiere sollen es schließlich schön haben. Kurz darauf geht es für alle in den Bus und wieder zurück ins SpaceShip. Mit vielen Erlebnissen, die die Kinder als ihre Schätze mitnehmen.

Ausflüge sicher gestalten

Welche Regeln sollten für Kinder bei Ausflügen gelten?

Wichtig ist, dass die Erzieherinnen und Erzieher klare Regeln aufstellen und die Abläufe immer wieder erklären. Zum Beispiel, dass die Kinder nur nach Aufforderung in einen Bus einsteigen oder als Gruppe zusammenbleiben. Dabei sollten sie sich paarweise formieren, ein älteres Kind kann etwa ein jüngeres an die Hand nehmen. Straßen sollten nach Möglichkeit nur an einer Ampel oder an einem Zebrastreifen gemeinsam überquert werden. Damit die Kinder nicht übersehen werden, tragen sie gut sichtbare, reflektierende Kleidung wie Warnwesten oder Kopfbedeckungen.

Was müssen die Fachkräfte beachten?

Neben der Auswahl eines geeigneten Ausflugsziels und der Planung der An- und Abreise kommt es auch darauf an, die Ausflugstärke festzulegen. Also: Wie viele Kinder kommen mit? Wie viele Aufsichtspersonen sind notwendig? Welche Begleitperson kümmert sich um welche Kinder? Am Ausflugstag gehören ein aufgeladenes Mobiltelefon und eine Liste mit wichtigen Telefonnummern – auch die der Eltern – ebenso zur Ausrüstung wie eine Erste-Hilfe-Tasche, Notfallmedikamente und ungesüßte Getränke. Kinder während des Ausflugs regelmäßig durchzählen. Fehlt ein Kind, muss es einen Notfallplan geben. Das gilt auch, wenn sich ein Kind verletzt hat. Nach dem Ausflug im Team besprechen, was gut gelaufen ist und was künftig verbessert werden kann.

Mit Knirpsen unterwegs

Immer der gleiche Spielplatz? Abwechslung bei den Ausflugszielen braucht es aus Sicht der Kinder nicht. Soll es aber doch einmal ein anderer als der übliche Spielplatz sein, empfiehlt Herbert Hartmann, Aufsichtsperson bei der Unfallkasse Hessen, vor einem ersten Besuch den Ort genauer in Augenschein zu nehmen, damit böse Überraschungen vermieden werden. Öffentliche Spielplätze, die schmuddelig wirken, verdreckt sind und bei denen mit Scherben etc. auf dem Boden und im Sandkasten gerechnet werden muss, aber auch solche ohne jeden Schatten sind weder für Krippenkinder noch für Ältere das Richtige. „Ein Ausschlusskriterium wäre für mich auch, wenn der Spielplatz nicht ausreichend hoch eingezäunt, die Umgebung jedoch unübersichtlich oder nicht sicher ist. Wenn etwa eine Straße oder auch ein Gewässer daneben verläuft“, ergänzt Herbert Hartmann.

 

KURZ GESAGT!

  • Öffentliche Spielplätze sind selten vollständig für unter Dreijährige geeignet
  • Auch deshalb: besonders hohe Anforderungen an Aufsicht
  • Krippenwagen mit Bedacht auswählen und Probe fahren

 

Besondere Aufsicht bei Klettergerüst und Co.

Auch ein Blick auf die Spielgeräte sei wichtig. „Spielplatzgeräte, die für Krippenkinder geeignet sind, haben bereits ab 60 cm Podesthöhe eine Brüstung, sie sind insgesamt viel niedriger gebaut, die Rutschen sind kürzer und flacher. Leider macht sie das für ältere Kinder eher unattraktiv“, erklärt der Experte.

Auf öffentlichen Spielplätzen findet man also in der Regel auch immer Spielgeräte, auf denen U3-Kinder eigentlich nicht spielen sollten, weil sie für diese Altersstufe nicht ausreichend sicher sind. Was, wenn der fast Dreijährige trotzdem auf dem Klettergerüst kraxeln oder die große Rutsche ausprobieren will? Das ist möglich, wenn das Kind reif genug dafür ist und das Spielgerät es von seiner Bauart ermöglicht, dass eine erwachsene Person jederzeit unmittelbar eingreifen und zupacken kann, sollte es notwendig werden.

In der Praxis bedeutet das: Man erlaubt den Kleinen grundsätzlich nur dann ein Spielgerät zu nutzen, wenn jemand für Hilfestellungen und Beaufsichtigung direkt dabei ist. Herbert Hartmann macht noch mal deutlich: „Die Fachkräfte müssen das wirklich im Blick haben und dürfen sich nicht darauf verlassen, dass die Kinder sich daran erinnern und auch daran halten.“

Auch Krippenkinder haben Spaß am Ausflug auf den Spielplatz, wenn es dort für sie geeignete Spielmöglichkeiten gibt.

 

Unterwegs mit dem Krippenwagen

Wenn sich alle müde gespielt haben oder hungrig werden, geht es zurück zur Kita. Praktisch sind dann – gerade auch bei längeren Wegstrecken – spezielle Krippenwagen. Darin haben nicht nur erschöpfte Kinder, sondern auch das Ausflugsgepäck Platz. Es lohnt sich, vor einer Anschaffung sehr genau zu überlegen, für welches Gelände und für welche Zwecke der Wagen genutzt werden soll. Herbert Hartmann empfiehlt: „Wenn möglich, sollten die Erzieherinnen und Erzieher den Wagen vorher Probe fahren. Nur weil eine andere Einrichtung gut mit ihrem Modell klarkommt, muss das nicht heißen, dass es auch für sie das richtige ist.“ Eine exzellente Feststellbremse, große Luftreifen, ergonomische Griffe, Anschnallmöglichkeiten und insgesamt eine gute Handhabung seien wesentliche Kriterien, zählt der Experte auf und rät dazu, sich bei der Auswahl Zeit zu nehmen und sich beraten zu lassen.

Auch wenn dann der richtige Krippenwagen gefunden und im Einsatz ist: Manches ergibt sich erst in der täglichen Praxis. Eine erfahrene Erzieherin etwa setzt die Kinder erst in den Wagen, wenn sie gar nicht mehr laufen möchten. „Bei uns ist es sehr bergig. Schiebe ich mehr als drei Krippenkinder alleine, bekomme ich direkt Rückenschmerzen“, berichtet sie. Inzwischen gibt es auch Krippenwagen mit E-Motor, in ihrer Einrichtung muss man auf diesen „Luxus“ noch verzichten. Darum wechselt sie sich regelmäßig mit ihren Kolleginnen ab und motiviert die Knirpse, selbst zu laufen. „Singen hilft“, lacht sie. So ist bei Ausflügen immer auch ein bisschen Improvisation nötig. Aber darin sind Erzieherinnen und Erzieher ja Profis.

 

WIE ERKENNT MAN EINEN GUTEN SPIELPLATZ?

Infos dazu gibt es von der
Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Mehr Sicherheit für Kinder e.V.: www.kindersicherheit.de, Suchwort: Spielplatz

 

 

 

Erst kam die Technik, dann die Pädagogik

Wenn Kinder nach einem Unfall in der Kita in ärztliche Behandlung müssen, sind sie gesetzlich versichert. Das klingt heute selbstverständlich. Vor 50 Jahren aber war das ganz neu und hat sicherlich auch die Unfallkassen vor Herausforderungen gestellt.

Dr. Torsten Kunz: Zunächst war das für die Unfallversicherungsträger ein ganz fremdes Gebiet. Die Präventionsabteilungen beschäftigten sich damals etwa mit Kläranlagen und Bauhöfen. Für sie war der Schutz von Kindern Neuland. Da musste man sich erst fachlich einarbeiten und Kompetenzen aufbauen.

Was waren die ersten Maßnahmen, um Kitas sicherer zu machen?

Kunz: In den Kitas sah es oft so aus: unverkleidete Heizkörper; Garderobenhaken, die in den Raum hineinstanden; Fenster mit Einfachverglasungen; Türen mit Quetsch- und Scherstellen. Alles Dinge, die bei einem Unfall zu bleibenden Schäden führen konnten. Also standen die technischen Mängel in der Anfangszeit im Vordergrund. Als man diese mit Neu- und Umbauten im Griff hatte, gab es zwar weniger schwere Unfälle, die Zahl an Unfällen blieb aber recht konstant.

Warum?

Kunz: Zu wenig Bewegung war ein Grund. Die Klagen darüber sind nicht neu. Bewegung und wie man sie sicher gestalten kann – das war in den 1990er-Jahren ein großes Thema. Bei Untersuchungen stellte man fest: Wenn schwächere Kinder motorisch fitter werden, sinken die Unfallzahlen.

Wenn man sich die Statistiken heute anschaut, könnte man meinen, dass die Maßnahmen nicht viel bewirkt haben. In den Kitas steigt die Unfallquote …

Kunz: Die steigende Tendenz hat auch damit zu tun, dass das Betreuungsangebot auf die unter Dreijährigen ausgeweitet wurde. Bei den ganz Kleinen ist die Gefahr von Stürzen besonders groß. Außerdem hat sich die Rolle der Kitas von der Halbtags- zur Vollzeitbetreuung gewandelt. Es ist ein Unterschied, ob ein Kind von 9 bis 12 Uhr oder von 7 bis 17 Uhr in der Kita ist. Je länger es dort ist, desto mehr Gelegenheiten gibt es für Unfälle. Im Verhältnis dazu sind die Unfallzahlen fast konstant geblieben.

Georg Nottelmann: Das Einfachste wäre, die Kinder in Watte zu packen. Dann wäre unsere Unfallstatistik blendend. Wir wissen aber auch, dass Kinder keine kleinen Erwachsenen sind, sondern Freiräume benötigen, um ihre Persönlichkeit zu entwickeln, um eigene Erfahrungen zu sammeln und (Risiko-)Kompetenzen aufzubauen. In diesem Spannungsverhältnis bewegt sich auch die Präventionsarbeit der gesetzlichen Unfallversicherung.

Lassen sich die Unfallzahlen denn reduzieren?

Nottelmann: Fast die Hälfte aller Unfälle in Kitas wird durch das verunglückte Kind selbst verursacht. Anders gesagt: Ein Kind fällt halt einfach auch mal hin. Oder es stößt beim Spielen mit einem anderen Kind zusammen. Kinder, gerade die unter Dreijährigen, fangen gerade an, die Welt zu erobern. Da muss man in einem gewissen Rahmen mit Unfällen rechnen.

Unfälle sind also nicht so schlimm?

Nottelmann: Man muss den Blick auf die Verletzungsschwere bei Unfällen richten. Kopfverletzungen machen mit 60 Prozent einen relativ großen Anteil aus. Aber das ist mal eine Schramme, mal eine Platzwunde. Doch gerade, wenn es den Kopf betrifft, gibt man das Kind lieber präventiv in ärztliche Behandlung. So erklären sich die Unfallzahlen.

Kunz: Unfälle mit bleibenden Schäden werden in der Statistik als Unfallrenten geführt. Da hatten wir bundesweit 2019 ganze 22 neue Unfallrenten – bei 3,8 Millionen Versicherten in Kitas und der Kindertagespflege. Wenn es zu schweren Unfällen kommt, passieren diese häufig auf dem Weg zur Kita. Verkehrserziehung ist daher etwas, das wir verstärkt im Blick haben. Selbst wenn es noch nicht voll in der Kita wirkt, wirkt es auf jeden Fall, wenn die Kinder in die Grundschule kommen.

Orientieren Sie sich bei den Präventionsmaßnahmen vor allem an den Unfallstatistiken?

Nottelmann: Unfallzahlen sind ein Indikator, aber nicht der alleinige Anlass für die Präventionsarbeit. Darüber hinaus geht es uns auch darum, arbeits- beziehungsweise bildungsbedingte Gesundheitsgefahren zu vermeiden, die sich nicht zwingend an Unfallstatistiken festmachen lassen. Die Vermeidung von Belastungen durch UV-Strahlung mithilfe von Verschattung kann als Beispiel angeführt werden. Unser Anliegen ist aber auch, dass Kindern Gefahrenkompetenzen im Umgang damit vermittelt werden.

Mit welchen Themen rechnen Sie in Zukunft?

Kunz: Corona wird uns noch eine Weile begleiten, bis es zu einer normalen, beherrschbaren Krankheit wird. Hohe Temperaturen als Folge des Klimawandels werden uns beschäftigen und die Frage der Öffnungszeiten der Kitas aufgrund zunehmender Flexibilisierung der Arbeitszeiten.

Nottelmann: Kitas sind Bildungseinrichtungen mit pädagogischen Fachkräften und anderen Beschäftigten, die genauso gesetzlich unfallversichert sind wie die Kinder. Da geht es um gute Arbeitsbedingungen, zum Beispiel um Fragen der Ergonomie oder der Raumakustik. Im Idealfall wird ein kontinuierlicher Organisationsentwicklungsprozess initiiert, mit dem der Weg zu einer guten gesunden Kindertageseinrichtung beschritten wird. Den Kindern kann es nur gut gehen, wenn es auch den Beschäftigten gut geht – und umgekehrt.

INTERVIEW MIT …

Foto: D. Buschardt

Dr. Torsten Kunz
Der Präventionsleiter der Unfallkasse Hessen schrieb seine Doktorarbeit über den Zusammenhang von Kinderunfällen und Bewegungsmangel.

Foto: privat

Georg Nottelmann
Er leitet bei der DGUV das Sachge-biet Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege. Das Sachgebiet ist dafür zuständig, Schwerpunkte für die Präventionsarbeit der Unfall-versicherungsträger im Bereich der frühkindlichen Bildung und Erziehung zu entwickeln.

Prävention im 20. Jahrhundert: So sahen die Plakate zur Unfallverhütung früher aus. Kitas spielten dabei anders als heute noch keine große Rolle.

 

ZAHLEN UND FAKTEN

Zahlen und Fakten zur Schülerunfallversicherung finden Sie unter:

www.dguv.de, Webcode: d1183331

 

 

 

Hier hält der „Kräuterzug“

Für Kinder ist gesunde Ernährung wichtig. Das schlägt sich im Gewicht nieder, im Zustand der Zähne, aber auch in der Leistungsfähigkeit. Wir lassen uns von der rollenden Gemüsekiste beliefern. Das heimische Unternehmen bringt uns einmal in der Woche regionales und saisonales Obst und Gemüse, außerdem einmal im Monat Milch und Milchprodukte wie Joghurt oder Käse. Zusätzlich ist jede Familie in unseren vier Gruppen abwechselnd an der Reihe, für unsere gesunden Brotzeiten einen Obst- und Gemüsekorb mitzubringen. Im Außenbereich der Kita haben wir Kisten, in denen wir Kräuter anbauen, zu unserem „Kräuterzug“ zusammengestellt. Die Kinder pflegen Petersilie, Basilikum, Melisse, Salbei und vieles mehr, können den Kräutern praktisch beim Wachsen zuschauen und dann zum Beispiel ihre Brote mit Schnittlauch garnieren, den sie selbst geerntet haben.

Schattendetektive im Einsatz

Die Kinder flitzen als Schattendetektive durch den Garten und suchen für Clown Zitzewitz die passenden Klamotten für einen Sonnentag aus: Badeshorts oder lange Hose? Was schützt am besten gegen UV-Strahlen? Das Projekt „Clever in Sonne und Schatten“ unterstützt Kitas dabei, Kinder altersgerecht für Sonnenschutz zu sensibilisieren. Und zwar nachhaltig. „Es ist wichtig, damit so früh wie möglich zu beginnen“, sagt die Co-Leiterin des Präventionszentrums des Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC), Nadja Seidel. Das Programm zur Krebsprävention richtet sich vor allem an Kinder zwischen drei und sechs Jahren, rückt jetzt aber auch die Kleinsten stärker in den Fokus.

Ursprünglich zogen die Sonnenschutzexpertinnen vom NCT/UCC verkleidet als Clowns mit einem lustigen Theaterstück von Kita zu Kita. „Doch wir merkten schnell, dass wir an unsere Grenzen kommen“, berichtet Seidel. „Wir wollten das Angebot nachhaltiger gestalten und vor allem mehr Kitas erreichen.“ Deshalb entwickelten sie – unter anderem in Kooperation mit der Deutschen Krebshilfe – ein Projekt, das die Erzieherinnen und Erzieher eigenständig in den Einrichtungen durchführen können. Und packten alles, was es dafür braucht, in ein kostenloses Projektpaket. Rund 3.300 Kitas hätten sich dieses bereits zuschicken lassen, so Seidel.

Darin enthalten ist unter anderem eine DVD mit einer medialen Weiterbildung. „Dabei werden die Erzieherinnen und Erzieher aufgefordert, gemeinsam im Team zu überlegen, wie sie den Sonnenschutz in ihrer Einrichtung optimaler gestalten können“, sagt Seidel. Gibt es genug Schattenplätze im Garten? Wie kann mehr Schatten geschaffen werden? Und wie lassen sich Kinder in der Mittagszeit am besten aus der Sonne locken? Zum Beispiel, indem Spielgeräte im Schatten aufgebaut werden, rät die Expertin. Ziel sei, dass die Kitas eigene Strategien für den Alltag entwickelten, um die Kinder vor UV- Strahlen zu schützen. Die Inhalte orientieren sich an den nationalen Empfehlungen zum Sonnenschutz für Kinder. Wichtig: Mittagssonne meiden, vor allem im Schatten spielen und nie ohne Sonnenschutz nach draußen.

Viele Ideen für eine Projektwoche

Das Projekt setzt darauf, dass die Kitas dazu eine Projektwoche mit den Kindern durchführen. Dafür steckt in dem Paket auch ein Film über Clown Zitzewitz, der von Sonnenschutz so gar keine Ahnung hat und alles falsch macht, außerdem ein Lied über Sonnenschutz und Bastelanleitungen. Viele Kitas passten die Ideen von sich aus etwas an, sodass sie auch für kleinere Kinder gut geeignet seien, berichtet Seidel. Sie malen mit den unter Dreijährigen gelbe Sonnen, schauen mit ihnen ein Bilderbuch zum Thema an und singen das Lied vom Sonnenschutz.

Doch aktuell werden auch Angebote speziell für die Kleinen erarbeitet, zum Beispiel ein Tanz, kleine Reime oder Fingerspiele. „Wir wollen die Kitas daran beteiligen“, sagt Seidel. Die Einrichtungen werden eingeladen, ihre Ideen und ein Feedback zu schicken. Daraus entwickelt das Präventionsteam neue Materialien für U3-Jährige, die ab Frühjahr 2022 zur Verfügung stehen.

 

WEITERE INFORMATIONEN

Broschüren und weiterführende Infos unter:
kurzelinks.de/ahaa

Flyer „Hautschutz ist (k)ein Kinderspiel“:
kurzelinks.de/uv

Schwerpunktthema „Sonnenschutz“ in KiKi-Ausgabe 2/2019:
kurzelinks.de/kiki-2-19

Aushang zum Sonnenschutz in mehreren Sprachen:
kurzelinks.de/kiki-aushang

Mehr Infos zum Präventionsprogramm:
www.SonnenschutzClown.de

Mitbestimmen, ohne Bestimmer zu sein

Als Alexandra Knoch vor einigen Jahren zum ersten Mal in ihrem Arbeitsumfeld dem Thema Partizipation begegnete, hielt sie es noch für „einen verrückten Gedanken“. Denn: „Es kann ja nicht sein, dass jetzt hier die Kinder bestimmen. Dann gibt es Schokolade zum Frühstück und Bonbons zum Mittagessen“, erinnert sich die Erzieherin der Kita am Wald in Castrop-Rauxel an die Anfänge zurück.

Knoch weiß inzwischen: Partizipation heißt eben nicht, die Kinder einfach machen zu lassen, was sie wollen. Eine wichtige Aufgabe der Kitas besteht vielmehr darin, die Kinder mitentscheiden oder sogar alleine entscheiden zu lassen – ohne dass sie zu Bestimmern werden. Die pädagogischen Fachkräfte müssen dafür den Rahmen vorgeben, Grenzen setzen, die Kinder leiten.

 

KURZ GESAGT!

  • Partizipation braucht einen Rahmen und klare Grenzen
  • Meinung der Kinder muss ernst genommen werden
  • Flexibilität und Toleranz der Erzieherinnen gefragt

 

Ein Beispiel: In Castrop-Rauxel haben sie Bilder ausgedruckt, laminiert und in einer Kiste verstaut. Morgens im Stuhlkreis sind zwei Kinder an der Reihe und dürfen sich ein Bild aussuchen, das jeweils für ein Spiel steht. „Es kann sein, dass wir 15 Mal hintereinander Dornröschen spielen“, sagt Alexandra Knoch. „Dann ist es halt so, dann haben die Kinder gerade dieses Bedürfnis.“

Die anfängliche Skepsis ist jedenfalls verflogen. Im Gegenteil. „Partizipation ist für die Kinder toll, weil sie dadurch zu selbstbewussten Menschen werden, denen man das Gefühl gibt: Du hast eine Meinung, deine Meinung ist wichtig und sie wird hier ernst genommen“, sagt Knoch. „Sie lernen sich durchzusetzen, aber auch zu reflektieren.“ Die Erzieherinnen und Erzieher müssen für die Beteiligung der Kinder einerseits planen und organisieren, andererseits Spontaneität und ein gewisses Improvisationstalent aufbringen. „Das macht den Arbeitsalltag spannender“, findet Knoch.

 

BETEILIGUNG VON KINDERN UND JUGENDLICHEN LAUT SOZIALGESETZBUCH

Kinder und Jugendliche sind entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen.“

So steht es in § 8 Abs. 1 des SGB (Sozialgesetzbuch) VIII –Kinder- und Jugendhilfe. Diese gesetzliche Norm gilt auch für Kindertageseinrichtungen.

 

In der Kita am Wald dürfen die Kinder selbst entscheiden, was sie anziehen, wenn sie sich draußen austoben wollen. Wenn die Zweijährige in Flipflops raus will oder der Sechsjährige seine Jacke nicht zumachen möchte, akzeptiert das Kitapersonal das – sofern die Gesundheit nicht gefährdet ist. Schneit es bei Minusgraden, ist das Ende der Selbstbestimmung definitiv erreicht.

Knoch rät anderen Kitas zu Mut, wenn es um das Thema Partizipation geht. Sie kann die Angst verstehen, „dass sich die Kinder verrückte Sachen wünschen und dass es nach hinten losgeht“. Das sei aber noch nicht vorgekommen. „Ich bin meistens positiv überrascht von dem, was die Kinder möchten oder wie sie überlegen.“ Eine gewisse Flexibilität sei aber schon gefragt: „Man wünscht sich das harmonisch und hat für sich durchgespielt, wie es laufen soll. Man muss darauf reagieren und es auch tolerieren können, wenn es nicht so läuft und die Kinder in eine andere Richtung möchten.“

Knochs Rat an andere Kitas: klein anfangen. „Etwa mit der Frage, ob wir nach dem Mittagessen rausgehen oder drinbleiben.“ Danach können die Kinder bei größeren Entscheidungen wie etwa Ausflugszielen mitbestimmen. Und irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem Kinder und Erwachsene nahezu auf Augenhöhe diskutieren. Wie in Castrop-Rauxel, wenn sie im Kreis um zwei Bälle sitzen. Wer loben will, schnappt sich den grünen Ball und darf erzählen, was ihm oder ihr gefallen hat. Wer Kritik – auch am Kitapersonal – äußern will, greift zum roten Ball. „Partizipation heißt: Ich kann auch in der Gruppe Kritik äußern, wenn ich etwas gut oder doof finde“, sagt Alexandra Knoch. „Die Meinung des Kindes zählt in der Gruppe.“

 

MITBESTIMMUNG UND SELBSTBESTIMMUNG

Partizipation drückt sich in Kitas auf zwei Ebenen aus.

 

  1. Mitbestimmung: Die Kinder entscheiden gemeinsam mit den Erwachsenen und den anderen Kindern.

Die Mitbestimmung ist eine Art Training für die Demokratie: Wo geht der Ausflug hin? Welche neuen Spielsachen schaffen wir an? Wie sollen wir im Gruppenraum miteinander umgehen? Das wird gemeinsam diskutiert, bis man eine Lösung findet. Es geht um die Rechte aller.

 

  1. Selbstbestimmung: Die Kinder entscheiden für und über sich selbst.

Die Selbstbestimmung hilft den Kindern bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit: Was will ich essen und wie viel? Ich kann Kritik äußern und auch mal „Nein“ sagen. Möchte ich nach dem Mittagessen schlafen? Es geht um das Recht des Individuums.

Zudem sind Mitbestimmung und Selbstbestimmung oft miteinander verknüpft. Wenn Paul mit Jasmin Ball spielen will, Jasmin aber keine Lust hat, muss Paul das akzeptieren. Wenn Jasmin lieber Fangen spielen will, müssen sich beide einig werden.

„Besser kein WhatsApp in Kitas“

Gestern kam die Erinnerung an den Ausflug, heute ein Foto von vergnügten Kindern im Park. Viele Eltern begrüßen das sicher. Frau Trenner, was empfehlen Sie als Juristin: Sollten Kitas bzw. die Träger WhatsApp zur Eltern-Kita-Kommunikation nutzen?

Aufgrund der Verbreitung von WhatsApp sowohl unter den pädagogischen Fachkräften als auch in der Elternschaft ist es natürlich sehr einfach, hierüber auch eine Kommunikation zwischen Eltern und Kita zu implementieren. Einfach heißt aber leider nicht gut: Denn WhatsApp gehört zu Facebook, also einem US-amerikanischen Unternehmen. Das ist im Hinblick auf den Datenschutz problematisch, da es quasi jeder amerikanischen Behörde erlaubt ist, auf Daten dieser Unternehmen – also auch WhatsApp-Chatverläufe – zuzugreifen. Darüber hinaus möchte WhatsApp jetzt auch automatisch Daten an Facebook weitergeben. Die Regelungen, welche Rechte man WhatsApp künftig einräumt, wenn man es nutzt, sind extrem mehrdeutig und  missverständlich. Das bedeutet auch extreme Unsicherheit, denn wenn WhatsApp sich zum Beispiel Nutzungsrechte an Bildern einräumt, wird klar, dass eine entsprechende Kommunikation nicht zulässig sein kann. Daher rate ich von WhatsApp als Kommunikationskanal zwischen Kita und Eltern ab.

Da fragen sich viele sicher, was WhatsApp und Facebook denn mit Kita-Chats anfangen wollen.

Stimmt. Aber wie leicht kommt es mal zu Namensverwechslungen und wie leicht sind die Chatverläufe auf dem gleichen Server gespeichert, der vielleicht beschlagnahmt wird … und will ich Facebook wirklich Nutzungsrechte für meine Fotos übertragen?

Kann der Träger oder die Kitaleitung den Kitabeschäftigten grundsätzlich untersagen, WhatsApp im Kitakontext zu nutzen oder Fotos mit dem Handy zu machen, selbst wenn diese dann doch nicht geteilt werden?

Der Träger als Arbeitgeber und auch die Leitung können selbstverständlich arbeitsrechtlich die Weisung erteilen, dass WhatsApp im Kontext Kita nicht genutzt werden darf. Das sollte er insbesondere in Anbetracht der datenschutz- und arbeitsrechtlichen Probleme auch tun. Gleiches gilt für das Fotografieren mit dem privaten Handy. Der Träger ist verantwortlich für die Einhaltung des Datenschutzes. Dieser Pflicht kann er aber nur nachkommen, wenn er weiß, welche Geräte genutzt werden und wie diese eingestellt sind. Denn in der Grundeinstellung werden Fotos sowohl bei Android als auch Apple automatisch in die jeweilige Cloud hochgeladen. Google und Apple sind US-amerikanische Unternehmen, sodass hier das gleiche Problem wie bei WhatsApp besteht. Will der Träger seiner Pflicht zum Schutz der sensiblen Daten in der Kita nachkommen – und dazu zählen eben auch Fotos –, muss er die Nutzung privater Handys sogar untersagen und gegebenenfalls Kamera oder Kitahandy (mit ausgeschaltetem Cloud-Backup) anschaffen.

In Sachen Datenschutz: Würde es ausreichen, sich von den Eltern eine Einwilligungserklärung für Fotoaufnahmen mit dem Handy unterzeichnen zu lassen?

Eine Einwilligung für Fotos ist grundsätzlich erforderlich, und zwar für jeden Zweck, den man mit diesen Bildern verfolgt. Das kann die Portfolioarbeit sein, aber auch Fotos vom Kita-Alltag auf Postern oder im weitesten Sinne auch die Öffentlichkeitsarbeit. Es wird aber nur in den jeweiligen Zweck eingewilligt, für die datenschutzkonforme Umsetzung hat der Träger zu sorgen. Entweder verpflichtet der Träger also alle Beschäftigten dazu, ihre Handys datenschutzkonform einstellen zu lassen, oder er untersagt die Nutzung. Anders kann der Träger seiner Pflicht nicht nachkommen.

Könnte die Nutzung von WhatsApp über eine Dienstanweisung geregelt werden – es ist zwar erlaubt, aber nur in sehr engen Grenzen?

Wenn WhatsApp genutzt werden soll, ist eine Dienstanweisung dringend anzuraten. Hier sollte tatsächlich geregelt sein, dass WhatsApp nur als Pinnwand-Ersatz dient, also nur allgemeine Informationen weitergegeben werden dürfen, etwa zur Ausrüstung für den nächsten Ausflug. Da es üblicherweise trotzdem Gruppen gibt, müssten alle Eltern darüber informiert werden, dass ihre Kontakte in den Handys der Fachkräfte gespeichert werden und dass alle anderen Gruppenmitglieder diese Daten sehen können. Hierzu müssen Einwilligungen erteilt werden.

Gibt es empfehlenswerte Alternativen zu WhatsApp?

Das Grundproblem bei kostenfreien Messengerdiensten: Auch hier werden oft Nutzerdaten für passgenaue Werbung gesammelt. Dafür werden die Unterhaltungen, aber auch die entsprechenden Verbindungen ausgewertet. Bei US-amerikanischen Anbietern ist der Datenschutz grundsätzlich problematisch. Das bedeutet, dass unbedingt auf eine tatsächliche Verschlüsselung geachtet werden sollte. Signal als kostenfreie Alternative leistet das, Telegram ist zwar ebenfalls kostenfrei, bietet aber insbesondere innerhalb von Gruppen wohl keine (funktionierende) Verschlüsselung an. Threema kostet einmalig um die 3 Euro, Vorteil dieser App ist, dass es keine Verbindung zur Telefonnummer gibt. Eltern können die Telefonnummer der Fachkräfte also nicht sehen. Das ist auch arbeitsrechtlich wichtig, denn der Träger muss als Arbeitgeber sein Team davor schützen, dass Eltern gegebenenfalls am Sonntagabend anrufen.

Kann eine Kita versuchen zu steuern, was in Elternchats läuft, indem man zum Beispiel bei einem Elternabend das Thema anspricht und eine Netiquette fordert (ggf. dazu ein Schriftstück verteilen)?

Elternchats sind tatsächlich relativ „unangreifbar“. Die Eltern kennen sich zwar aus der Kita, aber eine Kitaleitung oder Erzieherin würden ja auch nicht auf die Idee kommen, anzuordnen, wie sich Eltern im privaten Gespräch äußern können. Trotzdem ist es eine gute Idee, Eltern darauf hinzuweisen, dass dem Kitapersonal bekannt oder bewusst ist, dass es entsprechende Chatgruppen gibt und dass darauf hingewiesen wird, dass auch dort kein Raum dafür ist, schlecht über Fachkräfte zu reden oder die Kitaleitung zu diffamieren. Der Träger und die Leitung sollten deutlich machen, dass sie bei Problemen jederzeit gesprächsbereit sind und Probleme gerne mit den Eltern gemeinsam lösen wollen. Dann sollte es zu solchen Entgleisungen eigentlich nicht kommen…

Müssen der Träger und/oder die Kitaleitung im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht eingreifen, wenn bekannt wird, dass in privaten Elternchats über die Kita oder einzelne Beschäftigte massiv gelästert wird?

Der Träger sollte in diesem Fall tatsächlich eingreifen. Lästereien können schnell auch zu Beleidigungen oder ähnlichem führen und den Träger sowie die Leitung trifft in diesem Fall eine Schutz- und Fürsorgepflicht. Leider wissen Träger und Leitung oftmals natürlich nicht, was genau gesagt wurde, aber auch hierfür gibt es Lösungen, um den Scheinwerfer quasi auf die richtigen Personen zu lenken. Mit einem entsprechenden Schreiben kann man üblicherweise erreichen, dass sich andere Eltern von diesen Aussagen explizit distanzieren und zwar auch gegenüber den Fachkräften und der Leitung. Dabei zeigen sie oft genug den Chatverlauf, so dass Leitung und Träger dann konkret wissen, was gesagt wurde und ob hier ggf. schon anwaltliche Unterstützung erforderlich ist.

Foto: Privat

Die Fragen beantwortete Nele Trenner. Die Rechtsanwältin ist Partnerin bei VEST Rechtsanwälte und veröffentlicht regelmäßig Beiträge zu Rechtsfragen aus dem Kita-Alltag unter: www.kitarechtler.de

Unfälle gekonnt meistern

Nils flitzt um die Ecke, seine Kumpels hinterher. Da steht plötzlich Esma uf dem Weg. Nils versucht noch auszuweichen, ist aber zu schnell, rutscht aus – und landet kopfüber auf der Kante eines Blumenkübels. Zuerst fängt Esma an zu weinen, dann stimmt Nils mit ein. Während bei der einen nur die Tränen fließen, ist es beim anderen auch Blut, das aus einer Platzwunde an der Stirn rinnt. Die Erzieherin, die heute auf dem Außengelände Aufsicht führt, überblickt die Situation direkt. Sie schickt ein Kind nach drinnen, um Hilfe zu holen und nimmt erst mal den schluchzenden Nils in den Arm. Während sich ihre herbeigeeilte Kollegin um die erschreckte Esma und die umstehenden Kinder kümmert, wird Nils von der Ersthelferin des Kindergartens versorgt. Anschließend ruft diese bei den Eltern von Nils an, damit er abgeholt wird. Denn auch wenn die Blutung erst mal gestillt ist, sollte sich der Kinderarzt der Familie die Verletzung zeitnah ansehen. Sie gibt der Mutter neben der Info, auf jeden Fall zu betonen, dass es sich um einen Kita-Unfall handelt, auch die Adresse eines D-Arztes mit.

 

KURZ GESAGT!

  • Regelmäßige Erste-Hilfe-Schulungen geben Sicherheit
  • Verbandkasten regelmäßig prüfen: abgelaufenes und verbrauchtes Material ergänzen
  • Alle Erste-Hilfe-Leistungen müssen dokumentiert werden

 

Erste Hilfe muss gelernt sein

Damit in einer solchen Situation ruhig und besonnen gehandelt werden kann, sind eine gute Organisation, klare Absprachen sowie eine gewisse Routine nötig. Nicht auszudenken, wenn angesichts von etwas Blut die Erwachsenen kopflos in Panik verfallen. Meistens bleibt es zum Glück bei kleineren Blessuren. Sollte jedoch ein ernsthafter Notfall eintreten, muss man sich auf gut ausgebildete Ersthelferinnen und -helfer verlassen können, die dann ebenso routiniert agieren wie bei Bagatellverletzungen. Denn die richtige Versorgung in den ersten Minuten nach einem Unglück kann entscheidend für die Schwere der Unfallfolgen sein. Jede Kindertageseinrichtung braucht für jede Gruppe eine Ersthelferin oder einen Ersthelfer. In Kitas mit offenem Konzept rechnet man das entsprechend auf die Anzahl der Kinder hoch. Die Erste-Hilfe-Kurse, die speziell für Bildungs- und Betreuungseinrichtungen entwickelt wurden, beinhalten viele praktische Übungen. Durch regelmäßige Fortbildungen bleiben die Ersthelfenden fit – denn nur wer regelmäßig übt und wiederholt, erlangt Sicherheit. Angeboten werden die Lehrgänge von sogenannten ermächtigten Stellen. Die Kosten übernimmt in der Regel der zuständige Unfall versicherungsträger.

Gut organisiert

Sinnvoll ist es, die Telefonnummern nahe gelegener medizinischer Einrichtungen direkt greifbar zu haben, etwa von Kinder-, Augen- und HNO-Ärzten sowie die Nummer der zuständigen D-Arzt-Praxis (siehe KiKi-Ausgabe 3/2020). Wenn möglich, sollte es in der Einrichtung einen für den Rettungsdienst leicht zugänglichen Raum mit Liegemöglichkeit geben. Dort ist dann auch der Verbandkasten untergebracht. Es versteht sich von selbst, dass dessen Inhalt regelmäßig überprüft und jedes verbrauchte oder abgelaufene Material ersetzt werden muss. Salben oder Medikamente gehören hier nicht hinein. Sollte einmal auf einem Ausflug etwas passieren, haben die Erzieherinnen und Erzieher natürlich ein abgespecktes Erste-Hilfe-Set dabei, das entsprechend den möglichen spezifischen Risiken zusammengestellt wurde und ebenso regelmäßig geprüft und wieder aufgefüllt werden muss.

 

CHECKLISTE ERSTE HILFE

  • Telefon jederzeit leicht zugänglich?
  • Wichtige Telefonnummern parat?
  • Kleiner Verbandkasten nach DIN 13157 vorhanden, zugänglich und vollständig?
  • Erste-Hilfe-Material für Ausflüge vollständig?
  • Verbandbuch vorhanden und gewissenhaft geführt?
  • Aushang „Erste Hilfe Kindernotfälle“ aufgehängt?
  • Ersthelfende regelmäßig geschult?

 

Nach dem Unfall: Dokumentation

Der Unfall von Nils beschäftigt seine Erzieherin noch ein paar Minuten, nachdem er bereits von seiner Mama abgeholt worden ist. Sie bereitet die Unfallanzeige vor. Die muss immer dann ausgefüllt und an den zuständigen Unfallversicherungsträger geschickt werden, wenn Kinder oder Beschäftigte sich so schwer verletzen, dass eine ärztliche Behandlung notwendig ist. Außerdem notiert sie, dass Verbandpäckchen und Pflaster im Verbandkasten nachgefüllt werden müssen. Darum kümmert sich regelmäßig eine Kollegin.

Übrigens: Jede Erste-Hilfe-Leistung muss aufgezeichnet werden, auch das simple Kleben von Pflastern. Dazu eignet sich ein Verbandbuch, ein Meldeblock oder auch ein Dokumentationsbogen genauso wie eine elektronische Lösung. Die personenbezogenen Aufzeichnungen müssen mindestens fünf Jahre aufbewahrt und gegen den Zugriff Unbefugter gesichert werden (Datenschutz).

Und Nils? Am nächsten Tag präsentiert der Kleine stolz seinen feschen Kopfverband über der geklammerten Wunde – alles halb so wild.

 

MEHR INFOS

Wer bietet Erste-Hilfe-Kurse an?
Suche nach ermächtigten Stellen unter:
www.dguv.de/fb-erstehilfe

Die wichtigsten Broschüren zum Thema finden Sie als PDF-Downloads unter publikationen.dguv.de:

Mit Kunstblut und Kopfverband

Der Junge liegt reglos am Boden. Er scheint verletzt zu sein. Wie schwer, können die anderen Kinder aus der Entfernung nicht einschätzen. Sie wissen nur: Sie müssen zu ihm. Möglichst schnell. Aber auch mit der nötigen Vorsicht, ohne sich selbst oder andere in Gefahr zu bringen. „Was euch im Weg ist, räumt so beiseite, dass ihr freie Bahn habt“, hat ihnen Florian Siebrecht vorher mitgegeben. Es ist zwar nur eine Übung und sie findet in der geschützten Umgebung des integrativen Kindergartens Cantate Domino in Frankfurt am Main statt. Aber die Fünf- und Sechsjährigen nehmen dieses Spiel schon ernst. Denn sie wissen: Aus dem Spiel kann ja tatsächlich mal Ernst werden, wenn sich zum Beispiel einer ihrer Freunde verletzen sollte und wenn dann keine Erzieherin da ist, die zu Hilfe gerufen werden kann. „Es geht darum, die Kinder so früh wie möglich an die Situation Helfen heranzuführen“, sagt Siebrecht.

 

KURZ GESAGT!

  • Kinder werden spielerisch an den Ernstfall herangeführt
  • Erste Hilfe bei anderen Kindern, aber auch bei Erwachsenen
  • Die Inhalte unterscheiden sich kaum von Kursen für Erwachsene

 

Stolperfallen blockieren den Weg

Der Johanniter-Ausbilder hat den Turnraum präpariert, den die Kinder betreten haben. Große Schaumstoffklötze und Gummibälle versperren den Weg zum Freund, der so tut, als sei er bewusstlos. Was Siebrecht besonders fasziniert: Die Kinder sprechen sofort miteinander, arbeiten als Team zusammen. Welche Stolperfallen liegen herum? Wer kann was wegräumen? „Sie koordinieren sich gegenseitig – dabei haben wir das vorher gar nicht durchgesprochen. Sie tun es einfach.“

Monika Fritzsche erachtet Erste-Hilfe-Kurse für Kinder als wichtig und sinnvoll. „So werden sie spielerisch darauf vorbereitet, dass sie keine Angst haben müssen, wenn es mal einen Notfall gibt und sich jemand verletzt hat“, sagt die Leiterin des integrativen Kindergartens Cantate Domino. „Sie lernen: Was kann ich tun? Wie kann ich helfen?“

Noch dazu lernen sie schnell und sind wissbegierig. „Man kann ihnen wirklich viel zutrauen“, sagt Monika Fritzsche. Manches fällt den Kindern in den Kursen sogar leichter als Erwachsenen, die die Aufgaben oft zu verkopft und vorsichtig angingen. „Für die Kinder ist es wie ein Spiel. Sie probieren aus und haben keine Berührungsängste“, weiß die Kitaleiterin. Florian Siebrecht formuliert es so: „Wenn Kinder wissen, was sie tun können, dann tun sie es auch.“

Die Ersthelferinnen und Ersthelfer von morgen wissen nach dem Kurs, wie sie die Atmung von Bewusstlosen überprüfen.

Im Turnraum der Kita ist die Bahn nun frei und die Kinder sind beim „verletzten“ Jungen angelangt. Angucken, ansprechen, anfassen – den ersten Teil des Notfallchecks haben sie so schnell verinnerlicht wie die Notrufnummer 112 und rütteln am Jungen, als er nicht reagiert. Als Nächstes bringt Siebrecht den Kindern bei, die Atmung des „Bewusstlosen“ zu überprüfen. Die eine Hand ans Kinn, die andere an die Stirn und dann den Kopf vorsichtig nach hinten überstrecken. „Wenn das funktioniert, ist das schon der erste lebensrettende Handgriff. Viel mehr macht ein Erwachsener auch nicht, um die Atmung zu kontrollieren“, sagt Siebrecht. Durch Sehen (ob sich die Brust hebt und senkt), Hören (der Atmung im Ohr) und Fühlen (der Atemluft an der Wange) stellen die Kinder dann fest, ob der Verletzte noch atmet – das tut ihr Freund zum Glück.

Vitalfunktionen sichern

Anschließend übt die Gruppe die stabile Seitenlage. Erst untereinander, später mit Erwachsenen. Dafür legt sich Florian Siebrecht mit seinen „115 Kilogramm Lebendgewicht plus Schuhen“ auf die Matte. Sogar zierliche, vierjährige Mädchen schaffen es, das Bein des stattlichen Mannes anzuwinkeln und sich mit Schwung so dagegenzuwerfen, dass er auf die Seite fällt. Die Erzieherinnen und Erzieher sind dann meistens erstaunt, dass das klappt. „Wenn man weiß, wo die Hebel sind, braucht man keine Physikkenntnisse – man macht es einfach“, erklärt Siebrecht. „Dann wird noch der Kopf überstreckt und schon haben wir eine stabile Seitenlage. Sehr rudimentär, aber die Vitalfunktion Atmung ist damit gesichert.“

Es hat geklappt! Auch Kitakinder können stattli­che Männer in die stabile Seitenlage bringen.

Nächste Disziplin beim Erste-Hilfe-Kurs: die Wundversorgung. Mit Schockbildern oder Schmerzensschreien arbeitet Florian Siebrecht bei den Übungen nicht. „Aber was die Maßnahmen angeht, kann ich Kindern vieles genauso wie Erwachsenen zutrauen“, sagt der Johanniter-Ausbilder.

Kunstblut ja, Schockbilder nein

Zudem kommt ihm – und den Kindern – sein Hang fürs Dramatische zugute. Kein Wunder, hat der 42-Jährige doch in Gießen Theaterwissenschaften studiert. Er setzt bei den Erste Hilfe-Kursen in Kitas immer seine Requisiten für die realistische Unfalldarstellung (RUD) ein. „Wenn die Kinder eine Wunde sehen sollen, dann wird da auch Blut sein“, sagt Siebrecht. Aber nur, wenn die Kinder das auch wollen. Was jedoch spätestens dann meistens der Fall ist, wenn sich der Johanniter-Ausbilder selbst mit Kunstblut eine Wunde am Arm oder am Kopf geschminkt hat und die angehenden Ersthelferinnen und Ersthelfer sehen: alles halb so wild.

Inhaltlich unterscheidet sich das Programm nicht wesentlich von dem für Erwachsene. Verband mit Kompresse und Mullbinde. Pflaster kleben und – je nachdem, ob die Wunde am Finger, am Kinn oder am Knie ist – vorher zuschneiden. „Sofern die Kinder feinmotorisch fit genug sind und die Erzieherinnen das Okay geben, Scheren auszuhändigen“, schränkt Siebrecht ein.

Auch Trösten ist Erste Hilfe

Fünf Euro pro teilnehmendem Kind zahlen Kitas dafür, dass Florian Siebrecht einer Gruppe zwei Stunden lang Erste-Hilfe-Maßnahmen kindgerecht beibringt. Das deckt zwar nicht einmal die Materialkosten. Dafür haben die Johanniter möglicherweise ein paar „Ersthelfer von morgen“ gewonnen und die Kita hat nun ein paar selbstbewusste Kinder mehr, die wissen, dass sie im Notfall helfen können.

Wobei ohnehin jedes Kind schon einmal bei Freunden, Geschwistern oder Eltern Erste Hilfe geleistet hat – ohne es zu wissen. Denn jedes Kind hat schon einmal ein Pflaster geklebt oder jemanden getröstet. „Wundversorgung ist das eine, das andere ist die psychische Erste Hilfe. Die wird bei Erwachsenen häufig unterschätzt“, erklärt Florian Siebrecht.

Draußen wird es für die Kinder zum Abschluss noch einmal interessant. Denn dort steht der Rettungswagen – kurz: RTW – vor der Kita. „Die Kinder haben gelernt, dass es da Pflaster und Verbände gibt. Also auch nichts anderes als das, was wir im Kindergarten haben“, sagt Monika Fritzsche. „Man muss also keine Angst haben, wenn man da drin ist.“ Und als Florian Siebrecht dann noch das Blaulicht einschaltet, ist der Ersthelfer-Nachwuchs ohnehin ganz begeistert und fasziniert. Das Fazit von Monika Fritzsche: „Es waren zwei spannende Stunden und hat den Kindern Spaß gemacht.“ Erst recht, weil sie Mama und Papa beim Abholen mit Kunstblut und Kopfverband erschrecken können.

 

Wissen gibt Sicherheit

Wie oft müssen die Ersthelferinnen und Ersthelfer in Kindertageseinrichtungen ihr Wissen auffrischen?

In der Regel ist eine Fortbildung alle zwei Jahre nötig. Sollte es einmal zu Engpässen bei verfügbaren Fortbildungsplät-zen kommen, kann man sich auch zu einer Ausbildung anmelden. Der Zeitaufwand ist identisch.

Gibt es jetzt zu Zeiten der Coronapandemie besondere Dinge bei der Ersten Hilfe zu beachten?

Diese Frage höre ich natürlich häufig. Die DGUV hat hierzu eine wirklich gute und immer aktuelle FAQ-Liste auf ihrer Webseite (www.dguv.de, Webcode: d1182760). Dort wird etwa die Frage beantwortet, die mir auch immer wieder gestellt wird, ob ein Online-Erste-Hilfe-Kurs eine Alternative zu einer Präsenzveranstaltung wäre. Immerhin könnte man so die Hygieneregeln einhalten.

Und?

Nein, ist es nicht. Bei den Erste-Hilfe-Kursen ist die reine Wissensvermittlung nicht entscheidend. Wichtig ist es, den Ersthelfenden eine ganzheitliche Handlungskompetenz zu vermitteln. Und das geht nun mal nur „vor Ort“.

Chronisch krank? Kein Problem!

In einem großen Haus  im Westen der Stadt Kiel dreht sich alles um Familien. Hinter der grasgrünen Fassade spielen und lernen 85 Kinder in der Kita der DRK-Heinrich-Schwesternschaft e. V. Das Besondere: Neun von ihnen haben eine chronische Erkrankung, benötigen eine spezielle Pflege oder Förderung, weil sie beispielsweise zu früh auf die Welt gekommen sind, unter Diabetes mellitus leiden, eine Hüftfehlstellung oder einen Herzfehler haben. Hier toben sie ganz selbstverständlich zwischen den anderen Kindern.

 

KURZ GESAGT!

  • Kinderkrankenschwestern sind Teil des Kitateams
  • Gegenseitige Fortbildung und ständige Kommunikation zwischen pädagogischen und medizinischen Fachkräften
  • Bei Bedarf Unterstützung durch Externe

 

Kitaplätze für alle

Das Konzept hat Geschichte: Seit über 100 Jahren ist die Schwesternschaft in der Kinderkrankenpflege in Akutkliniken tätig. Lange vor Gründung der Kita rief sie das „Brückenteam“ ins Leben, einen Zusammenschluss von Kinderkrankenschwestern, Hebammen sowie Ärztinnen und Ärzten, die Familien mit Unterstützungsbedarf begleiten sowie chronisch und schwerstkranke Mädchen und Jungen zu Hause versorgen. „Dabei fiel immer wieder auf, dass Eltern dieser Kinder keinen Betreuungsplatz finden“, erzählt Oberin Maria Lüdecke.

Seit zehn Jahren betreibt die Schwesternschaft nun selbst eine Kita, die barrierefrei gebaut wurde. „Wir klären zunächst in einem Vorgespräch mit den Eltern, was ein Kind benötigt. Das eine hat vielleicht eine Entwicklungsverzögerung, das nächste ist mehr kognitiv als motorisch begabt, das dritte braucht Medikamente“, so Maria Lüdeke. Nur aufgrund einer Erkrankung hätten sie noch kein Kind ablehnen müssen. „Wir überlegen vielmehr, ob wir die individuelle Betreuung im Rahmen unserer personellen Möglichkeiten leisten können.“ Zusätzliches Personal wird von der Stadt nicht finanziert. Zwei Stellen hat die Schwesternschaft jedoch statt mit pädagogischen Fachkräften mit Kinderkrankenschwestern besetzt, nach dem Konzept der School Nurse/Schulgesundheitspflege, das auch die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt. Das Konzept sieht vor, dass sich in einer Bildungseinrichtung eine Pflegefachperson um chronisch erkrankte Kinder sowie die medizinische Prävention und Akutversorgung kümmert.

Für Mädchen und Jungen mit einem speziellen Frühförderungsbedarf beschäftigt die Einrichtung zudem eine Heilpädagogin oder holt sich externe Unterstützung ins Haus. Manche Kinder mit einer Pflegestufe bringen eine persönliche Pflegeassistenz mit. Immer wieder versucht die Einrichtung über Spenden und Stiftungen Gelder für Personalstunden zu bekommen.

Austausch im Team

Doch über die Erkrankungen und Symptome der Kinder müssen nicht nur die Pflegekräfte, sondern alle Beschäftigten Bescheid wissen – auch weil die Kita offene Gruppen hat. „Kommunikation ist bei uns das A und O“, bestätigt Kitaleiterin Jannecke Ohl. „Das erfordert viel Engagement.“ In den wöchentlichen Dienstbesprechungen bilden sich die medizinischen und pädagogischen Beschäftigten gegenseitig fort. Außerdem sind Informationsbriefe im Umlauf (zum Beispiel über Vereinbarungen aus Elterngesprächen), die nach dem Lesen gegengezeichnet werden müssen. Zum Teil ist das pädagogische Personal auch speziell geschult, etwa im Hinblick auf Diabetes. „Mittags ist eine Mitarbeiterin zum Beispiel speziell für ein Kind mit Diabetes da, wiegt das Essen mit ihm ab und hilft ihm, das Insulin zu dosieren“, erklärt Jannecke Ohl. Die Mahlzeiten werden in der Küche des Pflegeheims der Schwesternschaft nebenan zubereitet. So kann die Kita zum Teil auf Nahrungsmittelallergien oder Unverträglichkeiten Rücksicht nehmen.

Ein Plan für den Notfall

Der rege Austausch im Team zahlt sich aus: „Alle wissen, welche Symptome bei welchem Kind auftreten können, was sie selbst machen dürfen und wann eine Kinderkrankenschwester dazugeholt werden muss“, so die Kitaleiterin. Die Medikamentengabe übernehmen die Kinderkrankenschwestern auf Basis eines Attests der Kinderärztin oder des -arztes. Es regelt auch, was im Notfall zu tun ist. So konnten die Beschäftigten bisher jede Situation alleine bewältigen, ohne den Notruf wählen zu müssen. „In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt: Das Konzept ist machbar – wenn alle im Team mit dem Träger an einem Strang ziehen“, sagt Maria Lüdeke. „Wir wollen das ganz normale Leben widerspiegeln. Denn jedes Kind ist auf seine eigene Weise besonders.“

 

BETREUUNG VON CHRONISCH KRANKEN KINDERN: DARAUF KOMMT ES AN!

  • Alle Betreuungskräfte müssen wissen, welche Symptome bei einer  Erkrankung auftreten können und was dann zu tun ist. Die Informationen sollten schriftlich festgehalten werden.
  • Dafür ist ein enger Kontakt zu den Eltern wichtig. Sie kennen ihr Kind am besten und sollten dem Kitateam typische Symptome und Situationen aus ihrem Alltag beschreiben, schon vor der Aufnahme des Kindes.
  • Die behandelnde Kinderärztin oder der Kinderarzt sollte schriftlich in einem Attest die Dosierung von Medikamenten festlegen.
  • Mehr Sicherheit gewinnen pädagogische Fachkräfte, indem sie Fortbildungen zum Umgang mit bestimmten Erkrankungen besuchen. Organisiert werden Schulungen zum Beispiel an Kinderkliniken (etwa in Darmstadt, Hamburg) oder Vereinen wie „Hilfe für Kinder und Jugendliche bei Diabetes mellitus e. V.“: www.diabetes-kinderhilfeverein.de/projekt.html
  • Sehr gut ist ein interdisziplinäres Team aus Pädagogen und Pflegefachpersonen/Schulgesundheitspflege.
  • Lesetipp: „Medikamentengabe in Kindertageseinrichtungen“; DGUV Information 202-092, Download und Bestellung unter: publikationen.dguv.de, Webcode: p202092

Sonnenschutz braucht Zeit

Worauf ist beim Sonnenschutz bei U3-Kindern zu achten?

Optimal wäre, wenn Kinder bis zum dritten Lebensjahr gar nicht in die Sonne gehen. Ihre Haut ist sehr dünn und empfindlich. Doch sobald sie krabbeln und laufen, lässt sich das nicht mehr verhindern. Deshalb gilt: Wenn es sich absolut nicht vermeiden lässt, sollte man sehr auf Lichtschutz achten. Also Spielplätze mit viel Schatten auswählen, in der Mittagszeit von 12 bis 15 Uhr die Sonne meiden und Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor auftragen. Außerdem sind Textilien wichtig. Für Kinder gibt es extra Kleidung mit UV-Schutz, wichtig ist auch eine Kappe, idealerweise mit Nackenschutz. Und Sonnenbrille nicht vergessen.

Welche Sonnencreme empfehlen Sie für die Kleinsten?

Wichtig ist Lichtschutzfaktor 50. Einige Eltern möchten keinen chemischen Lichtschutzfilter verwenden und entscheiden sich für einen physikalischen (mineralischen) UV-Filter, zum Beispiel auf Zinkbasis. Diese Präparate hinterlassen einen weißen Film auf der Haut. Sie wirken genauso gut und ermöglichen sogar eine bessere Kontrolle, da sichtbar ist, ob der Lichtschutz überall gut aufgetragen wurde.

Worauf ist beim Lichtschutz außerdem zu achten?

Es kommt vor allem darauf an, dass die Präparate richtig verwendet werden. Werden sie zu dünn auf die Haut aufgetragen, verlieren sie ihren Schutz – und zwar in sehr drastischem Umfang. Wird ein Lichtschutzfaktor 50 nicht korrekt aufgetragen, reduziert er sich vielleicht auf Faktor 7. Das ist für die Kinderhaut zu wenig.

Was ist noch wichtig?

Lichtschutz braucht Zeit. Oft werden die Kinder eingecremt und es geht direkt raus in die Sonne. Dabei dauert es etwa eine halbe Stunde, bis der Lichtschutzfilter wirkt. Generell geht es darum, sich daran zu gewöhnen, auf Lichtschutz viel Wert zu legen. Schäden in den ersten Lebensjahren sind oft die Hauptgründe für schwarzen Hautkrebs im jungen Erwachsenenalter. Selbst wenn kein Sonnenbrand auftritt, die Hautschäden lassen sich nie mehr rückgängig machen.

Transport verletzter Kinder

Ein Kind hat sich so verletzt, dass die Kita eine medizinische Versorgung für angemessen hält. Soll man direkt den Rettungswagen rufen?

Handelt es sich lediglich um eine Bagatellverletzung wie eine Platz-, Schürf- oder Kratzwunde, eine leichte Prellung oder Quetschung, ist das nicht nötig. Rettungseinsätze kosten schnell 500 Euro und mehr – außerdem wird Personal gebunden, das an anderer Stelle vielleicht nötiger gebraucht würde. Die Kita sollte zunächst die Eltern verständigen, damit diese ihr Kind gegebenenfalls selbst zum Arzt oder der Ärztin bringen können.

Sind Erzieherinnen und Erzieher aber nicht juristisch auf der sicheren Seite, wenn sie den Rettungsdienst alarmieren?

Wenn sie das Transportmittel mit Augenmaß nach Art und Schwere der Verletzung gewählt haben, sind sie das ohnehin. Wer nach bestem Wissen handelt, bei der Entscheidung über den Transport eines verletzten Kindes aber trotzdem einen Fehler macht, kann dafür juristisch in der Regel nicht belangt werden. Eine gute Richtschnur ist die Frage: Wie hätte ich bei meinem eigenen Kind entschieden?

Wie kommt das Kind zur Arztpraxis, wenn die Eltern nicht kommen können?

Bei den genannten Bagatellverletzungen ist es durchaus angemessen, das verletzte Kind zu Fuß, mit dem Bus, dem eigenen Auto oder auch dem Taxi in die Arztpraxis oder die Klinik zu bringen. Wenn ein Taxi innerhalb einer angemessenen Zeit am Unfallort ist, ist das dem eigenen Auto vorzuziehen, denn so kann sich die Begleitperson um das Kind kümmern.

Wer bezahlt das Taxi?

Die Kita muss die Kosten zunächst vorstrecken, der zuständige Unfallversicherungsträger erstattet sie dann zurück. In manchen Bundesländern gibt es auch Taxigutscheine, die die Unfallkassen an Kindertageseinrichtungen vergeben. Damit ist der Transport bargeldlos möglich.

Während des Transports werden Auto oder die Kleidung der Begleitperson beschmutzt. Wer kommt für diese Schäden auf?

Egal welches Transportmittel gewählt wird: Der Weg zur Praxis oder Klinik ist gesetzlich unfallversichert. In diesem Fall werden dann auch in der Regel etwaige Schäden wie Reinigungskosten für beschmutzte Sitzpolster oder Kleidungsstücke ersetzt.

Die Fragen beantwortete Klaus Hendrik Potthoff, Geschäftsbereichsleiter Rehabilitation und Entschädigung der Kommunalen Unfallversicherung Bayern

 

Die Augen und Ohren der Kita

Die Sicherheitsbeauftragten sind die Augen und Ohren der Kita. Es ist eine schöne Aufgabe, die man auch gut bewältigen kann. Man lernt die Kolleginnen und Kollegen noch viel besser kennen, weil man sich mehr mit ihnen auseinandersetzt. Ich bin das Sprachrohr zwischen der Leitung und den Beschäftigten. Mich freut, dass sie meine Tipps und meinen Rat zu schätzen wissen, zum Beispiel wenn ein Raum umgestaltet wird. Zu meinen Aufgaben gehört es, das Team auf Gefahrenquellen hinzuweisen. Das können Teppiche sein, die umgeklappt sind und zu Stolperfallen werden. Oder wenn jemand falsches Schuhwerk wie etwa Flipflops trägt – wir hatten da auf Treppen schon einige Unfälle. Ich trete aber nicht als Bevormunderin auf, sondern sehe meine Rolle eher als Beraterin.

Nicht in Watte packen

Kitas sind ein sicherer Ort. Hier passieren vergleichsweise wenige Unfälle. Das liegt natürlich auch daran, dass die Ansprüche an Sicherheitsstandards in Kindertagesein­richtungen besonders hoch sind. Und trotz­dem ist es wichtig, Kinder nicht vollständig in Watte zu packen und etwa jede Stolperstelle auf dem Außengelände zu ebnen. „Eine völlige Vermeidung von Gefahren ist der falsche Weg und gaukelt Sicherheit nur vor“, erklärt Dr. Torsten Kunz von der Unfallkasse Hessen. Er hat sich intensiv mit der Sicherheitsförde­rung bei Kindern auseinandergesetzt und auch die Rolle der Kitas dabei bewertet. Seine Über­zeugung: „Es gehört zur gesunden Entwicklung eines Kindes, dass es sich einschätzbaren Risiken aussetzt.“ Die Kita ermöglicht dies den Kindern wohldosiert, im Schutz der Erwachse­nen und so, dass sie keine gesundheitlichen Schädigungen zu befürchten haben, wenn es mal schiefgeht.

 

KURZ GESAGT!

  • Kitas können Kindern Risikokompetenzen vermitteln
  • Motorische, sensorische und kognitive Fähigkeiten lassen sich spielerisch fördern
  • Wichtig: Regeln und Hinweise kindgerecht formulieren

 

Sicherheit spielend trainieren

Denn natürlich sind gewisse körperliche und kognitive Voraussetzungen nötig, damit Kinder Gefahren überhaupt erkennen und angemessen reagieren können. Der Förderung motorischer und sensorischer Fähigkeiten kommt deshalb eine besondere Bedeutung zu.

Motorisch sichere Kinder verunfallen in der Regel weniger oft und mit weniger schlimmen Folgen. Durch geeignete Spiele lässt sich hier viel erreichen. „Ob nun Kraft, Schnelligkeit, Geschicklichkeit, Gleichgewicht oder Koordina­tion geübt werden soll: Versuchen Sie die Spiele abwechslungsreich und damit attraktiv zu halten“, empfiehlt Dr. Kunz. Da manche Spiele jüngere Kinder noch überfordern, sollte man für diese Runden möglichst entwicklungsmäßig ähnliche Kindergruppen zusammenstellen.

Nicht nur was die Motorik angeht, müssen die Fachkräfte unterscheiden. „Ein Dreijähriger etwa kann nur solche Gefahren verstehen, die er schon kennengelernt hat, die einen konkre­ten Bezug zu ihm haben“, erklärt der Experte. „Abstrakte Gefahren wie Elektrizität begreifen auch die älteren Kinder noch nicht. Hier hilft erst mal nur ein klares ‚Nein!‘, bei den Vorschul­kindern kann man das Verbot dann begründen.“ Für dieses Vermeidungslernen sind ein­heitliche Regeln in Kindertages­einrichtung und Elternhaus not­wendig. Kohärente Signale von den erwachsenen Bezugsperso­nen sind extrem wichtig, denn: „Kinder lernen am besten durchs Nachahmen“, verdeutlicht Dr. Kunz. „Wenn die Erzieherinnen betonen, dass bestimmte Dinge gefährlich sind, etwa auf Socken durchs Treppenhaus flitzen, die Kinder solch ein Verhalten aber bei den Eltern beob­achten, dann ist das ein Problem.“ Man dürfe den Einfluss des Verhaltens der „Modelle“ nicht unterschätzen. „Treffen Sie Absprachen im Team und im Rahmen von Elternabenden“, lautet der Tipp des Experten.

Wie sag ich’s dem Kinde?

Am besten können sich Kinder Regeln und Hin­weise dann merken, wenn sie oft und im glei­chen Wortlaut wiederholt werden. „Es hilft auch, den Kindern gegenüber zu betonen, dass das Gesagte gemerkt werden soll, und sie die Regel in eigenen Worten formulieren zu lassen“, sagt Dr. Torsten Kunz. Kleine Kinder sind noch nicht in der Lage, bestimmte sprachliche Satzkon­struktionen zu dechiffrieren. Sie hören das Gesagte, können aber nichts damit anfangen. Sätze mit „nicht“ sollte man vermeiden. Kinder überhören das „nicht“ nämlich schlicht. „Versuchen Sie, positiv zu for­mulieren. Statt: Lauf nicht so schnell! – Geh langsamer.“ Auch bei Passivkonstruktionen und Redewendungen haben Kinder Probleme, die eigentliche Information herauszufiltern. Für Torsten Kunz ist jedoch die entscheiden­de Botschaft: „Sicherheitsförderung erfolgt nicht für die Kinder, sondern mit ihnen. Des­halb darf sie nicht von anderen pädagogischen Maßnahmen losgelöst, sondern sollte in den Alltag – und dort am besten in altersgerechte Spiele – eingebunden sein.“ Damit aus kleinen Forscherinnen und Forschern risikobewusste Erwachsene werden.

 

Zur vertiefenden Lektüre empfiehlt sich die Broschüre „Sicherheit fördern im Kindergarten“, die nur noch als PDF verfügbar ist:

https://kurzelinks.de/0d77

 

Da bewegt sich was!

Luisa hängt ab. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Kopfüber baumelt die Fünfjährige an einem Seil m Burgturm. Denn eines ist ja ganz klar: Wer „Villa Sonnenburg“ heißt, der braucht natürlich auch eine Burg. Im Innern der Bewegungskita in Hanhofen steht sie und hört auf den klangvollen Namen „Sternenburg“. Als großer Abenteuerspielplatz aus Holz ist sie ein echtes Highlight für kleine Kletter­maxe. Und Luisa ist im Klettern geschickt, mit Beinen und Händen hält sie sich fest, blickt nach unten und lächelt entspannt.

Jannis, Ben und die anderen haben mehr Spaß daran, den Parcours möglichst schnell zu meistern. „Sie haben ein Wettrennen ge­macht“, erzählt Erzieher Thomas Kopp. „Ich musste sogar die Zeit stoppen.“ Rauf auf die Burg über die verschlungene Treppe, durch die engen Gänge gerobbt, gekraxelt, gelaufen und dann wieder an den Seilen den Turm runter. Sportskanone Jannis war am schnellsten, handgestoppte 13,5 Sekunden. Aber Ben war auch nicht viel langsamer.

 

KURZ GESAGT!

  • Bewegung fördert die Sprach­entwicklung und stärkt das Selbstbewusstsein der Kinder
  • Gesunde Ernährung ist ein wichtiger Baustein im Konzept
  • Zu Action und Anspannung gehören immer auch Ruhe und Entspannung

 

Gewusel ist gewollt

Ganz schön viel Gewusel, auch in den anderen Räumen und auf den Fluren. Aber genau das ist ja gewollt. „Wir arbeiten unheimlich viel mit der Neugierde des Kindes“, sagt Kitaleiterin Marti­na Henkel und beschreibt das Prinzip so: „Ich komme an, ich kenne etwas nicht, ich lerne etwas kennen, ich traue mir das zu, ich kann das. Und dann erkennt das Kind: Es gibt wieder irgendetwas, was ich noch nicht kenne, was ich mir erst erkämpfen muss.“ So werden die Kinder auf ihrer Entdeckungsreise durch ihre Kitazeit begleitet. Sie beginnen als schüchterne und zurückhaltende „Ministernchen“ (ab eineinhalb Jahre), werden mutiger und wechseln dann in die nächste Gruppe, die „Burgriesen“. Wieder machen sie neue Erfahrungen, orientieren sich an den Älteren, wollen ein „Flummi“ werden, irgendwann ein „Wackelzähnchen“. Und dann wartet ja schon die Einschulung.

Auf dem Weg dorthin haben die Kinder überall Raum, sich richtig auszuleben und auszutoben. Sie sausen eine Rutsche runter, sie balancieren über eine zum Schwebebalken umfunktionierte Bank. Sie tauchen im Bällchenbad ab, sie bauen sich Spinnennetzhöhlen aus Fäden und krabbeln darunter durch. Kreativität gewinnt. Das fängt schon beim Morgenkreis an, wenn die Erzieherinnen und Erzieher den „Märchen­koffer“ öffnen und Geschichten erzählen. Mal mit, mal ohne Requisiten. Dann pflücken die Kinder vor, hinter, unter und neben sich imagi­näre Äpfel. Greifen, um zu begreifen. Oder sie trampeln an der passenden Stelle drauflos, um der Maus Frederick zu helfen, die im Kinderbuch durch die Gegend flitzt und lieber Sonnenstrah­len, Farben und Wörter für den Winter sammelt als Körner und Nüsse.

Roxana und die anderen geben auf den Rädchen ordentlich Gas. Wenn es scheppert, ist es nicht schlimm. Die Kinder lernen daraus.

Frühstückstheke in Ampelfarben

Die Geschichte von Frederick passt irgendwie zum Konzept der Kita. Bewegung und Sprache – da gibt es eine enge Verbindung, wie Marti­na Henkel veranschaulicht: „Das Gehirn bildet Brücken, über die die Kinder dann viel leichter gehen können.“ Aber eigentlich werde über Be­wegung weit mehr trainiert: der Tastsinn, die Grobmotorik, die Feinmotorik, das Selbstbe­wusstsein. „Es ist einfach nur perfekt für die Kinder.“

Das Konzept der „Villa Sonnenburg“ geht je­doch über die Bewegung hinaus und fußt auf drei weiteren Säulen: Nachhaltigkeit, Ernäh­rung und Einbeziehung der Eltern in die Arbeit. „Es geht immer um das gesunde Kind“, betont Martina Henkel. An der Frühstückstheke in den Ampelfarben wissen selbst die Kleinsten: Grün ist gesund, gelb schon nicht mehr so sehr. Und an die selbst gemachte Nutella auf Ebene rot kommen sie gar nicht heran, die müssen ihnen die Erwachsenen reichen. Das Mittagessen wird täglich frisch gekocht, nachhaltig mit saisona­len und regionalen Produkten. So gut, dass das Land Rheinland-­Pfalz die „Villa Sonnenburg“ als „Drei­Sterne­-Ernährungskita“ zertifizierte.

Bei unserem Besuch gibt es Kürbiscremesup­pe. Die jüngeren Kinder sind satt und gönnen sich erst einmal eine Mütze Mittagsschlaf, die älteren haben neue Energie und drängen nach draußen. Das gehört bei Wind und Wetter dazu, jedes Kind hat für seine „Matschklamotten“ ein eigenes Schrankfach. „Wir gehen jeden Tag ganz gezielt mit den Kindern raus – nicht nur in Corona­-Zeiten“, sagt Martina Henkel.

Das Außengelände – wie auch ein Großteil der Inneneinrichtung inklusive der „Sternenburg“ – hat die Kita mit viel Herzblut und in Eigenregie mithilfe der Eltern liebevoll gestaltet. Auch drau­ßen geht es um Erfahrungen, das Erkunden der Welt, Körpergefühl durch Balanceakte. „Wenn neue Eltern kommen, sagen die: ‚Oh Gott, da sind Steine. Was, wenn die Kinder da drauf­fallen?‘“, hat die Kitaleiterin schon oft gehört. Sie bleibt dann gelassen: „Natürlich kann das passieren. Aber durch dieses Bewegungsange­bot werden die Kinder selbstbewusster, selbst­sicherer und können lernen, mit diesen Gefah­ren umzugehen. Das kann für das spätere Leben einfach nur gut sein.“

Auf dem Außengelände können die Kinder auf Baumstämmen balancieren. Das verbessert das Körpergefühl.

Später herrscht drinnen auf den Bewegungs­fluren wieder Hochbetrieb. Bei den „Ministern­chen“ klettern die kleinsten Kitakinder über überdimensionale Gummibausteine. Bei den „Flummis“ und „Wackelzähnchen“ sind die „Fahrzeuge“ schwer angesagt: Rädchen, die aus der Bewegung der Lenkräder ihre Energie beziehen und ziemlich flott unterwegs sind. Da scheppert’s auch schon mal. Nicht schlimm, die Kinder lernen daraus und verbinden Alltags­beobachtungen mit ihren eigenen Erfahrungen. Konrad flitzt auf seinem Gefährt über den Flur, Roxana dicht hinter ihm. „Halt ein bisschen Abstand“, bittet er sie nachdrücklich. „Das machen die richtigen Autos auch.“

Nach Action folgt Entspannung

Doch auch in einer Bewegungskita ist nicht immer nur Action. In Hanhofen, wo 28 Erziehe­rinnen und Erzieher 162 Kinder betreuen und sich eine Heilpädagogin um die Frühförderung kümmert, wissen sie: Zur Anspannung gehört auch immer Entspannung. Deshalb besuchen Erzieherinnen Fortbildungen, etwa „Yoga für Kinder“. Vieles reguliert sich aber ganz von alleine, wie Erzieherin Stefanie Langhauser erklärt: „Die Kinder holen sich die Bewegung, wenn sie sie brauchen, und powern sich aus. Wir merken, dass sie danach viel entspannter und konzentrierter an ihre Aufgaben rangehen.“ Die Zertifizierung als Bewegungskita war für die „Villa Sonnenburg“ jedenfalls ein Volltreffer: gut für die Kinder, gut für die Eltern und gut für die Erzieherinnen und Erzieher.

 

WIE WIRD MAN BEWEGUNGSKITA?

Ob bewegte Kita, Bewegungskinder­garten oder bewegungsfreundliche Kita – die Namen mögen von Bundesland zu Bundesland verschieden sein, das Prinzip ist sehr ähnlich. Für die Zertifizie­rung der „Villa Sonnenburg“ beispiels­weise ist der Verein Bewegungskinder­tagesstätte Rheinland­-Pfalz zuständig. Er überprüft, ob die Anforderungen in den fünf Kategorien Raumgestaltung und ­-nutzung, Bewegungs-­ und Spiel­angebote, Netzwerkbildung (zum Beispiel Elternarbeit oder Zusammenarbeit mit örtlichen Einrichtungen), Qualifikation des Personals (Fortbildung im Bereich „Entwicklungsförderung durch Bewegung“) sowie pädagogische Konzeption (ganzheitliche Entwick­lungsförderung mit dem Kernelement Bewegungsförderung) erfüllt sind. Ist das der Fall, gibt es das Siegel, das nach vier Jahren erneuert werden muss.

In den meisten Bundesländern sind die Landessportbünde in die Zertifi­zierung eingebunden. Einen Überblick für das gesamte Bundesgebiet und das Positionspapier „Grundlegende Stan­dards einer bewegungsfreundlichen Kindertagesstätte“ zum Download bietet die Deutsche Sportjugend im Internet an:
https://kurzelinks.de/bewegungskita

 

 

Hinweise zu Bewegungs­angeboten bieten auch die Unfallkassen, zum Beispiel in Rheinland-­Pfalz:
bildung.ukrlp.de > Sport & Bewegung > Kita

Die Unfallkasse Nordrhein­-Westfalen bietet Broschüren zum Thema an:
www.unfallkasse-nrw.de
Webcode: S0248

„Kinder brauchen mutige Fachkräfte“

Sollen Kitas Sicherheitserziehung als solche thematisieren oder reicht es, wenn sie „en passant“ verschiedene Fähigkeiten fördern?

Beides ist richtig und beides ist wichtig. Es hängt von der Situation und von der Zielsetzung ab. Geht es darum, Kinder über unmittelbare Gefährdungen zu informieren, müssen pädagogische Fachkräfte klare Hinweise geben, wie sich Kinder zu verhalten haben, etwa beim Überqueren von Straßen auf Ausflügen. Langfristig verfolgt Sicherheitserziehung das Ziel, Kinder in die Lage zu versetzen, Risiken zu erkennen, einzu­schätzen und eine verantwortliche Handlungsentscheidung zu treffen, kurz: der Erwerb von Risikokompetenz. Hierfür benötigen Kinder eine hinreichend sichere, aber herausfordernde Umge­bung und Erwachsene, die ihnen die Möglichkeit und Erlaubnis geben, sich auszuprobieren.

Haben Sie ein Beispiel?

Ein Vierjähriger steht im Außengelände seiner Kita vor einem Kletternetz. Er kann in dieser Situation verschiedene Entschei­dungen treffen: ob er das Netz hochklettert, wie hoch er klettert oder ob er sich das Hochklettern doch noch nicht zutraut und lieber am Boden bleibt. Wichtigste Aufgabe der pädagogischen Fachkräfte ist es in dieser Situation, für den sicheren Rahmen zu sorgen – etwa mit der Regel, dass keine Springseile am Kletternetz befestigt werden oder dass im Fallbereich keine Gegenstände (etwa Dreiräder) stehen.

Welche Spiele eignen sich, um Kinder motorisch, sensorisch und kognitiv zu fördern?

Bewegung ist entscheidend. Eigentlich suchen sich Kinder häufig selbst die für sie passenden Spielaktivitäten heraus. Und die sind oft mit hoher Geschwindigkeit (Laufen), Höhe (Klettern) sowie Raufen und Toben verbunden. Diese Spiele nennt man auch riskante Spiele, weil ein gewisses Verletzungsrisiko besteht. Gerade wenn es um den Erwerb von Risikokompetenzen geht, sind diese Spielformen aber von großer Bedeutung. Kompetenzen müssen von Kindern selbst organisiert und handlungspraktisch erworben werden. Hierfür benötigen Kinder Zeit, Platz, Möglich­keiten und mutige pädagogische Fachkräfte, die diese Spiele auch erlauben. Daneben gibt es eine ganze Reihe von angelei­teten Spielen zur Förderung der Wahrnehmung. Kinder lernen im Spiel und durch das Spiel und entwickeln sich hierdurch weiter.

Jüngere Kinder sind kognitiv nicht in der Lage, Risiken richtig abzuschätzen. Wie begegnet man diesem Umstand?

Hier kommt die besondere Rolle der pädagogischen Fachkräfte zum Tragen. Sie müssen abschätzen können, ob eine Situation für ein Kind eine Gefahr darstellt, vor der das Kind beschützt werden muss, oder eine Herausforderung, bei deren Bewältigung das Kind entwicklungsangemessen begleitet werden muss. Vor bestimmten Gefährdungen müssen Kinder geschützt werden, wie vor Stromschlägen.

Das heißt, potenzielle Gefährdungssituationen können und sollten differenziert betrachtet werden?

Richtig. Ein Beispiel ist der Umgang mit Magneten: Verschluck­bare Magnete dürfen für U3­-Kinder nicht frei zugänglich sein. Aber Krippenkinder werden ja auch älter und haben einen Ent­wicklungsstand erreicht, bei dem sie nicht mehr alles in den Mund nehmen. Diesen Kindern sollte man durchaus die Gele­genheit geben, Erfahrungen mit Magneten zu machen. Pädago­gische Fachkräfte müssen sich also darüber informieren, welche Spiel­ und Bastelmaterialien für Kinder unterschiedlichen Ent­wicklungsstandes geeignet sind. Sie überlegen, wie die pädagogische Arbeit gestaltet werden kann, um einerseits einen mög­lichst großen Rahmen für Aktivitäten zu schaffen, andererseits aber auch die Sicherheitsinteressen der Kinder ausreichend zu berücksichtigen. Je nach Kind und Situation verhalten sie sich beobachtend, greifen verbal oder auch „richtig“ ein.

Welche Anlässe eignen sich, um über Gefahren und Risiken zu sprechen?

Einige Anlässe zwingen förmlich dazu, mit Kindern über Gefahren und Risiken zu sprechen. Hierzu gehört zum Beispiel die Fest­legung oder Absprache von Verhaltensregeln bei Ausflügen. Ich unterscheide das bewusst. Bestimmte Regeln werden festgelegt und umgesetzt. Anderes kann mit den Kindern ausgehandelt werden. Beispiel: Bei Ausflügen wird es die klare Festlegung ge­ben, dass auf einem Bürgersteig entlang einer Straße kein Kind den Gruppenverbund verlässt und vor­ oder gar auf die Straße läuft. Durchquert die Gruppe dagegen ein Gelände ohne Straßen­verkehr können durchaus Absprachen getroffen werden, wie weit die Kinder vorlaufen können, etwa bis zur nächsten Parkbank.

Aber auch das erfolgreiche Bewältigen von riskanten Situationen oder das Scheitern in diesen Situationen kann zum Anlass genommen werden, mit älteren Kindern gemeinsam zu über­legen, warum etwas funktioniert hat oder eben auch nicht und welche Schlüsse daraus gezogen werden können. Ziel dieser Gespräche sollte sein, Kinder bei der Entwicklung einer realisti­schen Selbsteinschätzung zu unterstützen.

 

Die Fragen beantwortete Arne Schröder. Er hat Kindheitspädagogik, Kindheits­- und Sozialwissenschaften studiert. Bevor er Aufsichtsperson wurde, leitete er viele Jahre lang Kitas.

 

 

Eine Auswahl geeigneter Spiele beschreibt die DGUV Information 202­062
„Wahrnehmungs-­ und Bewegungsförderung in Kindertageseinrichtungen“:
publikationen.dguv.de, Webcode: p202062

„Die Abwechslung macht’s“

Tilda läuft ganz alleine die kleine Treppe zur Wickelkommode hoch und ist sichtlich stolz. Was für die Kinder der Kita Pauken­zwerge in Mülheim-­Kärlich Selbstständigkeit bedeutet, ist für die pädagogischen Fachkräfte eine große Entlastung im Berufsalltag. „Wir müssen die Kinder, die gewickelt werden, viel seltener heben“, sagt Christine Rönsch, die seit Anfang 2020 in der Einrichtung beschäftigt ist.

Zuvor hat die 55­-Jährige schon in vielen anderen Kitas gearbeitet. „Solange der Körper das Sitzen auf kleinen Stühlen mitmacht, denkt man über rückenschonendes Arbeiten nicht näher nach“, resümiert sie rückblickend. Das änderte sich plötzlich, als sie ein schweres Metall­-Dreirad in der Kita anhob und eine ungünstige Drehbewegung machte. Es folgten Physiotherapie und Rückenschule.

In der Kita Paukenzwerge gibt es für das rücken freundliche Arbeiten verschiedene ergo­nomische Hilfsmittel. So befinden sich in jeder Gruppe Anziehhilfen. Das sind kleine Podeste mit umlaufendem Geländer, auf die die Kinder selbstständig aufsteigen können. Groß und Klein sind dann beim Anziehen auf Augen­höhe.

 

KURZ GESAGT!

  • Studie: Knie­ und Rückenbelastung bei Erzieherinnen deutlich erhöht
  • Wirken optimal zusammen: ergonomische Hilfsmittel und Rückenschule
  • Mobiliar, das Kindern mehr Selbstständigkeit ermöglicht, entlastet die Fachkräfte

 

„Die Erzieherinnen-­Hocker sind im Alltag Gold wert“, sagt Christine Rönsch. Es hilft ihr, sich ab und zu daraufzusetzen, damit die Wirbelsäule gerade ist. Oder sich auf einen der Hocker mit Lehne zu setzen, um den Rücken zu entlasten. „Die Abwechslung macht’s.“ Wenn sie die Kinder doch mal hochnehmen muss, weiß sie jetzt, wie das rückenschonend funktioniert.

Außerdem gibt es im Bistro viele Hochstühle für die Kinder, damit die Erzieher und Erzieher­innen dort auch auf normalen Stühlen sitzen können. Und: Sämtliche Tische sind auf Rollen und höhenverstellbar, sodass sie individuell eingestellt und verrückt werden können.

Am höhenverstellbaren Tisch bearbeitet Kitaleiterin Theresa Erbar bequem ihre Unterlagen.

Rückengerecht arbeiten dank guter Ausstattung

Dass die Kita so gut ausgestattet ist, verdankt sie der Unfallkasse Rheinland-­Pfalz. Sie war von Anfang an bei der Planung beteiligt. Im Januar 2018 wurde die Einrichtung eröffnet. „Es wurde einfach an alles gedacht“, sagt Theresa Erbar, Leiterin der Kita. „Wir haben zehn integrative Plätze. Da die Kinder eingeschränkter sind, ist das körperlich oft anstrengender, aber auch dabei hilft uns die gute Ausstattung.“

Auch Nicole Müller weiß dies zu schätzen. Sie hatte vor zwei Jahren einen doppelten Band­scheibenvorfall. „In der alten Einrichtung saß ich fast den ganzen Tag entweder auf dem Boden, um bei den Kindern zu sein, oder zwischendurch auf den kleinen Holzstühlchen“, berichtet sie. „Das tat meinem Rücken überhaupt nicht gut.“

Erzieherin Nicole Müller muss sich nicht bücken: Die Kinder stehen auf einem Bänkchen und reichen so prima bis an die Arbeitsfläche.

Körperliche Belastungen zum Teil enorm

Diese Beispiele sind keine Einzelfälle: 60 Pro­zent der Erzieherinnen und Erzieher in Deutsch­land leiden unter Rückenschmerzen, teilweise bis hin zur Arbeitsunfähigkeit. Die Unfallkasse Rheinland-­Pfalz und weitere Unfallversicherungsträger haben genauer untersucht, welche Fehlhaltungen im Kitaalltag eingenommen wer­den, und dafür gemeinsam mit dem Institut für Arbeitsschutz Messungen mit einem speziellen Sensoranzug durchgeführt.

„Wir wollten wissen, bei welchen Tätigkeiten welche Belastungsspitzen entstehen“, sagt Bodo Köhmstedt von der Unfallkasse, der die Studie zu Ergonomie in Kitas verantwortet. Das Ergebnis: Im Schnitt nahmen die Erzieherinnen in Spielsituationen 40 Minuten lang belastende Kniewinkel ein; 18 Minuten lang war ihr Rücken zu weit vorgebeugt. „Bei diesen Belastungen sind Verspannungen, Rückenschmerzen und Knieschmerzen auf lange Sicht kaum zu vermei­den“, erklärt Bodo Köhmstedt.

Die gute Nachricht: Durch ergonomische Hilfsmittel wie in der Kita Paukenzwerge lässt sich der Anteil kniebelastender Stellungen auf 15 Minuten reduzieren und die tiefen Rumpfvor­neigungen lassen sich um ein Drittel verringern.

 

MEHR ZUR RÜCKENGESUNDHEIT

Welche Schutzmaske ist die richtige?

Kinder sollen in der Kita generell keine Masken tragen, rät die DGUV in ihrem „SARS­-CoV-­2 Schutzstandard Kindertages­betreuung“. Denn wenn sie damit spielen, sie untereinander tauschen oder sich häufig ins Gesicht fassen, sei ein gegenteiliger Effekt zu befürchten: Das Risiko einer Corona­-Infektion würde sich erhöhen.

Für das Kitapersonal gilt grundsätzlich: Vorrang hat das Einhalten der Abstandsregel von min­destens 1,5 Metern. Sollte der Abstand nicht eingehalten werden können, müssen die Er­zieherinnen und Erzieher sowie andere Kitabeschäftigte laut SARS­-CoV-­2­-Arbeitsschutz­regel im Umgang miteinander und auch im Umgang mit Eltern und anderen Erwachsenen eine Mund-­Nase­-Bedeckung (MNB) tragen.

Bei der Betreuung der Kinder gibt es mehr Spiel­raum. Hier empfiehlt die DGUV den Beschäf­tigten das Tragen einer MNB, wenn der Min­destabstand „vorhersehbar und planbar“ nicht eingehalten werden kann „und es die emotio­nale Situation zulässt“. Die Entscheidung darü­ber obliege den Kitaträgern und pädagogischen Fachkräften. Bei pflegerischen Tätigkeiten wie Wickeln oder Erste­-Hilfe-­Maßnahmen wird demzufolge das Tragen einer MNB empfohlen.

Empfohlen werden Alltagsmasken (MNB), alter­nativ auch medizinischer Mund-Nase-­Schutz (MNS). FFP2­-Masken sind in der Regel haupt­sächlich im Gesundheitswesen erforderlich, wo Erwachsene im direkten Kontakt zu infizier­ten Personen oder infektiösem Material sind. In Kitas kommt das Tragen einer FFP2­Maske ohne Ausatemventil für Beschäftigte dann in­frage, wenn dies in der Gefährdungsbeurteilung der Kita als weitere Arbeitsschutzmaßnahme abgeleitet wird, etwa wenn die Person zu einer Risikogruppe gehört.

Ungeeignet sind Gesichtsvisiere („Face Shields“), die gelegentlich als Ersatz für MNB propagiert werden. Nach DIN EN 166 stellen sie eine per­sönliche Schutzausrüstung (PSA) dar und sollen das Gesicht des Trägers vor Spritzern schützen – als Schutz vor Atemwegsinfektionen wie Corona taugen sie nicht.

Die Masken im Überblick

 

Mund-Nase-Bedeckungen (MNB)
(auch Alltagsmaske oder Community-Maske)

Funktion: begrenzte Barrierewirkung bezüglich gegenseitiger Infektion. Schützt die tragende Person vor Mund­/Nasen­Schleimhautkontakt mit kontaminierten Händen. Einstufung: textiler Bekleidungsgegenstand
Verwendung in Kitas: ja, für Erwachsene
Beschreibung: Für eine gute Passform, Filterwirkung und wenig Feuchtigkeitsaufnah­me sind besonders eine mehrlagige Kombination von Vliesstoffen oder fest gewebte Baumwollstoffe geeignet. Die MNB muss Mund und Nase eng anliegend bedecken, sonst ist die Barrierefunktion nicht ausreichend. Die MNB muss mindestens bei 60 Grad gewaschen werden. Einwegprodukte sind nach jedem Einsatz zu entsorgen.

 

Mund-Nase-Schutz (MNS)
(auch OP-Maske oder medizinische Gesichtsmaske)

Funktion: begrenzte Barrierewirkung bezüglich gegenseitiger Infektion. Schützt die tragende Person vor Mund­/Nasen­Schleimhautkontakt mit kontaminierten Händen.
Einstufung: Medizinprodukt (Norm DIN EN 14683:2019­10)
Verwendung in Kitas: ja, für Erwachsene
Beschreibung: Für den Einsatz im Gesundheitswesen vorgesehen, können aber auch in anderen Bereichen eingesetzt werden. Insgesamt bessere Schutzwirkung und besserer Tragekomfort als Mund­Nase­Bedeckungen, da es sich um ein genormtes Medizinprodukt handelt. Je nach Filterleistung unterscheidet man zwischen Typ I und II, wobei II eine höhere bakterielle Filterleistung hat und für die Arbeit in Opera­tionsräumen geeignet ist.

Atemschutzmasken oder filtrierende Halbmasken (FFP)
(engl. „Filtering Face Pieces“)

Funktion: ohne Ausatemventil Eigen­ und Fremdschutz/mit Ausatemventil
Eigenschutz
Einstufung: persönliche Schutzausrüstung (PSA) (Norm DIN EN 149:2009­08) Verwendung in Kitas: in Ausnahmefällen FFP2 ohne Ausatemventil
Beschreibung: Zum Schutz vor einer SARS­-CoV­-2­-Infektion in der Regel nur in
Bereichen mit erhöhter Gefährdung erforderlich, etwa im Gesundheitsdienst.
Das Tragen von FFP2-­Masken ohne Ausatemventil – Masken mit Ausatemventil haben keine Fremdschutzwirkung – ist entsprechend einer durchzuführenden
Gefährdungsbeurteilung in der Kita in der Regel nur dann erforderlich, wenn die Gefährdung erhöht ist, etwa für Beschäftigte, die zur Risikogruppe gehören. Da diese Masken ein Atemschutzgerät Gruppe 1 darstellen, muss eine arbeitsmedizinische Vorsorge angeboten werden, wenn die tägliche Tragedauer 30 Minuten übersteigt. Zudem müssen Regelungen über Tragezeiten sowie Erholungspausen getroffen werden. Für die Verwendung von FFP-­Masken ist eine Unterweisung nötig.

 

MASKENPFLICHT

Sowohl für das Kitapersonal als auch für die Kinder in den Kitas gilt: Je nach Bundesland oder aufgrund regionaler Vorgaben kann es strengere Regeln hinsichtlich der Maskenpflicht geben, die eingehalten werden müssen. Informationen hierzu gibt es beim zuständigen Landesministerium.

 

 

WEITERFÜHRENDE LINKS

Den „SARS-­CoV-­2 Schutzstandard Kindertagesbetreuung“ der DGUV gibt es zum Download als PDF unter:
publikationen.dguv.de, Webcode: p021493

Das Maßnahmenkonzept für Kitas ist hier zu finden:
www.dguv.de/corona-bildung/kitas/massnahmenkonzept

Eine ausführliche Übersicht bietet das Institut für Arbeits­schutz (IFA) mit dem Plakat „Schutzmasken – Wo liegt der Unterschied?“. Es lässt sich herunterladen unter:
publikationen.dguv.de, Webcode: p021432

Tipps zur richtigen Maskenwahl liefert die Berufsgenossen­schaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege
(BGW) mit dem „Masken­Kompass“. Zu finden ist er hier:
www.bgw-online.de, Suchbegriff: Masken-Kompass

Den Rücken freihalten

Die Kitas bleiben offen, solange es geht, heißt es in diesem Corona-Winter. Dazu sind in den Einrichtungen zusätzliche Hygiene­ und Arbeitsschutzmaßnahmen nötig – ein deutlicher Mehraufwand, der erhebliche Zeit des Fachpersonals bindet. Gleichzeitig können pädagogische Fachkräfte, die zur Risi­kogruppe zählen, nicht eingesetzt werden. Eine Lösung für dieses Dilemma bietet die Initiative #ichhelfemit. Die Idee: Kitas können finanzielle Unterstützung für die Beschäftigung einer All­tagshelferin oder eines Alltagshelfers beantra­gen, die die Fachkräfte bei nicht pädagogischen Arbeiten unterstützen. Eigentlich war die Initia­tive bis zum Jahresende 2020 befristet. Da der Zuspruch allerdings so groß ist – fast neun von zehn berechtigten Kitas haben die Zuschüsse beantragt –, wird sie zunächst bis zum Ende des Kitajahres 2021 fortgesetzt.

 

KURZ GESAGT!

  • In NRW können Kitas finanzielle Hilfen für die Beschäftigung von Alltagshelfern beantragen
  • Sie dürfen nur im nicht pädagogischen Bereich eingesetzt werden
  • Initiative läuft noch bis Ende Juli 2021

 

Von der Küchenhilfe zur Alltagshelferin

In Monheim am Rhein hilft Sibel Bekir Oglou dem Team der AWO Kita Prenzlauer Straße bei all den notwendigen, aber auch zeitraubenden Kleinigkeiten: mindestens zweimal am Tag die Stühle und Tische desinfizieren, Spielzeug ab­wischen, den Kindern (die ja viel draußen sein sollen) in die Matschklamotten helfen, Gummistiefel suchen, beim Händewaschen helfen, in den Bring-­ und Abholzeiten mit anpacken. Sie hält den Fachkräften den Rücken frei, da­mit auch in Pandemiezeiten diese die pädago­gische Arbeit an den Kindern in der gewohnten Qualität leisten können. Bevor Sibel Bekir Oglou Alltagshelferin wurde, arbeitete sie acht Jahre als Küchenkraft in der Einrichtung. „Für mich ist das wunderbar, das Team hat mich in meiner neuen Aufgabe sofort akzeptiert“, berichtet sie begeistert. Und ihre Chefin Silke Hergl ist eben­falls mehr als zufrieden: „Ich musste nicht lange nachdenken, als mich Frau Bekir Oglou fragte. Das passt für uns gut. Eine Kollegin, die der Ri­sikogruppe angehört, darf zurzeit nicht mit den Kindern arbeiten. Sie ist nun vorübergehend in der Küche beschäftigt.“ Eine Win-­win­-Situation.

„Es ist ein ungeheurer Vorteil, dass wir und auch die Kinder Frau Bekir Oglu schon kannten.“ So verlief der „Jobtausch“ reibungslos. Wobei selbstverständlich ist, dass Alltagshelferinnen und ­helfer keine pädagogische Fachkraft erset­zen können – und es auch nicht sollen. Es ist eine ganz klare Vorgabe der Initiative: Die päd­agogische Betreuung und frühkindliche Bildung müssen weiterhin ausschließlich von pädagogi­schen Kräften geleistet werden. In professionel­ler Verantwortung bleiben Elterngespräche, die Beobachtung und Dokumentation, Eingewöh­nung sowie jegliche inhaltliche Planung und Durchführung pädagogischer Angebote, aber auch das Begleiten der Kinder in Schlafsituatio­nen oder Ruhephasen sowie beim Wickeln und Toilettengang. Da eine trennscharfe Aufgaben­teilung manchmal nicht möglich erscheint, hört man zur Initiative aber durchaus auch vereinzelt kritische Stimmen im Land. Gut ist es deshalb, wenn der Träger gemeinsam mit dem Kitateam klare Tätigkeitsbeschreibungen für die Alltags­helferinnen und -­helfer formuliert. Das beugt Missverständnissen und Verunsicherungen vor.

Für Sibel Bekir Oglou haben sich jedenfalls neue Berufsperspektiven aufgetan: „Ich kann mir gut vorstellen, ganz in den sozialen Bereich zu wechseln und eine Ausbildung zu machen. Die­se Arbeit liegt mir. Ich bin damit richtig glück­lich.“ Tatsächlich möchte das Familienministe­rium NRW erfolgreichen Alltagshelferinnen und ­helfern diese Chance ermöglichen und ihnen ein Ausbildungsangebot machen. Silke Hergl findet die Idee sympathisch: „Das halte ich für ein gutes Signal.“

 

DATEN UND FAKTEN

Es machen in NRW rund 9.000 von ca. 10.500 nach dem KiBiz geförderten Kindertageseinrichtungen mit.

 

2021 stehen 132,3 Millionen Euro für die Kitahelferinnen und ­helfer sowie, 14,7 Millionen Euro für Schulungen, Arbeitsschutz und Hygienemaßnahmen zur Verfügung.

 

Die Anstellung erfolgt über die Träger.

 

 

Infos zu dem Projekt unter:

https://ich-helfe-mit.nrw

Wer haftet?

Was versteht man eigentlich unter Aufsichtspflicht?

Die Aufsichtspflicht ist nach § 1631 Abs. 1 BGB Teil der Personensorge. In der Regel liegt sie bei den Eltern. Mit dem Besuch der Kita übernimmt der Träger durch den Vertrag die Aufsichtspflicht. Der Träger wiederum überträgt sie auf die Kitaleitung und das übrige Kitapersonal.

Wie kann der Aufsichtspflicht Genüge getan werden, ohne Kinder zu „überwachen“?

In der pädagogischen Arbeit ist es ein ständiges Abwägen zwischen „Lassen und Beschränken“. Die Frage sollte sein, wie kann die Kita es konkret ermöglichen, dass Kinder ohne permanente Aufsicht sicher spielen können, und nicht, ob sie es überhaupt dürfen. Die verantwortliche Person muss dies anhand der Fähigkeiten, des Entwicklungsstands und des Alters der einzelnen Kinder, aber zum Beispiel auch anhand der Beschaffenheit der Spiel­umgebung sowie der aufgestellten Regeln und Vorgaben entscheiden.

Sind auch Praktikantinnen und „FSJler“ aufsichtspflichtig?

Durchaus, wenn sie die Aufsichtspflicht von einer pädagogischen Fachkraft übertragen bekommen. Dann sind übrigens auch Eltern oder andere Freiwillige
aufsichtspflichtig. Wer die eigentlich ihm obliegende Aufsichtspflicht an andere Personen delegiert, muss sicherstellen, dass diese dafür geeignet sind, angeleitet wurden und überwacht werden; trifft dies nicht zu, bleibt er oder sie weiter in der Verantwortung.

Wenn doch mal etwas passiert – wer haftet?

Durch die gesetzliche Unfallversicherung sind alle Kinder in Kindertageseinrichtungen gegen Unfälle versichert, die sie im Zusammenhang mit dem Besuch der Einrichtung erleiden. Die gesetzliche Unfallversicherung erbringt die Ersatz­leistungen für Körperschäden bei Kindern und ist somit eine Art Haftpflichtversiche­rung für das Kitapersonal und den Träger. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Haftungsprivileg. Das schließt Ansprüche der Kinder untereinander und gegen das Kitapersonal aus. Das gilt allerdings nicht für Sachschäden, es sei denn, ein medizinisches Hilfsmittel – etwa eine Brille – wird beschädigt.

Das Kitapersonal ist also gut abgesichert?

Im Grunde schon, sofern weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit vorliegen. Nur massive Verletzungen der Aufsicht führen zu einer zivilrechtlichen Haftung. Irrtümer, Fehleinschätzungen und Fehler infolge von Überlastung ziehen keine zivilrechtlichen Folgen nach sich, womöglich aber straf­rechtliche.

Aus: Versicherungsschutz in Kitas – Fragen und Antworten

 

 

Ausführliche Handlungshilfen zum Thema unter:

https://kita.ukh.de/fachthemen/aufsichtspflicht/
sowie
https://kurzelinks.de/aufsicht

Frühförderung nötig? Kritische Elterngespräche führen

Eltern wollen in der Regel erfahren, wie ihr Kind in der Kita erlebt wird, welche Fortschritte es dort macht und wie es mit anderen Kindern sowie den Erzieherinnen und Erziehern zurechtkommt. Deshalb ist ein wertschätzen­des allgemeines Feedback zum Kind vorab eine gute Vor­aussetzung, um im Elterngespräch auch kritische Punkte anzusprechen. Zudem sollten Sie den Eltern ausreichend Gehör verschaffen: Aktives Zuhören und Spiegeln – also in eigenen Worten wiedergeben, was man gehört hat – sind hilfreiche Methoden.

Für den herausfordernden Teil des Elterngespräches sollten Sie sich vorbereiten. Sie können beispielsweise die Themen und das Ziel des Gesprächs vorab notieren, so dass diese als Anker oder roter Faden dienen: Aus welchen Beobachtungen schließen Sie, dass das Kind Frühförde­rung benötigen könnte? Was wären Ihrer Meinung nach gute nächste Schritte, um das Kind zu unterstützen?

Wenn Sie einen motorischen Förderbedarf für ein Kind empfehlen wollen, erklären Sie den Eltern den Zusammen­hang von Bewegung und sprachlicher und kognitiver Ent­wicklung, also wie Kinder ihre Umgebung durch Bewegung begreifen und wie sie durch motorisches Erleben Sprache erlernen. Auch hier helfen Ihnen Notizen dabei, im Ge­spräch souverän und sicher aufzutreten.

Orientieren Sie sich sprachlich an den Eltern. Vermeiden Sie dabei, sie mit Informationen zu über­, aber auch zu un­terfordern. Wenn Sie konkrete Ideen haben, wie, wo und von wem das Kind gefördert werden könnte, geben Sie den Eltern die entsprechenden Informationen – am besten schriftlich – mit.

Aus dem Vollen schöpfen

„Wir begleiten unsere Kinder auf ihrer Entdeckungsreise ins Leben. Kern unserer Arbeit ist Umweltbildung und Naturerziehung – wir haben einen großen Nutzgarten, Bienen, Hühner und Kaninchen. Unser ökologisches Konzept stößt inzwischen über die Grenzen des Saarlands hinweg auf Interesse: Die Kita St. Bartholomäus ist Ausbildungsstätte der Lernstatt Zukunft und Einsatzstelle für ein Freiwilliges Ökologisches Jahr. Durch die gelebte Bauernhofpädagogik lernen Kinder den verantwortungs­vollen Umgang mit unserer Schöpfung. Dazu müssen wir nichts künstlich vorbereiten, wir können aus dem Vollen schöpfen, täglich aufs Neue!“

Mehr Infos unter: https://kurzelinks.de/st-barth

Frische Luft, bitte!

Die Verunsicherung in Sachen Lüften ist groß: Wie oft und wie lange ist richtig? Uwe Hellhammer, Aufsichtsperson bei der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen kann dies nachvollziehen. „Ein gutes Innenraumklima ist aber schon immer wichtig gewesen, nicht erst seit Corona“, erklärt er. Im Prinzip sollten deshalb alle Kindertageseinrichtungen bereits heute über ein im Alltag bewährtes Lüftungskonzept verfügen, in dem ein regelmäßiges Stoßlüften der Räumlichkeiten eine zentrale Rolle spielt.

 

KURZ GESAGT!

  • Lüftungskonzepte sind die Basis für gute und gesunde Raumluft
  • Betriebsärztlicher Dienst und Fachkraft für Arbeitssicherheit können Kitas unterstützen
  • CO2-Messgeräte und die App CO2-Timer sind gute Hilfsmittel

 

Allgemein gültige Empfehlungen zum effektiven Lüften auszusprechen ist schwierig, denn: „Dafür spielen die Größe und Anordnung der Fenster, die Raumgrößen, Deckenhöhen und auch die verschiedenartige Nutzung der Innenräume eine Rolle. In den Kitas gibt es jedoch unterschiedliche bauliche Gegebenheiten“, so Hellhammer.

Was heißt das konkret? Wann also muss gelüftet werden? „Das muss der Träger gemeinsam mit dem Kitapersonal für die jeweilige Einrichtung im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung eigens ermitteln“, meint er und ergänzt: „Der betriebsärztliche Dienst und die Fachkraft für Arbeitssicherheit können den Träger und das Team dabei unterstützen, ein passendes Lüftungskonzept zu erstellen.“ Man solle sich nicht scheuen, diese Beratungsleistungen abzurufen. „Die Kompetenzen sind vorhanden, die Fachleute sind auch in anderen Einrichtungen unterwegs und haben einen guten Überblick“, so Hellhammer. Das Kernstück eines Lüftungskonzepts beinhaltet sinnvolle Intervalle und Zeiten für das Lüften aller (!) regelmäßig genutzten Innenräume einer Einrichtung.

Minusgrade im Winter sollten nicht vom Lüften abhalten. Ob man nun mit den Kindern während des Stoßlüftens den Raum verlässt oder sich alle einmummeln und man ein Spiel daraus macht – hier ist ein wenig Einfallsreichtum gefragt.

CO2-Messgeräte sind hilfreich

In der Praxis bewährt es sich, vor dem Betriebsbeginn, regelmäßig im Tagesablauf, nach dem Mittagessen, dem Schlafen und intensiveren Bewegungsspielen sowie zusätzlich bei Bedarf mehrere Minuten bei weit geöffneten Fenstern für frische Luft zu sorgen. Zur Ermittlung der Luftqualität können Hilfsmittel wie CO2-Messgeräte/-Ampeln oder die CO2-App des Instituts für Arbeitsschutz (IFA) nützlich sein. „Zum einen ist ein hoher CO2-Wert in Innenräumen per se problematisch, die Luft ist verbraucht. Zum anderen ist der CO2-Wert mit einer möglichen Virus last gekoppelt“, erläutert Hellhammer. Aus den Ergebnissen zu verschiedenen Tageszeiten ergeben sich Erfahrungswerte, wann der Raum gelüftet werden muss – spätestens aber, wenn die kritische Schwelle von 1.000 ppm CO2 überschritten wird. Messgeräte zeigen auch, wann die Innenraumluft wieder „frisch“ genug ist – daraus lässt sich die Lüftungsdauer ableiten. Sind die Parameter wie Raum- und Fenstergröße, Nutzungsart und Personenanzahl vergleichbar, sind die Ergebnisse auch auf andere Räume übertragbar. Ein dauerhaftes Überprüfen kann somit entfallen, denn die ermittelten Werte sind für den Alltag in dieser Kita repräsentativ.

Wenn beim Stoßlüften Fenster in einem oberen Stockwerk geöffnet sind, ist besondere Umsicht gefragt. Hellhammer betont: „Wirksame Absturzsicherungen müssen an allen Fenstern einer Kita vorhanden sein, trotzdem ist eine permanente Aufsicht notwendig, damit Kinder nicht etwa Gegenstände vors Fenster schieben und auf das Fensterbrett klettern.“ Er empfiehlt deshalb, beim Lüftungskonzept das Thema Aufsicht gleich mitzudenken. Besonders gesicherte Eingangs- und Terrassentüren, die in ungeschützte Bereiche führen, zum Beispiel auf die Straße, dürfen bei einem Lüftungskonzept aus Sicherheitsgründen nicht berücksichtigt werden.

 

DIE FENSTERLÜFTUNG

ist die einfachste Art, für ein gutes Raumklima zu sorgen. Einrichtungen, die mit raumlufttechnischen Anlagen ausgestattet sind, verfügen über ein spezielles Raumluftkonzept. Daran sollte man sich unbedingt halten und die Anlagen während der Betriebszeit keinesfalls abschalten. Ventilatoren sind keine Alternative zum Lüften, da sie die Innenraumluft nicht austauschen, sondern lediglich verwirbeln.

 

 

Mit der kostenlosen App des Instituts für Arbeitsschutz (IFA) „CO2-Timer“ für iOS und Android lässt sich die CO2-Konzentration in Räumen abschätzen, um das Lüftungsverhalten zu optimieren.

Weitere Hinweise
im SARS-CoV-2 – Schutzstandard Kindertagesbetreuung:
www.dguv.de, Webcode: d1182837

SARS-CoV-2- Arbeitsschutzregel:
https://kurzelinks.de/arbeitsschutzregeln

Empfehlungen zum Lüften von Innenräumen:
www.dguv.de, Webcode: p021576

Wissbegierig im Wald

Es ist ihr Lieblingsplatz im Plänterwald. Kein Wunder: eine Lichtung mit Wurzeln, Erdhügeln, Baumstämmen, Licht- und Schattenecken – ein richtiger Abenteuerplatz eben. Um 9 Uhr haben sich sieben Kinder auf den Weg dorthin gemacht. Sie gehören zum Waldprojekt der Berliner Kita Bethaniendamm – an der Grenze zwischen Berlin-Kreuzberg und -Mitte gelegen – und erkunden die Natur. Mit dem Erzieher und Wildnis-Pädagogen Andreas Schönefeld und Erzieherin Paula Schenk entdecken sie täglich Neues: Geheimwege, Verstecke und Spuren von Tieren. Ganz in der Nähe liegen der Wasserspielplatz „Plansche“, eine Waldschule und ein Waldspielplatz. Ihr neues Umfeld haben die Kinder sofort angenommen und empfinden es als ganz natürlich, den ganzen Tag im Wald zu sein, montags bis freitags, von 9 bis 15 Uhr unterwegs. Auch bei Regen, das gehört dazu.

 

KURZ GESAGT!

  • Kita Bethaniendamm gründet „aus der Not heraus“ während des Lockdowns eine Waldgruppe
  • Für Kinder und Fachkräfte eine rundum bereichernde Erfahrung
  • Positiver Nebeneffekt: eine entspanntere Raumsituation im Kitagebäude

 

Waldprojekt als Antwort auf die Coronakrise

Eine Gruppe mit rund zehn Kindern und zwei Erziehern hält sich während der Betreuungszeit in der Natur auf und beschäftigt sich vorwiegend mit den Dingen, die sie im Wald oder auf dem Feld vorfindet. „Es geht um Naturverbindung, heimisch werden, um das freie Spiel und Erfahrungen in der Natur als Urbedürfnis und Voraussetzung für eine gesunde und glückliche Entwicklung“, erklärt Andreas Schönefeld. Der Aufenthalt im Freien fördert die Gesundheit und wirkt positiv auf das Immunsystem der Kinder sowie der Erzieherinnen und Erzieher. In Zeiten der Coronakrise umso bedeutsamer.

Es gibt im Wald so viel zu entdecken.

Ohne Corona hätten die Kinder den Wald wohl nicht in dieser Form für sich entdeckt. Doch Notbetreuung in Berliner Kitas hieß, dass Erzieherinnen und Erzieher aus Risikogruppen in einigen Bereichen nicht arbeiten durften, jedenfalls nicht in geschlossenen Räumen. Und die Corona-Schutzstandards erfordern noch immer zusätzliche Maßnahmen im Kitabetrieb, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern. Von der Waldgruppe profitieren indirekt also auch alle, die nicht mit raus in die Natur gehen, indem sich die Raumsituation entspannt – schließlich sind ja rund ein Dutzend weniger Personen im Haus. Das bedeutet mehr Platz und bessere Möglichkeiten, die Hygieneregeln umzusetzen.

Wie für jede Einrichtung bedeutete die Pandemie auch für die Kita Bethaniendamm Veränderungen. Das Konzept der offenen Arbeit musste auf die Betreuung in geschlossenen Gruppen umgestellt werden. Dabei zeigte sich der Vorteil qualifizierter Fachkräfte. Drei der Erzieherinnen und Erzieher verfügen über Zusatzausbildungen in Wildnis-, Erlebnis- sowie Heil- und Kräuterpädagogik. Die Kita hat außerdem Erfahrungen in Naturpädagogik, seit einigen Jahren finden regelmäßig Waldtage statt. Die Idee zum Waldprojekt war geboren.

Der Wald als Pädagoge

Ihr Essen und Trinken bringen die Kinder dafür im Rucksack mit in den Wald. Zusätzlich haben die Erzieherinnen und Erzieher etwas Brot, ein bisschen Obst, Gemüse und Trinkwasser dabei. Wenn es regnet, schützen zwei Tarps (Outdoorplanen) oder das Überdach am Waldspielplatz. Lange Hosen und Ärmel sind Pflicht. Wechselsachen, Sonnenschutz, Käppi sind immer dabei. Zum Schutz vor Zecken wird Schwarzkümmelöl auf die Kleidung aufgetragen. Ein Handy sowie ein Erste-Hilfe-Set gehören zur Ausrüstung.

Frühstückspause. Ihr Essen und Trinken bringen die Kinder selbst mit in den Wald. Außerdem im Rucksack: Sonnenschutz und Wechselsachen.

Der Wald fördert die Kreativität der Kinder. Sie bauen Holzzelte, rühren Holunderseife oder schnitzen Rohrflöten. An diesem Tag finden sie einen toten Maulwurf. Wie groß die Schaufeln sind! „Der hat ja keine Augen!“, ist eines der Kinder erstaunt. Im Buch „Tierspuren“ finden sie heraus, was Maulwürfe fressen, wie „Maulwurfkacka“ aussieht, dass die Tiere fast blind sind und mit ihren Schaufeln lange Gänge in die Erde graben. „Warum wohnt er in der Erde? Warum ist er gestorben?“, fragen sie Andreas Schönefeld. Gemeinsam suchen sie einen ruhigen Platz, um ihn zu beerdigen. Wie selbstverständlich erfahren Frida, Paul und die anderen die Natur. Sie erleben Tiere und Pflanzen in ihren ursprünglichen Lebensräumen und sammeln ganzheitliche Erfahrungen.

Ein toter Maulwurf wirft Fragen auf. Erzieher Andreas Schönefeld weiß Antworten.

Die Waldgruppe bleibt dauerhaft bestehen

Das Waldprojekt, entstanden aus der Not, ist zu einer Chance geworden: Kinder und pädagogische Fachkräfte sind weniger lärmbelastet als in geschlossenen Räumen. Sie können sich freier bewegen. Die Eltern erleben ihre Kinder als ausgeglichen und zufrieden. „Rosa erzählt viel mehr“, sagt ihr Vater René. „Sie spricht davon, was sie gefunden und gebastelt haben. Dass sie einen Falken gesehen hat. Sie kommt schmutzig, aber glücklich nach Hause.“ War das Projekt zunächst nur für sechs Wochen geplant, so soll es jetzt dauerhaft weitergeführt werden – zurzeit sucht die Kita nach einem bezahlbaren Bauwagen, um einen Unterschlupf für Schlechtwettertage zu haben.

Die Natur bietet unendlich viele Spielmöglichkeiten – die Kinder nutzen sie frei, kreativ und voller Begeisterung.

 

Nachgefragt in der Kita Bethaniendamm

Wie lange hat es gedauert von der Idee bis zum ersten Tag mit Kindern im Wald?

Ein Mitarbeiter, Andreas Schönefeld, sollte aus gesundheitlichen Gründen nicht in Innenräumen mit Kindern arbeiten. Als Schutzmaßnahme empfahl der Betriebsarzt seinen Einsatz in einer Waldgruppe. Darüber informierte Herr Schönefeld den Träger, die Juwo-Kita gGmbH, reichte ein Konzept für ein Waldprojekt ein und erklärte sich bereit, dieses aufzubauen und zu leiten. Während des Corona-Lockdowns war die Idee gereift. Alle packten mit an und unterstützten das Projekt auf allen Ebenen mit voller Power. Und dann hieß es: Es kann es losgehen. In nur neun Tagen stand das Projekt!

Was ist der größte Gewinn der Waldgruppe?

Wir staunen und freuen uns über die Wunder, die der Wald als Pädagoge für uns bereithält. Er wirkt beruhigend und erdet uns und die Kinder. Sie suchen die Natur mit jeder Faser ihres Körpers und ihres Herzens. Sie sind ganz schnell im Wald beheimatet.

Was ist Ihr Rat an Einrichtungen, die Ihrem Beispiel folgen und ebenfalls eine Waldgruppe ins Leben rufen möchten?

Nur Mut, es macht Spaß und glücklich.

 

 

 

 

 

 

 

Wir feiern draußen

Advents- und Weihnachtsfeiern draußen zu feiern, kann mehr als nur eine Notlösung sein. Mit einer Prise Einfallsreichtum werden Outdoor-Feste besonders stimmungsvoll und womöglich sind sie der Auftakt für eine neue, schöne Tradition. Der entscheidende Vorteil: Draußen ist deutlich mehr Platz. Der Aufenthalt im Freien reduziert zudem die Ansteckungsgefahr mit Krankheitserregern aller Art und das Immunsystem wird aktiv gestärkt. Also raus an die frische Luft! Ob mit oder ohne Eltern gefeiert werden soll, muss jede Kita selbst entscheiden.

 

KURZ GESAGT!

  • Die Pandemie erfordert neue Ideen, um Feste dennoch feiern zu können
  • Warm angezogen und dank viel Bewegung kühlen die Kinder draußen nicht aus
  • Lagerfeuer und Grillen sind schön – und mit besonderer Um- und Aufsicht auch sicher

 

Vielleicht klingt die Idee erst einmal abwegig: ein Outdoor-Fest im Winter. Das Wetter ist unstet, es ist kalt, das Gelände womöglich matschig. In Wald- und Naturkindergärten ist man das gewohnt und lässt sich dennoch nicht vom Feiern abhalten. Tatsächlich sind es am wenigsten die Kinder, die sich an Wind und Wetter stören. Das weiß auch Frederike Neuber vom Natur- und Waldkindergarten (NAWAKI) in Bad Doberan. „Mit der richtigen Kleidung sind auch Kälte und Nässe kein großes Problem, vor allem, wenn es viele Bewegungsanreize gibt, dann kühlen die Kleinen nicht aus.“

Sie empfiehlt deshalb, zwischendurch Bewegungsspiele anzuleiten, besonders solche, die nur draußen machbar sind. „Was man drinnen nicht haben will, was laut ist und Dreck macht – das geht draußen. Was für eine tolle Chance!“ Unter offenen Partyzelten bleiben auch die Erwachsenen trocken, vielleicht wärmen vorbereitete Getränke und ein Feuer – und allzu lang muss die Feier ja auch nicht dauern. Neuber versichert: „Gerade die Feste in der Dunkelheit haben eine ganz besondere, behagliche Atmosphäre.“

Die NAWAKI-Kinder basteln zur Deko des Festplatzes aus selbst gesammelten Naturmaterialien wie Kastanien, Tannenzapfen und Federn Herbst mobiles, die sie in die Zweige hängen, auch werden Marmeladengläser beklebt und dienen in der Dunkelheit als Windlichter, die selbst gebastelten Sankt-Martin-Laternen werden noch mal hervorgeholt und spenden Licht. „Die Kinder haben bei der Vorbereitung so viel Spaß und sind wirklich stolz sagen zu können: Das haben alles wir gemacht!“ Es gibt viele Ideen, die ein Fest an der frischen Luft zu einem besonderen Erlebnis machen können und die schon Wochen im Voraus die Vorfreude darauf steigern. Dieses Wissen ist in vielen Kitas bereits vorhanden und muss nur gehoben werden.

Dort, wo es kein geeignetes Außengelände gibt, kann man die Kommune nach einem geeigneten Ort fragen – vielleicht gibt es in der Nähe einen Grill-, Spiel- oder Sportplatz, den die Kita für ein Fest nutzen darf. „Die Eltern sollten frühzeitig mit in die Planung eingebunden werden“, meint Frederike Neuber. Mit etwas Glück dürfen sie hoffentlich auch in diesem Jahr mitfeiern.

 

Hinweise zum Versicherungsschutz bei Festen:

www.unfallkasse-berlin.de, Webcode: ukb137

„Wo drückt der Schuh?“

Einer Kollegin macht der Lärm zu schaffen, eine andere klagt über Rückenschmerzen. Damit die Erzieherinnen und Erzieher langfristig gesund bleiben, sollten Belastungen in der Einrichtung genau unter die Lupe genommen werden. Das ist auch sinnvoll, wenn auf den ersten Blick alles prima ist. „Generell ist in Kitas die Belastung fürs Team teilweise sehr hoch“, sagt Sandra Dohm von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) in Hamburg. Deshalb gelte es herauszufinden: „Wo drückt der Schuh?“ In der einen Kita muss die Leitung noch in ihre Führungsrolle hineinwachsen, in einer anderen müssen die Erzieherinnen und Erzieher auf viel zu kleinen Kinderstühlen sitzen oder es fehlt an Rückzugsräumen für Pausen. Das Betriebliche Gesundheitsmanagement hilft dabei, Probleme zu erkennen und konkrete Maßnahmen abzuleiten.

„Ziel ist es, die Motivation im Job trotz steigender Anforderungen zu wahren“, betont Olivia Maloku von der Unfallkasse Nord. „Es gilt, zum Beispiel einen Burn-out zu vermeiden oder die Anzahl stressbedingter Ausfallstunden zu reduzieren.“ Das Betriebliche Gesundheitsmanagement bietet praktische Unterstützung, Schritt für Schritt.

 

KURZ GESAGT!

  • Kitapersonal gilt als besonders belastet
  • Betriebliches Gesund-heitsmanagement kann helfen
  • Maßnahmen müssen Verhalten der Fachkräfte sowie die Verhältnisse in der Kita berücksichtigen

 

Im Dialog Verbesserungen erarbeiten

Enorm hilfreich sind dabei die kommmitmensch-Dialoge. Mit dieser Arbeitshilfe können Einrichtungen selbst Belastungen aufdecken und ermitteln, wo sie in den sechs Handlungsfeldern Führung, Kommunikation, Beteiligung, Fehlerkultur, Sozialklima sowie Sicherheit und Gesundheit gerade stehen und wie sie sich weiterentwickeln können. Für jedes dieser Handlungsfelder gibt es mehrere Karten, die den Dialog über ein Thema anregen sollen. Die Kolleginnen und Kollegen kommen so in die Diskussion und identifizieren gemeinsam Bereiche, in denen es schon gut läuft oder es noch Verbesserungsbedarf gibt. So lässt sich systematisch schauen, welche Veränderungen in welchen Handlungsfeldern notwendig sind. Damit es nicht allein bei einer Sammlung guter Ideen bleibt, legt das Team gemeinsam fest, wer sich bis wann darum kümmert. Die Dialog-Boxen können über die Unfallkassen bezogen werden (s. u.).

Gefährdungsbeurteilung als erster Schritt

Ein anderes Angebot kommt von der BGW. Von ihr gibt es einen Fragebogen, mit dem systematisch eine Gefährdungsbeurteilung erstellt werden kann. Damit könne das Team weiterarbeiten, so Sandra Dohm von der BGW. Sinnvoll sei, dass es in jeder Kita eine Ansprechperson für den Gesundheitsschutz gebe. Die Berufsgenossenschaft bildet Erzieherinnen und Erzieher zu Moderatorinnen und Moderatoren aus, die Gesundheitszirkel in ihren Einrichtungen etablieren. Sie sollten regelmäßig den Blick darauf lenken, welche Belastungen dem Team zu schaffen machen – und wie Abhilfe möglich sei. Beispiel: Viele Erzieherinnen und Erzieher leiden unter Rückenschmerzen. Was tun? Die Kita könnte ergonomische Möbel anschaffen, so Sandra Dohm, eine Sportgruppe bilden oder Massagen anbieten. Dabei kommen auch die Kranken kassen ins Spiel. „Sie haben viele Angebote zur Gesundheitsförderung, teilweise kostenfrei.“

Wichtig sei, dass die Maßnahmen sowohl das Verhalten der Erzieherinnen und Erzieher als auch die Verhältnisse in der Kita in den Blick nähmen, betont Olivia Maloku. „Damit alle bis zur Rente gesund bleiben.“

 

WEITERE INFORMATIONEN

Die kommmitmensch-Dialoge können Sie
kostenlos anfordern unter:

www.kommmitmensch.de/die-kampagne/kommmitmensch-im-bereich-bildung/

Die Angebote der Krankenkassen sind recht vielfältig. Einen ersten Überblick können Sie sich unter diesen Webadressen verschaffen und dann direkt mit einer Kasse Kontakt aufnehmen:
https://kurzelinks.de/barmer
https://kurzelinks.de/tk
https://kurzelinks.de/aok
https://kurzelinks.de/bkk
www.fitvonkleinauf.de

Sicherheitsfragen im naturnahen Raum

Es soll auf dem Kitagelände ein Lagerfeuer geben. Was ist zu beachten?

Feuer ist gerade auch für Kinder faszinierend. Mit einem gewissen Sicherheitsabstand dürfen sie sich dem Feuer vorsichtig nähern, innerhalb eines „Bannkreises“ sind Spiele und Herumlaufen aber absolut nicht erlaubt. Eine erwachsene Person muss das Feuer immer im Blick haben. Die Feuerstelle ist eingegrenzt – etwa mit Steinen. Gut sind auch Feuerkörbe oder -schalen.

Zum Anzünden dürfen nur geeignete Materialien wie zum Beispiel Grillanzünder verwendet werden, Spiritus oder ähnliche Flüssigkeiten mit niedrigem Flammpunkt sind tabu. Es muss sichergestellt werden, dass alle, die sich dem Feuer mit der gebotenen Vorsicht nähern, geeignete Kleidung tragen. Dass die Feuerstelle weit genug vom Gebäude und brennbaren Dingen entfernt eingerichtet wird und Löschmittel bereitstehen, ist selbstverständlich.

Spricht etwas dagegen, draußen zu grillen?

Nein, aber auch hier gelten bestimmte Vorsichtsmaßnahmen: Gegrillt wird nur unter Aufsicht von Erwachsenen. Der Grill muss kipp- und standsicher aufgestellt sein und natürlich nicht dort, wo die Kinder herumlaufen und spielen. Nur geeignete Grillanzünder nehmen.

Draußen wird Strom gebraucht. Was gilt hier?

Am besten verzichtet man draußen auf Strom – heiße Getränke etwa können vorbereitet und in Thermos kannen abgefüllt werden, Lichterketten gibt es auch mit Batterien. Wenn es sich nicht vermeiden lässt: Es dürfen nur Verlängerungskabel und Mehrfachsteckdosen verwendet werden, die für den Außenbereich zugelassen sind und beispielsweise die Bezeichnung IP 44 tragen! Wichtig ist auch, nicht zu viele Geräte mit hohem Stromverbrauch an eine Steckdose anzuschließen. Die Kabel müssen so verlegt sein, dass sie keine Stolperstellen bilden.

Groß und Klein kommen in Bewegung

Herunterbücken, auf dem Boden sitzen, häufig in die Hocke gehen, Kinder heben und tragen. Kein Wunder, wenn viele Beschäftigte in Kitas über Rückenbeschwerden klagen. Dabei können sie mit geringem Aufwand gegensteuern. Das Präventionsprogramm „Rück(g)rat“ der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung in Schleswig-Holstein (LVGFSH) in Kooperation mit der Unfallkasse Nord und der Techniker Krankenkasse setzt genau da an.

Dorothea Wilken-Nöldeke ist eine der Verantwortlichen für das Projekt, bei dem das gesamte Team, Kinder und Eltern über eine Woche lang in Sachen Bewegung und Rückengesundheit geschult werden. Die Diplom-Physiotherapeutin, Rückenschul- und Yogalehrerin ist jedoch fest davon überzeugt, dass Kitas auch auf eigene Faust mehr für ein rückengerechteres Arbeiten und mehr Bewegung tun können. „Als Auftakt könnte das gesamte Team gemeinsam an einer eigens organisierten Rückenschule teilnehmen, beispielsweise im Rahmen der Betrieblichen Gesundheitsförderung“, empfiehlt sie.

Wichtig ist, dass konkret auf die Gegebenheiten vor Ort eingegangen wird. Deshalb gehört für sie unbedingt auch eine Begehung der Räumlichkeiten dazu. An kritischen Stellen, an denen es schwerfällt, rückenschonende Bewegungsabläufe einzuhalten, solle man sich kleine visuelle Erinnerungsanker – zum Beispiel auffällige Klebepunkte – setzen. Denn: Oft versickert das Gelernte im Alltag. Angesichts des Zeitmangels und der Personalnot erscheint das verständlich – Selbstvorsorge ist bei Beschäftigten in Kitas schließlich kein Selbstläufer. Der Appell der Expertin: „Nehmen Sie Ihre eigenen Bedürfnisse ernst!“

 

KURZ GESAGT!

  • Rückenbeschwerden ernst nehmen
  • Potenzial nutzen, gemeinsam mit den Kindern in Bewegung
    zu kommen
  • Erste Schritte: Fortbildung, Bestandsaufnahme, realistischer Maßnahmenplan

 

Bewegungsrituale im Kita-Alltag

Nach Ansicht von Dorothea Wilken-Nöldeke werde das Potenzial, gemeinsam mit Kindern in Bewegung zu kommen, unterschätzt. Die finden es großartig, wenn die Großen beim Toben, Tanzen oder Ballspielen mitmachen. „Dazu bedarf es gar keiner Anschaffungen oder eines Bewegungsraums. Waldtage anbieten, Ausflüge machen, generell viel rausgehen – das bringt alle in Bewegung, schont die Ohren und entzerrt die Gruppen.“ Auch rät die Physiotherapeutin dazu, viele Bewegungsrituale in den Alltag einzubauen. Denn schon die Kleinsten sind für Tänze im Morgenkreis, Bewegungslieder und -spiele zu begeistern. Wenn den Kindern viel Freispiel ermöglicht wird, kommt auch dies ihrem natürlichen Bewegungsdrang zugute. „Optimal ist es, drinnen und draußen bewegungsanregende Elemente zu haben: Bewegungsbaustellen, Roller, Bälle, Tücher“, zählt Dorothea Wilken-Nöldeke auf. In den Gruppenräumen könne das Mobiliar auf das Nötigste reduziert werden, um Platz zu schaffen. Sie plädiert für Erfindungsreichtum: „Je mehr taktile Reize und Möglichkeiten der Körperwahrnehmung wir den Kindern bieten, desto stärker beugt das späteren Haltungsschwächen vor.“

Eltern mit einbeziehen

Da die Eltern enormen Einfluss auf die Bewegung im Alltag ihrer Kinder haben, sollten sie unbedingt einbezogen werden. „Spätestens wenn die Sprache auf den Zusammenhang zwischen Bewegung und Lernen kommt, werden alle hellhörig“, sagt die Fachfrau. Ob Infoveranstaltung oder bunter Aktionstag: „Es soll darum gehen, zu zeigen, dass es nicht viel – und schon gar nicht viel Geld – braucht, um Groß und Klein in Bewegung zu bringen“.

Foto: privat

Dorothea Wilken-Nöldeke ist überzeugt, dass es im Kita-Alltag auch ohne großen Aufwand möglich ist, immer wieder Bewegung ins Spiel zu bringen.

 

AUF DEM WEG ZUR
RÜCKENFREUNDLICHEN KITA

  • Begehung der Räumlichkeiten – mit Fachkraft oder auch alleine mithilfe der Broschüre „Rückengerecht arbeiten in der Kita“ (www.bgw-online.de > Suche „BGW 07-00-130“)
  • Fortbildung Rückenschule – idealerweise im Team
  • Bestandsaufnahme: Wo sind wir bereits bewegt, wo geht noch mehr?
  • Maßnahmenplan erstellen, konkrete Aufgaben aufteilen
  • Realistische Meilensteine bestimmen
  • Verantwortlichkeiten klar regeln: Wer macht was und wer berichtet wann?
  • Netzwerke knüpfen: Wie haben andere Kitas das gelöst?
  • Kinder und Eltern und deren Ressourcen mit einbeziehen

 

 

DGUV Information 202-106
„Ergonomische Gestaltung von Arbeitsplätzen pädagogischer Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen“

www.dguv.de, Webcode: p202106

 

Gesunde Zähne sind auch Übungssache

Nach dem Essen die Zähne putzen – mindestens aber morgens und abends. Das gilt für Große und Kleine und ist keineswegs neu. Da in der Kita gegessen wird, sollte das Zähneputzen auch hier zum Alltag gehören. Die richtige Technik will dabei gelernt sein. Kitas können einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitserziehung leisten, indem die Zahnpflege in der Gruppe eingeübt wird. Jedes Bundesland hat eine Landesarbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege, auf der Ortsebene gibt es bundesweit annähernd 400 regionale Arbeitskreise, die in Kitas und Schulen flächendeckend zahnmedizinische Gruppenprophylaxe anbieten und die Einrichtungen darüber hinaus mit Infomaterial unterstützen.

Quelle: Barmer Zahnreport 2020

Aus verschiedenen Gründen tun sich manche Kitas mit dem gemeinschaftlichen Zähneputzen jedoch schwer – und nicht erst, seit wegen Corona auf besondere Hygiene und Abstände geachtet werden muss. Dabei ist Zähneputzen viel mehr als nur das Entfernen von Plaque! Es bilden sich beim gemeinsamen Zahnputzritual Gewohnheiten, die sich mit jedem Üben festigen. „Dabei geht es zunächst nicht um die richtige Technik, sondern um die Ritualbildung. Die Kinder etablieren langfristig dieses Verhalten“, erklärt Bettina Berg von der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege e. V. (DAJ). Für Kinder, die daheim ihre Zähne gar nicht oder nur sporadisch putzen, ist das besonders wichtig. Denn in der Kita reinigen sie dann wenigstens einmal am Tag mit fluoridierter Zahnpasta ihre Zähne. „So trägt das Zähne putzen in der Kita auch zu gesundheitlicher Chancengleichheit bei“, verdeutlicht die Expertin.

Sollten Einrichtungen das Zähneputzen derzeit auf Eis gelegt haben, ist es umso entscheidender, in verstärktem Maß die Eltern mit ins Boot zu holen. Nicht alle nehmen das Thema ernst. Die Kita kann und sollte deshalb zur richtigen Zahnhygieneinformieren, zum Beispiel mit Aushängen, Eltern briefen oder auch an einem Themenabend (ggf. per Videokonferenz). Eltern müssen wissen, dass ihr Nachwuchs erst etwa mit acht Jahren die Zähne alleine ausreichend sauber putzen kann. Davor sind die Eltern das „Plus“ der KAI-Plus-Methode: Kaufläche, Außenseite und Innenseite werden von Mama oder Papa noch einmal gründlich nachgeputzt. Welche Aspekte darüber hinaus für gesunde Kinderzähne wichtig sind, zeigt der Aushang (Download als PDF).

 

Zähneputzen in der Kita in Zeiten von COVID-19 ist wichtiger denn je. So gelingt es:
https://kurzelinks.de/zaehne-covid19

Viele hilfreiche Informationen zur kindlichen Zahngesundheit von der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege e. V.:
www.daj.de

Wohin mit den Bürsten und Bechern? Praxisnahe Tipps gibt es in der Broschüre „Meine Kita will Zähne putzen üben“:
https://kurzelinks.de/zahnputz-tipps

Informationen zur Elternarbeit unter Pandemiebedingungen:
https://kurzelinks.de/zahngesundheit-pandemie

Gutes Informationsmaterial für Kitas und Eltern gibt es im Internet unter dem Suchbegriff „Kita mit Biss“.

Pädagogik auf vier Pfoten

Emily, Eric, Lumaraa und die fünf anderen Kinder stehen erwartungsvoll im Garten der Kita Froschkönig in Halle (Saale). In ihrer Mitte liegt Sam, ein Golden Retriever. Es wird ruhig, alle wissen: Jetzt gehtʼs los. Constanze Stock, Kitaleiterin und Hundeführerin, legt Sam ein Halstuch um. „Was bedeutet das?“, fragt sie in die Runde. Alle wollen antworten, Isabella übernimmt: „Nur wenn Sam das Halstuch trägt, dürfen wir ihn streicheln!“ Ganz genau. Dies ist eine wichtige Regel, die hier alle kennen. Reihum darf jetzt jedes Kind Sam mit bestimmten Gesten und Kommandos zu sich rufen – unterstützt durch Constanze Stock. Komm! Sitz! Platz! Für Sam kein Problem. Obwohl der Rüde erst eineinhalb Jahre alt ist, meistert er jede Aufgabe und ist hoch konzentriert. Natürlich bekommt er von allen zur Belohnung ein Leckerli. Was so leicht aussieht, ist für den Hund Schwerstarbeit. „Er muss seine Aufmerksamkeit ständig auf ein anderes Kind ausrichten, gleichzeitig muss Sam darauf achten, was seine Chefin von ihm verlangt“, erklärt Hundetrainerin Bettina Krist, die heute eigens aus Leipzig gekommen ist, um zu sehen, wie gut ihr Zögling Sam das bereits kann. Sie ist hochzufrieden. Deshalb ist Sam auch immer häufiger im Einsatz.

 

KURZ GESAGT!

  • Tiergestützte Sprachförderung verbessert kommunikative Kompetenzen der Kinder
  • Mehrmals pro Woche „arbeiten“ Hunde und Kinder zusammen
  • Kitahunde müssen hervorragend ausgebildet sein und das geeignete Wesen haben

 

Sein Kumpel Balu ist seit nunmehr neun Jahren ein Kitahund mit Brief und Siegel. Zweimal in der Woche besucht er eine der fünf Kitagruppen. Dann beschäftigen sich die Kinder etwa eine Stunde lang mit ihm, schon am Vortag wird das in den Gruppen vorbereitet. Exklusive Zeit mit dem gutmütigen Tier genießt eine Gruppe von sechs Kindern. Manche haben Sprachauffälligkeiten, andere sind extrem schüchtern. Quasi nebenher stärken sie in der Balu-Runde ihre kommunikativen Kompetenzen. „Es ist fantastisch, wie gut sich die Kinder entwickeln“, freut sich Constanze Stock. Die Balu-Runde wird vom Team intensiv vor- und nachbereitet und auch dokumentiert. „Ein Hund in der Kita ist toll, aber kein Selbstzweck. Sam und Balu sind der Kern unserer pädagogischen Konzeption.“ Ein gutes Jahr hat sich Frau Stock mit ihrem Team Gedanken um ein Konzept gemacht, bevor Balu als acht Wochen alter Welpe das erste Mal mitkommen durfte und seine Ausbildung zum Therapiehund begann. Dass sich für diese Aufgabe nicht jedes Tier eignet, davon sind sowohl Bettina Krist als auch die Kitaleiterin überzeugt. „Es gibt leider keine deutschlandweit einheitliche Regelung dazu. Nur weil ein Hund ‚lieb‘ ist, heißt das nicht, dass er dem Stress in einer Kita gewachsen ist.“ Er müsse vielmehr über einen längeren Zeitraum gezielt ausgebildet werden. „Wir tragen eine hohe Verantwortung, da sollte das selbstverständlich sein.“ Deshalb gehört für die Kitaleiterin auch eine jährliche Wesensprüfung ihrer Hunde mit dazu, um sicherzustellen, dass sie den Anforderungen in so einem wuseligen Umfeld noch immer gewachsen sind.

Constanze Stock: „Nicht jeder ‚liebe‘ Hund kann in einer Kita einge­setzt werden.“

Die Hundestunde im Garten nähert sich dem Ende. Da hat Constanze Stock noch eine Idee: „Macht mal einen Tunnel.“ Die Kinder stellen sich breitbeinig hintereinander auf. Und dann kriecht der große Sam langsam durch den leicht schwankenden Beinetunnel, holt sich unterwegs bei Emily und Eric, Samia und Lumaraa, bei Gabriel und Isabella ein Leckerli ab. „Das kitzelt!“, kichern die Kinder. Dann nimmt die kleine Jasemin Sam das Halstuch ab. Jetzt hat er Feierabend und gemeinsam mit Balu tollt er im Nu über die Wiese. Nach und nach gehen auch die Kinder zum Spielen davon. Sam und Balu sind ja bald wieder da.

 

CHECKLISTE KITAHUND

  • Länderspezifische Regelungen für (Therapie-)hunde in Kindertageseinrichtungen beachten
  • Schriftliche Genehmigung des Trägers einholen
  • Konzept entwickeln und gute Ausbildungsstätte suchen, bevor der Hund da ist. Kosten bedenken!
  • Hundehaftpflichtversicherung für Therapiehunde abschließen
  • Einverständniserklärung der Eltern einholen, dass es keine bekannte Allergie gibt und die Kinder den Hund streicheln dürfen
  • Hygieneplan erstellen: welche Räume das Tier nicht betreten darf, Reinigung etc.
  • Nachweis über Impfungen und Entwurmung
  • Jährlicher tierärztlicher Check-up, besonders bei älteren Tieren (gesund und schmerzfrei?)
  • Jährliche Wesensprüfung
  • Klare Regeln aufstellen: dem Hund nicht weh tun; nichts nach ihm werfen; leise sprechen; an seinem Rückzugsort nicht stören; nur anfassen, wenn er „im Einsatz“ ist (z. B. sein Halstuch trägt)

Weitere wichtige Hinweise stehen unter dem Punkt II-3.1 „Umgang mit Tieren“ der RiSU unter:
www.kmk.org > Suche: „Risu Tiere“

 

 

Konzept der tiergestützten Sprachförderung in der Kita Froschkönig zum Nachlesen (PDF):

https://kurzelinks.de/Balu

Ab in den Wald!

Frage: Dürfen wir einfach so in den Wald gehen oder brauchen wir vom Forstamt o. Ä. eine Genehmigung?

Antwort: Das ist abhängig von den rechtlichen Voraussetzungen im jeweiligen Bundesland, in dem sich die Waldgruppe befindet. Wenn ein Grundstück immer wieder betreten und für den Aufenthalt genutzt wird, empfiehlt es sich trotz möglicherweise großzügiger Befugnisse, mit dem Eigentümer, der Eigentümerin oder der verwaltenden Behörde (z. B. Forstamt) eine Nutzungsvereinbarung zu schließen.

Frage: An was muss man denken, wenn man eine Waldgruppe ins Leben rufen will? Benötigt man etwa eine spezielle Ausbildung?

Antwort: Alles, was in einer gebäudebezogenen Betreuungsform obligatorisch ist, wie eine einschlägige Ausbildung in Erster Hilfe in Bildungseinrichtungen, ist auch in einer Waldgruppe erforderlich. Hinzu kommt, dass mindestens eine Betreuungsperson im weitesten Sinne naturkundig ist. Der Sicherheitszustand von Baumbeständen und das Vorkommen von möglicherweise sehr giftigen Pflanzen und Pilzen müssen zumindest grob beurteilt werden können. Darüber hinaus ist eine Fortbildung in Naturpädagogik sinnvoll, wenngleich nicht verpflichtend. Es gibt allerdings teilweise auch länderspezifische Anforderungen, die man bei der Gründung einer Waldkita unbedingt beachten muss. Genauso braucht es eine Betriebserlaubnis nach § 43 bzw. § 45 SGB VIII.

Frage: Das Gelände ist unübersichtlich, wie ist eine Aufsicht zu gewährleisten?

Antwort: Dem regelmäßigen Aufenthaltsgebiet der Waldgruppe kommt eine besondere Bedeutung zu. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes mit Weitblick auszuwählen. Das Gelände muss so beschaffen sein, dass für Kinder gefährliche Elemente wie stark befahrene Straßen, Schienen, Gewässer, steile Abhänge und Felsklippen oder auch forstwirtschaftliche Einrichtungen (z. B. Hochsitze und Holzpolter) entweder nicht vorhanden oder weit genug entfernt sind. Da es keine Einfriedung gibt, sind die Betreuungspersonen ganz besonders darauf angewiesen, zu jedem Zeitpunkt eine einwandfreie Übersicht über die Kinder zu haben. Sofern sich ein Kind zu weit von der Gruppe entfernen sollte, müssen die Betreuungspersonen das Gelände weit überblicken können – so weit, dass das Fehlen rechtzeitig bemerkt wird, bevor das Kind sich möglicherweise in eine gefährliche Situation begeben kann.

Frage: Was tun, wenn sich im Wald ein Kind verletzt?

Antwort: Bei kleineren Verletzungen können die Betreuungspersonen mit dem vorhandenen Erste-Hilfe-Material und ihrem Wissen schnell ein Kind versorgen. Bei größeren Verletzungen ist es wichtig, dass Rettungskräfte zum einen schnell verständigt werden und zum anderen schnell und problemlos zum Unfallort vordringen können. Das Gelände ist also auch hinsichtlich der Mobilfunknetzabdeckung und einer geeigneten Zufahrt für Rettungskräfte auszuwählen.

Die Fragen beantwortete Adrian Rauschenbach, Aufsichtsperson der Kommunalen Unfallversicherung Bayern.

 

Ein richtiger Kinder­-Garten

Bis unser Außengelände für alle Kinder in der Einrichtung von einer Sandwüste zu einer Oase wurde, war es ein langer Weg. Nun macht unser Garten allen – groß oder klein, mit oder ohne Handicap – Lust auf Bewegung, Abenteuer und Naturerfahrung. Der Naturspielraum bietet den Kindern zahlreiche Lernmöglichkeiten und Sinneserfahrungen, ganz gleich ob in der Seil- und Kletterlandschaft um eine riesige Eiche, auf dem Spielhügel mit Brücke und Wasserspielanlage oder auch unter der schattigen Kiwi-Pergola mit Hochbeeten. Inklusion ist dabei eine absolute Selbstverständlichkeit. Das Team und die Eltern waren und sind an den Gartenbau- und Pflegearbeiten nachhaltig beteiligt. So ist es wortwörtlich ein Kinder-Garten geworden.

Coronavirus: Auf dem Laufenden bleiben

Kitas und die Kindertagespflege sind durch die verschiedenen Übergänge von der Notbetreuung über den eingeschränkten Regelbetrieb bis hin zum Regelbetrieb besonders betroffen und müssen sich über die aktuellen Regelungen informieren. Gar nicht so leicht, denn die sind in jedem Bundesland unterschiedlich und ändern sich. Die gesetzliche Unfallversicherung hat deshalb ein DGUV- Informationsportal zu Corona erstellt. Hier sind zum einen länderspezifische Informationen der einzelnen Unfallkassen, Berufsgenossenschaften und Bundesländer aufgeführt. Zum anderen findet sich hier der sogenannte „SARS-CoV-2 Schutzstandard Kindertagesbetreuung“. Dieser beschreibt Schutz- und Hygienemaßnahmen, mit denen das Ziel verfolgt wird, die Gesundheit aller in der Kita und Kindertagespflege zu sichern und die Bevölkerung durch Unterbrechung der Infektionsketten zu schützen. Daher ist in der gesamten Zeit der Pandemie das Maßnahmenpaket des Schutzstandards nicht nur im Notbetrieb, sondern auch im Regelbetrieb von entscheidender Bedeutung. Eine zentrale Maßnahme ist die Bildung von festen Gruppen, denn Abstandsregelungen und das Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen lassen sich in der Betreuung von Kindern nicht gut umsetzen.

Alle wichtigen Schutz- und Hygienemaßnahmen – von der Abstandsregelung und Gruppengestaltung, über die Arbeitsplatzgestaltung bis hin zu weiteren organisatorischen und personenbezogenen Maßnahmen in der Kita und Kindertagespflege – können Sie im Corona-Informationsportal nachlesen.

www.dguv.de/corona-bildung/kitas
www.dguv.de

Für Kinder verständlich

Das Virus betrifft nicht nur Erwachsene, auch für Kinder hat sich der Alltag grundlegend verändert. Sie durften lange Zeit nicht in die Kita gehen, und nun gelten dort neue Regeln. Sie sollen sich weiterhin nur mit wenigen Kindern zum Spielen treffen, alle tragen beim Einkaufen Masken und Mama und Papa sind noch immer viel öfter zu Hause – Situationen, die für sie manchmal schwer zu verstehen sind und sie verunsichern können. Um Kindern das Virus und die Folgen verständlich zu machen, finden Sie hier  Medien, die speziell auf Kinder zugeschnitten sind.

Allgemeine Informationen

Corona aktuell
Aktuelle Informationen zur Corona-Pandemie gibt es immer beim Robert-Koch-Institut
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/nCoV.html

Corona-Regelungen in den Bundesländern
Eine Übersicht der Bundesregierung zu den aktuellen Informationen in Ihrer Region:
https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/corona-bundeslaender-1745198

DGUV-Maßnahmenkonzept
Die Deutsche gesetzliche Unfallversicherung DGUV hat für die Kindertagesbetreuung ein Maßnahmenkonzept sowie einen SARS_CoV-2-Schutzstandard veröffentlicht.
https://www.dguv.de/corona-bildung/kitas/massnahmenkonzept/index.jsp
https://www.dguv.de/corona-bildung/kitas/index.jsp

Länderspezifische Informationen der UnfallversicherungsträgerWelche Regelungen und Empfehlungen in Ihrem Bundesland gelten, können Sie auf der jeweiligen Webseite erfahren – hier ist eine Übersicht, die Sie direkt zu den relevanten Seiten des gewünschten Unfallversicherungsträgers in Ihrer Region führt.
https://www.dguv.de/corona-bildung/kitas/laender-infos/index.jsp

Für die tägliche Arbeit

Aushänge und Informationsmaterial
Auf der Internetseite der BZgA gibt es Infomaterial zum Infektionsschutz,  das sich gut zum Verteilen oder Aufhängen eignet – auch speziell für Kindertageseinrichtungen.
https://www.infektionsschutz.de/mediathek/printmaterialien.html

Bildung, Erziehung und Betreuung in Zeiten von Corona – Eine Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung
Nutzwertige und praxisnahe Broschüre des Staatsinstituts für Frühpädagogik zu den Herausforderungen, denen sich Kitas in Zeiten von Corona – und besonders bei der behutsamen Wiederöffnung – ausgesetzt sehen.
https://www.ifp.bayern.de/imperia/md/content/stmas/ifp/ifp-handreichung_bildung_erziehung_betreuung_corona_19052020.pdf

Corona-Zeiten: Wo gibt es Hilfen für Eltern?
Viele Anlaufstellen für Eltern sind nur eingeschränkt für den Publikumsverkehr geöffnet. Wenn Kitas merken, dass Familien Unterstützung brauchen, kann diese Webseite hilfreich sein. Sie listet Anlauf- und Beratungsstellen bundesweit auf, die auch online oder telefonisch weiterhelfen.
https://www.elternsein.info/beratung-anonym/anonym-kostenlos/corona-zeiten-beratung-jetzt-fuer-eltern/

Corona Hinweis für Erzieherinnen nd Erzieher von Unicef
Indem wir möglichst genaue und wissenschaftlich fundierte Informationen mit Kindern besprechen, können wir ihre Ängste und Sorgen in Bezug auf COVID-19 verringern und sie dabei unterstützen, mit den Folgen für ihr eigenes Leben umzugehen.
https://www.unicef.de/informieren/materialien/corona-hinweis-fuer-erzieher-innen-kindergarten/214758

Hygienetipps für Kids
Eine Initiative des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Universität Bonn mit vielen Hinweisen und Anregungen für den Kita-Alltag – in Bezug auf Hygienemaßnahmen.
https://hygiene-tipps-fuer-kids.de/

Für Kinder

Coronavirus – Ein Buch für Kinder
Wer den Grüffelo kennt, der kennt auch Axel Scheffler – seinen „Erfinder“. Von ihm illustriert ist ein gutes Buch über Corona erschienen, das fachlich fundiert aber sehr kindgerecht die wichtigsten Fakten erklärt. Es ist kostenlos als PDF-Download auf der Seite des Beltz&Gelberg Verlag (Anmeldung erforderlich) erhältlich.
https://www.beltz.de/kinder_jugendbuch/produkte/produkt_produktdetails/44094-coronavirus.html

Corona und der Elefantenabstand
Ein Pixi-Buch zum Thema, das viele Fragen von Kindern ab etwa drei Jahren beantwortet. Es ist im Buchhandel erhältlich oder kostenlos als PDF oder E-Book beim Carlsen-Verlag:
https://cloud.mc.carlsen.de/pixibuch-corona-und-der-elefantenabstand

Du bist mein Held – Was Kinder gegen Covid-19 tun können
Herausgegeben von den Vereinten Nationen. Sara und ihre Freunde reisen mit Sicherheitsabstand auf einem drachenähnlichen Tier um die Welt, um von Covid-19 betroffene Kinder zu besuchen. Man kann die Geschichte kostenfrei bei der UN herunterladen. Für etwas ältere Kinder gut zum Vorlesen geeignet, da recht viel Text.
https://interagencystandingcommittee.org/system/files/2020-04/My%20Hero%20is%20You%2C%20Storybook%20for%20Children%20on%20COVID-19%20%28German%29.pdf

Sendung mit der Maus
Für etwas ältere Kinder recht witzig gemacht, erklärt Ralpph Caspers von „Die Sendung mit der Maus“, wie Händewaschen geht  – und warum das so wichtig ist.
https://www.wdrmaus.de/extras/mausthemen/corona/index.php5

Film und Lied zum Hände waschen
Kinder zum Händewaschen zu motivieren ist oft eine Herausforderung, vor allem, wenn die Kinder nicht verstehen, warum dies notwendig ist. Der Film der BZgA „Agent Blitz Blank: Bösen VIBAs auf der Spur“ und der Händewaschsong „Hände nass“ helfen dabei.
https://www.infektionsschutz.de/mediathek/filme/filme-fuer-kinder/

Flimmo: Wissen für Kinder rund um Corona
Eine Auswahl an kindgerechtem Wissen rund um das Coronavirus in Form von Videos, Podcasts, Schaubildern und Texten von Flimmo, einem Projekt des Vereins Programmberatung für Eltern e.V.
https://www.flimmo.de/uebers-fernsehen-hinaus/redaktioneller-inhalt/wissen-fuer-kinder-rund-um-corona/controller/show/Content/

Corona Kindern erklären
Die Stiftung lesen hat weitere gute Informationsangebote in einfacher Sprache zusammengetragen.
https://www.stiftunglesen.de/aktionen/vorlesen-corona/corona-erklaeren/

 

Einander nah trotz Corona

Pflanztöpfchen zum Abholen, Bastelideen im Briefkasten, Singkreis per Videochat und ein kurzes Hallo vor der Haustür: Kitas haben sich viel einfallen lassen, um während der Corona-Pandemie mit den Familien in Kontakt zu bleiben. „Wir legen grundsätzlich großen Wert auf ein sehr gutes Verhältnis“, betont die Leiterin des Katholischen Kinderhauses St. Michael in Ingelheim, Verena Luzius. „Es wäre super schade gewesen, wenn der Kontakt jetzt abgebrochen wäre.“ Jede Woche schrieb ihr Team den Familien eine Nachricht, die Botschaft: „Wir vermissen euch!“ Und sie bereiteten für die insgesamt 90 Kinder stets ein Bastelangebot vor. Die Mädchen und Jungen konnten sich jede Woche im Kindergarten ein Päckchen abholen, darin eine Anleitung samt Glitzersteinen und Buntpapier.

 

KURZ GESAGT!

  • Kontakt während der Schließzeit erleichtert das Wiederankommen
  • Viele kreative Ideen: Basteleien und Videobotschaften
  • Ganze Familie sehen: Kitas konnten aus der Ferne unterstützen

 

Spaziergang zur Kita als kleines Ritual

An Ostern wartete auf jedes Kind ein Körbchen mit einem Gruß vom Osterhasen, plus Rezept für einen Möhrenkuchen. Ein andermal lagen Holzblumen und Vogelhäuser zum Anmalen bereit. „Uns war wichtig, dass die Kinder den Weg zum Kindergarten immer mal gehen“, sagt die Leiterin. Zum einen hatten die Familien stets einen schönen Grund, um einen Spaziergang zu machen. Zum anderen konnten die Erzieherinnen und Erzieher so den direkten Kontakt zu den Kindern halten. Am Zaun wechselten sie ein paar Worte oder winkten durchs Fenster. „Das hilft den Kindern sehr, wenn sie zurückkommen“, sagt Verena Luzius. „Wir merken, dass sie kaum Startschwierigkeiten haben.“

Die Kinder aus dem Kinderhaus Schwalbacher Straße des Kinderschutzbunds in Wiesbaden bekamen ebenfalls jede Woche Post. Darin steckten kleine Geschichten und Ausmalbilder vom Entenküken oder dem kleinen Bären, die aus dem Kita-Alltag gut bekannt sind. „Gerade in so einer unsicheren Situation sollen die Kinder etwas Vertrautes haben“, erklärt Erzieherin Miriam Gräff. Außerdem schnürte das Team fleißig Päckchen und lieferte sie persönlich zu Hause ab. Natürlich mit Abstand. Die Erzieherinnen und Erzieher bastelten für alle 72 Kinder zum Beispiel winzige Bärchen aus Filz und kleine Möwen aus Papier. Oder brachten Bücher aus der Kita-Bibliothek vorbei. „So gab es regelmäßig ein kleines Wiedersehen.“ Die Familien freuten sich riesig. „Das war sehr schön“, sagt die Sozialpädagogin, „beidseitig schön.“

Jede Menge Spaß per Videokonferenz

Außerdem überlegte das Team, wie online Treffen möglich sein könnten. So entstand die Idee, das Sprachangebot „Lilo Lausch“ per Videokonferenz anzubieten. Im Schnitt dreimal pro Woche fand das Sprachangebot daraufhin in einem virtuellen Raum statt, mit einer Erzieherin – und Elefantendame Lilo. „Die Kinder finden es toll, die Handpuppe wiederzusehen“, berichtet Miriam Gräff. Eine Erzieherin brachte zum Beispiel eine Geschichte, ein japanisches Erzähltheater, ein Instrument oder einen Tanz mit. Die Kinder hüpften und klatschten dazu im Wohnzimmer. „Das macht unglaublich viel Spaß.“ Sowohl den Familien als auch den Erzieherinnen und Erziehern.

Auch die Kita Lernwerft in Kiel pflegte in der Corona-Krise intensiv den Kontakt zu den Familien. „Uns war ganz wichtig, dass das Band nicht abreißt“, sagt Kita-Leiterin Sabine Neve. So bereitete ihr Team zu Ostern kleine Töpfchen mit Saatgut für alle Kinder vor. Und die Erzieherinnen erstellten für jedes Geburtstagskind ein ganz persönliches Buch mit Glückwünschen der anderen Kinder und Fotos. Vor allem lag der Leiterin jedoch die persönliche Beziehung zu den Eltern am Herzen. „In dieser außergewöhnlichen Situation war die Verunsicherung groß.“ Jede Woche schrieb sie den Eltern einen Brief, informierte sie – und sprach ihnen Mut zu.

Außerdem rief Sabine Neve bei Familien an, fragte, wie es ihnen geht. Vor allem jene, die in prekären Verhältnissen leben oder alleinerziehend sind. Und bekam so schnell mit, wenn Eltern überfordert waren. In Absprache mit dem Jugendamt sorgte sie dafür, dass die Kinder ruckzuck einen Notbetreuungsplatz erhielten.

Wir denken an Euch| Leinwand mit Regenbogen an einer KiTa Einrichtung

Viele Familien waren am Limit

Eine Studie des Lehrstuhls für Elementar- und Familienpädagogik der Universität in Bamberg zeigt auf, wie sehr die Schließung der Kitas den Familien zu schaffen machte. In einer Befragung gibt weit mehr als die Hälfte der Eltern (66 Prozent) an, oft am Ende ihrer Kräfte zu sein. Fast drei Viertel (73 Prozent) fühlen sich häufig gestresst. Umso dankbarer sind sie, wenn die Kitas sie in dieser schwierigen Zeit unterstützen. Egal ob in Ingelheim, Wiesbaden oder Kiel: Alle berichten, dass die Familien viele Briefe und Fotos schickten. Im Kinderhaus St. Michael hat das Team alle an die Wänd gehängt. Darauf zu sehen sind Kinder, wie sie Möhrenkuchen backen oder Holzblumen anpinseln. „Wir bekommen ganz viele positive Rückmeldungen“, so Verena Luzius. „Das ist total schön!“

 

Foto: privat

Erzieherin Miriam Gräff aus Wiesbaden:

„Wir haben uns sofort viele Gedanken gemacht, wie wir den Kontakt zu den Familien gestalten können. Uns war bewusst, wie schwierig diese Zeit für sie ist. Deshalb waren wir gefordert – und haben zum Beispiel dafür gesorgt, dass es für die Kinder regelmäßig kurze Wiedersehen gibt, persönlich an der Haustür oder online im Videochat. Wir haben aber auch überlegt, was in dieser Zeit trotzdem glücklich macht: großes Glück, kleines Glück. So sind wir auf die Idee gekommen, schöne Erinnerungen zu sammeln. Die Familien haben uns Fotos geschickt, von Ausflügen in die Natur oder beim Pfannkuchenessen. Ganz entzückend. Daraus haben wir einen Film geschnitten. Das Ergebnis ist auf der Homepage des Deutschen Kinderschutzbunds Wiesbaden zu sehen: www.kinderschutzbund-wi.de und auf YouTube mit dem Titel ‚Glücksmomente – Hoffnungsbilder trotz Corona‘.“

 

Foto: privat

Kita-Leiterin Sabine Neve aus Kiel:

„Wir haben in der Kita schon allerlei erlebt, aber so eine Situation gab es noch nie: Der gesamte Kita-Alltag wurde komplett ausgehebelt. Am Anfang wussten wir gar nicht, wie wir damit umgehen können. Aber die Erzieherinnen sind super kreativ geworden. So erstellte unsere FSJlerin mit den Vorschulkindern zum Beispiel ein Corona-Bilderbuch. Die Kinder malten Bilder, was sie am meisten vermissen und womit sie sich beschäftigen – und konnten so ihre Erlebnisse verarbeiten. Oder Erzieherinnen brachten ihnen Webrahmen zu Hause vorbei, damit sie ihre Taschen fertigstellen konnten. Es war toll, wie viele Ideen zusammenkamen. Ich habe mein Team oft gelobt. Wir haben von den Eltern auch viel Wertschätzung erfahren. Sie haben Briefe geschrieben und Fotos geschickt. Das war schön. Und für uns auch eine Motivation: Es ist nicht egal, ob man etwas macht oder nicht.“

 

Foto: privat

Jeanette Wolff, pädagogische Fachkraft in einer U3-Gruppe einer Bremer Kita:

„Direkt am ersten Tag der Kita-Schließung hatte ich die Idee, den Kindern kleine Filme als Botschaft zu schicken. So entstanden nach und nach 70 Videoclips mit Morgenkreis, Fingerspielen und Liedern für ‚meine‘ Kinder (kurzelinks.de/jwolff). Videos zu produzieren ist erstaunlich zeitintensiv und aufwendiger, als ich zuerst dachte: Ideen entwickeln, Drehen, Schneiden – und dabei immer den Datenschutz beachten. Aber ich habe so viel positives Feedback bekommen, auch von der Leitung und dem Vorstand, das hat mich sehr motiviert. Besonders habe ich mich aber über die Reaktionen der Familien gefreut: Manche haben uns eigene Aufnahmen zurückgeschickt, die die Kinder beim Ansehen der Morgenkreis-Filme und beim Interagieren zeigen. Da ist mir richtig warm ums Herz geworden.“

 

Foto: privat

Janina Merz, ihre Tochter geht in den Advent-Kindergarten in der Heimstättensiedlung in Darmstadt:

„Jeden Tag schickten die Erzieherinnen uns Videos. Zum Beispiel vom Morgenkreis. Meine Tochter macht gerne mit – und freut sich immer riesig, ihre Erzieherin zu sehen. Einmal haben sie sich bei einer Fahrradtour gefilmt und uns Tipps gegeben, wo wir hinfahren können. Jeden Tag legen sie auch Bastelsachen vor den Kindergarten, damit die Kinder sie abholen können. Und drehen dazu Videos mit Bastelanleitung. Am tollsten fand meine Tochter die Schatzsuche: Jedes Kind erhielt eine Schatzkarte und konnte auf Schnitzeljagd durch die Heimstättensiedlung gehen. Zum Schluss wartete im Kindergarten auf jeden ein Schatz. Ob die Kinder so etwas noch einmal machen wollen? Jaaaaaaaa, hat meine Tochter laut gerufen. Wir sind richtig dankbar, dass sich die Erzieherinnen so viel einfallen lassen. Dafür haben wir ihnen auch kleine Geschenke gebracht, selbst gekochte Marmelade zum Beispiel. Sie haben sich so toll um alles gekümmert in dieser Zeit.“

 

Foto: privat

Carlota Morales lebt mit ihrer Familie in Hamburg:

„Unsere Kita hat wöchentlich eine E-Mail mit Infos zu organisatorischen Fragen geschickt. Zu Ostern bekam Nila Post mit einem Bastelvorschlag und dem Angebot, in der Kita anrufen zu können. Das wollte sie aber nicht, und mein Sohn Noyan ist noch zu klein und gerade erst eingewöhnt gewesen, als die Kita schließen musste. Vor einigen Tagen erhielten wir ein Tütchen mit Blumensamen. Das Säen hat den Kindern Spaß gemacht und sie sind gespannt, wann endlich etwas wächst. Die Kita möchte später eine Art Ausstellung mit Fotos der Blumen machen. Schön, wenn noch mehr solcher Anregungen gekommen wären.“

Familie auf Zeit

Hilfe beim Sommerfest, Spendensammeln für ein neues Außengelände, Mitentscheiden bei wichtigen Fragen der Konzeption: Eltern können sich in Kitas vielseitig einbringen. „Partizipation der Eltern ist für Kitas eine Bereicherung. Denn sie sind die Experten für ihr eigenes Kind, während Pädagoginnen und Pädagogen vor allem Fachwissen haben“, sagt Claudia Pagler, Leiterin des katholischen Kinderhauses Dreifaltigkeit in Simbach am Inn und Fachberaterin für katholische Kindertageseinrichtungen der Diözese Passau.

 

KURZ GESAGT!

  • Partizipation der Eltern ist für Kitas eine Bereicherung
  • Wie eine gute Erziehungspartnerschaft im Kinderhaus Dreifaltigkeit funktioniert
  • Regelmäßige Umfragen zu den Wünschen der Eltern helfen

 

Im Kinderhaus Dreifaltigkeit beginnt Partizipation schon früh. „Das geht Hand in Hand mit guter Kommunikation. Und die sollte bereits vor der Aufnahme eines Kindes stattfinden“, sagt die Expertin. So baut sich Vertrauen auf und der Weg zu einer guten Bildungs- und Erziehungspartnerschaft wird geebnet.

Während einige Eltern sich mit Herzblut einbringen, gibt es auch Mütter und Väter die sich nicht beteiligen wollen oder können. „Partizipation ist deshalb auch ein stetiger Entwicklungsprozess.“ Im Kinderhaus Dreifaltigkeit wird das ganz einfach gelöst: Es gibt regelmäßig Umfragen zu den Bedürfnissen und Wünschen der Eltern. Dabei hat das Kinderhaus festgestellt, dass klassische Elternabende mit informativen Vorträgen, wie es viele Jahre üblich war, dem Ganzen nicht mehr gerecht werden. „Die Eltern wünschen sich mehr gemeinsame Aktivitäten, wie beispielsweise bei Festen. Aber auch Gesprächskreise oder ein Café von Eltern für Eltern werden sehr gut angenommen“, sagt die Leiterin. Das kann in jeder Einrichtung unterschiedlich sein: „Beachtet werden muss, was die Eltern brauchen.“

Die Einrichtung stützt sich ganz bewusst auf die Stärken der Eltern. „Ein Vater ist beispielsweise Pizzabäcker und hat mit den Kindern schon zusammen Pizza gebacken“, berichtet Claudia Pagler. „Wenn alle ihre Ressourcen mit einbringen, profitiert jeder davon.“

Enge Zusammenarbeit

Damit das gelingen kann, muss die Grundhaltung aller Beteiligten stimmen. Wertschätzung, Akzeptanz und Toleranz sind unumgänglich. In Bayern ist das Ganze im Bayerischen Bildungs-und Erziehungsplan festgelegt. „Die gesetzliche Vorgabe schafft dabei eine verbindliche Arbeitsgrundlage und gemeinsame Aufgabe für Kitas und Eltern“, erklärt die Expertin.

In Gesprächen oder Umfragen kann die Kita die Wünsche der Eltern feststellen.

Die Aufgabe ist klar: eine Kooperation zum Wohle des Kindes eingehen. „Unser Ziel ist es, mit den Eltern und ihren Kindern eine Familie auf Zeit zu sein, sie zu einem Teil der Einrichtung zu machen“, sagt Claudia Pagler. Das hat auch ganz praktische Vorteile. Beispielsweise wenn es Probleme gibt, die besprochen werden müssen. „Schwierige Themen lassen sich dann leichter besprechen und Lösungen finden“, sagt die Fachberaterin.

Die enge Zusammenarbeit kann für die pädagogische Arbeit eine Entlastung sein, beispielsweise während Projekten. Aber auch im Kita-Alltag legt das Team Wert auf die Wünsche der Eltern. Diese werden dann vom Elternbeirat vertreten. „Erst kürzlich gab es den Wunsch, eine neue Gruppe zu eröffnen, die mehr Zeit draußen auf unserem Naturspielplatz verbringt“, berichtet Claudia Pagler. Daraus entstand die Gartengruppe, die die Eltern mit Begeisterung annahmen.

Im Kinderhaus Dreifaltigkeit ist die Atmosphäre durch die Partizipation der Eltern positiv geprägt. „Wir versuchen, auf alle individuell einzugehen und die vorhandenen Stärken zu nutzen. Dadurch entsteht ein Geben und Nehmen.“

Wandel mit Wertschätzung

Ich habe gelernt, dass ich langsam an Veränderungen herangehen und damit allen im Team genug Zeit geben muss, sich an Neues zu gewöhnen“, sagt Bianca Pott rückblickend. Die erfahrenen Kolleginnen brauchen mitunter etwas länger, um neue Ideen umzusetzen, weil sie lange Zeit in alten Mustern gearbeitet haben. „Wenn über viele Jahre keine große Veränderung stattgefunden hat, ist das ein Prozess“, sagt sie. „Wir sind in kleinen Schritten zum Ziel gegangen.“

 

KURZ GESAGT!

  • Veränderungen sind ein Prozess und brauchen Zeit
  • Wertschätzendes Miteinander und offene Kommunikation schaffen Verständnis
  • Die unterschiedlichen Stärken und Erfahrungen der Beschäftigten sind eine Bereicherung

 

Das hat von Beginn an gut geklappt und liegt auch an einer besonderen Erfahrung, die die junge Pädagogin gemacht hat: „Bevor ich Leiterin der Kindertageseinrichtung geworden bin, habe ich als Gruppenleiterin in der Einrichtung gearbeitet, die ich selbst als Kind besucht habe.“ Dort hat sie mit ihren ehemaligen Erzieherinnen aus der Kindheit zusammengearbeitet – und bekam von ihnen viel Respekt und Wertschätzung. „Dafür bin ich sehr dankbar.“ Dieser respektvolle Umgang hat sie geprägt und ist jetzt der Grundpfeiler der gemeinsamen Arbeit in der Kita St. Achatius.

Dort war vieles im Umbruch: Raumkonzepte wurden überdacht, Personalzusammensetzungen verändert und Zusatzqualifikationen angeboten. Zudem wurden die pädagogischen Angebote umstrukturiert: von geplanten, vorgegebenen zu situationsorientierten, individuellen Angeboten. Mittlerweile arbeiten alle pädagogischen Fachkräfte situationsorientierter und die Kinder sind partizipativ eingebunden. „Heute ist Partizipation der Kinder sehr wichtig“, sagt Bianca Pott.

Veränderungen brauchen Zeit

Für diese gewaltige Umstellung war Wertschätzung nötig: Die 28-Jährige begleitet Veränderungen mit intensiven Mitarbeitergesprächen in einer guten Feedbackkultur. Manchmal sei eben mehr Unterstützung nötig. „Ältere Mitarbeiterinnen bauen eine Art Schutzschicht auf und erklären mir, warum sie bei manchen Veränderungen und Umstrukturierungen länger brauchen und mehr Hilfe benötigen“, berichtet sie. Oft seien diese Einwände berechtigt. Dann finden sie gemeinsam einen Weg.

Wenn ältere Beschäftigte ernst genommen werden, lassen sie jüngere Kolleginnen und Kollegen an ihrer Lebenserfahrung teilhaben. Einige der erfahrenen Erzieherinnen in der Kita St. Achatius haben die Umstrukturierung der Pädagogik miterlebt, nicht nur in Richtung Nachmittagsbetreuung. Zudem haben sie schon unzählige Elterngespräche geführt und viele Kontakte mit Kooperationspartnern geknüpft. „Das ist eine riesige Schatzkiste und Bereicherung für die ganze Einrichtung“, sagt Bianca Pott.

Auch Petra Gerner aus der Froschgruppe der Kita St. Achatius bringt viel Erfahrung mit. Sie ist 56 Jahre alt und arbeitet seit 1981 in Kindertageseinrichtungen. „Für mich war es erst mal eine Umstellung, ich war fast 30 Jahre lang in einer anderen Einrichtung – immer in meinem Rhythmus“, erzählt sie. Vor zwei Jahren dann der Wandel. „Ich musste mich daran gewöhnen, habe mich gefragt: Schaffe ich das überhaupt alles, warum muss das sein?“ Am Ende seien alle Veränderungen positiv gewesen, auch für sie persönlich. Probleme, wie anfangs befürchtet, gab es keine. Dafür müsse die Chemie zwischen Leitung und pädagogischen Fachkräften stimmen, meint Petra Gerner. „Man muss einen professionellen Umgang pflegen, viel reden und sich austauschen. Ich war bereit, mich auf eine Veränderung einzulassen“, sagt sie.

Miteinander von Jung und Alt

Wie sehr sich Strukturen verändert haben, zeigt sich auch am Beispiel Büroarbeit. Die junge Kita-Leiterin legt Wert auf offene Arbeit – macht auch kein Geheimnis daraus, welche Absprachen mit dem Träger gerade laufen. So haben alle Einblick in den Verwaltungsaufwand. Das sei nur von Vorteil. Kleinere Verwaltungsarbeiten übernehmen auch die Kolleginnen und Kollegen. „Auf diese Weise haben sie Verständnis und können einschätzen, welche Aufgaben zusätzlich zur pädagogischen Arbeit erledigt werden müssen“, sagt Bianca Pott.

Auch die jungen Fachkräfte bereichern das Team: mit frischen Ideen, neuem Input aus der gerade abgeschlossenen Berufsausbildung – und mit viel Motivation. In der Kita St. Achatius treffen Generationen aufeinander. Trotzdem gibt es ein großes Miteinander und nicht Alt gegen Jung. „Jeder kennt die Stärken des anderen und jeder nimmt jeden mit ins Boot“, erzählt Bianca Pott stolz aus ihrem Team. Die 28-Jährige zeigt Empathie gegenüber allen Kolleginnen und Kollegen und versucht individuell auf sie einzugehen. „Ich fühle mich in meiner Leitungsrolle sehr wohl. Besonders wenn ich die Entwicklung im Team sehe: Alle arbeiten gerne mit den Kindern und unterstützen sich mit Freude gegenseitig.“

 

Bestens versorgt

Was ist ein Durchgangsarzt bzw. eine Durchgangsärztin (kurz: D-Arzt/D-Ärztin)?

D-Ärztinnen und D-Ärzte arbeiten im Auftrag der gesetzlichen Unfallversicherung, sind auf Unfallverletzungen spezialisiert und haben ihre besondere Qualifikation auch für die Behandlung von Unfällen von Kindern nachgewiesen. Nach Arbeits-, Schul- und Kita-Unfällen wird so ein optimaler Standard in der Heilbehandlung gewährleistet.

Welche zusätzlichen Leistungen werden im Vergleich zu einer regulären Praxis geboten?

D-Ärzte und D-Ärztinnen verordnen nach Kita-Unfällen zur Behandlung der Unfallverletzung alle Mittel, die zur optimalen Behandlung und schnellen Wiedereingliederung geeignet sind. Sie koordinieren weiterbehandelnde Einrichtungen oder Ärzte. D-Ärzte und D-Ärztinnen sind übrigens auch für privat versicherte Kinder zuständig. Die Leistungen sind zuzahlungsfrei und umfassend. Außerdem sind D-Ärzte und D-Ärztinnen organisatorisch mit den Unfallkassen und Berufsgenossenschaften bestens vernetzt. Ihre Berichte zur Unfallverletzung und den verordneten Maßnahmen erreichen die Unfallkassen schnell und informieren sie zu den unfallbedingten Befunden und Behandlungsmaßnahmen. Ihre Berichte sind nicht nur für die Kostenübernahme der laufenden Behandlung und weitere Leistungen wichtig, sondern können auch bei möglichen Spätfolgen eine Rolle spielen. Denn die gesetzliche Unfallversicherung kommt lebenslänglich für die Folgen eines Schul- oder Kindergartenunfalls auf. Über die D-Ärzte und D-Ärztinnen arbeiten medizinisches Personal und Kostenträger zum Wohle des verletzten Kindes oder Beschäftigten Hand in Hand.

Für wen ist ein D-Arzt bzw. eine D-Ärztin zuständig?

Im Grunde für alle, die in einem Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis stehen oder in einer staatlichen oder privaten Kita bzw. Schule betreut werden. Der Versicherungsschutz erstreckt sich auf Arbeits- und Wegeunfälle sowie Berufskrankheiten und umfasst unter anderem Beschäftigte, Kita-Kinder, Schülerinnen und Schüler, Studierende, Ersthelfende, Blut- und Organspender und ehrenamtlich Tätige.

Muss ein Kind oder eine pädagogische Fachkraft nach einem Unfall in der Kita stets einem D-Arzt oder einer D-Ärztin vorgestellt werden?

Bei schweren traumatischen Verletzungen ist die schnelle Hilfe entscheidend, etwa durch einen Notarzt. Kleine Unfälle und Bagatellverletzungen, deren Behandlung nicht länger als eine Woche dauert, darf aber auch der Haus- oder Kinderarzt ohne Überweisung an einen Durchgangsarzt selbst therapieren. Auch bei Verletzungen der Augen, Zähne oder im Hals-Nasen-Ohren-Bereich können Spezialisten wie Augenärzte, Zahnärzte oder HNO-Ärzte direkt aufgesucht werden. Wichtig ist aber, sie oder ihn darüber zu informieren, dass ein Arbeits-, bzw. Kita-Unfall vorliegt. In allen anderen Fällen sind D-Ärztinnen und D-Ärzte für die Erstversorgung zuständig. Sie koordinieren alle Heil- und Weiterbehandlungen, entscheiden über die weitere Therapie, überwachen den Heilungsverlauf und informieren die Unfallkassen. Auch wenn Heil- oder Hilfsmittel verordnet werden müssen oder es sich um eine Wiedererkrankung aufgrund von Unfallfolgen handelt, muss ein D-Arzt aufgesucht werden.

Wie finde ich die nächste D-Arzt-Praxis in meiner Region?

Die Adresse eines niedergelassenen oder auch am Krankenhaus tätigen Durchgangsarztes finden Sie auf der Internetseite der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung: www.t1p.de/d-arzt

Die Fragen beantwortete Steffen Glaubitz, Leiter Rehabilitation und Leistungen, Unfallkasse Berlin

Das Ankommen erleichtern

Frau Professor Becker-Stoll, gibt es einen entscheidenden Aspekt, damit der Neustart „nach Corona“ gelingt?

Das Allerwichtigste ist, jedes Kind, jede Familie bei der Rückkehr willkommen zu heißen. Zeigen Sie, die pädagogischen Fachkräfte, aufrichtig Ihre Freude darüber, dass die Kita wieder geöffnet hat und die Kinder zurückkommen. Diese Freude ist ansteckend. Optimal wäre es, im Vorfeld mit jeder Familie zu klären, wie das Kind die Schließzeit erlebt hat. Wie war die Stimmung, mit welchem Wissen und welchen Erfahrungen kommt das Kind zurück? Wo können Sie es beim Ankommen gut unterstützen? Es wird in der Anfangszeit wichtig sein, sehr genau zu beobachten und sich im Team darüber auszutauschen, was das jeweilige Kind als Starterleichterung braucht. Man muss jedem Kind die Zeit geben, die es benötigt.

Können neue Rituale helfen, die ungewohnte Situation zu „entschärfen“?

Ja, das ist gut möglich. Aber besser ist es, an Vertrautes anzuknüpfen und alte Rituale wie etwa den Morgenkreis so zu gestalten, dass sie in die neue Situation passen. Ich denke etwa an Bewegungsspiele zur Begrüßung und zum Abschied, die jetzt draußen stattfinden. Wenn es gestaffelte Bring- und Holzeiten für die festen Gruppen gibt, lässt sich das gut realisieren.

Was sind Anzeichen dafür, dass es einem Kind in Zeiten von Corona psychisch/mental nicht gut ging und es jetzt besondere Unterstützung braucht?

Das ist im Prinzip nicht anders als beispielsweise nach den Kita-Ferien: Kinder aus belasteten Familien geht es dann weniger gut. Aber diese sind den pädagogischen Fachkräften hoffentlich bekannt und sie gucken und hören jetzt noch feinfühliger hin und reagieren professionell, zum Beispiel indem sie Fachdienste hinzuziehen. Aber längst nicht für alle Kinder war die Zeit der Kita-Schließung schlimm. Manche fanden es großartig, sich zum Beispiel von den Großeltern über Video vorlesen zu lassen und mehr Zeit mit den Eltern zu verbringen.

Sollten die pädagogischen Fachkräfte „Corona“ von sich aus thematisieren oder nur dann ansprechen, wenn die Kinder Gesprächsbedarf signalisieren?

Die Kita hat meiner Meinung nach unbedingt die Aufgabe, sogar den Auftrag, mit den Kindern altersgerecht und einfühlsam über Corona zu sprechen. Ich würde erwarten, dass sich die Teams dazu Material beschaffen, sich vorbereiten und Gesprächsanlässe bieten. Manche Kinder haben unberechtigte Ängste, vielleicht haben die Eltern etwas falsch oder gar nichts erklärt. Dann müssen die pädagogischen Fachkräfte liebevoll aufklären. Nicht mehr erzählen, als die Kinder fragen, keine Vorträge halten, sich aber immer als Gesprächspartnerin oder -partner anbieten. Gegen Ängste hilft Information am besten.

Auch innerhalb des Teams gibt es Personen mit unterschiedlichsten Ängsten: sich anzustecken, etwas falsch zu machen etc.

Das Team muss sich mit dem Thema Corona und all seinen Facetten ernsthaft auseinandersetzen und wiederholt kollegial darüber diskutieren. Die Maßnahmen, die getroffen wurden, sind dazu geeignet, das Infektionsrisiko so gut es geht zu mindern. Das Entscheidende dabei sind die festen Gruppen. Wer – warum auch immer – trotzdem Angst hat, wieder direkt mit den Kindern zu arbeiten, der soll das offen sagen und nicht dazu gezwungen werden. Es ängstigt Kinder, wenn sie Erwachsene erleben, die verunsichert sind. Die Fachkraft könnte etwa im Homeoffice oder Büro arbeiten und den Kontakt zu den Familien halten, deren Kinder noch nicht wieder in die Kita gehen. Vielleicht gibt es auch die Möglichkeit, in den Hortbereich zu wechseln, wo die Kinder mit Abstands- und Hygieneregeln gut umgehen können.

Ab welchem Alter sind Kinder denn in der Lage, Abstands- und Hygieneregeln zu verstehen und umzusetzen?

Je kleiner das Kind, desto stärker braucht es in anstrengenden Situationen die körperliche Nähe zur Selbstregulation. Da funktionieren Abstandsregeln nicht. Dank der festen Gruppen ist das aber nicht schlimm – innerhalb dieser Gruppe ist Nähe ja erlaubt. Gründlich ihre Hände waschen können aber auch schon Krippenkinder, wenn man sie dabei liebevoll begleitet und etwa mit einem Lied anleitet. Beim Abtrocknen und Eincremen der Hände müssen die Erwachsenen noch helfen.

Gibt es einen guten Weg, wie Kinder die neuen Regeln am besten annehmen?

Alles, was neu ist, muss besprochen und begründet werden. Drohen Sie keinesfalls mit Sanktionen, wenn es anfangs nicht klappt. Die Kinder, die schon in der Notbetreuung waren, können wunderbar eingebunden werden und den „Neuankömmlingen“ alles gut erklären. Die Kita kann Kindern und ihren Familien nur dann Sicherheit vermitteln, wenn sie selbst von dem, was sie tut und wie sie es tut, überzeugt ist.

 

Interview mit Professor Fabienne Becker-Stoll
Sie ist Direktorin des Staatsinstituts für Frühpädagogik in München und Mitautorin der aktuellen Broschüre „Bildung, Erziehung und Betreuung in Zeiten von Corona – Eine Handreichung für die Praxis der Kindertagesbetreuung“.
Download der Broschüre unter https://kurzelinks.de/ifp

 

Den Motor anwerfen

Bewegung treibt die Entwicklung von Kindern wie ein Motor an. Dieser fördert Gesundheit, Motorik sowie kognitive, emotionale und soziale Fähigkeiten. Wegen der Regeln zur Eindämmung der Pandemie bekommen viele Kinder seit Monaten jedoch zu wenig davon. Vor allem diejenigen, die in den Innenstädten oder ohne Garten wohnen, trifft es besonders schwer. „Dann können die Kinder ihren Bewegungsdrang oft nicht richtig ausleben“, sagt Julian Mädrich von der Unfallkasse Rheinland-Pfalz.

 

KURZ GESAGT!

  • Für Kitas geeignete Publikationen zur Bewegungsförderung
  • Kitas sollten Bewegungskonzepte anpassen
  • Mit etwas Kreativität und Ideenreichtum lassen sich Bewegungsimpulse setzen

 

Angesichts der Pandemie hat Julian Mädrich gemeinsam mit anderen Fachleuten des Referats für Sport und Bewegungsförderung Ideen und Konzepte entwickelt, wie Grundschulen ihren Schulhof nutzen können, um für mehr Bewegung zu sorgen. So hat die Unfallkasse Rheinland-Pfalz etwa das Buch „Bewegte Kinder – Schlaue Köpfe“ situationsbedingt angepasst. Und es wurden Videos produziert, die zeigen, wie sich die Übungen im Schulalltag unter Corona-Bedingungen praktisch umsetzen lassen.

Von diesen Materialien zur Bewegungsförderung können auch Kitas profitieren. „Einige Inhalte sind für die Kita anpassbar und können gut umgesetzt werden, ohne die Kinder zu überfordern“, sagt Mädrich. Zudem empfiehlt der Experte, dass die Einrichtungen jetzt überlegen, wie sie vermehrt Bewegung in ihren Kita-Alltag integrieren können. Denn Bewegungsimpulse sind derzeit wichtiger denn je – natürlich unter Beachtung der jeweils geltenden Hygieneregeln.

Gut ist es, wenn Kitas vor allem das Außengelände der Einrichtung für Bewegungsspiele nutzen. Denn viele scheuen sich aufgrund der Ansteckungsgefahr, Ausflüge mit den Kindern zu unternehmen. Das Außengelände bietet die Möglichkeit, dem Bewegungsdrang an der frischen Luft gerecht zu werden. Aber wie lassen sich nun die Ansätze für die Grundschulen in Kitas umsetzen?

Spiel und Bewegung mit Abstand

„Das angeleitete Spiel ist ebenso wichtig wie das freie Spiel, da man schon mit kleinen Impulsen viel bewirken kann“, sagt Mädrich. So zum Beispiel die Bewegungsgeschichte „Waldlauf“. Dabei stehen die Kinder draußen in einem großen Kreis, während die pädagogische Fachkraft die Waldlauf-Geschichte erzählt. Die Kinder laufen auf der Stelle. Auf bestimmte Signalwörter f ühren sie verschiedene Bewegungen aus, zum Beispiel müssen sie sich tief ducken bei „Achtung – Zweig“ oder hochspringen bei „Achtung – Baumstamm“. Das Spiel lässt sich beliebig abwandeln und die Fantasie der Kinder kann gut einbezogen werden. Damit wird nicht nur die Motorik, sondern gleichzeitig die Sprache und Vorstellungskraft gefördert.

Ebenso geeignet für Kita-Kinder ist der „Klatschkreis“, bei dem es darum geht, das In-die-Hände-Klatschen ohne Berührung von Kind zu Kind durch die Runde zu schicken, oder auch das Spiel „Flaschendrehen“. Dabei wird eine Flasche in der Mitte des Kreises gedreht und das Kind, auf das die Flasche zeigt, darf eine Bewegungsaufgabe für alle stellen.

Grundsätzlich lässt sich mit einem Konzept, guter Organisation und einer Prise Kreativität wieder viel Bewegung in den Alltag der Kinder zurückbringen. Das gilt auch für die Eltern. „Kitas sollten auch an die Eltern appellieren, bewusst mehr Bewegung in den Alltag zu integrieren“, erklärt der Experte. Weil das Erkunden der Welt, wie die Kinder es zuvor gewohnt waren, eine ganze Zeit lang nicht mehr möglich war, ist das jetzt umso wichtiger.

Denn auch in kleinen Arealen können Kinder viel entdecken. Beim morgendlichen Brötchenholen mit Papa beim Bäcker um die Ecke, Spielen im Garten oder auf dem Fußweg zur Kita.

 

WAS AUSSER BEWEGUNG NOCH WICHTIG IST

Corona stellt den Kita-Alltag auf den Kopf. Auch die Unfallkasse Rheinland-Pfalz hat deshalb hilf-reiches Material für die Praxis zusammengestellt, etwa Erklär- Videos einer Kita zu Händewaschen und Mundschutz, Ideen zur Sensibilisierung der Kinder für Hygieneregeln, eine Bildergeschichte und ein Seifenexperiment unter:

kita-sicher-gesund.de > „Achtung! Neuigkeiten“

Umfangreiche Infos außerdem über:
www.dguv.de/corona-bildung/kitas

 

 

Das angepasste Buch „Bewegte Kinder – Schlaue Köpfe“ der Unfallkasse Rheinland- Pfalz mit Videos zu einigen Bewegungsspielen gibt es unter:

bildung.ukrlp.de > Webcode: b1684

Auch die DGUV-Information 202-050 „Wahrnehmen und Bewegen“ enthält viele Übungen und Spiele, die gut an die Situation anpassbar sind:

publikationen.dguv.de > Webcode: p202050

In guten Händen

Als sogenannter Durchgangsarzt betreue ich alle Arbeits-, Wege-, Schul- und Kita-Unfälle. Dabei haben wir einen hohen Durchsatz verunfallter Kinder, die beispielsweise in der Kita gestürzt sind. Sie müssen dann erst einmal zum D-Arzt. Dabei besteht für uns die Möglichkeit, Kinder mit minimalen Verletzungen weiter zum Kinder- oder Hausarzt zu schicken. Alles, was jedoch eine bestimmte Erfahrung in der speziellen unfallchirurgischen Versorgung von Kindern erfordert, behandeln wir. Denn so kann das Risiko von Folgeschäden, zum Beispiel durch das schnelle Wachstum, gering gehalten werden. Die meisten Kinder sind offen und ehrlich, das erleichtert mir oft die Diagnose. Natürlich gehört aber auch die Kommunikation mit den Eltern dazu.

Vom Drachenkind zur gesunden Ernährung

Frau Dr. Pomp, welchen Kitas würden Sie JolinchenKids empfehlen?

Grundsätzlich richtet sich „JolinchenKids – Fit und gesund in der Kita“ an alle Kitas, die Interesse haben, das Programm langfristig umzusetzen und die eigenen Strukturen zu verändern. Vor allem Einrichtungen in sozialen Brennpunkten profitieren davon. Das Ziel unseres ganzheitlichen Ansatzes ist es, das gesunde Auf-wachsen von Kindern nicht nur im Kita-Alltag zu fördern, sondern darüber hinaus im häuslichen Umfeld.

Wie muss man sich diesen ganzheitlichen Ansatz vorstellen?

Gemeinsam mit Wissenschaftlern und Praktikern haben wir das Programm entwickelt und evaluiert. Es besteht aus fünf Modulen: Bewegung, Ernährung, seelisches Wohlbefinden, Elternpartizipation und Erzieherinnengesundheit. Es
adressiert dementsprechend alle Bereiche, die für die gesunde Entwicklung der Kinder und im Kita- Alltag wichtig sind. Entscheidend dafür, welche Schwerpunkte gesetzt werden, ist immer der Bedarf der Kita.

Wie wird dieser Bedarf ermittelt?

Vom Steuerungskreis in einer ersten Bestandsaufnahme. Ist eine Kita beispielsweise beim Thema Bewegung gut aufgestellt, will das Thema Ernährung mit den Kindern aber noch vertiefen, konzentrieren wir uns zunächst darauf. Zum Steuerungskreis gehören die pädagogischen Fachkräfte, die Kita-Leitung, ein Vertreter des Trägers und ein Elternvertreter. Die AOK-Präventionsexperten begleiten den Steuerungskreis drei Jahre lang bei der Umsetzung des Programms.

Wie läuft das Programm ab?

Die Kitas bekommen von der AOK kostenloses Material zur Verfügung gestellt, über 31.000 Erzieherinnen und Erzieher wurden bereits von der AOK geschult. Das Drachenkind Jolinchen begleitet die Kinder als Identifikationsfigur durch das Programm.

Mithilfe der JolinchenKids-Handpuppe werden kindgerecht und spielerisch die Themen vermittelt. Mit ihr gehen die Kinder auf Entdeckungsreise, erleben Abenteuer und erkunden Orte wie das „Gesund-und-lecker-Land“, den „Fit-mach-Dschungel“ oder die Insel „Fühl-mich-gut“.

Nehmen wir beispielhaft das Thema Ernährung: Wie sieht so ein Projektplan aus?

In einem Leitfaden ist festgehalten, welche verhaltens- und verhältnispräventiven Maßnahmen in der Kita umgesetzt werden sollen. Beispielsweise dass täglich ungesüßte Getränke und Rohkost für die Kinder bereitgestellt werden. Oder, dass einmal wöchentlich das gesunde Jolinchen-Frühstücksbüfett angeboten wird. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Einige Einrichtungen bieten grundsätzlich ein gemeinsames Frühstück an, während es in anderen selbst mitgebracht werden muss. Über verschiedene Aktionen werden Eltern einbezogen. Das Highlight des Moduls ist aber der „Drachenzug“.

Der Drachenzug?

Der Zug wird passend zum Drachenkind „Drachenzug“ genannt und ist das didaktische Kernstück des Moduls Ernährung. Dabei handelt es sich um einen Zug mit sechs Waggons. Jeder Waggon steht für eine Lebensmittelgruppe. Die Waggons sind unter-schiedlich groß und haben verschiedene Farben. Sie sollen die Lebensmittelpyramide darstellen.

Wie wird den Kindern gesunde Ernährung damit vermittelt?

Jede Woche wird ein Waggon an den Zug angehängt und die einzelnen Waggons werden mit Lebensmitteln gefüllt. Die Kinder lernen so gemeinsam mit Jolinchen die Vielfalt der Lebens mittel und Empfehlungen für eine gesunde Ernährung kennen, also wie viel sie von welcher Lebensmittelgruppe essen dürfen.

Gibt es bestimmte Voraussetzungen, die eine Kita für das Programm erfüllen sollte?

Die Kitas müssen an den Schulungen teilnehmen und das Ganze gemäß dem Programmleitfaden umsetzen. Wir empfehlen, nicht zu viele weitere Projekte zeitgleich zu machen, um genug Ressourcen zu haben. Letztendlich soll dadurch die Wirksamkeit erhöht werden. Nach Ablauf des Programms können die Kitas das Erlernte eigenständig umsetzen. So können die Strukturen nachhaltig positiv verändert werden.

 

Interview mit Dr. Sarah Pomp,  sie ist Referentin für Prävention beim AOK-Bundesverband und Ansprechpartnerin des Projekts „JolinchenKids – Fit und gesund in der Kita“ auf Bundesebene.

 

DAS PROGRAMM

JolinchenKids startete im Jahr 2014 in den ersten Pilotregionen. Seitdem wurde es in rund 4.400 Einrichtungen deutschlandweit durchgeführt und erreicht circa 300.000 Familien. Bei Interesse am Programm können sich Kitas mit ihrer regional zuständigen AOK in Verbindung setzen.

Weitere Infos unter:
www.aok.de/jolinchenkids

Erst rollern, dann fahren

Es ist ein ehemaliger, großer Schulhof, auf dem die Kinder der Kita Lernwerft in Kiel ihrem Bewegungsdrang freien Lauf lassen kön­nen. Riesige Bäume und Sträucher, Hochbeete und alte Baumstämme – der Außenbereich ist nicht nur sehr groß, er ist auch naturbelassen. Nach Rutsche und Klettergerüst sucht man ver­gebens. Zwei Jungs bauen sich gerade eine Höh­le in den Büschen, ein Mädchen liegt bäuch­lings im Matsch und zwei andere spielen auf alten, ausrangierten Ruderbooten. Zum Toben, Fangen und Verstecken ist viel Platz.

 

KURZ GESAGT!

  • Kita Lernwerft Kiel hat ein Rollerprojekt durchgeführt
  • Trainiert werden Geschicklichkeit, Gleichgewicht und Geschwindigkeit
  • Eltern geben positives Feedback
  • Freude am Rollerfahren hält bei den Kindern an

 

Auch zum Rollerfahren ist der Außenbereich prädestiniert – ein breiter Plattenweg führt in den hinteren Teil des Hofs. „Das Rollerfahren ist in Vergessenheit geraten“, sagt Sabine Neve, Leiterin der Kita Lernwerft. Vollkommen zu Un­recht, meint sie. „Geschicklichkeit, Gleichge­wicht und Geschwindigkeit werden trainiert und im Gegensatz zum Laufrad kann das Kind die Schnelligkeit besser kontrollieren.“ Alle Roller der Kita verfügen über eine Hand­ und Fuß­bremse. Notfalls können die Kinder aber auch einfach absteigen und den Roller fallen lassen, ohne dass sie sich verletzen. Ein weiterer Vor­eil zum Laufrad: Die Erzieherinnen und Erzieher müssen das Fahrgerät nicht auf die Größe des Kindes einstellen. „Wir haben kleine und große Roller in vielen Farben.“ So findet jedes Kind den passenden.

Ein Balanceakt

Zwei Wochen im Juni 2019 durften die Kinder der Schiffgruppe und der Mondgruppe das täglich üben. Zusammen mit der Unfall­asse Nord hatte die Kita das Rol­lerprojekt „Sicher rollern – besser radeln!“ durchgeführt. Die 3­- bis 6­Jährigen sind über den zehnme­terlangen Plattenweg gefahren, ha­ben Bremsübungen gemacht, sind Slalom und über Kreise und Linien gerollt. Manche haben sich getraut, das Stand­bein zu ändern, verschiedene Untergründe aus­zuprobieren und über eine eigens gebaute Wip­pe zu fahren. Die Großen fahren ganz lässig mit beiden Füßen auf dem Trittbrett. Ein richtiger Balanceakt.

Egal, welches Niveau und welches Alter: Alle 44 Kinder haben Fortschritte gemacht. „Das Roller­fahren bietet eine Menge Steigerungsmöglich­keiten. Das macht den Kindern unheimlich viel Freude“, sagt Ole Ophey, der für das Rollerpro­jekt verantwortlich war. „Am schönsten war es, unter dem Flatterband entlangzufahren“, erin­nert sich die 5­-jährige Felicitas.

Beim Rollerfahren haben die Mädchen und Jungen zudem ihre motorischen Fähigkeiten verbessert. „Sechs Kinder haben in den Som­merferien Radfahren gelernt, eines davon war anfangs beim Rollerfahren extrem unsicher“, erinnert sich Ole Ophey. Viele andere Kinder ha­ben jetzt auch zuhause einen Roller. Morgens kommen manche damit sogar zur Kita.

Ganz nebenbei erwerben die Kinder auch weitere Kompetenzen: Rücksicht zu nehmen, abzuwarten, bis der Parcours befahrbar ist, und zu akzeptieren, dass jemand schneller oder langsamer ist als man selbst. „Das ist gerade für unsere Vorschulkinder wichtig“, findet Ole Ophey. Für die Großen ist auch Verkehrserziehung ein Thema. „An einem Tag haben wir auch mal einen Zebrastreifen auf den Plattenweg gemalt.“ Das Rollerfahren befähigt die Kinder, sich sicherer in ihrem Umfeld zu bewegen.

Für die Vorschulkinder ist das Rollerprojekt auch Verkehrserziehung.

Wahrnehmung schulen

Ole Ophey hat zu Beginn des Projekts eine Fort­bildung besucht, die ihn für das Projekt quali­fiziert hat. Dabei ging es um die kindliche Ent­wicklung und um altersgemäße Fähigkeiten in Bezug aufs Rad­ und Rollerfahren. „Im Praxisteil sind die Lehrkräfte und pädagogischen Fach­kräfte selbst Roller gefahren, um die eigene Wahrnehmung zu schulen“, berichtet er.

Das Besondere: Bereits bei der Fortbildung wa­ren zwei Elternvertreter dabei. „Wir wollten die Eltern von Anfang an mit im Boot haben“, sagt Sabine Neve. So wurde dann auch bei einem El­ternabend das Rollerprojekt vorgestellt und eine Kinderärztin hat über die Vorteile des Rollerfah­rens informiert. „Die Eltern waren begeistert von den Plänen“, sagt Sabine Neve. „Das hat die Zu­sammenarbeit gefördert.“

Großer Erfolg

Damit alles so glattlaufen konnte, war gute Vor­arbeit nötig. Bereits bei der Fortbildung hat sich Ole Ophey Gedanken darüber gemacht, wie er die Übungen in den Kita­-Alltag integriert, den Elternabend und den Rolleraktionstag vorbe­reitet. „Wir haben das Rollerprojekt 2013 schon einmal durchgeführt und konnten zum Glück von unseren alten Kontakten profitieren.“

Die Mühe hat sich gelohnt: Die Freude am Rol­lerfahren hält bis heute an. „Das hat auch mit dem abschließenden Rolleraktionstag zu tun“, sagt Ole Ophey. Die Kinder haben eine Urkunde von einer Polizistin überreicht bekommen. „Das war natürlich etwas ganz besonderes und vie­le haben zuhause davon begeistert berichtet.“

Dementsprechend positiv war auch das Feed­back der Eltern. „Die Beteiligung der Polizistin, der Kinderärztin und der Unfallkasse untermau­ert den fachlichen Hintergrund des Projekts“, sagt Sabine Neve. Eine gelungene Mischung, von der die Eltern schnell überzeugt waren.

„Das Rollerprojekt war ein großer Erfolg, der bis heute nachhallt“, resümiert Sabine Neve. Die Kita hat zwölf neue Roller angeschafft. Auch heute stellen sich die Kinder spontan Ver­kehrshütchen auf und bauen sich so ihren eige­nen Parcours. „Der Wert des Rollers ist entdeckt worden. Wir könnten uns gut vorstellen, das Pro­jekt in zwei, drei Jahren zu wiederholen.“

 

DIE VORTEILE DES ROLLERFAHRENS

  • Motorische Entwicklung wird gefördert
  • Altersgemäßes Heranführen an Verkehrssituationen
  • Geringe Unfallgefahr (Umfallen mit dem Roller passiert seltener als mit dem Fahrrad), geringere Fallhöhe
  • Schnelles Absteigen ohne Probleme
  • Einfache, robuste Technik
  • Der Aktionsradius wird vergrößert

 

 

WEITERES ZUM THEMA:

DGUV Information „Sicherheit beim Roller­ und Laufradfahren in der Kita“

Herunterzuladen unter:
www.dguv.de > Webcode d1181550

Wasserspaß ohne Risiko

Das Wasser spritzt aus winzigen Löchern eines Gartenschlauchs in alle Richtungen, verwandelt den Sandboden in feuchten Matsch: Die Kinder flitzen fröhlich umher und lassen sich nass regnen. Andere planschen nach Herzenslust im „Pool“. Wenn es im Sommer richtig heiß ist, drehen die Er­zieherinnen in der ASB­-Kita „Im Röder“ des Regionalverbands Westhessen in Taunusstein den Wasserhahn auf. Ob aus der Pumpe, dem Schlauch oder im Planschbecken, fest steht: „Wasserspiele sorgen für eine schöne Abküh­lung“, sagt Kitaleiterin Edeltraud Sneider. Und vor allem: „Die Kinder haben einen Mordsspaß.“ In der Einrichtung in Südhessen kommen die 60 Mädchen und Jungen viel mit Wasser in Berührung, nicht nur im Hochsommer. Sicher­heit wird dabei großgeschrieben.

 

KURZ GESAGT!

  • Wasserspiele machen den Kindern Spaß
  • Wasser darf nicht tiefer als 20 Zentimeter sein
  • Aufsicht muss jederzeit sichergestellt werden

 

Vor allem beim Planschbecken gilt, dass min­destens eine Erzieherin einzig und alleine die Kinder im Wasser beaufsichtigt – und nicht noch nebenbei andere Mädchen und Jungen im Blick haben muss. „Wir gehen kein Risiko ein“, betont die Leiterin. Generell gilt, dass das Was­ser nicht mehr als 20 Zentimeter tief sein darf. Vierjährigen geht es etwa bis zum Knie. Doch schon eine Pfütze reicht theoretisch aus, damit ein Kind darin ertrinken kann. In der Kita sind sich dieser Gefahr alle bewusst. Die Sicherheit sei das Wichtigste, sagt Sneider. Deshalb gilt: „Wasserspiele nur unter besonderer Aufsicht.“ Wenn unter dreijährige Kinder dabei sind, ist eine lückenlose Aufsicht unverzichtbar.

Beim Spielen lassen die Fachkräfte den Mädchen und Jungen so weit wie möglich freien Lauf. Nur wenn es zu wild wird, heißt es: Stopp! „Dafür ist ja eine Aufsicht dabei.“

Sonnenschutz: für alle wichtig

Alle Kinder müssen draußen eine Badehose oder einen Badeanzug tragen. Und eine Kopfbedeckung zum Schutz vor der Sonne. Außerdem achten die Fachkräfte darauf, dass sich die Mädchen und Jungen ordentlich mit wasserfestem Sonnenschutz eincremen. „Sonst darf niemand raus“, sagt Sneider.

Das Planschbecken selbst platziert man am güns­tigsten im Schatten. Wo das nicht möglich ist, sind Sonnensegel oder Sonnenschirme nötig.

Über Mittag, wenn die Sonne am meisten sticht (und damit die UV­-Belastung am höchsten ist), spielen die Kinder am besten ausschließlich in schattigen Ecken des Außengeländes – oder eben drinnen. Bei all dem Trubel um das erfri­schende Nass: Dass auch das Kita­-Personal an den eigenen Sonnenschutz denkt, sollte selbst­verständlich sein.

Während Planschbecken und Gartenschlauch nur bei Hitze zum Einsatz kommen, ist die Pumpe auch bei milderen Temperaturen in Betrieb: Die Kinder können nach Lust und Laune frisches Wasser zapfen, Staudämme bauen und mit Matsch spielen. Außerdem gibt es hinter einem Zaun im Kräutergarten ein gesondert eingefriedetes Becken zum Wassertreten. „Die Kinder dürfen nur in Begleitung hinein“, erklärt die Leiterin. Die Mädchen und Jungen krem­peln die Hosen hoch, gießen ihre Füße mit der Gießkanne ab – und los geht’s: Zusammen mit einer Erzieherin oder einem Erzieher stelzen sie im Storchengang durchs Wasser, im Winter durch den Schnee. Viele Mädchen und Jungen kämen sonst wenig mit Wasser in Berührung, berichtet Frau Sneider, und hätten am Anfang große Scheu. In der Kita können sie Erfahrungen damit sammeln – und erleben: „Wasser macht großen Spaß.“

Bei Wasser ist Vorsicht geboten

Generell gilt: Von Wasser kann immer ein Risiko ausgehen. Deshalb müssen Kitas regelmäßig ihre Außenanlagen überprüfen – und beispiels­weise sicherstellen, dass Teiche oder Biotope nicht frei zugänglich sind. Die allgemeinen Für­sorgepflichten des Betreibers sind einzuhalten. Für Kinder unter 3 Jahren dürfen Feuchtbiotope und dergleichen nicht zugänglich sein. Dies kann etwa durch eine 1 Meter hohe Umrandung erreicht werden, die nicht zum Klettern verleitet.

Auch Regentonnen können aufgrund der Wasser­menge und der Beschaffenheit die Gefahr mit sich bringen, dass Kinder dort hineinfallen und ertrinken. Um dem vorzubeugen, müssen Regen­tonnen oder Ähnliches gegen Hineinfallen gesi­chert werden.

 

DARAUF IST BEI WASSERSPIELEN ZU ACHTEN:

  • lückenlose Aufsicht klar regeln
  • Wassertiefe nicht über 20 Zentimeter
  • Wasser regelmäßig wechseln
  • auf die notwendige Wasserqualität achten
  • stehendes Wasser außerhalb des Beckens ist tabu
  • baulicher und persönlicher Sonnenschutz
  • Planschbecken im Schatten aufstellen oder Sonnensegel anbringen
  • bei Nässe droht Rutschgefahr

Wer einen Ausflug ins Schwimmbad plant, bekommt Extratipps und Sicherheitshinweise in der DGUV Information 202­079
Wassergewöhnung in Kindertageseinrichtungen

Allgemeine Infos: DGUV Vorschrift 82
Kindertageseinrichtungen

Nicht jeder Stich ist ein Notfall

Im Sommer sind auch Kinder gerne draußen: zum Spielen, Toben oder Planschen. Dann ist es schnell passiert: Eine Biene oder Wespe sitzt auf einem Balken des Klettergeräts, ein Kind ist unaufmerksam, greift genau an diese Stelle und das Insekt sticht zu. „In der Regel bleibt so ein Stich nicht lange unentdeckt, denn Kin­der fangen sofort an zu schreien“, weiß Klaus Friedrich, Bundesfeuerwehrarzt des Deutschen Feuerwehrverbandes. Pädagogische Fachkräfte sollten das Kind dann erst einmal beruhigen, um Panik zu vermeiden.

 

KURZ GESAGT!

  • Die Behandlung eines Insektenstichs ist oft unkompliziert
  • Bienenstiche lösen häufiger eine Allergie aus als andere Insektenstiche
  • Kühlen ist eine gute Sofortmaßnahme

 

Denn meist ist das Geschrei um den Stich grö­ßer als die Folgen. „Die allermeisten Insekten­stiche sind harmlos. Wenn es problematisch wird, dann vor allem bei Bienen­ oder Wespen­stichen. Bienenstiche lösen häufiger allergi­sche Reaktionen aus als andere Insektensti­che“, erklärt er.

Hat das betroffene Kind keine Allergie und der Stich befindet sich nicht im Mund­ und Rachen­bereich, ist die Behandlung meist unkompliziert und die Folgen überschaubar. Denn eine lokale Schwellung an der Einstichstelle ist völlig nor­mal. „Da heißt es dann kühlen, kühlen, kühlen“, sagt der Experte. Dabei ist es egal, ob Kühlpacks oder feuchte Umschläge verwendet werden. Au­ßerdem sollte bei einem Bienenstich ein sicht­barer Stachel vorsichtig entfernt werden.

Kritisch wird es vor allem dann, wenn eine Sen­sibilisierung auf Allergene des Bienen­ bzw. We­spengifts bekannt ist. In diesem Fall sollten die Eltern des betroffenen Kindes die Kita über die Allergie im Vorfeld informieren. Egal ob Allergie oder nicht: Der Vorfall sollte zudem dokumen­tiert werden, zum Beispiel im Verbandbuch. Bei einer ärztlichen Behandlung muss zudem eine Unfallanzeige erstattet werden.

Notfallset aushändigen

Eine allergische Reaktion kann sich im Falle eines Stiches durch lokale Veränderungen der Hautoberfläche, z. B. Schwellungen und Rö­tungen äußern. Sollten sich zusätzlich Atem­wegs­ und Kreislaufprobleme bis hin zur Be­wusstlosigkeit zeigen, ist ein sofortiger Notruf (112) erforderlich. Dieser kann hier Leben retten. „Nimmt die Schwellung in den Atemwegen zu, wird der Handlungsspielraum des Notarztes geringer“, erklärt Klaus Friedrich.

Für solche Situationen gibt es Notfallsets, die die Eltern eines allergiegeplagten Kindes der Kita aushändigen sollten. Diese enthalten Ta­bletten und eventuell Autoinjektoren. Das sind fertige Spritzen, die im akuten Falle direkt ge­setzt werden können. „Erzieherinnen und Erzie­her müssen sich hierzu einweisen lassen, damit sie im Notfall handlungssicher reagieren kön­nen“, sagt der Experte. Dabei müssen jedoch auch die rechtlichen Rahmenbedingungen be­achtet werden. Kitas sollten sich für diesen Fall schriftlich absichern und die Einwilligung der Eltern einholen.

Bei Bienen­ und Wespenstichen im Mund­, und Rachenbereich ist grundsätzlich Vorsicht ge­boten – egal ob mit oder ohne Allergie. „Die wichtigste Sofortmaßnahme ist auch hier das Kühlen, damit sich die lokale Schwellung nicht ausbreitet“, erklärt Klaus Friedrich. Eis lutschen, kalte Getränke und kalte Umschläge am Hals können erste Linderung verschaffen, zumindest bis der Rettungsdienst vor Ort ist und die Situa­tion medizinisch einschätzen kann. „Das A und O ist immer der frühzeitige Notruf.“

 

ERSTE HILFE IN KITAS

Alle wichtigen Informationen zur Ersten Hilfe in Kitas, den Maßnahmen und der Dokumentation enthält die DGUV Information 202­089
„Erste Hilfe in Kindertageseinrichtungen“.

Download unter:
publikationen.dguv.de > Webcode p202089

Helm tragen – ja oder nein?

Kinder wechseln auf dem Außengelände häufig die Spielsituationen. Erst sind sie im Sandkasten, fahren kurz Laufrad, um dann wieder zu klettern. In solchen Fällen, in denen organisatorisch nicht ausgeschlossen werden kann, dass Kinder mit Helm auf Spielgeräte klettern und sich selbst gefährden, dürfen Helme nicht getragen werden. Beim Spielen auf Klettergeräten besteht nämlich eine erhebliche Gefahr von Strangulationsunfällen durch Hängenbleiben in Kletternetzmaschen oder an Fangstellen. Dann können Helme eher schaden als nutzen.

Grundsätzlich empfehlen wir jedoch, beim Rollerfahren den Kopf mit einem Helm zu schützen, auch auf dem Kita­-Gelände. Zum Beispiel
immer dann, wenn Verkehrssicherheitsaktionen oder Fahrgeschicklichkeitsparcours stattfinden.

Wichtig dabei ist, dass der Helm die richtige Größe hat und passend eingestellt wird, damit er fest auf dem Kopf sitzt. Das Anlegen des Helms sollte für die Kinder zur Gewohnheit werden: Sie sollten in der Lage sein, den Helm richtig anzulegen und den Kinnriemen selbst zu schließen und zu öffnen.

Spielen für mehr Sicherheit

Was hat Verkehrssicherheit mit Bewegungsförderung zu tun? „Kinder mit motorischen Defiziten haben ein höheres Risiko, einen Unfall zu erleiden“, sagt Martin Kraft von der Deutschen Verkehrswacht. Das gilt sowohl für den Straßenverkehr als auch für Unfälle in der Kita und zu Hause. Viele Stürze seien beispielsweise auf einen mangelnden Gleichgewichtssinn zurückzuführen, viele Zusammenstöße auf geringe Reaktionsfähigkeit. Hinzu kommt, dass Kinder, die wenig Kraft und Körperkoordination haben, sich nicht mit den Händen abfangen können und mit dem Kopf auf dem Boden aufprallen.

 

KURZ GESAGT!

  • Viele Stürze entstehen durch mangelndes Gleichgewicht
  • Bewegung schult die Körperwahrnehmung
  • Mit Spielen unterschied­liche Schwerpunkte setzen
  • Bewegung macht fit und selbstbewusst

 

Meist hatten diese Kinder in den frühen Lebens­jahren nicht ausreichend viele Bewegungsmög­lichkeiten: Laufen und Springen, Kriechen, Klet­tern, Steigen, Balancieren, Hängen, Schwingen, Schaukeln, Ziehen, Schieben, Tragen, Werfen und Fangen. „Alles motorische Fähigkeiten, die spielerisch geschult werden können“, sagt Mar­tin Kraft. Das ist auch in der Kita möglich. Un­geübte Kinder profitieren am meisten davon. Denn: Kontinuierliche Bewegung macht fit und selbstbewusst.

Man kann nicht früh genug anfangen, Bewegung als festen Bestandteil in den Alltag einfließen zu lassen. Für Kinder im Vorschulalter bieten sich sowohl freie als auch angeleitete Bewegungs­spiele an. Die freien Bewegungsspiele fördern die Kreativität der Kinder und ihre Fähigkeit, selbst Regeln aufzustellen. Die angeleiteten An­gebote bieten den Erzieherinnen und Erziehern mehr Möglichkeiten, einzelne Schwerpunkte der Motorik gezielter zu fördern.

 

ÜBER DIE BEWEGUNG

  • erschließt sich das Kind seine Umwelt
  • macht das Kind mit unterschiedlichen Materialien Erfahrung
  • erlebt das Kind soziale Kontakte
  • lernt das Kind, seine Bewegungen zu koordinieren und zu beherrschen

Quelle: DGUV Information 202-062; Wahrnehmungs- und Bewegungsförderung in Kindertageseinrichtungen

 

Diese Bewegungsspiele machen Spaß und lassen sich einfach umsetzen:

Stopp

Für 4 bis 20 Kinder ab 3 Jahre
Material: 1 Tamburin, 1 Schlägel, Straßenmalkreide oder Malerkrepp­-Band
Verlauf: Mit der Kreide wird eine dicke Linie auf den Boden gezeichnet. Die Kinder stellen sich nebeneinander auf, beginnen mit dem schnellen Schlag des Tamburins auf die Linie zuzulaufen, steigern ihr Tempo und versuchen,
abrupt stehen zu bleiben, wenn ein besonders lauter Schlag des Tamburins ertönt, spätestens jedoch dann, wenn sie die Linie erreichen.
Training: Wahrnehmung, Reaktion

Grünes Licht

Für 4 bis 25 Kinder ab 3 Jahre
Material: 1 roter und 1 grüner Ball
Verlauf: Die Kinder verteilen sich im Raum – die Erzieherin oder der Erzieher steht an einem festen Platz. Wird ein grü­ner Ball hochgehalten, bewegt sich die Gruppe frei im Raum umher. Wird der rote Ball hochgehalten, müssen alle in ihrer Bewegung verharren. Wenn es wieder „grünes Licht“ gibt, wird eine neue Gang­art angesagt. Besonderen Spaß macht es, wenn die Fortbewegungsarten häufig gewechselt werden, z. B. hüpfen, schlei­chen, trippeln, stampfen, rückwärtsge­hen, galoppieren, tänzeln, schlurfen etc.
Training: Ausdauer, Gleichgewicht, Konzentration

Neben, vor und hinter

Für 2 bis 25 Kinder ab 5 Jahre
Material: Stühle, 1 Glöckchen oder ein anderes Instrument
Verlauf: Alle Kinder stehen hinter ihren Stühlen, die sie im Raum verteilt haben. Die Erzieherin oder der Erzieher sagt nach einem Signal eine Farbe und eine Tätigkeit an, z. B. „Rot – auf einen Stuhl stellen“ oder „Gelb – neben den Stuhl hocken“ etc. Alle Kinder, die ein Kleidungsstück in der angesagten Farbe tragen, führen die Tätigkeit aus. Hat jemand mitgemacht, der nichts von dieser Farbe an sich trägt, muss er sich auf seinen Stuhl setzen.
Training: Konzentration, Reaktion

 

WEITERE BEWEGUNGSSPIELE

„Niederschwellig und unkompliziert“

Frau Scheibner, was sind die wichtigsten Inhalte des Projekts?

Im Mittelpunkt stehen fünf kurze Erklärvideos, die Kinder auf ihrem Weg in die Schule zeigen. Zwei fahren gemeinsam Bus, einer nimmt das Rad, der nächste läuft zu Fuß. Ein Mädchen kommt zu einem Fahrradunfall hinzu. Jedes Kind meistert also unterschiedliche Herausforderungen im Straßenverkehr. Außer­dem gibt es ein Video zu Verkehrszeichen, wieder eingebettet in eine kleine Geschichte. Zu jedem der Filme gibt es Arbeitsblätter, die die Inhalte vertiefen. Außerdem haben wir zusammen mit Lehrkräften eine Handreichung entwickelt. Sie dient als Vorschlag oder Anleitung, wie Erziehende und Lehrkräfte das Projekt angehen und begleiten können.

Eigentlich wurde „German Road Safety Kids“ für Kinder im Grundschulalter entwickelt. Warum funktioniert das Projekt auch schon in der Kita?

Die Videos sind wirklich kurzweilig und auch Kita­Kinder erkennen sich oder ältere Geschwister wieder, so dass es für diese Ziel­gruppe gut passt. Das haben uns auch schon Erzieherinnen und Erzieher bestätigt, die bereits Erfahrung mit dem Projekt gesammelt haben. Wir haben daher in unseren Empfehlungen das geeignete Alter von der Primarstufe auf Vorschule gesenkt.

Ab welchem Alter halten Sie das Programm für geeignet?

Jünger als vier bis fünf Jahre sollten die Kinder nicht sein. Um die Aufmerksamkeitsspanne der Kleinen nicht auszureizen, ist es ratsam, die Videos häufiger zu stoppen. Dann kann die Erzieherin oder der Erzieher ganz gezielt nachfragen, erklären oder auf etwas im Film aufmerksam machen. Geeignete Stellen für solche Stopps werden übrigens in der Handreichung vorgeschlagen. Beim Ausfüllen der Arbeitsblätter brauchen die Kinder auch etwas mehr Unterstützung, aber sie können sie auch einfach ausmalen, während man gemeinsam die wichtigsten Aspekte bespricht. Wichtig ist die enge Begleitung durch die Erwachsenen.

Mussten Sie die Materialien für diese jüngere Zielgruppe anpassen?

Nein, das war nicht nötig. Aber wir haben sie unter anderem um den Aspekt Rollerfahren ergänzt, da Kita-­Kinder dieses Fahrzeug eher nutzen als ein Fahrrad. Außerdem neu sind Übungen zur Schulung des Gleichgewichts und ein Arbeitsblatt dazu, wie man den Helm richtig aufsetzt.

Welche Voraussetzungen gibt es, um das Projekt an einer Kita durchzuführen?

Hilfreich ist ein W­LAN­-Anschluss, obwohl man die Videos auch herunterladen und offline ansehen kann. Und natürlich braucht man ein Abspielgerät, wie Laptop oder Tablet. Personell sollte man mit ein bis zwei Personen pro zwölf Kinder in der Gruppe rechnen. Die Arbeitsblätter müssen im Vorfeld heruntergeladen, ausgedruckt und für jedes Kind kopiert werden.

Welchen zeitlichen Aufwand sollte eine Kita einplanen?

Bewährt hat es sich, über eine Woche lang hinweg jeden Tag ein Thema zu bearbeiten. Da die Filme einen gewissen „Seriencharakter“ besitzen, freuen sich die Kinder darauf, wenn es am nächsten Tag weitergeht. Für jede Einheit – also mit Besprechung, Ausfüllen der Arbeitsblätter, Nachbereitung – muss man rund zwei Stunden einplanen, natürlich in kleineren Etappen, damit es die Kinder nicht ermüdet.

Wie sehr müssen sich die Erzieherinnen und Erzieher selbst vorbereiten?

Wir haben darauf geachtet, das Projekt möglichst niederschwellig und unkompliziert zu halten. Niemand hat allzu lange Zeit, sich in die Fachmaterie einzuarbeiten – deshalb liefert unser Material alle relevanten Informationen im Anhang der Handreichung mit.

Das Programm ist vor allem für Kinder mit geringen Deutschkenntnissen geeignet. Langweilen sich dann die Kinder, die gut Deutsch sprechen?

Das glaube ich nicht. Die Filme sprechen jedes Kind an. Wir haben insgesamt sehr positives Feedback – allerdings sind die Videos für Kinder, die praktisch gar kein Deutsch können, noch immer zu schnell und sprachlich an einigen Stellen zu schwer. Die Erzieherinnen und Erzieher können das aber in der Regel gut auffangen. Es ist ein lebendes Projekt, wir justieren immer noch nach.

Interview mit Olivera Scheibner
Sie ist Referentin Integration und Migration beim Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) und hat das Projekt German Road Safety Kids als fachliche Berate­rin maßgeblich mitentwickelt.

 

DAS PROGRAMM

German Road Safety Kids wurde 2016 vom DVR in Zusammenarbeit mit der Unfallkasse Berlin entwickelt.

Die Materialien stehen zum kostenlosen Herunterladen auf der Webseite
www.germanroadsafety.de/kids.html
zur Verfügung.

 

Stromunfälle verhindern

Frage: Welche Schutzmaßnahmen vor den Gefahren von Strom müssen Kitas treffen?

Antwort: Die Pflichten des Trägers sind bei diesem sensiblen Thema sehr weitreichend. Es gibt etwa klare bauliche Anforderungen und Prüffristen für die elektrischen Anlagen und Betriebsmittel in Kitas – an diese müssen sich die Träger halten und auch eine Gefähr­dungsbeurteilung dazu durchführen.

Frage: Worauf kann und muss das Kita­ Personal selbst achten?

Antwort: Schutzleiterbügel in den Steckdosen dürfen nicht verbogen, übermalt, korrodiert oder verschmutzt sein, ansonsten ist nicht ge­währleistet, dass der Fehlerschutzstromschal­ter einwandfrei auslöst. Festgestellte Mängel müssen umgehend dem Träger gemeldet und durch Fachkräfte – und nur durch diese – beseitigt werden. Im Zweifelsfall ist der betref­fende Stromkreis außer Betrieb zu nehmen. Fehlerstromschutzschalter muss man mindes­tens alle sechs Monate testen – manche aber auch deutlich häufiger, das kann man über den Träger erfragen. Die Prüfung dürfen auch Laien durchführen, sofern die spannungsführenden Teile nicht berührt werden können.

Frage: Gibt es noch andere Aspekte?

Antwort: Im Kita-­Alltag fällt auf, wenn etwa eine Steckdose nicht 100-­prozentig fest in der Wand sitzt. Das muss sofort gemeldet und der Stromkreis getrennt werden. Alle Steckdosen müssen über einen integrierten Stocher­schutz verfügen. Wichtig: Das gilt auch für Steckdosenleisten und Verlängerungskabel. Werden Mehrfachsteckdosenleisten verwen­det, muss die maximale Belastungsgrenze, meistens 3.600 Watt, eingehalten werden.

Frage: Was ist beim Betrieb von Elektro­geräten zu berücksichtigen?

Antwort: Grundsätzlich sollte man sich die Frage stellen, wie viele Elektrogeräte wirklich notwendig sind und ob sie unbedingt mit Netzspannung betrieben werden müssen. Der Klassiker ist hier die Lichterkette. Am besten solche benutzen, die mit Batterien oder Schutztrafo betrieben werden. Grund­sätzlich sollen Leitungen und Kabel für Kinder nicht zugänglich sein. Also die Geräte möglichst außerhalb des Zugriffsbereichs der Kinder betreiben oder die Kabel hinter Möbeln oder Teppichen verstecken. Außerdem muss man sich die Geräte gut angucken, bevor man sie in Betrieb nimmt. Sind alle Anschlüsse und Kabel in Ordnung? Sobald ein Gerät defekt ist, darf es nicht mehr eingesetzt werden und muss von Fachleuten repariert oder ersetzt werden.

Frage: Welche Fehler sollte man unbedingt vermeiden?

Antwort: Das Kita­-Personal sollte mit der ge­botenen Umsicht mit elektrischen Zuleitungen und Geräten umgehen. Auf Putz verlegte Lei­tungen dürfen zum Beispiel nicht als Hänge­leiste für Bilder missbraucht, lose Kabel nicht einfach festgetackert werden. Auch gefährlich ist es, mehrere Steckdosenleisten oder Verlän­gerungskabel nacheinander zu schalten und herkömmliche Verlängerungskabel im Außen­bereich zu verwenden. Bitte auch keine po­tenziell brennbaren Gegenstände wie dünnes Papier oder Tücher in der unmittelbaren Nähe von elektrischen Geräten anbringen. Durch die Wärmeentwicklung besteht Brandgefahr.

Die Fragen beantwortete Dipl.-Ing. Rainer Rottmann, Aufsichtsperson der Unfallkasse NRW

Wasser, marsch!

In unserer Kneipp­-Kita spielt Wasser jeden Tag eine wichtige Rolle. Egal ob beim Knieguss, Wassertreten oder einem Armbad. Im großen Kneipp­-Raum befindet sich ein entsprechendes Wassertret-­Becken mit Handlauf für Groß und Klein. Die Kinder dürfen jeden Tag selbst entscheiden, was sie tun möchten. Durch das lauwarme Wasser treten, bis es kühl wird, und danach zum Warmwerden durch die Kita stampfen macht ihnen besonders Spaß. Warme Füße sind zu Beginn ein Muss. Sie stärken so automatisch ihr Immunsystem. Gerade in den letzten Monaten konnten wir beobachten, dass es deutlich weniger Krankheiten gab. Im Winter kann man das Wassertreten beispielsweise durch Schneetreten ersetzen und im Sommer stattdessen Matschtage anbieten. Als Grundregel gilt: Anwendungen am Unterkörper wirken beruhigend, während Anwen­dungen am Oberkörper eine anregende Wirkung haben. Deshalb bietet sich das Wassertreten beispielsweise sehr gut zur Beruhigung vor dem Mittagsschlaf an.

Notbetreuung in der Kita

Die Maßnahmen zum Schutz von Beschäftigten und Kindern wurden vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienste und Wohlfahrtspflege veröffentlicht. Sie gelten für bayerische Kitas, können jedoch auch für andere Bundesländer hilfreich sein.

Die Hinweise betreffen die Bereiche eingesetztes Personal, Hygieneplan, Verhaltensregeln, betreute Kinder, Begrüßung und Verabschiedung, Gruppengrößen und Krankheitsanzeichen. Sie stellen dabei Mindest-Maßnahmen dar und können vom Träger der jeweiligen Kindertageseinrichtung ergänzt werden. Unterstützung bieten die Fachkräfte für Arbeitssicherheit und der Betriebsarzt. Relevante Informationen werden zudem insbesondere durch das Robert-Koch-Institut zur Verfügung gestellt. Hier kann sich der Träger einer Kindertageseinrichtung täglich informieren und getroffene Schutzmaßnahmen für seine Beschäftigten gegebenenfalls anpassen.

Hier geht es zu den Regelungen für bayerische Kindertageseinrichtungen:
www.kuvb.de/fileadmin/daten/dokumente/GBI/Kitas/200402_1._Corona_aktual.Zusammenstellung.pdf

Auch die Unfallkasse Berlin hat einige Empfehlungen zum Schutz von Beschäftigten und Kindern in Kindertageseinrichtungen vor einer Infektion mit dem neuartigen Corona-Virus herausgegeben. Diese finden sich unter: www.unfallkasse-berlin.de

 

Lia gehört dazu

Lia ist eine Kämpferin. Und blitzgescheit. Da sind sich Erzieherinnen, Eltern und Integrationskraft einig. Gerade jetzt ist das fünf-jährige Mädchen gemeinsam mit den anderen Wackelzähnen unterwegs zum Bach. Die Vorschulgruppe der Kita Pusteblume nutzt den sonnigen Tag für einen Abstecher ans Wasser. Paarweise folgen die Kinder dem Feldweg, als Lia ihren Partner fragt: „David, können wir mal langsam machen?“ Dem Mädchen steckt der Ausflug vom Vortag noch in den Gliedern, das linke Bein schmerzt. Kein Thema für David. Die letzten der Gruppe sind sie noch lange nicht – ganz hinten widmen sich zwei Kinder intensiv den Kieseln auf dem Weg und fallen immer weiter zurück.

 

KURZ GESAGT!

  • Inklusive Kitas als Gewinn für alle
  • Offen über Ängste, Unklarheiten und Chancen im Team diskutieren
  • Externe Hilfe holen, Netzwerke aufbauen
  • Team, Eltern und Träger müssen an einem Strang ziehen

 

Inklusives Angebot

Seit zwei Jahren besucht Lia das Kinderhaus Pusteblume. Das ist nicht selbstverständlich. Lia ist mit einem seltenen Genfehler auf die Welt gekommen. Sie kann nicht schlucken. Deshalb erhält sie Essen und Trinken über eine Sonde im Bauch. Weil Hüfte und Knie nicht richtig ausgebildet sind, trägt Lia außerdem Orthesen. Diese medizinischen Hilfsmittel stabilisieren ihre Hüfte und Beine. Doch weiter als 500 Meter am Stück zu laufen, strengt das Mädchen an.

„Wir hatten große Angst“, erzählt die Kita-Leiterin Margot Koblitz von der Zeit, kurz vor Lias Start in der Kita. Denn nicht schlucken können bedeutet auch: Möglicherweise läuft Speichel in die Lunge und Lia bekommt keine Luft mehr. Das Mädchen könnte in der Kita sterben – das stand für die pädagogischen Fachkräfte im Raum.

Das Kinderhaus Pusteblume steht in Windesheim, einem kleinen Dorf mit 2.000 Einwohnern in Rheinland-Pfalz. Für Margot Koblitz war immer klar, dass die Einrichtung jedes Kind aus dem Ort aufnimmt. „Wir verstehen unsere Kita als inklusives Angebot.“ Das ist auch entsprechend im Konzept der Einrichtung verankert. 2016 kam die Anfrage von gleich drei Familien, die ein Kind mit einer Behinderung haben. Bei allen drei gab es erhöhten und medizinischen Unterstützungsbedarf durch die Erzieherinnen. Eines der Kinder ist Lia.

 

Alle einbeziehen

Margot Koblitz arbeitet seit über 40 Jahren in der Kita. Sie hat viel Erfahrung – auch damit, was man falsch machen kann. Sie erinnert sich gut an das erste Kind mit Behinderung in der Einrichtung. Wie sie sich damals entschied, es aufzunehmen. Und dass sie versäumte, das Team mitzunehmen. „Das gab viele Probleme.“

Für die Kita-Leitung war deshalb klar: Alle müssen einbezogen werden und an einem Strang ziehen. Das Team, die Eltern und der Träger. An zwei pädagogischen Tagen diskutierte das Team offen über Ängste, Unklarheiten, aber auch über Chancen. Nur wenn ohne Tabus über alles gesprochen wird, können Probleme ausgeräumt werden, so die Überzeugung von Margot Koblitz. Tina Krämer, heute Lias Bezugserzieherin bei den Wackelzähnen, erinnert sich: „Ich habe mich nicht getraut, Lia über die Magensonde Wasser zu geben.“ Nur zwei Erzieherinnen aus dem Team trauten sich das damals zu. Damit war klar: Nur diese beiden versorgen das Mädchen am Vormittag mit der erforderlichen Flüssigkeit. Niemand sollte überfordert werden. Für die Nahrung wurde eine andere Lösung gesucht. Lia besucht die Kita nur von 8 bis 12 Uhr, zum Mittagessen wird sie abgeholt.

Im Austausch: Lias Mutter Carina Seibold bespricht sich mit der Leiterin Margot Koblitz.

Notfallplan erarbeiten

Bei den pädagogischen Tagen waren auch der Träger, eine Supervisorin und Lias Mutter Carina Seibold dabei. Der Träger stand voll hinter der Inklusion. Für die Kita-Leitung war aber auch zentral, dass Eltern und pädagogische Fachkräfte offen zueinander sind – einander vertrauen. „Es kann passieren, dass Lia blau anläuft“, erklärte Carina Seibold den Erzieherinnen. Gemeinsam wurde ein Notfallplan für diesen Fall erarbeitet. Darin ist zum Beispiel festgehalten, dass zuerst der Notarzt und dann die Mutter informiert wird. Außerdem hat die Kita sich externe Hilfe gesucht. „Man braucht Menschen, die einen unterstützen“, sagt Margot Koblitz. Einer ihrer ersten Anrufe galt Stefanie Kuhn von der Unfallkasse Rheinland-Pfalz. „Ich habe versucht, Frau Koblitz die Angst zu nehmen“, erinnert sich Stefanie Kuhn an das Telefonat und erklärt: „Wenn etwas passiert, ist das Kind bei uns versichert.“ Die Aufsichtsperson empfahl außerdem, die Gefährdungsbeurteilungen anzupassen.

Jugendamt und Ärzte wurden einbezogen. „Im Umgang mit den Behörden braucht man ein dickes Fell und einen langen Atem“, sagt Margot Koblitz. Zu Lias Unterstützung in der Kita wurde eine Inklusionskraft genehmigt – damals mit 20 Stunden pro Woche. Außerdem tauschte sich die Leitung mit anderen Kitas über deren Erfahrungen mit Inklusion aus. Das gesamte Team besuchte extra einen zusätzlichen Erste-Hilfe-Kurs. Und vier Wochen vor Lias Eingewöhnung kurzfristig einen weiteren. „Wir haben kalte Füße bekommen. Deshalb haben wir an Puppen nochmal die Wiederbelebung geübt“, erinnert sich Margot Koblitz. Ängste ansprechen und gemeinsam Lösungen suchen – das zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Inklusion in dieser Kita.

Die anderen Kinder haben sich anfangs für Lias Besonderheiten interessiert. Mit Lias Einverständnis durften sie zuschauen, wie ihr Wasser in die Sonde gespritzt wird. Heute ist das für alle Normalität – auch für Bezugserzieherin Tina Krämer. Im Morgenkreis hat Lia den anderen Kindern ihre Orthesen, die normalerweise unter ihrer Hose verborgen sind, gezeigt und ihre Funktion erklärt. Die anderen Kinder wissen, dass Lia leichter umfällt. „Die Kinder sind sehr empathisch. Sie gehen aufmerksam miteinander um“, sagt Tina Krämer. Ständige Rücksichtnahme wird von ihnen aber nicht gefordert. Als zwei Wackelzähne einen Spaßkampf auf dem Boden starten, geht Lia einfach zur Seite.

Lia kann nicht schlucken und erhält Essen und Trinken über eine Sonde im Bauch.

Mut machen

Mit der Inklusion hat sich vor allem für die Erzieherinnen viel verändert. „Ich bin offener geworden“, sagt Tina Krämer. „Es macht einen stark, wenn man seine Ängste überwindet.“ Die pädagogischen Fachkräfte sprechen viel miteinander, die Herausforderung hat das Team zusammengeschweißt. „Wir haben alle zusammen viel gewonnen. Kinder mit Beeinträchtigung sind eine Bereicherung“, sagt Margot Koblitz. Sie möchte anderen Einrichtungen Mut machen, Inklusion zu wagen.

Und Lia? Die steht lachend auf einer Brücke und lässt Papierboote zu David in den Bach fallen. Der fischt sie eifrig aus dem Wasser. Lia gehört dazu. Sie ist ein Wackelzahn, wie alle anderen.

 

MATERIALIEN

  • „Inklusion in Kindertageseinrichtungen“; DGUV Information
    202- 099, Download und Bestellung unter: publikationen.dguv.de
  • „Medikamentengabe in Kindertageseinrichtungen“; DGUV Information 202-092, Download und Bestellung unter: publikationen.dguv.de
  • „Kinder mit chronischen Erkrankungen und gesundheitlichen Problemen“, Information der UK RLP; Download unter:
    ukrlp.de; Webcode: b475

Eine Kita für alle

Vor welchen Herausforderungen stehen Kitas bei der Inklusion?

Inklusion bedeutet, dass jedes einzelne Kind an gemeinschaftlichen Aktivitäten teilhaben und diese mitgestalten kann. Als Pädagogin muss ich also offen dafür sein, wirklich alle Kinder in meiner Einrichtung willkommen zu heißen. Das klingt zunächst selbstverständlich, im Alltag kann es mir aber zum Beispiel leichter fallen, ein Kind mit einem Hörgerät aufzunehmen als ein Kind mit einer Beeinträchtigung der geistigen Entwicklung.

Was, wenn pädagogische Fachkräfte vor dieser Aufgabe zurückschrecken?

Es ist normal, sich zu fragen: Kann ich mir das überhaupt vorstellen? Selbstreflexion gehört zu jeder Pädagogin und jedem Pädagogen als wichtige Ressource dazu. Erstaunlich viele haben bereits persönliche – gute und weniger gute – Erfahrungen mit verschiedenen Formen der Behinderung gemacht. Diese Erfahrungen müssen im Team diskutiert werden. Und wenn jemand noch nicht so weit ist, muss er das benennen dürfen. Man darf zur Inklusion auch Nein sagen. Inklusion funktioniert nicht, wenn sie übergestülpt wird. Eine inklusive Kindertagesstätte zu werden, ist ein Prozess. Es braucht eine erfahrene Leitung, die das Thema gemeinsam mit dem Team erarbeitet.

Wie verändert sich die pädagogische Arbeit?

Wenn man bereits zuvor den Anspruch hatte, individuell auf jedes Kind einzugehen, dürfte sich die Arbeit nicht grundsätzlich ändern. Aber je nachdem, welches Kind ich aufnehme, muss ich den Raum anpassen, zum Beispiel damit das Kind die Spielsachen erreichen oder alleine auf die Toilette gehen kann. Insgesamt gilt, das Kind nicht überzubehüten, sondern es genauso zu fördern und zu fordern wie alle anderen. Meine Erfahrung zeigt: Inklusion ist eine Herausforderung, aber auch eine große Bereicherung.

Wie genau profitiert denn die Krippe oder Kita?

Kinder leben uns vor, ganz selbstverständlich miteinander umzugehen. Gerade habe ich es wieder erfahren: Ein kleines Mädchen in einer Krippe brauchte viel Hilfe beim Laufen. Als sich die Pädagoginnen und Pädagogen noch fragten, wie sie ihre Betreuung gestalten sollten, haben die anderen Krippenkinder das Mädchen einfach mitgenommen, ihm Sachen gebracht oder auch klar gesagt: „Das kann die noch nicht.“ Kinder nehmen uns Erwachsenen die Scheu. Ich persönlich habe gelernt, mich viel mehr zu trauen und den Kindern viel mehr zuzumuten. Auch den Eltern wird oft ein anderer Blickwinkel aufgezeigt.

Wann stößt Inklusion an Grenzen?

Zum einen, wenn der Personal-Kind-Schlüssel oder die räumlichen Bedingungen nicht ausreichen. Die übergeordnete Verantwortung dafür liegt beim Träger. Es bedarf jedoch auch eines hohen Engagements der Leitung, die dem Träger die Situation und den Bedarf ganz offen darstellen sollte.

Zum anderen kann eine Grenze entstehen, wenn die Eltern des Kindes mit besonderen Bedürfnissen nicht offen sind, einem also nicht alle Informationen geben, die man für eine gute Erziehungspartnerschaft braucht. Die Einrichtung muss wissen, auf was sie sich einlässt. Wichtig ist auch, die Erwartungen der Eltern abzuklären, die oft sehr hoch sind.

Auch die Eltern der anderen Kinder haben Erwartungen.

Richtig. Und sie können Vorurteile oder Ängste haben, dass die Erzieherinnen und Erzieher zum Beispiel weniger Zeit für das eigene Kind haben werden.

Wie kann man diesen Ängsten begegnen?

Durch Transparenz. Indem man ins Gespräch kommt. Gute Erfahrungen habe ich damit gemacht, dass sich die Eltern des Kindes mit besonderen Bedürfnissen den anderen Eltern vorstellen. Das kann zu mehr Verständnis beitragen. Man darf aber nicht vergessen: Es gibt aber auch viele Eltern, die sich ganz bewusst für eine inklusive Einrichtung entscheiden.

Wo finden Einrichtungen Unterstützung bei dem Prozess der Inklusion?

In vielen Städten gibt es Fachberatungen und sonderpädagogische Beratungsstellen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten sich laufend fortbilden. Dazu gehören Supervision und ein Austausch unter Kolleginnen und Kollegen. Man kann auch Kontakt zu anderen Einrichtungen aufnehmen, die Inklusion bereits leben. Ein Netzwerk aufzubauen, ist eine wichtige Grundlage. Ich muss wissen, wer ein Kind medizinisch und therapeutisch behandelt und betreut, um mich bei Fragen und Verunsicherung austauschen und abstimmen zu können. Schon ein paar Tipps können die tägliche Arbeit erleichtern.

Interview mit Anne Groschwald. Sie ist Erzieherin, systemische Beraterin, Supervisorin und Autorin des Sachbuches „Inklusion in Krippe und Kita“.

 

Wir leben Inklusion

Vor einigen Jahren sagte jemand zu Daniela Koffmane: „Erzieherin ist kein geeigneter Beruf für eine Person im Rollstuhl.“ Für sie kein Grund, sich entmutigen zu lassen. Seit einem Schulunfall sitzt sie im Rollstuhl. Nach dem Abitur stand für sie fest: Ich werde Erzieherin. Daran hat sie festgehalten.

Seit drei Jahren arbeitet sie in der Protestantischen Kindertagesstätte Turnerstraße in Kaiserslautern. Dort ist die 36-Jährige ein wichtiger Teil des Teams, wie Kita-Leiterin Nadine Krämer-Bernhard erklärt. Ihr Rollstuhl? Fällt hier nicht auf. „Für die Kinder ist das völlig normal. Sie sehen keinen Unterschied zwischen meinem Rollstuhl und der Brille einer Kollegin“, sagt Daniela Koffmane.

Auch für die Arbeit im Team ist das nicht von Belang. Der Tagesablauf ist für alle pädagogischen Fachkräfte derselbe, die Aufgaben sowieso. „Alle sind hier sehr offen, nehmen Rücksicht aufeinander und unterstützen sich gegen-seitig“, erklärt die Erzieherin. Ihr Rollstuhl wird dabei schon gar nicht mehr wahrgenommen.

 

KURZ GESAGT!

  • Auch Menschen im Rollstuhl können als Erzieher oder Erzieherin arbeiten
  • Kinder lernen Vielfalt kennen
  • Berührungsängste werden genommen
  • Neubauten sollten barrierefrei geplant werden

 

Zugang ermöglichen

Die Kita ist barrierefrei. Darauf wurde beim Neubau viel Wert gelegt. „Das ist uns sehr wichtig bei Sanierungen und Neubauten. So können wir allen den Zugang zu unseren Kitas ermöglichen“, sagt Michael Sattel, Geschäftsführer der Gesamtkirchengemeinde Kaiserslautern, dem Träger der Kita. In der Turnerstraße ließ man zu Beginn der Tätigkeit von Daniela Koffmane zusätzliche Rampen installieren. So kann sie das Außengelände von jedem Gruppenraum aus problemlos erreichen. Überhaupt gelangt sie bis in den letzten Winkel der Kita. „Ich habe einen sehr schmalen Rollstuhl. Deshalb kann ich beispielsweise auch in die Kindertoiletten fahren.“

Keine Berührungsängste

Vorurteile gegen Behinderungen? In dieser Kita Fehlanzeige. Auch die Eltern sind aufgeschlossen. Hier war sofort klar, dass die Kinder von der gelebten Inklusion profitieren. Sie lernen Vielfalt kennen, Rücksicht zu nehmen, und bauen erst gar keine Berührungsängste auf. „So sammeln sie Erfahrungen, die sie für den Rest ihres Lebens prägen“, erklärt Nadine Krämer-Bernhard. Das äußert sich schon im Kita-Alltag. Die Kinder denken mit, wissen, was mit Rollstuhl geht und was nicht. Einmal fragte eine Mutter ihr Kind, wieso es vor ihr immer wegläuft, aber vor Daniela Koffmane nicht. „Das Kind antwortete nur: Na weil sie mir nicht hinterherrennen kann“, sagt die Erzieherin und lacht.

Auch die sprachliche Entwicklung wird so gefördert. „Ich muss viel über Worte regeln“, erzählt Daniela Koffmane. Beispielsweise wenn tatkräftige Hilfestellung durch einen Erwachsenen gefragt ist. Dann erklärt die Erzieherin, wie die Kinder die Situation selbst lösen können. So werden auch Motorik und Resilienz gestärkt.

Viele Kinder sind neugierig auf den Rollstuhl. Immer wieder fragen sie, ob sie auch einmal fahren dürfen. „In meiner Gruppe kann jedes Kind Rollstuhl fahren. Sie lernen das schneller als Erwachsene.“ Dann setzt sich Daniela Koffmane auf das Sofa ihres Gruppenraumes, gibt Tipps und schaut dabei zu, wie die Kinder mit dem Rollstuhl herumsausen. Natürlich ist immer eine zweite Erzieherin dabei. Das eingespielte Kita-Team unterstützt sich gegenseitig, wo es kann. Wenn Daniela Koffmane doch mal an ihre körperlichen Grenzen kommt, ist immer eine Kollegin oder ein Kollege da und springt ein.

Ein paar kleine Schwierigkeiten gibt es dennoch: zum Beispiel die sehr hohe Klinke der Eingangstür. „Da ich mich auf derselben Ebene bewege wie die Kinder, komme ich da nicht dran“, erklärt die Erzieherin. Durch die richtigen baulichen Maßnahmen lässt sich sowas aber schon beim Neubau einer Kita vermeiden. An anderer Stelle hat ihre Perspektive Vorteile. Denn mit den Kindern bewegt sie sich auf Augenhöhe. Daniela Koffmane ist überzeugt: „Die Kita ist genau der richtige Arbeitsplatz für mich.“

Hochbeet statt Hollandtomate

Kartoffel, Kohlrabi, Kürbis & Co – dafür braucht es keinen üppigen Garten mit Gemüsebeet, es reicht eine kleine Ecke mit etwas Sonne. „Denn Hochbeete benötigen nicht viel Platz und sie sind ratzfatz angelegt“, sagt Michael Markowski vom NABU-Naturschutzzentrum Rheinauen in Bingen. Ob in der Stadt oder auf dem Land: Der Umweltpädagoge ist überzeugt, dass Hochbeete für alle Kitas eine Bereicherung sind. So können die Kinder hautnah miterleben, wie aus einem winzigen Samenkorn Gemüse wächst. Sie können selbst das Saatgut in die Erde bringen, die jungen Pflanzen pflegen und gießen – und später zur Belohnung eine Möhre davon probieren. „Kinder lernen, wo unser Gemüse herkommt und wie Lebensmittel hergestellt werden“, erklärt Michael Markowski. „Das fördert die Naturnähe.“

 

KURZ GESAGT!

  • Auf wenig Platz Kräuter, Gemüse und Obst anpflanzen
  • Kinder lernen, wie Gemüse wächst
  • Natur kann auf Augenhöhe beobachtet werden

 

Kerne wieder einpflanzen

Bei Hochbeeten besteht keine Gefahr, dass Kinder beim Spielen aus Versehen auf das junge Gemüse treten. Zudem wachsen die Pflanzen auf Augenhöhe. Die Mädchen und Jungen können gut beobachten, wie Marienkäfer über Blätter krabbeln, Schmetterlinge um Blüten flattern oder sich ein Regenwurm durch die Erde gräbt. „Das ist für viele Kinder sehr spannend“, so die Erfahrung des NABU-Experten. Dabei sollten die Einrichtungen Wert auf Sortenvielfalt legen – und zum Beispiel verschiedene Tomatensorten pflanzen: gelb und klein oder rot und fleischig, rund oder birnenförmig. „So erleben Kinder: Es gibt nicht nur Hollandtomaten aus dem Supermarkt, die alle gleich aussehen.“

Kitas sollten darauf achten, dass das Saatgut „samenfest“ ist. Nur so sei eine gute Nachzucht gewährleistet, erklärt Michael M arkowski. Später können die Kinder vor dem Essen die Kerne aus Kürbis oder Gurke puhlen – und im nächsten Frühjahr wieder einpflanzen. „So können die Kindergärten über Jahre hinweg mit dem gleichen Saatgut arbeiten.“

Lehrreich für alle

Ein Hochbeet ist im Nullkommanichts gebaut. Eltern können gut dabei helfen. Der Experte empfiehlt, witterungsbeständige Hölzer wie Lärche oder Douglasie zu verwenden. Im Baumarkt kann man sich die Bretter pass genau zuschneiden lassen. Ideal ist eine Höhe von 75 Zentimetern, damit die Kinder gut an die Pflanzen drankommen. Länge und Breite können variieren, je nach Platz.

Als erste Schicht können die Kinder in die Hochbeete unter anderem Steine, Tannenzapfen, Holzklötze und dicke Äste füllen. Danach folgt eine Schicht aus groben Gartenabfällen, Laub und Grassoden. Zum Schluss wird Muttererde gemischt mit Kompost aufgeschüttet. Und schon kann es losgehen.

Wichtig ist jedoch, dass sich auch jemand um die Pflanzen kümmert, wenn die Kita geschlossen hat. Eine gute Idee ist zum Beispiel, sich dafür Paten zu suchen: Eltern oder Nachbarn, die in der Schließzeit regelmäßig gießen – und Spaß daran haben.

Im ersten Jahr, rät der Naturpädagoge, sollten am besten Gemüsesorten angebaut werden, die viele Nährstoffe benötigen: Gurke, Tomate, Zucchini oder Kürbis. Im nächsten Jahr eignen sich Möhre, Fenchel, Salat, Paprika oder Sellerie. Einige Erwachsene seien am Anfang etwas ratlos, wie sie das Gemüse zubereiten können, berichtet Michael Markowski. „Deshalb ist so ein Hochbeet oft nicht nur lehrreich für Kinder, sondern auch für pädagogische Fachkräfte und Eltern.“

 

MEHR INFOS

Viele tolle Tipps und Spielideen rund ums Thema Hochbeete gibt es auf der Projektseite vom NABU Rheinland-Pfalz:
https://kindergartenpaten.jimdo.com

Mit dem neuen Projekt „Kita-Naturbotschafter“ will der NABU in
Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland u. a. die biologische Vielfalt in Kita-Gärten fördern. Geschulte Seniorinnen und Senioren sollen die Kitas dabei unterstützen, ihr Gelände naturnäher zu gestalten. Dazu gehört zum Beispiel der Bau von Hochbeeten und Nistkästen oder das Pflanzen von Bäumen und Wildblumen. Mehr Infos unter:
www.kita-naturbotschafter.de

Neue Branchenregel für Kitas

Gemeinsame Mahlzeiten und Pausen, gezielte Bildungs- und Bewegungsangebote, Partizipation von Kindern und Eltern: Der Alltag in Kitas und die Aufgaben der pädagogischen Fachkräfte haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Die neue Branchenregel „Kindertageseinrichtung“ trägt dem Rechnung und zeigt die wichtigsten Gefährdungen und Präventionsmaßnahmen im Kita-Alltag. Anhand rechtlicher Grundlagen und mit Praxistipps wird für typische Situationen beschrieben, wie Beschäftigte ein sicheres Umfeld schaffen und berufsbedingte Belastungen oder Erkrankungen vermeiden.

 

KURZ GESAGT!

  • Rechtliche Grundlagen und Praxistipps für ein sicheres Kita-Umfeld
  • Gilt für die gesamte Kita
  • Erstmals spielen pädagogische Faktoren eine Rolle

 

Dabei gilt sie aber nicht nur für Kita-Träger und pädagogische Fachkräfte, sondern für die gesamte Kita: „Eine besondere Herausforderung bei der Sicherheit und Gesundheit in Kitas ist die Vielfalt der Personen, die dort zusammenkommen. Ob Erzieherinnen und Erzieher, Kinder oder Eltern – die Branchenregel berücksichtigt alle Personengruppen und deren Miteinander“, erklärt Dr. Heinz Hundeloh, Leiter des DGUV Fachbereichs Bildungseinrichtungen.

Neu ist auch, dass in der Branchenregel pädagogische Faktoren eine Rolle spielen. Bisherige Vorschriften und Regelwerke der Unfallversicherungsträger haben sich auf technische und organisatorische Aspekte der Prävention konzentriert. „Wir sind allerdings überzeugt, dass ein schlecht gestaltetes Bildungsangebot ebenso zu Unfällen und Erkrankungen führen kann wie eine mangelhafte räumliche Ausstattung oder schlechte Arbeitsorganisation“, verdeutlicht Heinz Hundeloh. Daher richten die Unfallversicherungsträger ihre Präventionsarbeit ganzheitlich aus.

Praktisches Werkzeug

Bei der Erarbeitung der Branchenregel legte die gesetzliche Unfallversicherung großen Wert darauf, Profis aus der Praxis einzubeziehen. „Dank der Fachleute haben wir nicht nur ein sehr breites Themenspektrum, sondern auch die Bedürfnisse der Beschäftigten besser im Blick“, sagt Heinz Hundeloh. So werden Leitungs- und Dokumentationsaufgaben, die Zusammenarbeit mit den Eltern sowie Regelungen zu Dienstplänen, Pausen und Krankheitsvertretungen ebenfalls thematisiert.

Die Branchenregel setzt kein eigenes Recht, sondern fasst das vorhandene komplexe Arbeitsschutzrecht verständlich und klar zusammen. Damit eignet sie sich als Hilfestellung für die Erstellung der gesetzlich vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung.

Sie dient Verantwortlichen zudem als praktisches Werkzeug: Symbole vereinfachen das Auffinden von Informationen, konkrete Beispiele und Bilder veranschaulichen die Handlungsanweisungen. Auf der rechten Seite finden Sie eine Übersicht über sämtliche Themen. Sie können die Regel 102-602 „Branche Kindertageseinrichtung“ in der DGUV Publikationsdatenbank kostenfrei herunterladen:

publikationen.dguv.de >
Webcode: p102602

Wichtig ist, dass die neue Branchenregel gemeinsam in Teamsitzungen besprochen wird.

 

Zusammen wachsen

Montagmorgen, zehn Uhr: Die letzten Kinder sind gerade eingetrudelt. Eine Mutter verabschiedet sich noch schnell von ihrem Sohn. Aus den Gängen und Gruppenräumen hört man Gebrabbel und Gelärm. Einige Kinder machen sich gerade fertig für einen Ausflug in den Wald. „Jetzt ist wieder Matschhosen-Zeit bei uns“, sagt Kita-Leiterin Veronique Braun.

Mittlerweile ist der Alltag in der katholischen Kita St. Sebastian eingekehrt. Im Mai 2019 hat die Einrichtung im hessischen Eppertshausen den deutschen Kita-Preis erhalten. Der Trubel danach war groß. „Alle waren völlig aus dem Häuschen“, erzählt die Kita-Leiterin. Träger, Gemeinde, Team, Eltern und Kinder haben sich riesig über diesen Erfolg und die Bestätigung ihrer Arbeit gefreut.

 

KURZ GESAGT!

  • Enges Verhältnis zwischen Kita und Eltern
  • Eltern können sich in viele Prozesse einbringen
  • Ausschüsse, Veranstaltungen und der Elternbeirat sind gute Möglichkeiten hierfür

 

Enge Erziehungspartnerschaft

Die Jury überzeugte vor allem die enge Zusammenarbeit in der Einrichtung. Denn in Eppertshausen dürfen sich alle mit Ideen einbringen und dazu einladen, mitzumachen. Partizipation geht hier weit über die Bitte um Unterstützung hinaus. Daraus entstand über Jahre hinweg eine enge Erziehungspartnerschaft zwischen pädagogischen Fachkräften und Eltern.

„Wir als Eltern geben nicht nur unsere Kinder ab und gehen wieder. Wir gehören dazu und werden eingebunden“, erklärt eine Mutter. So zum Beispiel, als vor zwei Jahren das Außengelände neu gestaltet wurde. Da planten die Mütter und Väter mit, sammelten Spenden und rammten eigenhändig die Pfeiler des neuen Klettergerüsts in den Boden. Oder bei der jährlichen Faschingsbörse. Die gibt es schon seit etwa 20 Jahren. Und sie wurde schon immer von den Eltern organisiert. „Das hat ganz klein angefangen. Mit ein paar Kostümen, die im Turnraum verkauft wurden“, sagt Veronique Braun.

Inzwischen findet die Faschingsbörse in der Bürgerhalle der etwa 6.000-Seelen-Gemeinde statt und hat einen festen Platz im Kalender. Dafür muss die Halle ein ganzes Wochenende lang gemietet werden. Vom Sammeln der Kostüme über die Vorbereitung und den Aufbau bis hin zum Abbau und dem Zurücksortieren wird alles von den Eltern gestemmt. Dabei beteiligen sich auch Mütter und Väter ehemaliger Kita-Kinder. Der Erlös kommt zu großen Teilen der Einrichtung zugute.

„Die Eltern beteiligen sich hier einfach gerne. Vermutlich, weil sie es dürfen und wir sie ernst nehmen“, sagt die Kita-Leiterin. Die Türen der Kita stehen den Eltern immer offen. Ihnen werden viele Möglichkeiten gelassen, sich zu beteiligen. Daraus ist über Jahre hinweg ein enges Verhältnis gewachsen.

Konflikte gemeinsam lösen

Die Kita-Eltern in Eppertshausen sind gut organisiert. Der Elternbeirat hat 15 Mitglieder. Außerdem gibt es verschiedene Ausschüsse, die sich regelmäßig treffen. „Uns ist es wichtig, dass es unseren Kindern gut geht. Also helfen wir natürlich gerne mit“, sagt eine Mutter. Veronique Braun ist sich sicher: Die Einstellung einer Kita zu den Eltern spielt dabei eine große Rolle.

Konflikte gibt es aber natürlich auch. Kürzlich beispielsweise, weil nicht alle Eltern damit einverstanden waren, dass beim gemeinsamen Frühstück auch Marmelade angeboten wird. Die Kita hat dazu klar Stellung bezogen und ihren Standpunkt erläutert. Die Eltern haben dann Gespräche geführt und Beobachtungen miteinander geteilt. Am Ende konnten alle davon überzeugt werden, dass Marmelade beim Frühstück kein Problem ist.

 

Mehr Informationen zum Deutschen Kita-Preis und den Preisträgern gibt es unter:
www.deutscher-kita-preis.de

Schnuppern, Besuchen, Hospitieren

Frage: Sind Schnupperkinder gesetzlich unfallversichert?

Antwort: Schnupperkinder in einer Kinderbetreuungseinrichtung sind grundsätzlich gesetzlich unfallversichert. Dazu gehört natürlich, dass das Kind ganz normal am Betreuungsangebot der Einrichtung teilnimmt mit dem Ziel der Aufnahme in der dortigen Einrichtung, die es sich anschaut.

Frage: Sind die Schnupperkinder auch unfallversichert, wenn sie gemeinsam mit ihren Eltern in der Kita sind?

Antwort: Mit dem Schnuppern können Kinder vor der regelmäßigen Aufnahme zeitweise in der Kita beim Betreuungsangebot dabei sein, um zu sehen, ob sie sich wohlführen. Kinder sind dabei ab der Übergabe in das Betreuungsangebot versichert. Auch in der Eingewöhnungsphase sind Kinder in der Kita versichert, auch wenn die Eltern dabei sind, ebenso wie auf dem Hin- oder Heimweg.

Frage: Müssen Eltern oder pädagogische Fachkräfte Formulare ausfüllen, damit Versicherungsschutz besteht?

Antwort: Der Unfallversicherungsschutz besteht wie bei allen Kindern, die eine Kita besuchen, per Gesetz und antragsfrei.

Frage: Manchmal besuchen ehemalige Kita-Kinder die Einrichtung für einen Tag – zum Beispiel in ihren ersten Schulferien. Besteht für diese Kinder Versicherungsschutz?

Antwort: Besuchskinder wie ehemalige Kindergartenkinder, die ihre frühere Kita besuchen, stehen ebenso unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Auch Kinder wie beispielsweise Geschwisterkinder, die wegen eines
Notfalles stunden- oder tageweise zusammen mit den Kindergartenkindern betreut werden, sind abgesichert.

Frage: Schülerinnen und Schüler der achten oder neunten Klasse arbeiten häufig während des Schülerpraktikums in einer Kita. Wie sind diese Teenager versichert?

Antwort: Praktikantinnen und Praktikanten sind immer gesetzlich unfallversichert – entweder im Schülerpraktikum über die gesetzliche Unfallversicherung oder über den Unfallversicherungsträger der Einrichtung bei freiwilligen Praktika.

Die Antworten gab Franziska Lüdtke, Abteilungsleiterin Recht und Rente der Unfallkasse Baden-Württemberg

Kontakte knüpfen

Es gibt viele Stellen, die Kitas bei Fragen rund um das Thema Inklusion Unterstützung anbieten. Zunächst sind das vor allem die zuständigen Fachberatungen und Inklusionsfachstellen der Ämter in Stadt- und Landkreisen. Darüber hinaus können sich die Einrichtungen aber auch an Frühförderstellen, Sozialpädiatrische Zentren oder die Lebenshilfe wenden. Je nachdem, welche Anliegen die pädagogischen Fachkräfte haben bzw. zu welcher Art der Behinderung sie eine Beratung benötigen.

Auch im Internet findet man viele hilfreiche Informationen. Zum Beispiel den Index für Inklusion, einen Leitfaden für Kitas, die sich inklusiv ausrichten wollen. (Anm. d. Red.: Zu finden unter www.gew.de mit dem Suchbegriff „Index für Inklusion in Kindertageseinrichtungen“).

Einer der wichtigsten Punkte ist jedoch die Netzwerkarbeit. Wichtig ist, sich mit Fachstellen und Kitas untereinander auszutauschen. Viele haben schon eigene Erfahrungen gemacht und können diese teilen. Der kollegiale Austausch verschiedener Einrichtungen ist ein Gewinn für die inklusive Arbeit vor Ort. Um neue Kontakte zu knüpfen und Impulse zu bekommen, bieten sich aber natürlich auch Fortbildungen an.

Ein Garten für alle

„Im Generationengarten treffen wir regelmäßig Kinder verschiedener Schulen, einer Jugendwerkstatt und Senioren. Gemeinsam arbeiten wir im Garten und lernen voneinander. Dabei erfahren die Kinder zum Beispiel, wie viel Arbeit es ist, bis Gemüse oder Obst im Supermarktregal liegen. Der Garten steht uns jederzeit offen, er ist Teil unserer pädagogischen Arbeit. Dazu gehört auch die Stadtteilarbeit. Etwa wenn wir selbstgepressten Apfelsaft auf dem Markt verkaufen oder die Senioren besuchen, mit ihnen Naturfarben herstellen und damit malen. So wird auch unsere pädagogische Arbeit in der Stadt besser wahrgenommen und geschätzt. Im Generationengarten entdecken nicht nur die Kinder ständig Neues, auch ich lerne stets dazu.“

Das Elefanten-Problem

Nur einen kurzen Moment. So lange ist die Erzieherin Petra Schmauder mit ihrer Aufmerksamkeit erst bei dem wild tobenden Mädchen und dann bei dem Jungen, der stolz sein Bauwerk erklärt. Dieses Zeitfenster reicht Marius (Name geändert), um das Elefanten­-Problem zu lösen.

Eigentlich wollte der Dreijährige das graue Tier malen – mit Hilfe des „Zeichenschule“­ Buchs. Weil das nicht gelang, hat er das Tier sorgsam ausgeschnitten. Und sich dann fix aufs Außen­gelände der Kita verabschiedet. Jetzt klafft ein Loch in der Buchseite.

 

KURZ GESAGT!

  • Kinder dürfen sich angstfrei ausprobieren
  • Bewusst mit der Sprache umgehen
  • Statt Kritik: Fokus auf Stärken
  • Lösung für schwierige Situationen im Rollenspiel suchen

 

Aus Erfahrungen lernen

Kinder und ihr Verhalten nicht negativ zu be­werten – darauf legen die pädagogischen Fach­kräfte dieser Kita großen Wert. 122 Kinder besu­chen die Einrichtung, 21 Erzieherinnen arbeiten hier. „Die Kinder müssen etwas falsch machen dürfen, um es richtig machen zu können“, sagt Petra Schmauder. Dabei ist das Verhalten der pä­dagogischen Fachkräfte von großer Bedeutung: Sie können die Kinder so unterstützen, dass sie durch Fehler nicht entmutigt werden. Die Kinder dürfen sich hier angstfrei ausprobieren und aus ihren Erfahrungen lernen und stark werden.

Die Erzieherin wird deshalb später zu Marius sa­gen: „Ich finde es schön, dass du dir beim Aus­schneiden so große Mühe gegeben hast.“ Dann blättert sie gemeinsam mit dem Jungen das Buch durch, lenkt seine Aufmerksamkeit auf die Lücke. Was tun, damit der Elefant wieder abge­malt werden kann? Gemeinsam suchen sie eine Lösung – und kleben den Elefanten wieder ein.

Die Kinder dürfen sich angstfrei ausprobieren und aus ihren Erfahrungen lernen.

Die Kinder ernst nehmen

Die positive und achtsame Grundhaltung zu den Kindern und die damit verbundene wertschät­zende Kommunikation haben im Evangelischen Kindergarten Hülben einen so hohen Stellen­wert, dass sie im pädagogischen Konzept fest­geschrieben sind. Sie waren Thema von päda­gogischen Tagen, die Erzieherinnen besuchen entsprechende Fortbildungen, außerdem gibt es einen Elternabend zum Thema „Positiv spre­chen mit Kindern“.

Anstatt zu bewerten, wird hier viel zugehört. Wenn ein Kind das andere schlägt, fragen die Erzieherinnen nach den Gefühlen, die dahinter stehen. Wie ging es dir? Was glaubst du, wie es dem anderen Kind ging? Was können wir tun, um das zu ändern? Kita­-Leiterin Marion Lüer ist überzeugt: „Nur wenn ein Kind ernst genommen und beteiligt wird, setzt sich ein positiver Lern­prozess in Gang.“ Deshalb wird gemeinsam mit den Kindern nach Lösungen gesucht. Die Kinder lernen, dass sie etwas bewirken können und werden gestärkt.

Mit Sprache gehen die Erzieherinnen sehr bewusst um. „Man visualisiert das, was gesagt wird – auch wenn ein ,nicht‘ eingefügt ist“, sagt Marion Lüer und führt ein Beispiel an: „Welches Bild entsteht, wenn ich sage: Denken Sie nicht an einen rosa Elefanten!“ Entsprechend gelte für Kinder: Auch wenn etwas negativ formuliert wird, visualisieren sie das beschriebene Bild.

Deshalb versuchen die Erzieherinnen den Kindern zu sagen, was sie wollen – und nicht, was sie nicht wollen. Statt „So fällst du gleich runter!“, „Wirf nicht mit den Bausteinen!“ oder „Renn nicht auf die Straße!“ wird gesagt „Halt dich fest!“, „Leg die Bausteine hin!“ oder „Bleib stehen!“. Klare Ansagen in kritischen Situati­onen sind problemlos möglich. Aber eben im Positiven formuliert.

Anstatt das Verhalten von Kindern zu bewerten, wird hier viel zugehört.

Rollenspiel in Teamsitzungen

Schwieriger sind andere Situationen. Die Kita­ Leiterin erzählt von einem Jungen, der ständig zum Petzen kommt – manchmal alle paar Minuten. Das kostet die Erziehrinnen viel Energie und Nerven. Solche Situationen werden dann zum Thema in Dienstbesprechungen.

Hier hinterfragen die pädagogischen Fachkräfte: Was macht das Verhalten des Jungen mit uns? Was steckt hinter seinem Verhalten? In Rollen­ spielen werden Situationen nachgestellt und Lösungen für alle Beteiligten gesucht. Vielleicht hat er einen besonderen Gerechtigkeitssinn? Anstatt „Du sollst nicht ständig petzen“ sagen die Erzieherinnen im Rollenspiel: „Ich habe alles im Griff. Komm, wir setzen uns zusammen hin und schauen zu, was passiert, wenn wir nicht eingreifen.“

Das kostet Zeit und gelingt im Kitaalltag nicht im­mer. „Wir sind alle nicht perfekt – das Scheitern passiert täglich“, sagt Marion Lüer. Natürlich kommt es vor, dass eine Erzieherin unfreundlich oder laut wird. „Oft steckt Überforderung dahin­ter.“ Aber auch dann gibt es immer die Möglich­keit, einen zweiten Anlauf zu nehmen, einen zweiten Satz zu den Kindern zu sagen.

Und statt ihren Mitarbeiterinnen Vorwürfe zu machen, setzt die Leiterin dann auf eine Aus­zeit für die Betroffene, manchmal im Dienst­zimmer mit einer Tasse Tee. Ein wertschätzen­des Miteinander – der Anspruch gilt auch für den Umgang der Leiterin mit den Erzieherinnen und innerhalb des Teams. „Die Arbeit im Team macht mehr Spaß, wenn jeder weiß, dass man Fehler machen darf“, sagt Marion Lüer. Hier sieht sie sich als Leitungskraft ganz wesentlich in der Verantwortung. „Wenn es den Erzieherin­nen gut geht, geht es auch den Kindern gut.“

 

MERKMALE EINER OFFENEN FEHLERKULTUR

Wer Fehler offen anspricht, trägt viel zu Sicherheit und Gesundheit bei. In einer offenen Fehlerkultur werden Fehler nicht verheimlicht, sondern als Entwicklungs­- und Lernchancen für alle verstanden. So kann eine Kita sicherer und gesünder gestaltet werden. Merkmale einer offenen Fehlerkultur:

  • Führungskräfte, Beschäftigte, Kinder und Eltern gehen gleichermaßen offen mit Fehlern um.
  • Eine konstruktive Fehlerkultur ist in das pädagogische Leitbild der Kita aufgenommen.
  • Fehler und Risiken, die sich daraus ergeben, werden transparent gemacht und analysiert. Daraus werden Maßnahmen abgeleitet und umgesetzt.
  • Beinahe-­Unfälle werden erfasst und ausgewertet. Präventionsmaßnahmen werden abgeleitet und umgesetzt.
  • Kontinuierliche Verbesserungssysteme und ­-prozesse sind eingeführt und werden umgesetzt.
  • Gespräche werden ohne Schuldzuweisung und konstruktiv durchgeführt.

Mehr zum Thema Fehlerkultur enthält die
kommmitmensch-Kampagne der DGUV: www.kommmitmensch.de

 

 

Kerzen in der Kita

Es ist Mitte November und der kleine Paul hat Geburtstag. Seine Mama hat ihm einen Kuchen gebacken, den er an diesem Tag mit in die Kita bringt. Fünf Jahre ist Paul jetzt – fünf Kerzen zieren den Kuchen. Gespannt sitzen die Kinder um den großen Tisch, als die Erzieherin die Kerzen anzündet. „Oh wie schön das leuchtet“, sagt ein Mädchen. Dann darf Paul die Kerzen auspusten. Vor Aufregung beugt er sich zu weit vor und bevor die Erzieherin einschreiten kann, hat er sich die Wimpern versengt.

„Grundsätzlich ist Feuer in Kitas nicht verbo­ten“, erklärt Christina Trebus, Aufsichtsperson der Unfallkasse Sachsen­-Anhalt. Um Unfälle zu vermeiden, entscheiden sich viele Träger den­noch für ein Verbot. Das hält Christina Trebus für keine gute Lösung: „Es ist wichtig, Kindern den richtigen Umgang mit Feuer von klein auf zu ver­mitteln.“ Denn eine gute Brandschutz­ und Feu­ererziehung kann schlimme Unfälle verhindern.

 

KURZ GESAGT!

  • Kinder müssen sicheren Umgang mit Feuer lernen
  • Pädagogische Fachkräfte können dafür sensibilisieren
  • Verhalten im Notfall üben
  • Auf Adventskränze verzichten

 

Löschwasser bereitstellen

Projekttage zum Thema Kerzen oder Feuer kön­nen dabei hilfreich sein. „Es muss natürlich auf vieles geachtet werden“, erklärt die Aufsichts­person. Löschmaterial wie ein Eimer Wasser muss immer griffbereit sein. Eine feuerfes­te, nicht brennbare Unterlage ist Pflicht. „Die Kerze sollte außerdem immer stabil stehen.“ Außerdem ist schwer entflammbare Kleidung an den Projekttagen wichtig. Christina Trebus erklärt: „Baumwollkleidung ist schwerer ent­flammbar als beispielsweise Kleidung aus Polyester.“

Die pädagogischen Fachkräfte müssen vorher mit den Kindern die Regeln besprechen: Lange Haare zusammenbinden. Auf anliegende Kleidung achten. Sicheren Abstand halten. Feuer nur unter Aufsicht eines Erwachsenen anzünden. „Man sollte den Kindern erklä­ren, dass ein schönes sicheres Feuer nichts kaputt macht“, sagt Christina Trebus. Damit bleibt sie in der Sprache der Kinder. Mit einem schönen Feuer ist gemeint: Alles ist hinterher so wie vorher und das Feuer ist von den Kindern beherrschbar. Außerdem gilt: Feuer darf niemals unbeaufsichtigt sein und muss im Anschluss stets gelöscht werden. Sind die Regeln verinner­licht, kann man mit älteren Kindern auch das Anzünden eines Streichholzes üben.

Im Ernstfall Hilfe holen

Neben dem Feuermachen und dem richtigen Um­gang mit brennenden Kerzen sollte mit den Kin­dern aber auch geübt werden, wie man sich im Notfall verhält. Offen sagen, wenn ein Feuer un­heimlich wird, und im Ernstfall Hilfe holen – die Kinder müssen wissen, dass das wichtig ist. „Frü­he Brandschutzerziehung mindert die Gefahr, dass Kinder heimlich zündeln und es zu schwe­ren Unfällen kommt“, erklärt Christina Trebus.

Das ist auch in der Weihnachtszeit besonders wichtig. Wenn es draußen kalt ist, es überall glitzert und Kerzen brennen. Dann dekorieren viele Kitas ihre Räume mit Weihnachtsschmuck. „Adventskränze mit echten Kerzen können ge­fährlich werden, denn das trockene Material fängt schnell Feuer.“ In Kitas sollte man deshalb darauf verzichten. Stattdessen kann man zu Be­ginn jeder Woche symbolisch gemeinsam eine Kerze anzünden, ein Lied singen und sie danach wieder löschen. So gelingt eine besinnliche und sichere Vorweihnachtszeit.

 

SICHERES FEUER

  • Feuer nie unbeaufsichtigt brennen lassen
  • Kerzen standsicher auf feuerfeste und nicht brennbare Unterlage stellen
  • Feuer nie in direkter Nähe von brennbarem Material
    (Vorhänge, Deko etc.)
  • Auf die Kleidung der Kinder achten: keine weite, flatternde, schnell entflammbare Kleidung
  • Haare zurückbinden
  • Mit Wasser gefüllten Eimer oder Gießkanne griffbereit platzieren
  • Kerzen nicht auspusten, sondern Kerzenlöscher nutzen
  • Zuvor noch einmal mit den Erste­-Hilfe­-Regeln vertraut machen
  • Verbrennungen sofort mit fließendem, kaltem Wasser kühlen

Mehr unter: www.kindergaerten-in-aktion.de

Schutz vor schweren Stürzen

Stolpern, Rutschen oder Stürzen zählen zu den häufigsten Unfallursachen. Die Folgen reichen von leichten Prellungen über Verstauchungen bis hin zu Knochenbrüchen oder gar Schädelbrüchen und Wirbelsäulenverletzungen. Um das Risiko von Unfällen möglichst gering zu halten, lohnt sich für Kitas, Stolperfallen genauer in den Blick zu nehmen. Ein großes Risiko bergen beispielsweise Treppen. Auf ihnen kommt es immer wieder zu schlimmen Stürzen und schweren Verletzungen.

 

KURZ GESAGT!

  • Stolpern und Stürze können schwere Verletzungen verursachen
  • Schmutz entfernen, Stolperfallen ausmachen
  • Gefährdungsbeurteilung erstellen
  • Im Team für das Thema sensibilisieren

 

In der Kita „Kleine Hände“ in Kiel führt eine Steintreppe hinab zum Turnraum. In der Einrich­tung sind alle pädagogischen Fachkräfte für das Risiko sensibilisiert und wissen: Hier gilt beson­dere Vorsicht. Deshalb sind die Stufen gut aus­geleuchtet und die Erzieherinnen und Erzieher nutzen den Handlauf. Damit sorgen diese nicht nur für ihre eigene Sicherheit. Sie sind auch ein Vorbild für die Kinder, für die auf beiden Seiten ein extra Handlauf in kindgerechter Höhe be­festigt ist. Eine andere Treppe, ein anderes Risi­ko: Zur Hochebene im Gruppenraum führt eine Holztreppe. Die Stufen sind mit einem Rutsch­schutz versehen, damit niemand ins Schlittern kommt.

Gute Beleuchtung hilft

Die Kita wurde erst vor fünf Jahren gebaut. „Jede Auflage wurde erfüllt“, sagt die Leiterin Dunja Betinski. Sowohl beim Neubau des Holzhauses als auch bei der Gestaltung des Außengeländes wurde viel Wert auf Sicherheit gelegt. Aber auch in älteren Einrichtungen können Träger, Leitung und Fachkräfte viel tun, um Arbeitsunfälle zu vermeiden.

In vielen Kitas entpuppen sich beispielsweise alte Teppiche oder Kabel als Stolperfallen. Die­se sollten entfernt werden. Treppenstufen kön­nen auch nachträglich mit rutsch­hemmenden Materialien versehen, zusätzliche Handläufe und gute Be­leuchtung angebracht werden. Bei solchen Maßnahmen berät gerne die Aufsichtsperson des zuständi­gen Trägers der Unfallversicherung.

Vorbildlich ist es in der Kita „Kleine Hände“: Die Teppiche in den Gruppenräumen wurden extra so angefertigt, dass sie genau in die Ecken passen.

Fußmatten sind fest im Boden eingelassen. Nichts steht am Rand über, verschiebt sich oder rollt sich hoch. In der Kita gibt es auch genügend Abstellmöglichkeiten, dadurch wird die Stolper­gefahr durch herumstehende Gegenstände ge­senkt.

Vorsicht bei Nässe

Ein weiterer Risikofaktor ist das Wetter. Nässe, Matsch und Schmutz machen die Böden schnell rutschig. Deshalb gilt in der Kieler Kita die Re­gel: Vor der Tür die Schuhe ausziehen! „So wird der Boden gar nicht erst dreckig“, sagt Dunja Betinski. Trotzdem ist bei Nässe generell Vor­sicht angesagt. Einmal pro Jahr kommt ein Experte vom TÜV vorbei und berät das Team. Die Leiterin legt Wert darauf, dass kaputte Dinge – egal ob Spielzeug oder Möbel – nicht mehr benutzt werden. „Das wird sofort repariert oder weggeschmissen“, sagt sie. „Da fackeln wir nicht lange.“

Ein Stolperfaktor, der sich in den Einrichtun­gen nicht gänzlich vermeiden lässt, ist herum­liegendes Spielzeug. „Wir sind schließlich ein Kindergarten“, betont Dunja Betinski. Hier ist es wichtig, dass die pädagogischen Fachkräfte sich dieser Gefahren bewusst sind. Sie müssen auch in stressigen Situationen Ruhe bewahren und Fehltritte vermeiden.

Ein Instrument, um das Risiko von Arbeitsunfäl­len zu mindern, ist die Gefährdungsbeurteilung. Zusätzlich kann es hilfreich sein, eine Teambe­sprechung zum Thema „Risiken für Arbeitsunfäl­le in unserer Kita“ durchzuführen. Dabei können die pädagogischen Fachkräfte mögliche Gefah­renstellen benennen und gemeinsam nach Lö­sungen suchen. Dadurch können nicht nur ver­steckte Gefahren im Arbeitsalltag aufgedeckt werden – die bewusste Auseinandersetzung mit dem Thema sensibilisiert und kann zu Ver­haltensänderungen führen.

 

SO KÖNNEN STOLPERGEFAHREN GEMINDERT WERDEN

  • Stolperfallen wie Spielzeug oder Teppichkanten
    beseitigen oder im Blick behalten
  • Treppenstufen mit Rutschhemmung versehen
  • Für genug Licht sorgen
  • Abstellmöglichkeiten einrichten, um Wege freizuhalten
  • Teppiche mit hochgebogenen Rändern aussortieren
  • Haltgebende Schuhe mit rutschhemmender Sohle tragen
  • Schmutzige Böden direkt saubermachen
  • Besondere Vorsicht bei Nässe
  • Nicht in Hektik geraten

Mehr zu Stolper-, Rutsch- und Sturzunfällen und organisatorischen Maßnahmen unter: www.dguv.de:
Stolper-, Rutsch- und Sturzunfälle – Organisatorische Maßnahmen
und
Stolper-, Rutsch- und Sturzunfälle – Verhaltensregeln

 

GEFÄHRDUNGSBEURTEILUNG

Online­-Gefährdungs­beurteilung für Kinderagesstätten:
www.bgw-online.de/gefaehrdungsbeurteilung-kita

Handlungshilfe für Gefährdungsbeurteilung in Kitas:
www.sichere-kita.de

Bakterien auf der Spur

Auf der Suche nach Bakterien sind die Kinder mit einer Lupe duch die Kita gezogen, sie haben Zahnpastakleckse am Wasch­becken untersucht und Schmutz an Türklinken entdeckt. Vier Wochen lang haben die Mäd­chen und Jungen in der griechisch­-deutschen Kita Filia des Diakonischen Werks Steglitz und Teltow­Zehlendorf e. V. spielerisch gelernt, wie Krankheiten übertragen werden und warum Hygiene so wichtig ist. „Die Kinder haben her­ausgefunden, dass sie Bakterien nicht sehen können“, erzählt Kita­-Leiterin Andrea Below, „aber dass Bakterien trotzdem da sind und krank machen können.“

 

KURZ GESAGT!

  • Projekt mit Experimenten, Spielen und Exkursionen
  • Kinder spielerisch für Hygiene sensibilisieren
  • Eltern mit einbeziehen
  • Ziel: weniger kranke Kinder und Fachkräfte

 

Gegen Ende vergangenen Winters war bei Eltern der Eindruck entstanden, dass in der Kita mehr Krankheiten auftraten als sonst. Die Leiterin klärte auf, dass es nicht mehr Fälle gab als in anderen Jahren. Trotzdem nutzte das Team den Anlass, um Hygiene in der Kita mit einem Pro­jekt groß zum Thema zu machen. Jede Fachkraft übernahm ein pädagogisches Angebot. Zudem erarbeiteten sie gemeinsam einen eigenen Hygieneplan für die Einrichtung, den sie den Eltern vorstellten.

Schimmeltest mit Toastbrot

Zwei Erzieherinnen führten zur Einführung ein Theaterstück mit Handpuppen auf. Außerdem konnten die Kinder mehrere Experimente aus­probieren. Zum Beispiel fassten sie Toastbrot mit schmutzigen und sauberen Fingern an – und beobachteten, wie schnell sich Schimmel bilde­te. Ein anderes Mal tauchten sie ihre Hände in Mehl, hinterließen überall weiße Spuren und fanden heraus: „Mehl haftet überall, so wie Bakterien, aber genauso gut lässt es sich abwa­schen.“ Die Mädchen und Jungen stellten selbst Seife her, bastelten Bakterien aus Filz, pinsel­ten Plakate mit wichtigen Regeln und trällerten Lieder über das richtige Händewäschen. Sie üb­ten, wie sie richtig husten und worauf es beim Nase­- und Zähneputzen ankommt.

Dörte Göritz von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) weiß, dass sich nicht alle Hygienevorschriften mit dem Kita-­Alltag strikt in Einklang bringen lassen. Eigentlich, berichtet die Expertin, müss­ten sich Erzieher und Erzieherinnen nach jedem Körperkontakt die Hände desinfizieren. „In der Realität ist das so nicht immer umzusetzen.“ Aber es gebe Standards, die es einzuhalten gel­te. Dazu gehöre: „Nach dem Klo und vor dem Essen, Händewaschen nicht vergessen.“ Ihrer Meinung nach ist es wichtig, immer wieder ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie sich Krank­heiten übertragen. „Das sorgt bei Kindern für Aha­-Effekte. Und bei Erwachsenen auch.“

So war es auch in der Kita Filia. Vorher war im­mer mal ein Kind ohne Händewaschen aus dem Bad entwischt. „Das hat sich durch das Projekt geändert“, sagt die Leiterin. Die Fachkräfte ha­ben jetzt einen ganz anderen Blick auf das Thema. Wichtig war Andrea Below, auch die Eltern einzubinden. „Nur gemeinsam können wir dazu beitragen, dass die Kinder gesund bleiben.“ In einem Elternbrief bat sie darum, auf frische Unterwäsche zu achten und – ganz wichtig – kranke Kinder zu Hause zu behalten.

Berufe der Eltern einbeziehen

Eine Mutter arbeitet an der Universität, sie brachte ein Mikroskop mit und ließ die Kinder etwas Wasser aus dem Teich untersuchen. Die Kleinen waren erstaunt, wie viele Lebewesen sich dort tummeln. Ein Vater ist Zahnarzt und machte die Kinder in seiner Praxis mit Mund­hygiene vertraut. Zum Abschluss des Projekts nahm jedes Kind an einem Quiz teil und bekam eine kleine Medaille.

Dörte Göritz ist überzeugt, dass es auf jeden Fall einen Unterschied macht, wenn Kitas auf Hygi­ene achten. Die Zahl der Infektionen lasse sich dadurch reduzieren. Für die Kita Filia steht fest: „So ein Projekt machen wir jetzt jedes Jahr.“ Denn Kinder, Fachkräfte und Eltern haben nicht nur viel gelernt – es hat auch allen großen Spaß gemacht.

 

MEHR ZUM THEMA

„Hautschutz­ und Händehygieneplan für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kinder­tagesstätte“;
Broschüre der BGW; Download unter:
www.bgw-online.de

Hinweise zur Hygiene finden Sie bei Ihrem zuständigen Landes­gesundheitsamt

„Händehygiene in Kinder­tageseinrichtungen“ Broschüre der KUVB;
Download unter: www.kuvb.de

 

WICHTIGE HYGIENEMASSNAHMEN IN KITAS

  • Hände regelmäßig waschen und desinfizieren.
  • Seifenspender statt Stückseife, möglichst ohne
    Farb­ und Duftstoffe verwenden.
  • Beim Wickeln oder Beseitigen von Erbrochenem
    immer Schutzhandschuhe anziehen.
  • Auf der Toilette nur Papierhandtücher benutzen.
  • Windeleimer regelmäßig leeren.
  • Zahnbürsten ordentlich trennen und kennzeichnen, zudem sollten sie für die Kinder nicht frei zugänglich sein.
  • Hygieneplan der Kita regelmäßig überprüfen und anpassen.

 

Kinder müssen Grenzen ausloten

In der Kita „Kleine Hände“ in Kiel dürfen die Kinder auf Bäume klettern, sich an Ästen hochziehen und auf Mauern balancieren. Dabei kann es passieren, dass sie sich mal den Arm aufschürfen oder das Knie aufschlagen. Doch der Erzieher Kim Betinski ist überzeugt: „Je mehr Erfahrungen die Kinder machen, desto sicherer werden sie.“ Und desto weniger schlim­me Unfälle passieren.

Das ist auch die Haltung von Herbert Hartmann von der Unfallkasse Hessen. Er betont, dass Kinder in ihrer Entwicklung lernen müssten, mit Gefahren richtig umzugehen. „Dazu gehört, dass auch mal etwas schiefgeht.“ In erster Linie handelt es sich um Stürze, meist mit harmlosen Folgen.

 

KURZ GESAGT!

  • Kleine Unfälle sind wichtig für die Entwicklung
  • Kinder müssen lernen, Gefahren selbst einzuschätzen
  • Klare Regeln und Einbezug des Trägers geben Sicherheit
  • Den Eltern im Gespräch Ängste nehmen

 

Keine Angst vor Verletzungen

In Ausnahmen könne es vorkommen, dass sich jemand den Arm breche, sagt Herbert Hartmann. Aber in der Regel seien schwere Unfälle in Kitas selten. Meist ereigneten sie sich auf dem Weg zur Einrichtung, im Auto oder zu Fuß. Für die Aufsichtsperson der Unfallkasse steht fest: „Die Kita ist ein sicherer Ort.“

Deshalb müssen Kinder ihre Gren­zen ausloten, immer wieder. „Sonst fehlt ihnen ein Stück Lebens­fähigkeit“, so Herbert Hartmann. Kitas sollten Kindern ermöglichen, altersgemäß mit sogenannten Basisgefahren umzugehen. Zum Beispiel mit Höhe. Wenn ein Kind irgendwo runterspringt, spürt es ab einer gewissen Höhe: Die Füße schlagen hart auf den Boden, die Soh­len brennen. Eine wichtige Erfahrung. „Das Kind hat gemerkt: Ab dieser Höhe tut es weh. Danach kommt irgendetwas Schlimmes“, sagt Herbert Hartmann. Nur so entwickelten Kinder einen sicheren Umgang mit Höhe oder Glätte. Je älter sie würden, desto wichtiger werde ihr eigenes Verhalten für ihre Sicherheit.

Doch viele Eltern hätten panische Angst vor Ver­letzungen. Der Fachmann berichtet von einer Mut­ter, die nicht wollte, dass ihr Kind in der Kita eine Treppe benutzt. Zu groß war ihre Sorge vor einem Sturz. „Da müssen Kitas gegenhal­ten“, meint Herbert Hartmann, „aber reflektiert.“ Einrichtungen sollten sich bewusst mit dem Thema ausei­nandersetzen. So könnten sie Eltern pädagogisch erklären, wie sich Kin­der entwickelten und warum kleine Gefahren be­wusst in Kauf genommen werden müssten. „Das nimmt Ängste und kann die Rolle der Erzieherin­nen und Erzieher stärken.“ Wichtig sei zudem, den Träger einzubeziehen und das Thema im Kon­zept zu verankern. Das gebe auch dem Team Si­cherheit.

Stürzen trainieren

So hält es die Kita „Kleine Hände“. Die Fachkräf­te legen großen Wert darauf, die Kinder gut auf die Gefahren des Lebens vorzubereiten. Gleich­zeitig bemühen sie sich um so viel Sicherheit wie möglich. Beispiel: Wenn sie Lust haben, dürfen Kindergartenkinder die Rutsche hoch­kraxeln und runterspringen. Doch wenn es eiskalt ist, der Sand gefriert und hart wird, ist das Spielgerüst tabu. Der Fallschutz sei nicht mehr gegeben, erklärt Kim Betinski. Außerdem darf niemand herunterhüpfen, wenn Krippenkinder in der Nähe sind. Zu groß ist die Gefahr, dass sie es nachmachen. Die Kinder können das Risiko noch nicht einschätzen.

In der Kita gilt die Regel, dass die Kinder keine Hilfestellung bekommen. „Wir heben die Kinder niemals irgendwo hoch und setzen sie so einer Gefahr aus“, sagt Kim Betinski. Genauso müs­sen sie auch alleine wieder runterkommen. Die Kinder sollen lernen, sich selbst einzuschätzen. „Unser Ziel ist es, sie fürs Leben sicher zu machen.“ Der Erzieher trainiert mit allen Mädchen und Jungen, wie sie richtig hinfallen. Erst auf dem Fußboden, später vom Hocker. Mit Erfolg. In der Kita selbst hat sich noch nie jemand et­was gebrochen. Kinder mit Gips sind indes hin und wieder zu sehen. „Doch das ist zu Hause passiert.“

 

UNFÄLLE MELDEN

Informationen zur Unfallmeldung bei Kindern und pädagogischen Fachkräften finden Sie hier:
www.dguv.de

Fehler als Chance

Frau Margraf, Sie leiten die Kita „Apfelzwerge“ seit 25 Jahren. Was ist das für eine Einrichtung?

Zu meinem Team gehören zwölf Mitarbeiterinnen. Wir sind für 90 Kinder in fünf Gruppen verantwortlich. Ich selbst bin für meine Aufgaben als Leiterin freigestellt.

Wann werden Fehler für Sie zum Problem?

Wenn nicht miteinander gesprochen wird. Wenn Missverständ­nisse nicht geklärt, Unstimmigkeiten nicht offen ausgetragen und Probleme nicht aufgearbeitet werden.

Gibt es einen Weg, um Fehler möglichst von vorneherein zu vermeiden?

Für mich spielen da Regeln eine große Rolle. Wir haben ein gro­ßes Außengelände. Deshalb gilt bei uns: Die Erzieherinnen müs­sen sich über das gesamte Gelände verteilen. Eine ist für das Klettergerüst verantwortlich, eine andere für die Röhrenrutsche. Eine weitere Regel: Die Kinder dürfen im Turnraum nur mitma­chen, wenn sie rutschfeste Schläppchen anhaben. Durch klare Regeln, die für alle gelten, ist das Miteinander für pädagogische Fachkräfte, Kinder und Eltern einfacher.

Wer stellt diese Regeln auf?

Hierbei ist Partizipation ganz wichtig – auch wenn Diskussionen manchmal anstrengend sein können. Wenn das Team hinter den Regeln steht, werden sie besser umgesetzt. Die Regeln sind bei uns schriftlich fixiert. Trotzdem sind sie nicht unverrückbar. Man­ches muss hinterfragt und neu diskutiert werden.

Welche Rolle haben Sie als Leitung?

Manchmal braucht es jemand, der die Verantwortung übernimmt, das letzte Wort hat und sagt: „So wird das gemacht.“ Das bedeu­tet auch: Ich darf nicht den Wunsch haben, es allen recht zu ma­chen. Das gelingt sowieso nicht. Ich muss bereit sein, Konflikte einzugehen. Für mich ist eine gute Leitungskraft wie ein Gelän­der, das dem Team Halt gibt und es stark macht.

Wie gehen Sie im Alltag mit Fehlern um – beispielsweise wenn eine Erzieherin sehr unfreundlich zu einem Kind ist?

Ich führe ein Vier­-Augen­-Gespräch. Das Gespräch muss offen und angstfrei sein. Es geht nicht um ein Tribunal oder um Schuld­zuweisungen. Fehler werden nicht mit Absicht gemacht. Trotz­dem muss klar sein, dass bestimmte Dinge nicht gehen. Ich ver­suche zu verstehen, warum sich die Mitarbeiterin so verhalten hat und was wir tun können, damit sie in Zukunft anders handelt.

Und wenn ein Kind einen Unfall hat?

Dann besprechen wir das im Team. Wir reflektieren gemeinsam, was gut gelaufen ist und wo wir uns in Zukunft anders verhalten sollten. Wichtig ist, dass alle offen und wertschätzend mitein­ander sprechen. Allen muss bewusst sein, dass es darum geht, Lösungen zu finden und nicht einen Schuldigen. Wenn das gelingt, sind Fehler eine echte Chance, um zu lernen.

Warum ist eine gute Fehlerkultur so wichtig?

Sie ist die Voraussetzung dafür, dass die pädagogischen Fach­kräfte in ihren Gruppen selbstständig arbeiten und eigene Ent­scheidungen fällen. Wer Angst vor Fehlern hat, traut sich auch nicht, eigenverantwortlich zu arbeiten.

Wann beziehen Sie Ihren Träger ein?

Natürlich immer dann, wenn ein Problem in seine Zuständigkeit fällt. Zum Beispiel wenn wir ein zusätzliches Sonnensegel brau­chen, damit die Kinder auf dem Außengelände ausreichend vor UV­-Strahlung geschützt sind. Ich beziehe den Träger auch ein, wenn es im Team Konflikte gibt, die ich nicht lösen kann und eine Supervision plane. Und ich informiere den Träger, wenn nach einem Unfall ein Krankenwagen gerufen wurde. Da kommt es manchmal zu Gerüchten und Nachfragen, auf die der Träger ant­worten können muss.

Wenn ein Kind einen Unfall hatte, gibt es auch an die Kita oft viele Fragen …

Hier ist eine offene Kommunikation wichtig. Wenn ein Kind mit ei­nem Krankenwagen abgeholt wird, ist das für die anderen Kinder ein Schock. In ihrer Vorstellung, in ihren Erzählungen ist dieses Kind manchmal so gut wie tot – selbst wenn es direkt aus dem Krankenhaus entlassen wird und abends schon wieder quickle­bendig daheim spielt. Da ist es wichtig, den Eltern zu erzählen, was tatsächlich passiert ist. Manchmal braucht es auch einen El­ternbrief.

Kommen die Eltern denn mit ihren Sorgen und ihrer Kritik direkt auf Sie zu?

Natürlich nicht immer. Auch bei uns gibt es Eltern­ Whats-App-­Gruppen, in denen gelästert wird. Deshalb spreche ich bei Eltern­abenden an, dass man das direkte Gespräch mit uns suchen soll. Im Dialog mit uns lassen sich viele Dinge ganz einfach klären. Oft liegt einfach ein Missverständnis vor. Und nur so haben wir die Chance, etwas zu ändern, wenn wir tatsächlich Fehler machen.

Wie wichtig ist es, dass Sie selbst Kritik annehmen können?

Das ist ganz wichtig. Auch, dass ich eingestehen und ausspre­chen kann: „Ihr habt recht. Ich habe das falsch gemacht. Wir machen das anders.“ Einen guten Umgang mit Fehlern muss ich als Leitung meinem Team vorleben.

Interview mit Sabine Margraf. Sie leitet seit 25 Jahren die Kita Apfelzwerge in Wehrheim. Außerdem war die Erzieherin 20 Jahre Mitglied im KinderKinder­-Redaktionsbeirat.

 

Neues Instrument zur Prävention

Frage: Es gibt die Unfallverhütungsvorschrift und viele staatliche Arbeitsschutzvorschriften. Warum jetzt noch die Branchenregel?

Antwort: Die Branchenregel ist ein relativ neues Präventionsinstrument. Das Ziel war, die vorhandenen Vor­schriften und Erkenntnisse zum Thema „Sicherheit und Gesundheit in Kindertageseinrichtungen“ zu bündeln. Das gilt sowohl für Gesetze, Verordnungen, Regeln und die Unfallverhütungsvorschrift als auch wissenschaftliche Erkenntnisse und Erfahrungswissen, die für den Kita­-Alltag wichtig sind. Kurz: Die neue Branchenregel gibt einen Überblick darüber, was Träger und Leitungen von Kitas tun müssen, um Sicherheit und Gesundheit in den Einrichtungen herzustellen.

Frage: Enthalten die Branchenregeln auch neue Themen?

Antwort: Die Unfallverhütungsvorschrift „Kindertageseinrichtung“ der Deutschen Gesetzlichen Unfallver­sicherung hat ausschließlich die Kinder im Fokus, die staatlichen Arbeitsschutzvorschriften nur die Beschäftigten. In der Branchenregel „Kindertageseinrichtung“ werden beide Gruppen in ihrer Wechselwirkung betrachtet. Wegen dieser neuen Sichtweise und den Entwicklungen der letzten beiden Jahrzehnte in der frühkindlichen Bildung wurden neue Themen aufgegriffen, mit denen sich die gesetzliche Unfallversicherung bisher kaum oder gar nicht beschäftigt hat.

Frage: Auf welche Themen haben Sie sich fokussiert?

Antwort: Das Spektrum ist breit. Es geht beispielsweise um die sichere Planung und Durchführung von Bewegungsangeboten, aber auch um die Bring­- und Abholsituation, wenn viele Menschen aufeinandertreffen. Auch das Thema Leitung spielt eine Rolle: Wie wirkt sich Leitung auf die Beschäftigten aus? Und im Umkehrschluss: Was ist belastend für eine Leitungskraft? Weitere wichtige Themen sind die Vorbereitung und das Einnehmen von Mahlzeiten sowie der Aufenthalt im Kitagebäude und auf dem Gelände.

Frage: Warum waren diese Änderungen nötig?

Antwort: Bisher haben sich die Vorschriften und dadurch auch die Präventionsarbeit der DGUV und der Unfallversicherungs träger auf technische und organisatorische Aspekte konzentriert. Die Branchenregel „Kindertageseinrichtungen“ betont hingegen auch pädagogische und verhaltenspräventive Aspekte. Außerdem haben wir verstärkt die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten in den Fokus genommen. Mit der Branchenregel weiten wir unseren Blick und unsere Kompetenzen.

Die Antworten gab Dr. Heinz Hundeloh. Er leitet den Fachbereich Bildungseinrichtungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung.

 

Mehr zur Branchenregel „Kindertageseinrich­tung“ lesen Sie in der KinderKinder 1 / 2020. Kostenlose Bestellung beim zuständigen
Träger der gesetzlichen Unfallversicherung.
Download unter: publikationen.dguv.de; Suchbegriff „102-602“

 

Wie entstehen Angst, Misstrauen und Druck?

Eine Leitungskraft, die perfektionistisch handelt und denkt, hat es schwer, sich selbst und dem Team gegenüber Fehler einzugestehen. Diese Haltung wirkt sich auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus. Sie neigen möglicherweise aus Angst vor Sanktionen dazu, eigene Fehler zu bagatellisieren oder zu verleugnen.

Ein Klima des Misstrauens verhindert, offen über Fehler zu sprechen und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Die anderen werden als Konkurrenten gesehen, vor denen man Schwächen verbirgt. Das Team arbeitet nicht an gemeinsamen Zielen, sondern ist eine Gruppe von Einzelkämpfern: Bei offensichtlichen Fehlern wird statt nach Lösungen nach Schuldigen gesucht.

Feedback ist eine Chance. Dabei können Gelungenes und Misslungenes, Stärken und Schwächen benannt werden. Fehler können zur Entwicklungschance werden. Wenn eine Kita diesen Wert des Feedbacks nicht erkennt, wird das Nennen von Fehlern eher als Bedrohung empfunden.

Ist der Arbeitsdruck besonders hoch – beispielsweise durch schlechte Personalausstattung oder überhöhte Ansprüche von Politik, Träger oder Eltern – findet gute Fehlerkultur schwer einen Platz. Die eigene Arbeit wird als Kampf ums Überleben empfunden. Neue Ideen und Strukturen, die bei der Aufarbeitung von Fehlern sichtbar werden können, lösen eher die Befürchtung aus, der Stress könne noch zunehmen.

Sprache als ständiger Begleiter

„In unserer Kita arbeiten wir bewusst mit alltagsintegrierter Sprachförderung. Das heißt, wir nutzen oft Alltagssituatio­nen und benennen diese sprachlich. Vieles, was wir oder die Kinder tun, wird mit Worten benannt, damit diese Hand­lung und Sprache im Zusammenhang verstehen. Vorlesen, Sing­, Bewegungs­ und Sprachspiele setzen wir gezielt im Alltag ein. So lernen die Kinder die deutsche Sprache leichter, weil sie ständiger Begleiter ihres Alltags ist – egal ob Muttersprachler, Fremdsprachler oder Kind mit Förder­bedarf. Davon profitieren auch die Eltern. Denn sie werden durch die Fachkräfte in dieses Prinzip eingebunden, wenn sie die Kinder bringen oder abholen.“

Wir haben keine Angst

Herr Aumüller ist da. Frau Bart auch. Und Herr Walter. Die Anwesenheitskontrolle mit Nachnamen ist für die Vorschulgruppe der Kita Scheidt ein großer Spaß. Gleichzeitig erproben die Kinder dabei eine neue Rolle: Sie sind die Großen in der Kita und werden bald zu richtigen Schulkindern.

Nur wenige Meter liegen in dem Stadtteil von Saarbrücken zwischen Kita und Grundschule. Die große Nähe spiegelt sich auch in der engen Zusammenarbeit der beiden Bildungseinrichtungen wider. Erzieherinnen und Erzieher bilden zusammen mit einer Lehrkraft ein pädagogisches Tandem. Sie treffen sich jeden Donnerstagvormittag und betreuen gemeinsam die sogenannte SchuKi-Gruppe.

 

KURZ GESAGT!

  • Kita und Schule gestalten ganzes Vorschuljahr gemeinsam
  • Zusammenarbeit auf Augenhöhe
  • Kindern und Eltern positives Bild der Schule vermitteln
  • Kinder sollen neugierig, selbstbewusst und angstfrei in die Schule starten

 

Neugierig und selbstbewusst

Hier in Scheidt läuft jetzt das zweite Halbjahr. Bisher hat sich die SchuKi-Gruppe in der Kita getroffen, seit ein paar Wochen haben sie ihr Programm an die Grundschule verlegt. Leise – und sehr selbstsicher – bewegen sich die Fünf- bis Sechsjährigen durch die Flure des Schulgebäudes. Es geht zwei Treppen hinab, vorbei an einigen Viertklässlern im Foyer, die auf kleinen Teppichen liegend mit Unterrichtsmaterial arbeiten und kaum den Kopf heben. Normalität an der zweizügigen Grundschule.

„Die Kinder sollen neugierig, selbstbewusst und angstfrei in die Schule starten“, sagt Kitaleiterin Susanne Kunz. Schulleiterin Jessica Krebs ergänzt: „Wir wollen ein positives Bild von Schule vermitteln und einen sicheren Übergang ermöglichen.“ Um dies zu ermöglichen kooperieren Kita und Schule eng miteinander. Die Kinder können sich selbst ein Bild machen von dem, was sie erwartet.

Dieses Kooperationsjahr wurde im Saarland mit dem Schuljahr 2016/2017 flächendeckend eingeführt. Sowohl die Lehrkräfte als auch die pädagogischen Fachkräfte haben dafür ein zusätzliches Stundenkontingent – je nach Gruppengröße von bis zu zwei Stunden pro Woche. Entwickelt wurde das Projekt bereits vor 15 Jahren hier in Scheidt gemeinsam von der Kita und der Grundschule.

Feste Rituale

Die SchuKi-Gruppe ist inzwischen in einem Betreuungsraum der Ganztagsgrundschule angelangt. Die Vormittage haben feste Rituale mit einem klaren Anfang und Ende. Zum Start gehört ein Bewegungsspiel. Dabei benennen die Kinder, was für sie das Wichtigste in der Schule ist: „Spaß!“, „Freunde!“, „Ein Ranzen!“. Die Botschaft ist klar. Schule ist positiv besetzt.

Das ist zu Beginn des Kindergartenjahres häufig anders. Beim ersten Treffen in der Turnhalle sortieren sich die SchuKis bei einem Spiel in drei Gruppen: eine, die sich auf die Schule freut, eine, die sich nicht freut, und eine, die noch unentschlossen ist. „Für die Kinder ist es eine große Befreiung, wenn sie spüren, dass die Erzieherinnen und Erzieher wertfrei mit ihren Äußerungen umgehen und sie offen sagen können: „Ich habe Angst!“, erzählt Susanne Kunz.

Um mögliche Ängste ab- und Vertrauen aufzubauen, lernen die Kinder die Lehrkraft in den ersten Monaten in der Kita kennen. Diese hat anfangs eine stark beobachtende Rolle. Sie baut Beziehungen auf, lernt die Kinder kennen, indem sie diese bei einem Waldtag begleitet oder bei Alltagsproblemen, wie dem Schuhebinden, hilft.

Die Kinder können schon vor Schulbeginn Vertrauen zu den Lehrkräften aufbauen.

Die führende Rolle übernehmen die pädagogischen Fachkräfte. Dadurch wächst die Lehrerin oder der Lehrer allmählich in die Gruppe hinein. Bis zum Ende des Kindergartenjahres findet schrittweise ein Rollenwechsel statt: Dann leitet die Lehrkraft die SchuKi-Gruppe und die pädagogischen Fachkräfte begleiten und betreuen.

„Für uns ist das eine Chance“, sagt Schulleiterin Jessica Krebs. Die Lehrkräfte erleben die Kinder in dem vertrauten Umfeld der Kita sehr selbstbewusst und lernen deren Stärken und Bedürfnisse kennen. „Wenn wir das Sozialverhalten der Kinder kennen, ihre Interessen und Schwierigkeiten, können wir viel gezielter auf sie eingehen“, sagt Jessica Krebs. Auch auf die besonderen Bedarfe von Kindern kann sich die Schule frühzeitig einstellen.

Frustration bewältigen

Die SchuKi-Gruppe teilt sich jetzt in kleine Gruppen auf. Eine Handvoll Kinder hospitiert in einer ersten Klasse, anfangs eng um ihre Erzieherin geschart. Nach und nach entdecken sie bekannte Gesichter, Kinder, die die Kita vergangenes Jahr verlassen haben. Auf dem Stundenplan steht Deutsch, ein Umlaut wird eingeführt. Die Klassenlehrerin holt die Kinder auf ihrem Niveau ab. Worte mit „au“? Ein SchuKi weiß „Baumhaus“. „Das ist ein wichtiger Erfolg für die Kinder, sie erzählen nachher: „Ich hab in der Schule was gewusst!“, berichtet Erzieherin Aenne Hilpert.

Um Zahlen und Sport geht es in einer anderen Gruppe der SchuKis. Im Bewegungsraum der gebundenen Ganztagsschule kann geturnt werden: Purzelbäume, Kniebeugen oder Runden laufen. Einige Kinder werfen einen Würfel und führen die Übungen entsprechend oft aus. Andere schaukeln oder toben über die Matten.

Die pädagogischen Tandems treffen sich jede Woche, tauschen sich über die Vorschulkinder aus und planen gemeinsam die Gruppenarbeit. „Wir begegnen uns auf Augenhöhe“, sagt Susanne Kunz. Die Kita ist genauso wie die Schule eine Bildungseinrichtung. „Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte bringen ihre Stärken ein und lernen voneinander“, bekräftigt Jessica Krebs. Ein multiprofessionelles Team, das sich gegenseitig befruchtet.

Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte treffen sich jede Woche und planen gemeinsam die Gruppenarbeit.

Die Kinder werden besonders im letzten Kitajahr darin bestärkt, Frustration zu bewältigen und immer mehr Eigenverantwortung zu übernehmen. Zum Lernprozess des SchuKi-Jahres gehört auch, dass sie eine motivierte Arbeitseinstellung entwickeln. Manche Aufgaben zu Ende zu führen, gehört für ein SchuKi dazu, auch wenn sie keinen Spaß machen.

Gemeinsame Elternarbeit

Ina Hossfeld, die Lehrerin des diesjährigen Kooperationsprojektes, stellt einem anderen Teil der SchuKi-Gruppe das leere Klassenzimmer der Viertklässler vor. Die Kinder begutachten, was da an den Wänden hängt. „Ganz anders als bei uns“, sagt ein Junge. Weniger Bilder, dafür viel Geschriebenes. Dann malen die SchuKis ein Zickzackbild und ordnen verschiedenen Flächen Zahlen und Farben zu. „Kiki-einfach“, tönt ein Mädchen. Eine Übung, die sie aus der Kita kennt. Neu für die Kinder sind die Rituale und Regeln der Schule, die sie hier beiläufig erlernen: anderen zuhören. Erst melden, dann reden. Wenn die Lehrerin die Klangschale schlägt, leise sein. Zumindest für eine kurze Zeit.

Dabei behalten alle im Blick: Das Projekt fällt in die Kindergartenzeit, es ist kein vorgezogenes Schuljahr. „Die Kinder sollen keine Arbeitsblätter abarbeiten und wir machen auch kein Schneidetraining, wenn es da noch hapert“, sagt Susanne Kunz.

Ein fester Bestandteil des Kooperationsjahres ist die Elternarbeit, das pädagogische Tandem veranstaltet gemeinsam einen Elternabend. Dabei hilft das gewachsene, vertrauensvolle Miteinander von Eltern und Kita, die Lehrkräfte sind oft noch Fremde. Die Erzieherinnen und Erzieher können auch hier Brücken zur Schule bauen.

Die enge Verzahnung der beiden Bildungssysteme trägt Früchte – selbst wenn manche Kinder schließlich eine andere Grundschule besuchen. „Die Kinder entwickeln Vertrauen, dass sie bewältigen können, was auf sie zukommt“, sagt Susanne Kunz. Und die Erfahrung der Lehrerinnen und Lehrer in Scheidt zeigt: Die Kinder fühlen sich beim Start in die Schule emotional sicher und haben deshalb den Kopf frei, um zu lernen.

 

INFO

Die Broschüre „Von der Kita zur Grundschule – Impulse für das Gelingen des Übergangs“ stellt vom Bundesministerium für Bildung geförderte Projekte vor und bietet Impulse für den Umgang mit Kindern im letzten Kitajahr. Kostenlose
Bestellung unter:
publikationen@bundesregierung.de

 

KOOPERATIONSJAHR

Weiterführende Informationen zum Kooperationsjahr von Kita und Schule im Saarland unter:
www.saarland.de/172647.htm

Zeit für ein gutes Klima

Eine Erzieherin hat ein Faible für Mathe. Im Morgenkreis zählt sie gemeinsam mit den Kindern, wer da ist – und wer fehlt. Ob beim Essen oder Anziehen, im Alltag übt die Pädagogin ganz gezielt den Umgang mit Zahlen. Ihr Kollege mag lieber Musik. Will er den Kindern etwas sagen, ruft er nicht laut in den Raum hinein, sondern summt eine Melodie. Sofort herrscht Ruhe. Der Erzieher komponiert mit den Mädchen und Jungen kleine Lieder, singt mit ihnen. Kurzum: Er ist in der Kita für die musikalische Bildung verantwortlich. Dabei haben beide die Möglichkeit, ihren Schwerpunkt zu wechseln – sie sind nicht dauerhaft auf diese Themen festgelegt.

„Wenn jeder seine Kompetenzen einbringen kann, haben alle etwas davon“, sagt Maria Magdalena Hellfritsch, Erziehungswissenschaftlerin und Geschäftsführerin im Verband katholischer Kindertageseinrichtungen Bayern e. V. Ihre Erfahrung: Neben der pädagogischen Qualität profitiert davon vor allem die Stimmung im Team. Mit anderen Worten: das soziale Klima.

 

KURZ GESAGT!

  • Gute Atmosphäre als Grundlage für Arbeit in der Kita
  • Leitung und Team müssen sich aktiv einbringen
  • Jeder soll eigene Kompetenzen und Stärken einbringen
  • Klare Regeln verhindern Missverständnisse und Konkurrenz
  • Konflikte offen und konstruktiv angehen

 

Gefahr von Missverständnissen

Für die Fachfrau steht fest, dass eine gute Atmosphäre in der Kita das A und O ist. „Wenn die Zusammenarbeit im Team gut funktioniert, klappt alles viel besser.“ Für dieses Ziel muss jeder seinen Beitrag leisten – Leitung und Team. Dabei gilt es, klar intern zu kommunizieren, wer für welche Aufgaben zuständig ist. Sonst besteht die Gefahr von Missverständnissen. Lieber klar regeln: Wer möchte sich mit den Kindern um den Garten kümmern? Wer hat Spaß daran, die Festvorbereitung zu koordinieren? Wer möchte die Öffentlichkeitsarbeit übernehmen? Wenn alle ihre Stärken im Kita-Alltag einbringen, steigt die Zufriedenheit. Davon ist Maria Magdalena Hellfritsch überzeugt. Die einzelnen Kolleginnen und Kollegen werden gestärkt, die Bereiche klar abgesteckt, dadurch falle unnötige Konkurrenz weg. Wichtig ist die Botschaft: „Zusammen sind wir ein starkes Team.“

Entscheidend ist auch die Art und Weise der Kommunikation: Gibt es einen offenen Austausch? Begegnen sich alle auf Augenhöhe? Werden Konflikte konstruktiv angegangen? Die Leitung kann mit ihrem Team daran arbeiten, dass alle gut miteinander umgehen. Dabei sollte sie selbst als gutes Beispiel vorangehen. Maria Magdalena Hellfritsch rät zum Beispiel, gemeinsam einen Kodex aufzustellen: „Wie wollen wir miteinander kommunizieren?“ Auf einer Teamsitzung können alle Fachkräfte auf einer Pinnwand einige Regeln notieren, die ihnen im Umgang miteinander wichtig sind – und sich fragen: Halten wir uns selbst immer daran? Hat sich jemand mal im Ton vergriffen oder war eine Äußerung nicht ganz in Ordnung, können sich die Kolleginnen und Kollegen auch gegenseitig darauf aufmerksam machen. Dafür bietet der Kodex eine gute Grundlage. So etwas ist allerdings nur möglich, wenn die Atmosphäre in der Kita stimmt, fügt die Erziehungswissenschaftlerin hinzu.

Auch Fortbildungen können ein gutes soziales Klima fördern, indem sie Knowhow vermitteln, zur Reflexion anregen und konkrete Tipps für den Alltag bereitstellen. Und sollte das Team mit einem Problem nicht alleine zurecht kommen, ist ratsam, sich Hilfe von außen zu holen, beispielsweise in Form einer Supervision.

 

 

Prioritäten setzen

Doch die allerwichtigste Regel für ein gutes soziales Klima lautet: Zeit einplanen. „So etwas gelingt nicht nebenbei“, betont Maria Magdalena Hellfritsch. Für Kitas ist es nicht leicht, sich Freiräume dafür zu schaffen. Die Arbeit ist oft eng getaktet. Dennoch: Es ist wichtig, nicht nur „nebeneinanderher zu ackern“, sagt die Pädagogin. „Da müssen Team und Leitung ihre Prioritäten immer wieder neu hinterfragen. Zum Beispiel ob es wichtig ist, für ein Fest aufwändige Vorführungen mit den Kindern einzuüben oder stattdessen ein Mitmachprogramm zu planen.“ So eine Entscheidung kann die Kita den Eltern klar kommunizieren. „Schließlich profitieren auch die Kinder davon.“

 

CHECKLISTE SOZIALES KLIMA

Ein gutes soziales Klima entsteht durch gegenseitige Wertschätzung, Respekt und Vertrauen. Jede Kita hat ihren eigenen Charakter. Er wird geprägt vom sozialen Klima. Ein gutes soziales Klima beeinflusst Gesundheit und Sicherheitsverhalten der Beschäftigten und Kinder positiv. Merkmale eines guten sozialen Klimas:

  • Es herrscht ein Klima sozialer Unterstützung und Wertschätzung.
  • Das Zusammenarbeiten und -lernen sowie die Kultur einer Kita beruhen auf gemeinsamen Regeln und Werten.
  • Führungskräfte, Beschäftigte, Kinder und Eltern gehen offen und bewusst miteinander um, auch in Konfliktsituationen.
  • Der Umgang mit Konflikten ist konstruktiv.
  • Es werden gemeinsame Aktivitäten wie Feste, Gesundheitstage und Sport angeboten und gefördert.
  • Unterschiedlichkeiten werden als bereichernd für das Miteinander verstanden und genutzt.

Mehr zum sozialen Klima bietet die kommmitmensch-Kampagne der DGUV unter: www.kommmitmensch.de

Finger weg von Modellgips!

„Bekannt ist, das Gips warm wird“, sagt Sicherheitsexpertin Christina Walther von der Unfallkassen Hessen. „Aber die allermeisten sind sich nicht bewusst, wie rapide die Temperatur ansteigt.“ Erst der Unfall einer Studentin aus Hessen hat deutlich gemacht, wie schlimm die Folgen sein können.

 

KURZ GESAGT!

  • Schwerer Unfall beim Basteln mit Modellgips
  • Material für Hobbybastler kann sich erhitzen
  • Keine Warnung auf der Packung
  • Kitas sollten nicht mit Gips basteln
  • Expertin rät: Alginat oder Silikon verwenden

 

Die junge Frau hatte ihre Hand fast vollständig in die Gipsmasse eingetaucht. Während des Aushärtens stieg die Temperatur auf fast 50 Grad. Als die junge Frau die Hitze bemerkte, war der Gips bereits so hart, dass sie ihre Hand nicht mehr herausziehen konnte. Erst der Rettungsdienst konnte sie befreien. Die Studentin erlitt so schwere Verbrennungen, dass zwei Finger amputiert werden mussten. Deshalb rät Christina Walther: „Finger weg von Modellgips!“

Die Studentin konnte nicht ahnen, dass sie schwere Hautverletzungen riskierte. Sie hatte sich strikt an die Herstellerangaben gehalten, als sie etwa fünf Liter der Gipsmasse ansetzte. Bei dem Modellgips handelte es sich um ein normales Produkt aus dem Baumarkt, das üblicherweise Hobbybastler für den Modellbau verwenden. Schwangere fertigen mit der weißen Masse gerne Abdrücke ihres Babybauchs an, Eltern verewigen damit die kleinen Finger ihres Kindes.

„Auf der Packung steht nichts davon, dass die Temperatur auf 48 bis 50 Grad steigen kann“, warnt die Sicherheitsexpertin. Ein solcher Hinweis finde sich weder im – vom Hersteller freiwillig erstellten – Sicherheitsdatenblatt noch im technischen Merkblatt zur Verwendung. Auch werde nirgends erwähnt, dass der Gips nicht zur Abformung von Körperteilen verwendet werden soll. Hinzu kommt: „Das Produkt ist nicht als Gefahrstoff eingestuft“, so Christina Walther.

Gefahr nach wenigen Minuten

Nach dem Unfall untersuchte das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) im Labor die Temperaturentwicklung vergleichbarer Produkte. Das Ergebnis: Alle Gipsmassen entwickelten eine ähnliche Hitze, die schon nach wenigen Minuten die Haut stark verletzen kann.

Normalerweise, sagt Christina Walther, drücke man die Hand nur kurz in die Masse – und ziehe sie aus Reflex bei Hitze sofort wieder raus. Viele Abdrücke würden auch aus Gipsbinden angefertigt, dabei kühle die Temperatur schneller wieder ab.

Sichere Variante wählen

Trotzdem rät die Sicherheitsexpertin, lieber andere Materialien zum Basteln zu verwenden. „Es gibt gute Alternativen“, betont sie. Zum Beispiel Alginat oder Silikon. Alginat wird aus Meeresalgen hergestellt und bildet zusammen mit Wasser ein elastisches Gel. Silikon birgt ebenfalls keine Gesundheitsgefahren. Möglich sei auch, Gipsbinden zu verwenden, die für medizinische Zwecke vorgesehen sind, so die Auskunft der Hersteller.

Deshalb rät die Sicherheitsexpertin, dass Kitas die sichere Variante wählen sollten – und mit Kindern besser mit Alginat oder Silikon arbeiten. „Beides ist ungefährlich“, erklärt sie, „allerdings etwas teurer als Modellgips.“

 

SICHERE ALTERNATIVEN ZU MODELLGIPS

Alginat besteht aus Algenextrakt und ist ein reines Naturprodukt. Das Pulver wird mit Wasser zu einem Gel angerührt. Damit können zum Beispiel sehr detailgetreue 3-D-Abdrücke von Händen angefertigt werden. Einfach die Hand in einen Behälter mit der Masse tauchen, kurz stillhalten und fertig. Die Form kann nur ein, zwei Tage lang benutzt werden. Alginat ist in Läden für Bastel- und Künstlerbedarf oder im Internet erhältlich. Ein Kilo kostet etwa 25 Euro.

Auch Silikonkautschuk ist eine gute Wahl, um Formen herzustellen oder zu füllen. Nach dem Trocknen bleibt die Masse weich und elastisch. Die Abdrücke sind sehr detailgetreu. Vorteil ist, dass die Formen beliebig oft verwendet werden können.
Zum Basteln sollte Silikon aus dem Bastelladen verwendet werden. Kein Silikon für Fugen aus dem Baumarkt benutzen, da einige Produkte bakterientötende Substanzen enthalten. Ein Kilo kostet etwa 30 Euro.

Wichtig: Generell gilt, dass unbedingt die Angaben der Hersteller beachtet werden müssen. Auf der Packung muss explizit der Hinweis stehen, dass das Produkt am Körper verwendet werden kann.

 

Unfälle melden

Frage: Müssen alle Unfälle, die in der Kita passieren, der Unfallkasse gemeldet werden?

Antwort: Unfälle müssen gemeldet werden, sobald ein Arzt oder ein
Krankenhaus aufgesucht wird. Ausnahmen sind Bagatellverletzung wie
kleine Schnitt- oder Schürfwunden. Da reicht ein Eintrag ins Verbandbuch. Die Unfallanzeige für Kinder und pädagogische Fachkräfte bei der zuständigen Unfallkasse füllt in der Regel die Kita-Leitung aus.

Frage: Wann und wem müssen Unfälle gemeldet werden?

Antwort: Der Unfall sollte innerhalb von drei Tagen bei der zuständigen Unfallkasse gemeldet werden, wenn absehbar ist, dass die pädagogische Fachkraft, die einen Unfall erlitten hat, länger als drei Tage zuhause bleiben muss. Bei einem Kind muss die Meldung erfolgen, sobald das Kind zum Arzt oder in ein Krankenhaus geht.

Frage: Müssen Unfälle auf dem Weg zur Kita und auf dem Heimweg auch gemeldet werden?

Antwort: Ja, der Weg zur Kita und von der Kita nach Hause ist ja gesetzlich unfallversichert. Daher gilt für Eltern und pädagogische Fachkräfte: Die Kita- Leitung informieren, wenn unterwegs etwas passiert ist. Auch in diesem Fall kümmert sie sich um die Unfallmeldung. Wenn ärztliche Hilfe benötigt wird, empfehlen die Unfallkassen außer bei Bagatellverletzungen direkt zum Durchgangsarzt – kurz D-Arzt – zu gehen. Der D-Arzt ist der Facharzt für Arbeits- oder Wegeunfälle. Dadurch ist sichergestellt, dass der oder die Verletzte nach einem Unfall direkt durch einen Arzt behandelt wird, der auf Unfallverletzungen aller Art spezialisiert ist. In der Regel sind auch niedergelassene Unfallchirurgen oder Kinderunfallchirurgen im Krankenhaus D-Ärzte.

Frage: Was passiert, wenn eine Meldung versäumt wird?

Antwort: Die Meldung kann jederzeit nachgeholt werden. In der Regel rechnet der Arzt nach der Behandlung direkt mit der Unfallkasse ab. Trotzdem ist eine offizielle Unfallmeldung und der direkte Kontakt mit dem Träger wichtig.

Frage: Es gibt Erzieherinnen und Erzieher, die Angst vor der Schuldfrage bei einer Unfallmeldung haben. Ist das berechtigt?

Antwort: Das Kind, das den Unfall erlitten hat, steht im Mittelpunkt. Unser Ziel ist es deshalb, dass es so schnell wie möglich wieder gesund wird und in die Kita gehen kann. Der Grund des Unfalls, also ob ein Fremd- oder Eigenverschulden vorliegt, ist für die Unfallkassen nicht wichtig und hat auch keinen Einfluss auf deren Leistung. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Unfallkassen beraten auch in der Kita vor Ort, damit es gar nicht erst zu größeren Unfällen kommt. Denn die Unfallkassen wollen genau wie die Träger eine sichere und gesunde Umgebung in der Kita, in der sich Kinder wohl fühlen und austoben können. Also keine Angst vor der Unfallmeldung.

Die Antworten gab Dr. Sigune Wieland von der Unfallkasse Baden-Württemberg.

Positives Bild vermitteln

Um den Kindergartenkindern den Übergang zur Grundschule zu erleichtern, ist es wichtig, dass die Kinder eine positive Vorstellung von Schule entwickeln und im Vorfeld positive Erfahrungen mit Schule machen können. Und wenn es nur das Kennenlernen des zukünftigen Pausenhofes ist …

Durch die Erfahrungen und Erlebnisse bauen die Kinder mehr Sicherheit auf und können von Anfang an in der Schule selbstbewusster auftreten. Dies erleichtert ihnen den Start in ihrer neuen Bildungseinrichtung.

Es ist sicherlich auch hilfreich, wenn Eltern und pädagogische Fachkräfte ebenfalls mithelfen, die Schule als spannende, neue Lebenswelt darzustellen und nicht das bekannte Bild vom Ernst des Lebens vermitteln. Wie sehr sich die Schule von heute verändert hat, können die Erzieherinnen und Erzieher beispielsweise erleben, wenn sie Kontakt zu Lehrerinnen und Lehrern aufnehmen und gegebenenfalls in einer ersten Klasse vor Ort hospitieren.

Ein Jahr ändert alles

Viele Fähigkeiten erlernen Kinder nebenbei im Umgang mit Anderen. Macht es da überhaupt Sinn, im letzten Kinder­gartenjahr gezielt Angebote für die Großen zu machen?

Jein. Viele Dinge entwickeln sich im Alltag, das stimmt. Dennoch finde ich es gut, eine besondere Ansprache für die Großen zu finden. Sie sollen sich als eigene Gruppe verstehen und Rituale entwickeln. Das stärkt die Kompetenzen des Einzelnen und die Sozialkompetenzen in der Gruppe. Kinder lernen am besten in der Peergroup also unter sich. Sie brauchen Gleichaltrige, um sich gemeinsam auf den neuen Lebensabschnitt vorzubereiten.

Welche Projekte eignen sich dafür?

Da gibt es viele Möglichkeiten: Wenn es ein Kinderparlament in der Kita gibt, kann die Gruppe der Vorschulkinder hier besondere Aufgaben wie Schriftführung, Themensammler oder Ähnliches übernehmen. Es können aber auch Treffen sein, in der die Themen der Kinder besprochen werden, die sie besonders interessieren, oder eine Philosophiegruppe, ein Bücherclub … Mit solchen Projekten erlernen die Vorschulkinder neben der Sprachfähigkeit auch soziale Fähigkeiten, wie die anderen Kinder ausreden lassen, abweichende Meinungen akzeptieren und die eigene Konfliktfähigkeit erproben. Unabhängig von speziellen Angeboten kann man die Vorschulkinder vermehrt bei kleinen Aufgaben einsetzen: Sie können Essenspläne aufmalen, Umfragen unter den Kindern starten oder kleine Besorgungen erledigen. Das stärkt ihr Selbstvertrauen.

Was müssen Vorschulkinder schon wissen?

Kinder, die von aufmerksamen Erzieherinnen und Erziehern in einer gut gestalteten Umgebung, mit viel freier Zeit zum Spielen und anderen Kindern betreut werden, sind grundsätzlich gut auf die Schule vorbereitet.

Trotzdem interessieren sich viele Vorschulkinder schon für Buchstaben und Zahlen …

Darauf kann man selbstverständlich eingehen. Aber dafür die Kinder keine Übungsblätter lösen lassen. Stattdessen alles immer in den Alltag einbinden. Die Vorschulgruppe kann zum Beispiel eine Fotosafari machen. Dabei können die Kinder alles fotografieren, worauf sie einen bestimmten Buchstaben erkennen. Was den Kindern in diesem Zusammenhang auch hilft, ist, Dinge selbst verschriftlichen zu können in Form von Piktogrammen und Symbolen. Damit sie sich nicht nur verbal ausdrücken können, sondern auch schriftlich.

Aus Ihrer Erfahrung heraus: Welche Themen beschäftigen die Vorschulkinder noch?

Alle Herausforderungen, die neu auf sie zukommen. Darauf sollten sie vorbereitet und in der Lage sein, Lösungsstrategien zu entwickeln. Das kann sein: Wie verläuft mein Schulweg? An welcher Bushaltestelle und welchem Supermarkt führt er vorbei? Überhaupt hilft es, viel in der näheren Umgebung unterwegs zu sein. Viele interessieren sich für die eigene Adresse, Hausnummer, Telefonnummern von Notrufen oder von der Oma. Wichtiger als abstraktes Wissen ist die Einschätzung der eigenen Stärken und Selbstvertrauen – zu lernen, wo bekomme ich Wissen her, wie funktioniert eine Bibliothek, ein Nachschlagewerk, das Arbeiten mit Karteikarten. Also, wo kann ich mir Wissen besorgen. Dafür eignet sich eine Raumgestaltung, in der die Kinder selbstständigen Zugang zu Medien haben, und das Einrichten von Kinderbüros, in denen das Experimentieren mit Buchstaben, Schrift und Zahlen und der Umgang mit Schulmaterialien selbstständig erprobt werden kann.

Wie können Erzieherinnen und Erzieher den Kindern den Übergang von der Kita in die Grundschule noch erleichtern?

Durch Langsamkeit, Rituale und Begleitung. Mit Langsamkeit ist ein behutsamer Übergang gemeint, der den Kindern die Möglichkeit gibt, sich ihrem eigenen Tempo entsprechend auf die neue Situation einzustellen. Dabei helfen Kooperationen mit den aufnehmenden Grundschulen. Dann können sich die Kinder schon einmal das Schulgebäude und den Schulhof anschauen und die Lehrkräfte kennen lernen. Auch die Eltern sollten früh genug eingebunden werden, damit sie sich auf den neuen Lebensabschnitt ihrer Kinder und ihre veränderte Rolle als Eltern von Grundschülern vorbereiten können. Dafür eignet sich ein Informationsabend, wenn die Kinder in die Vorschulgruppe kommen. Die Rituale habe ich schon erwähnt. Das sind gemeinsame Projekte, die zeigen: „Wir sind die Großen, wir treffen uns regelmäßig.“ Die Kindergartenübernachtung, das Schultütenbasteln oder das Abschiedsfest gehören natürlich auch dazu.

Was verstehen Sie unter der Begleitung der Vorschulkinder?

Das ist ein ganz wichtiger Punkt: Die Erzieherin oder der Erzieher begleitet die Kinder als sichere Bezugsperson, mit der die Kinder über ihre Anliegen und Ängste sprechen können. Dabei gilt es, Kinder konsequent ernst zu nehmen und sie zu stärken. Auf dieser Grundlage ist es möglich, eine Balance zu schaffen  zwischen sie alleine machen lassen und in der Nähe sein, wenn Unterstützung gebraucht wird.

Sie haben die Ängste angesprochen. Wie kann man den Kindern diese nehmen?

Die pädagogischen Fachkräfte sollten in den Vorschulgruppen die Themen offen ansprechen und Fragen stellen: Was kommt Neues auf euch zu? Worauf freut ihr euch? Was macht euch Angst? Ich glaube, es ist sehr wichtig, nicht immer vom „Ernst des Lebens“ zu sprechen, sondern Kinder dabei zu unterstützen, zu ihren Gefühlen zu stehen und diese ausdrücken zu können. So wird ihre Resilienz gestärkt und sie wissen, dass sie vieles alleine bewältigen können. Das Motto: Vieles wird anders, aber ich freue mich drauf und krieg das schon hin!

Wir haben viel über die kognitive Entwicklung gesprochen. Ändert sich zu dieser Zeit auch motorisch etwas?

Sehr viel, sowohl in der Grob- als auch in der Feinmotorik. Die Kinder bekommen einen größeren Radius, vor allem die Jungs sind oft sehr körperbetont. Sie brauchen einen Rahmen zum Rangeln und Auspowern, aber mit Regeln und Grenzen.

Sie geben Kurse über die Entwicklungsphasen von Vorschulkindern. Mit welchen Fragen werden Sie in der Praxis konfrontiert?

Oft mit den Erwartungen der Eltern, was die Schulfähigkeit ihrer Kinder angeht. Etwa: Wann lernen die Kinder, still zu sitzen und Hefte zu führen? Viele haben eine veraltete Vorstellung von der Schule. Wichtig ist zu zeigen, dass wichtige Grundlagen im Kita-Alltag gelegt werden. Denn das Fundament muss stimmen: Die Kinder müssen wissen, es ist nicht schlimm, wenn sie etwas nicht können. Aber sie sollten kommunikationsfähig und konfliktfähig sein. Die Schule darf nicht angstbeladen sein. Stattdessen muss die Botschaft lauten: Du schaffst das. Ein toller neuer Lebensabschnitt fängt an.

Peggy Bresnik, Foto: Stefan Krapf

Interview mit Peggy Bresnik. Sie hat als Erzieherin und in der Kita-Leitung gearbeitet. Heute ist sie Coach und Referentin im Bereich der Frühpädagogik.

Die Eltern ins Boot holen

Im letzten Kita-Jahr wird es nicht nur für die Kinder spannend. Auch für die Eltern ist der Übergang in die Schule mit vielen Fragen verbunden. Einige sind unsicher. Sie wissen nicht, was ihre Kinder erwartet und ob sie den Anforderungen gewachsen sind. Andere haben genaue – manchmal falsche – Vorstellungen von den Fähigkeiten, die ihr Kind mitbringen muss. Viele stellen sich die Frage: Ist mein Kind überhaupt schulreif? Um Unsicherheiten zu nehmen, sind Elterngespräche besonders wichtig.

Bei diesen Gesprächen sollten die Anliegen der Eltern im Mittelpunkt stehen. Was erwarten sie von dem Gespräch? Welche Vorstellungen haben sie von der bevorstehenden Schulzeit? Wie nehmen sie ihr Kind wahr? „Aktives Zuhören, also bewusst auf die Eltern eingehen und nachfragen, schafft eine gute Basis“, erklärt Natalia Popp-Wilhelmy, psychologische Psychotherapeutin und Teamleiterin der Jugend-, Erziehungs- und Familienberatung der Caritas Hildesheim. „So entsteht eine wertschätzende Atmosphäre.“

 

KURZ GESAGT!

  • Eltern sind oft unsicher
  • Im Elterngespräch auf Sorgen eingehen
  • Stärken des Kindes an Beispielen verdeutlichen
  • Gemeinsam Möglichkeiten zur Unterstützung überlegen

 

Gute Vorbereitung

Die gute Atmosphäre lebt auch von einer positiven Grundhaltung. Dazu gehört, dass das Gespräch im Voraus geplant und sorgfältig vorbereitet wird. „Erzieherinnen und Erzieher sollten vorher genau überlegen, was sie den Eltern über ihr Kind vermitteln wollen“, erklärt die Psychotherapeutin.

Hilft Carlos den jüngeren Kindern und übernimmt Verantwortung für sich und andere? Das ist eine Stärke, die in der Schule gebraucht wird. „Das Stichwort hierbei lautet ressourcen-orientierte Gesprächsführung“, sagt Natalia Popp-Wilhelmy. Pädagogische Fachkräfte müssen den Eltern vermitteln, dass sie das Kind gut kennen und schätzen. „Am besten gelingt das, indem an konkreten Beispielen beschrieben wird, was man in der Kita beobachtet hat.“

Wichtig ist dabei, mit Lob und Anerkennung in die Beschreibung des Kindes einzusteigen. Danach können auch Schwierigkeiten zur Sprache kommen. Dabei gilt: neutral bleiben. „Wer hört, dass sein Kind dieses oder jenes nicht kann, blockt sonst schnell ab. Die Beobachter-Perspektive ist wichtig“, erklärt Natalia Popp-Wilhelmy. Dabei sollte man herausarbeiten, wie man das Kind in diesem Fall unterstützen kann und wie ihm das in der Schule zugutekommt.

Sorgen ansprechen

Carlos’ Eltern kann man so beispielsweise erklären, dass es toll ist, wie neugierig er ist. Das ist für die Schulzeit sehr wertvoll. Allerdings gibt er schnell auf, wenn etwas nicht klappt. „Man kann gemeinsam überlegen, wie man das Kind hierbei unterstützt“, so Natalia Popp-Wilhelmy. Also wie man seine Frustrationstoleranz stärkt. „Man muss die Eltern mit ins Boot holen.“

Aber was, wenn Eltern mit grundsätzlich falschen Vorstellungen in das Gespräch gehen? Wenn sie beispielsweise erwarten, dass Carlos vorab Lesen oder Schreiben üben muss? Oft ist es nicht mit einem einzigen Gespräch getan. „Der regelmäßige Dialog mit den Eltern ist das A und O“, erklärt die Expertin. Dann kann man Unsicherheiten frühzeitig begegnen und Sorgen nehmen.

 

 

Training für den Schulweg

Ein Schilderwald steht im Gemeinschaftsraum der Kita „Kinderland“ in Strausberg: Miniaturausgaben von Verkehrszeichen, eine rot-weiße Schranke, eine Ampel. Und mitten drin 30 Vorschulkinder. „Wer muss hier aufpassen?“ Erzieherin Manuela Turni hält ein Schild hoch, das spielende Kinder zeigt. „Die Kinder?“, vermutet Maurice. „Die Autos!“, sagen die anderen. Aber Maurice hat natürlich auch Recht: Kinder müssen im Straßenverkehr immer vorsichtig sein.

Bei der Verkehrserziehung der Vorschulkinder arbeitet die Kita „Kinderland“ mit dem Projekt „Sicher zur Schule“ der Deutschen Verkehrswacht zusammen, das im Kreis Märkisch-Oderland von der Unfallkasse Brandenburg unterstützt wird. Das Ziel: Kinder sollen ihren Schulweg vom ersten Tag an selbstständig meistern. Dafür üben sie in der Vorschulgruppe.

Eine ehrenamtliche Helferin der Verkehrswacht Oderland begleitet das Projekt in Strausberg. Mit Klebeband haben sie und die Erzieherinnen vergangene Woche den Boden des Gemeinschaftsraums in ein Straßennetz verwandelt. An den Kreuzungen, zwischen Ampelanlagen und Schildern, konnten die Kinder hier gefahrlos die Verkehrsregeln üben.

 

KURZ GESAGT!

  • Arbeit mit Projekt der Deutschen Verkehrswacht
  • Kinder müssen eigene Erfahrungen im Straßenverkehr sammeln
  • Richtiges Verhalten im Verkehr regelmäßig üben
  • Ziel: Kinder sollen den Schulweg selbstständig meistern

 

Zu Fuß gehen

In Sachen Verkehrserziehung verhalten sich die meisten Eltern in dieser Kita vorbildlich: Sie begleiten ihre Kinder zu Fuß oder auf dem Fahrrad zum „Kinderland“. Die Kinder dieser Einrichtung sammeln also ganz regelmäßig eigene Erfahrungen im Straßenverkehr. Ganz anders sieht es an vielen Grundschulen aus. Dort liefern immer mehr Eltern ihre Kinder mit dem Auto direkt vor dem Eingang ab. „Viele gefährliche Situationen für Kinder im Straßenverkehr entstehen erst durch die Elterntaxis direkt vor den Schulen. Einige Eltern verhalten sich leider selbst sehr rücksichtslos“, erklärt Uwe Wähner, Geschäftsführer der Verkehrswacht Oderland. „Zu Fuß zur Schule gehen ist gesünder und sicherer.“

Deswegen richtet sich „Sicher zur Schule“ mit seinen Materialien auch an die Eltern. Ein Ratgeber klärt auf, dass Kinder anders sehen, hören und reagieren als Erwachsene. Die Broschüre zeigt, was einen sicheren Weg zur Schule ausmacht, und regt an, diesen vor der Einschulung mit den Kindern regelmäßig zu üben. Die Kinder erhalten ein eigenes Schulwegheft mit Übungen, Bewegungsspielen und kleinen Aufgaben zu Straßenverkehrsregeln. Die Materialien unterstützen die praktische Arbeit der pädagogischen Fachkräfte.

Im „Kinderland“ geht es heute nach den Trockenübungen raus auf die Straße. Die Vorschulkinder sind in ihren neongelben Warnwesten gut sichtbar auf dem Gehweg unterwegs. Dabei bleiben sie dicht beisammen: „Keine Elefantenlücken!“, rufen alle. Geübt wird der Weg zur Grundschule in Strausberg, in die viele der Vorschulkinder nach den Sommerferien wechseln. An jeder Bordsteinkante stoppt die kleine Gruppe – „Am Bordstein Halt, sonst knallt’s!“, rufen die Kinder. Dann halten sie rechts und links Ausschau nach Fahrzeugen.

„In den ersten Wochen haben wir nur geübt, genau hinzuhören, was in unserer Umgebung geschieht“, erzählt Christina Valentin. „Da klingelt eine Straßenbahn, da hupt ein Auto.“ Kinder im Vorschulalter haben noch eine eingeschränkte Wahrnehmung. Sie können schlechter einschätzen, aus welcher Richtung ein Geräusch kommt und wie weit es entfernt ist. Die Kinder müssen lernen, den Verkehr in ihrer Umgebung aufmerksam wahrzunehmen, um richtig reagieren zu können.

Die Vorschulgruppe ist nicht nur mit viel Spaß bei der Sache. Das Gelernte nehmen die Kinder auch mit nach Hause: „Inzwischen erzählen sie uns, was ihre Eltern alles falsch machen“, sagt Christina Valentin und lacht.

 

DIE WAHRNEHMUNG VON FÜNF- BIS SECHSJÄHRIGEN

  • Sie haben ein eingeschränktes Sichtfeld,
  • können Entfernungen und Geschwindigkeiten nicht einschätzen,
  • erkennen nicht, aus welcher Richtung ein Geräusch kommt,
  • können Geräusche noch nicht unterscheiden,
  • haben eine längere Reaktionszeit,
  • reagieren sehr spontan,
  • sind schnell in Situationen überfordert,
  • können sich nicht in andere Verkehrsteilnehmer hineinversetzen,
  • können nicht mehrere Dinge gleichzeitig aufnehmen und
  • können gefährliche Situationen nicht erkennen.

 

 

KONTAKT

Das Projekt „Sicher zur Schule“ wird lokal in den Landesverbänden der Deutschen Verkehrswacht umgesetzt. Interessierte Kitas können sich an ihre örtliche Verkehrswacht wenden oder an Thomas Moss, Verkehrswacht Medien & Service-Center,
thomas.moss@vms-verlag.de.

 

 

Gut gewickelt

Wer in der Kita arbeitet, ist vielen Infektionsrisiken ausgesetzt. Pädagogisches Fachpersonal sollte sich daher bei der arbeitsmedizinischen Vorsorge beraten lassen, welche Impfungen und Schutzmaßnahmen sinnvoll sind. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Hygiene beim Wickeln. Oberstes Gebot dabei: Einmalhandschuhe benutzen! Sie halten viele Keime ab.

Dennoch müssen die Hände nach dem Wickeln desinfiziert werden. Denn beim Windelwechseln besteht eine erhöhte Gefahr von Kontakt- oder Schmierinfektionen. Das sind Infektionen, bei denen Erreger vom Stuhl über die Hand in den Mund gelangen – entweder direkt oder indirekt, zum Beispiel über Nahrungsmittel.

Generell sollten Desinfektionsmittel, Handschuhe und Hautschutzcreme immer in greifbarer Nähe lagern. Achten Sie darauf, dass diese Utensilien für die Kinder nicht zugänglich sind. Der Aushang für den Wickelplatz zeigt, worauf zu achten ist.

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HYGIENE NACH PLAN

  • Weitere wichtige Tipps zu den Themen Hautschutz, Handschuhe, Hände waschen und pflegen enthält der Hautschutz- und Händehygieneplan. Ein Beispiel dafür ist abzurufen unter: www.bgw-online.de > Suchbegriff: „Händehygieneplan für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kindertagesstätte“
  • In dem von der Kita erstellten Reinigungs- und Desinfektionsplan werden alle Reinigungs- und Desinfektionsmittel, deren Anwendungszwecke, Einwirkzeiten und Zuständigkeiten aufgelistet. Bitte informieren Sie sich in Ihrem jeweiligen Bundesland.

Gesunde Impulse

„Das Thema Gesundheit liegt mir am Herzen. Deshalb habe ich mich mit Unterstützung unseres Trägers Kindergärten NordOst zur Gesundheitsmultiplikatorin fortgebildet. Hier in der Kita rege ich zu gesundem Arbeiten an. Ich achte etwa auf die Einhaltung der Pausen. Zum Kita-Alltag gehören oft Stress und Lärm. Deshalb muss jeder im Team auch auf sich selbst achten. Impulse zu gesundem Arbeiten, wie richtiges Heben, sind ganz wichtig. Zusätzlich habe ich ein Auge auf den Speiseplan. Dabei ist der Austausch mit unserer Köchin hilfreich. Fester Bestandteil ist die Lockerungsübung vor Teambesprechungen. Egal ob Schultern, Nacken oder der ganze Körper: Je nach Bedarf der Kolleginnen und Kollegen habe ich eine Übung parat.“

Schattige Plätzchen

Der Weg zur Kita „Am Ballonstartplatz“ im bayerischen Gersthofen führt in ein typisches Neubaugebiet: Auf der grünen Wiese errichtete Reihenhäuser, in denen vor allem junge Familien leben. Für deren Nachwuchs wurde die Kita im Jahr 2014 neu gebaut. 112 Plätze bietet die Einrichtung, 60 davon sind von Krippenkindern belegt.

Das moderne Gebäude erstreckt sich über zwei Etagen, die Stadt hat für die Kinderbetreuung sichtbar Geld in die Hand genommen. Auch für das gute Klima im Haus: In die Fußbodenheizung wird im Sommer 16 Grad warmes Wasser eingeleitet, so dass sie zur Kühlung beiträgt. Eine Herausforderung war der Sonnenschutz auf dem Außengelände der Kita. Alte Bäume oder große Büsche, die natürlichen Schatten über Rutsche, Spielschiff oder Wasserpumpe werfen, fehlten hier komplett.

„Wir gehen mit den Kindern jeden Tag raus, das ist wichtig für die Entwicklung“, sagt die Kita-Leiterin Susanne Mielke. In einem Jahr wie 2018 hätte das ohne zusätzliche Maßnahmen bedeutet: Spielen in der prallen Sonne von Anfang April bis Ende Oktober. „Die Kinder und Erzieherinnen müssen sich überall aufhalten können – ohne dass sie ständig der UV- Strahlung ausgesetzt sind.“ Deshalb suchte die Kita-Leitung gemeinsam mit der Stadt Gersthofen, dem Träger der Kita, und den Architekten nach Lösungen.

KURZ GESAGT!

  • Wo Bäume fehlen, Sonnensegel und Schirme einsetzen
  • Beschattungssysteme müssen wetterfest und sicher sein
  • An Lieblingsplätzen der Kinder für Schatten sorgen
  • Jalousien schützen Innenräume vor Überhitzung

 

„Wir gehen mit den Kindern jeden Tag raus, das ist wichtig für die Entwicklung“, sagt Kita-Leiterin Susanne Mielke.

Bunte Sonnensegel

Rund um das große Spiel- und Klettergerüst der älteren Kinder sind jetzt hohe Metallstangen angebracht. An ihnen befestigt der Hausmeister an sonnigen Tagen große bunte Sonnensegel. „Das ist die optimale Lösung bei einem Neubau auf der grünen Wiese“, lobt Holger Baumann, Aufsichtsperson der Kommunalen Unfallversicherung Bayern. Zusätzlich gibt es mehrere große Sonnenschirme, etwa bei den drei Findlingen im Sandbereich. „Hier sitzen die Kinder häufig und spielen“, erzählt Susanne Mielke. Auch über der Matschanlage, wo die Kinder bei Hitze besonders gerne am silbrigen Rad der Wasserpumpe drehen, hängt inzwischen ein Sonnensegel.

Sonnensegel sind die optimale Lösung bei einem Neubau auf der grünen Wiese.

Die Halterungen für die Segel und Schirme sind alle fest und sturmsicher im Boden verankert. „Das bietet auch bei Windböen einen guten Halt“, erklärt Holger Baumann. Bei der Auswahl an Beschattungssystemen sollte unbedingt auf eine dauerhafte Sicherheit und gute Qualität geachtet werden. Vorsicht ist daher bei Schnäppchen aus dem Baumarkt oder von Internet-Discountern geboten. Alle bereitgestellten Beschattungssysteme müssen sicher und für den dauerhaften Kita- Einsatz geeignet sein. Die Verletzungsgefahr bei Ständern von Sonnenschirmen für den privaten Einsatz beispielsweise durch Stolpern und Stürzen ist groß. Ebenfalls ein vermeidbares Risiko: herabhängende Schnüre und Bänder an Schirmen oder Sonnensegeln. „Die Kinder spielen damit und können sich im schlimmsten Fall strangulieren“, weiß die Aufsichtsperson. Auch darauf wurde „Am Ballonstartplatz“ geachtet.

Wo die Kinder am liebsten spielen – da muss für Schatten gesorgt werden. Dieses Prinzip war auch maßgeblich für den separaten Außenbereich der Unterdreijährigen. Deshalb spannt sich über der gesamten Sandanlage der Jüngsten ein rotes Sonnensegel. Auch über der Nestschaukel ist dieser UV-Schutz großflächig angebracht. „Für die Erzieherinnen ist es wichtig, dass sie beim Anschaukeln im Schatten stehen“, sagt die Kita-Leiterin.

An heißen Sommertagen gehen die Kinder nur morgens und am späteren Nachmittag raus. Dann bleiben die Fahrzeuge in ihrem Schuppen, stattdessen wird die Wasserrutsche am Hügel aufgebaut. Während der Mittagsstunden spielen die Kinder dann im Gebäude. An den raumhohen Fenstern verhindern Jalousien, dass einfallende Sonnenstrahlen die Gruppenräume übermäßig erhitzen.

Spielen unter Markisen

Zusätzlichen Schutz bietet ein breiter Balkon, der sich an der gesamten Südseite des Gebäudes entlangzieht. Oben im ersten Stock nutzen die Kinder gerne das schöne Wetter, sitzen an Spieltischen auf dem Balkon und beobachten Spaziergänger mit ihren Hunden oder die Müllmänner bei der Arbeit. Zur Seite hin, am Balkongeländer, schützen mit bunten Bahnen bespannte Elemente die Kinder vor der einfallenden Sonne. Unten auf dem Außengelände schafft der Überhang des Balkons wie eine riesige Markise schattige Plätzchen zum Spielen.

Weiden wachsen schnell

Neben den zahlreichen Sonnensegeln und -schirmen setzen Kita und Träger aber auch auf natürlichen Sonnenschutz. Auf dem Hügel der Älteren, hinten neben der Seilbahn oder bei den Erdbeerbeeten wurden Bäume und Büsche gepflanzt. Im Krippenbereich finden die Kinder unter Weidenbüschen ein schattiges Versteck. „Weiden wachsen schnell und sind nicht giftig“, betont Susanne Mielke die Vorzüge der Pflanzen. Diesen Kriterien genügen auch die Buchen, die „Am Ballonstartplatz“ noch etwas schmächtig wirken. Bis aus den Bäumen auf dem Außengelände der Kita großzügige Schattenspender werden, wird es wohl noch ein paar Jahre dauern.

 

HAUTSCHUTZ DURCH BESCHATTUNG

Sonnenschirme: Sie eignen sich für kleinere Flächen. Besonders flexibel und gut geeignet sind sogenannte Ampelschirme, die sich kippen und um 360° schwenken lassen. Damit können sie ideal dem Sonnenstand angepasst werden. Empfehlenswert ist ein Schirmbezug aus wetterbeständigem und vor UV-Strahlung schützendem Material. Der Schirmfuß sollte bodenbündig und barrierefrei verankert sein, sonst besteht Verletzungsgefahr.

Markisen: Sinnvoll zur Beschattung von Flächen am Gebäude und bei Terrassen. Sie können bis zu sieben Meter breit und fünf Meter tief sein. Nachteilig sind die relativ kleine Beschattungsfläche, die Windanfälligkeit und die geringere Anpassungsfähigkeit bei niedrigstehender Sonne.

Pflanzen: Ein alter Busch- und Baumbestand mit dichten Kronen liefert optimalen Schatten. Durch die Verdunstung hat er zusätzlich einen kühlenden Effekt. Sonnen- und Windschutz bietet auch eine Pergola, die mit Rankpflanzen wie wildem Wein oder immergrünem Geißblatt bepflanzt wird.

Sonnensegel: Besonders geeignet zur Beschattung großer Flächen. Den optimalen Schutz bieten mehreckige Segel mit einer großen Beschattungsfläche.
Sonnensegel, die dauerhaft angebracht bleiben, müssen winddurchlässig und sturmsicher befestigt sein. Wegen ihrer luftdurchlässigen Struktur bieten sie allerdings oftmals einen etwas geringeren UV-Schutz als Exemplare, die nicht wetterfest sind. Sonnensegel punkten besonders in Sachen Flexibilität: Sie können waagerecht, schräg oder senkrecht gespannt werden und sehr gut dem Sonnenstand angepasst werden.

 

 

SICHERHEITSHINWEISE ZU SONNENSCHUTZSYSTEMEN

  • Beim Kauf auf das GS-Zeichen achten
  • Aufbau- und Montageanleitung befolgen
  • Bedienungs- und Sicherheitshinweise beachten
  • Befestigung und Funktion prüfen
  • Nur zugelassenes Zubehör verwenden
  • Sonnenschirme und Co nie ungesichert aufstellen
  • Auf Segeltuch mit möglichst hohem UV-Schutzfaktor achten
  • Sturm- bzw. Windfestigkeit beachten
  • Beschädigte Sonnensegel, Schirme und Markisen nicht verwenden
  • Wartung und Inspektion gemäß Herstellerangaben  durchführen lassen
  • Ideal sind Systeme mit bodenbündigem Einbau und ohne hervorstehende spitze Teile, wie Spannvorrichtungen
  • Falls vorhanden: herabhängende Seile oder Kordeln  entfernen; Kurbelsysteme ohne offene Seile sind besonders komfortabel und sicher

 

 

INFOMATERIAL

Vielfältige Broschüren und weiterführende Infos der UKBW unter:
www.kindergaerten-in-aktion.de > Suchbegriff: Sonne

Weiterführende Broschüre „Arbeiten unter der Sonne“ der DGUV:
publikationen.dguv.de > Suchbegriff: 203-085

Flyer „Hautschutz ist (k)ein Kinderspiel“ der UKH:
kita.ukh.de

 

 

 

 

 

Trinken nicht vergessen

Silke Restemeyer, Ernährungswissenschaftlerin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V.:

Im Sommer oder wenn sich die Kinder viel bewegen, steigt der Bedarf. Da viele Kinder beim Spielen und Toben das Trinken vergessen, ist es wichtig, dass die pädagogischen Fachkräfte ihnen immer wieder Getränke anbieten. Regelmäßige Trinkpausen helfen, die Kinder daran zu erinnern. Persönliche, bunte Becher oder Trinkflaschen sind auch eine gute Idee. Das motiviert die Kinder zum Trinken, denn sie lieben es bunt.

Getränke für Kinder

Wasser und ungesüßte Kräuter- und Früchtetees sind für Kinder besonders empfehlenswert. Aufpeppen kann man das Wasser beispielsweise mit Zitronenscheiben oder Himbeeren. Auch ein Schuss Saft macht das Getränk attraktiver. Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zur täglichen Flüssigkeitszufuhr unter:
www.dge.de > Wissenschaft > Referenzwerte

Mehr Trinken

  • Jedes Kind bekommt bei jeder Mahlzeit ein Glas Wasser
  • Wasser und Tee sind immer verfügbar und frei zugänglich
  • Regelmäßig an das Trinken erinnern
  • Beim Spielen regelmäßige Trinkpausen einrichten

Sonnentanz und Sonnensäule

Mit Buntstiften haben die Kinder gelbe Sonnen auf Papier gemalt. Sie haben „Wie gut, dass es die Sonne gibt“ gesungen, Bilderbücher mit Sonnengeschichten gelesen und auf dem Sommerfest einen Sonnentanz aufgeführt. Vor allem aber haben sie gelernt, dass sie ihre Haut vor den Strahlen schützen müssen und worauf es besonders ankommt. In der evangelischen Kita „Eliaskinder zum Förderturm“ in Dortmund wird Sonnenschutz großgeschrieben.

KURZ GESAGT!

  • Kinder früh für Gefahr durch UV-Strahlen sensibilisieren
  • Gemeinsam eincremen als Ritual
  • Feste Regeln für schützende Kappen und Kleidung
  • Eltern informieren und einbeziehen

Im Mittagskreis haben die Mädchen und Jungen geübt, wie sie sich richtig eincremen. Jeder mit seiner eigenen Sonnencreme. „Am Anfang sahen alle aus wie kleine Schneemänner, aber schon nach kurzer Zeit hat es richtig gut gefluppt“, sagt die Erzieherin Kyra Siebert. Mal muss eine Erzieherin auf die Tube drücken, aber sonst ist nicht mehr viel Hilfe gefragt. Die Kinder legen großen Wert darauf, sich alleine einzucremen. „Die Kinder so viel wie möglich selbst machen zu lassen, entspricht auch unserem pädagogischen Anspruch. So lernen sie viel besser.“ Natürlich haben die Fachkräfte einen Blick darauf, dass zum Schluss alle gut eingecremt sind. Die Mädchen und Jungen wissen auch, dass sie in der prallen Sonne niemals ohne Kopfbedeckung und T-Shirt in den Garten gehen dürfen.

Aus alten Kartons haben die Erzieherinnen mit den Kindern eine sogenannte Sonnensäule gebastelt und direkt neben dem Eingang der Kita aufgestellt. „Dort ist sie besonders gut zu sehen.“ An der Säule finden sich neben Bildern und Fotos wichtige Tipps für Eltern auf Deutsch und Englisch. Jeden Morgen informiert sich Kyra Siebert im Internet, wie hoch der UV-Index an diesem Tag wird – und hängt einen Zettel mit dem aktuellen Wert auf. In blau, gelb oder rot. So wissen die Kinder auf den ersten Blick, wann sie ganz besonders gut aufpassen müssen.

Wissen weitergeben

Viele Ideen konnte die Kita auf einer Fortbildung zur Hautkrebsprävention mitnehmen. An der eintägigen Veranstaltung, die von der Krebsgesellschaft NRW mit der Krankenkasse IKK classic angeboten wird, hat Erzieherin Kyra Siebert gemeinsam mit der Kitaleiterin teilgenommen. „Wir sind jetzt Spezialistinnen und geben die Infos ans Team weiter“, berichtet sie. Entworfen wurde das Projekt „SunPass – Gesunder Sonnenspaß für Kinder“ von der Europäischen Hautkrebsstiftung. Die Fortbildung habe ihnen verdeutlicht, wie empfindlich die Haut von Kindern sei, sagt Kyra Siebert, „und wie schnell etwas passieren kann, wenn man nicht aufpasst“.

Das Team habe daraufhin Regeln aufgestellt, zum Beispiel, dass jedes Kind eingecremt in den Kindergarten kommen muss und täglich mittags noch einmal nachgecremt wird. Brennt die Sonne zu sehr, bleiben alle über die Mittagszeit drinnen. Wichtig ist auch, dass die Mitarbeiterinnen ebenfalls nur mit Hut raus gehen, Nacken sowie Arme und Beine weitgehend bedecken. „Wir sind Vorbilder“, betont die Erzieherin. Die meisten Eltern hätten das Projekt direkt gut angenommen. Allerdings besuchen die Einrichtung über 100 Kinder aus 14 Nationen. Nicht allen war auf Anhieb bewusst, dass Sonnenschutz auch für Mädchen und Jungen mit dunklerer Hautfarbe ein wichtiges Thema ist. Die Erzieherinnen haben deshalb einige Eltern in Einzelgesprächen noch einmal darauf hin gewiesen – und die Regel erklärt: „Wer nicht eingecremt ist, darf nicht nach draußen.“

Zusätzlich hat die Kita alle Eltern zu einem Infonachmittag eingeladen. Dabei hielt eine Dermatologin aus einer Hautklinik einen Vortrag. „Das kommt noch einmal ganz anders rüber, als wenn wir als Erzieherinnen etwas darüber erzählen“, weiß Kyra Siebert. Die Veranstaltung war sehr gut besucht. Und die Kinder wurden danach sehr viel besser eingecremt in die Kita gebracht. Fazit: „Vielen Eltern war vorher selbst nicht bewusst, wie gefährlich die Sonne sein kann.“

 

SUNPASS

Zu viel Sonne im Kindesalter gilt als Hauptrisikofaktor für Hautkrebs. Deshalb hat die Europäische Hautkrebsstiftung die Präventionskampagne „SunPass – gesunder Sonnenspaß für Kinder“ entwickelt. Ziel ist es, Kitas für Sonnenschutz zu sensibilisieren.

Infos unter: www.krebsgesellschaft.de >
Deutsche Krebsgesellschaft > Prävention > SunPass-Projekt

Sonnenschutz – wir passen auf!

Damit Kinderhaut optimal vor Sonnenstrahlen geschützt ist, reicht es nicht, die Kleinen einmal am Tag mit einer Sonnencreme einzuschmieren. Die Übersicht zeigt, wie es geht! Sie können Sie in drei Sprachen im PDF-Format herunterladen, ausdrucken und in der Kita aufhängen.

Das Bild zeigt zwei Kinder, die sich optimal vor Sonnenstrahlen schützen.

Aushang in Deutsch

Aushang in Türkisch

Aushang in Arabisch

„Vermeidbare Schäden“

Warum ist Sonnenschutz gerade bei Kindern so wichtig?

Kinder haben in den ersten Lebensmonaten noch kein eigenes Pigment gebildet. Das heißt, der hauteigene Sonnenschutz ist noch nicht aktiviert und zusätzlich ist ihre Haut dünner. Wenn Kinder in diesem Alter einen Sonnenbrand bekommen, fangen sie schon sehr früh an, ihr negatives Sonnenkonto zu füllen. Das Risiko ist dann erhöht, im Alter an weißem oder schwarzem Hautkrebs zu erkranken.

Ab welchem Alter sind Kinder weniger empfindlich gegen schädliche Sonnenstrahlen?

Die größte Gefährdung besteht im Säuglings- und Kleinkindalter, aber auch im Schulkindalter sollten die Kinder geschützt werden.

Zu welcher Tageszeit sind die Sonnenstrahlen am schädlichsten?

Etwa zwischen 11 und 15 Uhr. Um die Mittagszeit muss man raus aus der Sonne. Das gilt auch für Erzieherinnen und Erzieher. Die Kinder sollten dann drinbleiben oder geschützt im Schatten spielen. Wenn sie einen Sonnenbrand bekommen, weil sie zu dieser Zeit ungeschützt draußen sind, ist das ein vermeidbarer Schaden. Hier sind die Erwachsenen verantwortlich.

Wie schützt man Kinder am besten vor zu viel Sonneneinstrahlung?

Das Wichtigste ist, dass man Sonnenschutzkleidung mit Creme kombiniert. Vor allem an den unbedeckten Stellen und Sonnenterassen wie Stirn, Nase und Ohren. Es gibt spezielle Sonnencremes, die das Licht zurückweisen, also einen physikalischen Filter haben. Diese Cremes sollte man bei Kindern und Säuglingen bis zum zweiten Lebensjahr einsetzen.

Und die gängigen Sonnencremes?

Die sind für Kinder ab zwei Jahren empfehlenswert. Es gibt auch spezielle UV-Schutzpräparate, die für Kinder bevorzugt zu verwenden sind. Aber auch hier immer in Kombination mit geeigneter Sonnenschutzkleidung.

Kleidung zum Sonnenschutz ist also wichtig. Würden Sie UV-Schutzkleidung empfehlen?

Es muss nicht unbedingt die teure UV-Schutzkleidung sein. Wichtig ist, dass möglichst viel Haut bedeckt und der Stoff dicht gewebt ist.

Welchen Lichtschutzfaktor sollte die Sonnencreme für Kinder haben?

Ich empfehle den höchsten verfügbaren Lichtschutzfaktor, also Faktor 50. Wenn sie in der Kita 30 Kinder betreuen und einschmieren sollen, können sie nicht ständig auf den individuellen Hauttyp der einzelnen Kinder achten und nachcremen. Also nehmen sie den höchsten Lichtschutzfaktor für den längsten möglichen Schutz.

Sie haben gerade das Thema Hauttyp angesprochen. Was versteht man darunter?

Es gibt sechs Hauttypen: von 1 – das ist der sehr helle, rothaarige Typ – bis zum dunkelhäutigen Typ 6. Ein dunklerer Hauttyp hat einen höheren eigenen Sonnenschutz. Bei Kindern mit einem helleren Hauttyp muss man ganz besonders auf den Sonnenschutz achten.

Was empfehlen Sie als Ärztin: Sollen die Kinder sich selbst eincremen?

Kinder wissen nicht, wie man sich richtig eincremt. Die Erzieherinnen und Erzieher können die Kinder spielerisch einbeziehen, damit sie es lernen. Aber pädagogische Fachkräfte müssen immer darauf achten, dass richtig, ausreichend und gerade die Sonnenterrassen eingecremt werden. Ein Kollege hat sich in einer Studie mit UV-Schutz auseinandergesetzt. Die hat gezeigt, dass selbst Erwachsene sich oft nicht richtig eincremen, auch wenn man es ihnen erklärt. Ein kleines Kind schafft das nicht alleine.

Braucht jedes Kind eine eigene Sonnencreme?

Man muss natürlich die Eltern fragen, ob eine Hauterkrankung oder Allergie beachtet werden muss. Eine Informationsveranstaltung ist da meiner Meinung nach sinnvoll. Dort kann man die Eltern über die Sonnenschutzprävention in der Kita aufklären und sollte sich eine schriftliche Einverständniserklärung einholen. Wenn keine Erkrankungen oder Allergien vorliegen, kann man mit einer UV-Schutz-Creme Faktor 50 alle Kinder eincremen.

Aber eine Creme für alle – ist das nicht unhygienisch?

Man muss natürlich auf Hygienemaßnahmen achten. Also nach jedem Kind Hände waschen, niemals Creme aus einem Topf nehmen und ganz wichtig: Immer frei aus der Tube herausdrücken, damit sich keine Bakterien anlagern.

Ist die Sonneneinstrahlung nur schädlich oder hat sie auch positive Effekte?

Das ist eine Frage der Menge. Ein gewisses Maß an Sonne tut gut, das benötigt die Haut für den Vitamin-D-Stoffwechsel. Dafür genügen jedoch 15 Minuten direkte Sonneneinstrahlung pro Tag. Die Sonne wirkt außerdem auf die Psyche, die Stimmung ist positiver, wenn sie scheint. Es ist wichtig, Kinder vor schädlicher Strahlung zu schützen. Aber das heißt nicht, dass sie nie in die Sonne gehen dürfen.

Prof.Dr. Ulrike Blume Peytavi

Interview mit Prof. Dr. med. Ulrike Blume-Peytavi. Sie ist Kinderdermatologin und stellvertretende Klinikdirektorin der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Charité Berlin.

Mehr als nur reden

Schon ein Tisch macht einen Unterschied. Früher saßen die 16 pädagogischen Fachkräfte der Kita Schützenstraße bei ihren Teambesprechungen an einem langen Tisch nebeneinander aufgereiht, der Raum war sehr schmal. Das wollte die Kita-Leiterin Katrin Scholz ändern. Sie räumte ihr Büro und machte es zum neuen Teamzimmer. Hier versammeln sich die Erzieherinnen heute bei den monatlichen Sitzungen rund um einen quadratischen Tisch. Alle können miteinander Augenkontakt aufnehmen, sagt die Sozialfachwirtin. „Es beteiligen sich auch alle viel aktiver.“

In der Kita Schützenstraße hat sich in den vergangenen Jahren viel verändert: Einige pädagogische Fachkräfte gingen in den Ruhestand, andere in Elternzeit. Neue Erzieherinnen kamen hinzu, gleichzeitig nimmt die Kita am Berliner Landesprogramm „Kitas bewegen – für die gute gesunde Kita“ teil. Das nahm Katrin Scholz zum Anlass, frischen Wind in die Einrichtung zu bringen. Die Belegschaft besuchte eine Fortbildung zum Thema Teamentwicklung. Möglich waren diese Veränderungsprozesse nur durch die Unterstützung des Trägers Kindergärten NordOst, dem größten Kita-Träger Berlins.

 

KURZ GESAGT!

  • Feste Besprechungstermine einrichten
  • Das Team bei der Themenplanung einbeziehen
  • Für eine angenehme Atmosphäre sorgen
  • Regeln für eine wertschätzende Kommunikation aufstellen

 

Gemeinsame Themenplanung

Diese Teamfortbildung brachte gleich mehrere konkrete Neuerungen. Für die Dienstbesprechung gibt es jetzt einen festen Termin: An jedem zweiten Mittwoch im Monat ab 16.30 Uhr für etwa zwei Stunden. Damit alle teilnehmen können, holen die Eltern ihre Kinder an diesem Tag früher ab.

Die Tagesordnung kann jetzt ergänzt werden, jeder im Team kann Themen vorschlagen. „So werden keine Dinge besprochen, die an unseren Interessen vorbeigehen“, sagt die Erzieherin Marina Bösa. Zwei Kolleginnen sind dafür verantwortlich, den Raum vorzubereiten.

Jede Meinung zählt

Die Besprechung beginnt stets mit ein paar gemeinsamen Lockerungsübungen, die eine Erzieherin anleitet. Sie wurde zur Gesundheitsmultiplikatorin ausgebildet. „So ein aktiver Start ist wichtig, um die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter zu steigern und mehr aktive Bewegung in den Berufsalltag zu integrieren“, sagt Katrin Scholz. In der Fortbildung stellte das Team auch Regeln für eine wertschätzende Gesprächskultur auf: Jede Meinung zählt gleich viel. Es wird bewusst zugehört und keine Wertung vorgenommen – auch nicht durch Mimik oder Gestik. „Es kommt immer wieder einmal vor, dass wir in alte Verhaltensmuster fallen“, berichtet Katrin Scholz. „Dann disziplinieren wir uns selbst untereinander und machen gegebenenfalls eine kleine Pause.“

Früher waren oft dieselben Personen bei den Besprechungen tonangebend, andere hielten sich völlig zurück. „Damit alle Position beziehen, stimmen wir jetzt sämtliche Entscheidungen ab.“ Was das Team verbindlich beschließt, vertritt es auch gemeinsam nach außen. Probleme und Konflikte werden abhängig vom Thema entweder im Team geklärt oder die L eiterin bespricht und bearbeitet sie zeitnah mit der betreffenden pädagogischen Fachkraft.

Zu einzelnen speziellen Themen bilden sich Arbeitsgruppen, die diese Themen aufbereiten und dem gesamten Team die Ergebnisse vorstellen. Jede pädagogische Fachkraft, die eine Fortbildung besucht hat, trägt die Inhalte in der Dienstberatung kurz vor. „So erfährt sie Wertschätzung und wird von den anderen als Expertin wahrgenommen“, erklärt die Leiterin. Außerdem profitiere das gesamte Team von den neuen Kenntnissen.

Aktiver Austausch

Dienstbesprechungen werden in der Kita Schützenstraße nicht als notwendiges Übel verstanden, sondern als Möglichkeit zur Beteiligung gesehen und zum aktiven Austausch. „Mein Team und ich gehen jetzt offener und ehrlicher miteinander um“, sagt Katrin Scholz. Inzwischen nutzt das Team die Zeit nach der Dienstberatung auch, um gemeinsam Geburtstage und andere Jubiläen zu feiern. Durch die neu strukturierte Teambesprechung habe sich das gesamte Arbeitsklima verbessert, sagt Katrin Scholz. „Alle bringen sich mehr ein, haben einen einheitlicheren Kenntnisstand und sind zufriedener.“

 

GUTE KOMMUNIKATION IN SITZUNGEN

  • Teile ich Informationen, die für andere ebenfalls wichtig sind oder sein können?
  • Bringe ich mich mit eigenen Ideen und Vorschlägen ein?
  • Begegne ich anderen Menschen mit Wertschätzung, Höflichkeit und Respekt?
  • Spreche ich ehrlich das an, was mir auffällt oder wo ich unsicher bin?
  • Bringe ich Kritik sachlich an und suche gemeinsam im Team nach Lösungen?
Kommunikation ist ein Handlungsfeld der DGUV-Kampagne
kommmitmensch. Mehr dazu unter: www.kommmitmensch.de

 

 

„KITAS BEWEGEN“

… ist ein Berliner Landesprogramm mit dem Ziel, die Bildungs- und Gesundheitschancen von Kindern nachhaltig zu verbessern.

Mehr zum Programm unter:
www.gute-gesunde-kitas-in-berlin.de

 

Achtung: Fangstelle

„Wir waren in großer Sorge“, sagt Julia Heid, stellvertretende Leitung des städtischen Kindergartens Gaggenau-Oberweier. Die pädagogischen Fachkräfte haben eine gefährliche Entwicklung in der Einrichtung in Baden-Württemberg beobachtet: Immer mehr Kinder kamen in Pullis und Jacken mit langen Kordeln oder mit Schmuck in die Kita. „Bei den Mädchen gab es den Trend zu herunterhängenden Ohrringen. Aber auch Ringe, Armbänder und lange Halsketten waren sehr beliebt“, erzählt eine Erzieherin. Eine echte Gefahr für die Kinder: Sie können sich strangulieren.

„Es gibt viele schlimme Unfälle mit Kordeln, Schals und Schmuck. Auch tödliche Unfälle gab es schon mehrfach in Kitas“, berichtet Holger Eckmann, Aufsichtsperson der Unfallkasse Baden- Württemberg. Der lange Ohrring verhakt sich beim Spiel im Haar eines anderen Kindes. Der Schal legt sich beim Klettern um einen Balken. Ein Kind erklimmt eine Fensterbank und bleibt mit seiner Schlüsselkette am Fenstergriff hängen.

Im Kindergarten in Gaggenau haben die pädagogischen Fachkräfte anfangs die Kinder gebeten, Ketten und Ringe abzulegen. Lange Schals unter die Jacken gesteckt. „Wir verstehen ja, dass die Kinder schön aussehen wollen. Aber das darf nicht auf Kosten der Sicherheit gehen“, sagt Julia Heid.

 

KURZ GESAGT!

  • Schnüre, Schmuck & Co sind ein Risiko für Kinder
  • Schmuck und Schals vor Bewegungsspielen ablegen
  • Schnüre von Rollos oder Jalousien entfernen
  • Die Eltern über Gefahren informieren

 

Fachkräfte als Vorbild

Auf dem Außengelände von Kitas gibt es viele mögliche Risiken. Auch wenn die Außenspielgeräte geprüft und frei von klassischen Fangstellen sind: Mit einem Loop können die Kinder trotzdem hängen bleiben. Gefährlich wird es auch, wenn mit Seilen oder Pferdegeschirren geklettert wird. „Heute gibt es Pferdegeschirre mit Klettverschluss, die sind ungefährlicher“, weiß die Aufsichtsperson. Grundsätzlich gilt: Mit Seilen wird nicht geklettert. Gleiches gilt für Fahrradhelme.

Aber auch in den Innenräumen kann es Gefährdungen geben. Besondere Vorsicht ist etwa bei Bewegungsbaustellen geboten. Schmuck und Schals müssen vor der Nutzung abgelegt werden. Dabei haben die pädagogischen Fachkräfte eine wichtige Vorbildfunktion. Tragen sie Ringe, Ketten, lange Ohrringe und Schals, ist den Kindern nur schwer vermittelbar, dass sie auf diese Accessoires verzichten sollen. Manche Fangstellen werden aber auch übersehen, beispielsweise Befestigungsseile von Hängematten oder Schnüre an Rollos und Jalousien. Diese müssen außerhalb der Reichweite von Kindern sein oder entfernt werden.

„Kinder können nicht erkennen, dass ihnen durch Fangstellen eine Gefahr droht“, erklärt Holger Eckmann. Aber nicht nur die pädagogischen Fachkräfte müssen vorbeugen und Gefährdungen beseitigen. Hier sind auch die Eltern ganz wesentlich in der Pflicht. Sie kaufen die Anziehsachen für die Kinder, sie erlauben ihnen, Schmuck in der Kita zu tragen. Vielen Eltern ist die Gefahr vermutlich gar nicht bewusst.

Den Dialog suchen

Kitas können deshalb Hausregeln aufstellen und das Tragen von Schmuck, Schals und Co in der Einrichtung verbieten. Aufsichtsperson Holger Eckmann empfiehlt, den Dialog zu suchen und die Eltern für das Thema zu sensibilisieren. Die Erzieherinnen und Erzieher können das Thema beispielsweise bei einem Elternabend oder bei Tür-und-Angel-Gesprächen aufgreifen. Manchmal hilft es auch, Broschüren in der Kita auszulegen oder zu verteilen.

Auch der städtische Kindergarten in Gaggenau ist aktiv auf die Eltern zugegangen: Als immer mehr Kinder regelmäßig mit Schmuck in die Einrichtung kamen, haben die Fachkräfte einen Beitrag für ihre Kindergartenzeitung verfasst und auf die Gefahren der Strangulation hingewiesen. „Lasst das bitte weg“, lautete die Botschaft an die Eltern. Seitdem ist es deutlich besser geworden.

 

SICHERHEIT FÖRDERN

  • Keine Schnüre und Kordeln an Kinderkleidung.
  • Offene Schnürsenkel können gefährlich werden. Sicher sind Schuhe mit Klettverschlüssen.
  • Schlüsselbänder, Ketten, Ohrringe und Ringe vor Bewegungsspielen ablegen.
  • Auf Loops verzichten.
  • Die Enden von langen Schals immer in die Kleidung stecken.
  • Kinder, die mit Riemen, Seilen oder Leinen spielen, dürfen nicht klettern.

 

INFOMATERIAL

Broschüre zu sicherer Kinderkleidung:
„Tipps, die Leben retten“:
publikationen.dguv.de > Bestellnummer: 202-065

Plakat „Gefahr durch Kordeln“
www.kuvb.de > Medien > Plakate

Homepage zu Kindersicherheit bei Sicht- und Sonnenschutz:
kindersicherheit.vis-online.de

Schlafenszeit

Annas Papa möchte nicht, dass seine Tochter einen Mittagsschlaf in der Kita macht – sie schläft dann abends zu spät ein. Bens Mama sagt, ihr Sohn solle mindestens eine Stunde schlafen. Und Jakobs Eltern wissen, dass ihr Kind in der Kita sowieso kein Auge zumacht. „Die Gestaltung der Schlaf- und Ruhezeiten in der Kita ist eine große Herausforderung für die pädagogischen Fachkräfte“, sagt Birgit Pfister, Referentin des Evangelischen Landesverbands Tageseinrichtungen für Kinder in Württemberg e. V. In ihren Seminaren sprechen pädagogische Fachkräfte sie regelmäßig auf das Thema Mittagsschlaf an.

Grundsätzlich gibt es keine pauschale Antwort auf die Frage, wie viel Schlaf ein Kind benötigt. Dafür sind die Gewohnheiten und Bedürfnisse der Kinder zu unterschiedlich. „Der Entwicklungsstand spielt für das Schlafbedürfnis eine Rolle, aber auch Faktoren wie der Gesundheitszustand und der Verlauf der vergangenen Nacht“, so Birgit Pfister.

 

KURZ GESAGT!

  • Unterschiedliche Schlafbedürfnisse der Kinder berücksichtigen
  • Feste Rituale helfen beim Einschlafen
  • Schlafraum reizarm einrichten
  • Den Eltern die Kita-Regeln vermitteln

 

Übergang gestalten

Damit sich die Kinder während des Mittagsschlafs in der Kita erholen können, müssen die Rahmenbedingungen stimmen. „Kinder können sich nur entspannen und einschlafen, wenn sie sich geborgen fühlen.“ Deshalb müssen die Fachkräfte dafür sorgen, dass Kinder gut zur Ruhe kommen und sich sicher fühlen.

Dabei ist diese Zeit sehr herausfordernd für alle Beteiligten. Der Übergang nach dem Mittagessen von hoher Aktivität der Kinder zur Ruhephase muss gelingen. Häufig wird der Raum gewechselt und oft auch die Bezugsperson. „Es ist unheimlich wichtig, dass diese Zeit hochritualisiert ist, der Ablauf immer die gleichen Elemente enthält und in Ruhe gestaltet wird. Eine Art ,inneres Drehbuch‘ gibt den Kindern Sicherheit“, so Birgit Pfister.

Auch dem Team helfen klare Regeln. Beispielsweise, dass die Mittagsruhe nicht bedeutet, dass die Kinder schlafen müssen. Die Expertin weiß: „Man kann nur für möglichst günstige Bedingungen sorgen und die Kinder individuell begleiten.“ Deshalb muss das Bedürfnis der Kinder immer im Mittelpunkt stehen. Eine Ruhe- und Schlafphase von etwa anderthalb Stunden sollte nach dem Mittagessen jedoch fester Bestandteil der Betreuung sein. Schläft ein Kind nach 30 Minuten nicht ein, darf es zurück in den Gruppenraum zum Spielen. Eine Möglichkeit ist, die Kinder während der Schlaf- und Ruhephase in zwei Gruppen aufzuteilen: in eine, die schläft, und in eine, die während einer Fantasiereise oder beim Vorlesen zur Ruhe kommt.

Das Feingefühl der pädagogischen Fachkräfte ist beim Thema Mittagsschlaf in verschiedener Hinsicht gefragt. Für manche jüngeren Kinder reicht ein Mittagsschlaf nicht, sie müssen häufiger schlafen. Gleichzeitig können die Jüngsten das Gefühl der Müdigkeit oft nicht einordnen, sie fühlen sich einfach unwohl. Entsprechend äußert sich das Schlafbedürfnis unterschiedlich: Die einen suchen Nähe und Zuwendung, die anderen versuchen, durch Aktivität gegen ihr Unwohlsein anzukämpfen. Die Erzieherinnen und Erzieher sollten deshalb die Signale der Kinder beachten. Auch außerhalb der Mittagsschlafzeit sollten Kinder jederzeit ruhen dürfen. „Bedürfnisorientiertes Schlafen ist ein Qualitätsmerkmal einer guten Kita“, sagt Birgit Pfister.

Eltern informieren

Für viele Eltern ist dieses Thema schwierig. „Die Vorstellungen der Eltern kollidieren oft mit den Möglichkeiten der Fachkräfte und vor allem mit den Bedürfnissen der Kinder“, sagt die Expertin. Die Unterdreijährigen müssen im Krippen- Alltag viele Eindrücke verarbeiten und sich mit den anderen Kindern arrangieren. „Das ist vergleichbar mit dem Arbeitstag der Eltern. Es fordert sehr viel, die Wochenenden sind deutlich ruhiger“, erklärt Birgit Pfister. Dementsprechend brauchen manche Kinder unter der Woche mehr Schlaf.

Pädagogische Fachkräfte sollten mit den Eltern über die Bedürfnisse ihrer Kinder sprechen, um gemeinsam passgenaue Lösungen zu finden. Eine schriftlich formulierte Elterninfo kann helfen, die Abläufe und die Haltung der Kita zum Thema Schlaf deutlich zu machen. „In letzter Konsequenz sind die Erzieherinnen und Erzieher in der Kita für das Wohl des Kindes während des Kitatages zuständig.“

 

GESTALTUNG DES SCHLAFRAUMS

  • niedrige Stapelbetten
  • ein eigenes Bett für jedes Kind
  • keine Kissen für Krippenkinder
  • ärmelfreie Schlafsäcke
  • harte Matratzen
  • keine Zugluft
  • dimmbare Beleuchtung

Weitere Informationen unter: www.sichere-kita.de/schlafraum

Ruhige Zeiten

Frage: Müssen die Kinder im Schlafraum beaufsichtigt werden, wenn alle eingeschlafen sind?

Antwort: Ja. Kleinkinder müssen durchgängig beaufsichtigt werden. Das gilt natürlich auch, während sie schlafen. Die Aufsicht kann aber in unterschiedlichen Formen stattfinden.

Frage: Bedeutet das, dass die ganze Zeit eine pädagogische Fachkraft im Schlafraum anwesend sein muss?

Antwort: Nein. „Durchgehende Beaufsichtigung“ bedeutet nicht, dass jemand permanent bei den Kindern im Ruheraum sitzen muss. Es genügt, wenn die Erzieherinnen und Erzieher regelmäßig nach den Kindern sehen und sie die Zeit in Reichweite anderweitig nutzen – das ist okay. Unsere Erfahrung ist, dass die Erzieherinnen und Erzieher hier im Alltag das richtige Gespür haben, wann sie nachschauen müssen. In der Praxis stellen die Erzieherinnen und Erzieher oft durch ein Babyfon sicher, dass sie mitbekommen, was im Schlafraum passiert.

Frage: Reicht es aus, ein Babyfon in den Schlafraum zu stellen und die Kinder so von einem anderen Raum der Einrichtung aus zu beaufsichtigen?

Antwort: Ein Babyfon ist hilfreich zur akustischen Beaufsichtigung und wird von den Erzieherinnen und Erziehern auch als Ergänzung gerne verwendet. Wenn es im Schlafraum unruhig wird, ein Kind weint oder sie untypische Geräusche hören, wird das auch in anderen Räumen der Kita unmittelbar bemerkt. Unserer Erfahrung nach, schauen sie zusätzlich öfter in den Schlafraum, um auch zu sehen, ob alles in Ordnung ist, und handeln damit genau richtig.

Frage: Kann die Aufsichtspflicht auch an Dritte über tragen werden – also beispielsweise an den Hausmeister, eine Mutter oder den ehrenamtlichen Lesepaten?

Antwort: Es können – nach entsprechender Einweisung – auch andere Personen zur Beaufsichtigung geeignet sein. Aus der Praxis kennen wir es, dass die Aufsicht manchmal die Praktikantinnen und Praktikanten übernehmen, die sich bei Bedarf Unterstützung holen. Das ist in Ordnung, denn die Beaufsichtigung schlafender Kinder muss nicht zwingend durch eine ausgebildete Fachkraft erfolgen.

Die Antworten gab Jan Dunzweiler von der Unfallkasse Baden-Württemberg

Freie Entfaltung

„In unserer Kita können die Kinder ihren eigenen Interessen nachgehen und selbst entscheiden, womit sie sich beschäftigen. Im Atelier gibt es dafür vielfältige Materialien. Auch das Malspiel nach Arno Stern (www.arnostern.com) und das Arbeiten mit Ton gehören dazu. Ich begleite und unterstütze die Kinder, alles selbst zu versuchen, und gebe nichts vor. Nur so machen sie eigene Lernerfahrungen und die Selbstbildungsprozesse werden in Gang gesetzt. In der Reggio-Pädagogik wird nicht nach ,richtig‘ oder ,falsch‘ bewertet. Die Kinder sind frei in ihrer Entfaltung und erwerben viele soziale Kompetenzen: Sie lernen, aufeinander Rücksicht zu nehmen, sich in Geduld zu üben und auf sich selbst zu fokussieren oder mit anderen Kindern in Projekten zu arbeiten. Achtsamkeit im Umgang mit Mensch und Material ist dabei ganz wichtig.“

Sonnenschein, aber sicher!

Sonne ist ein wichtiger Gesundheitsfaktor, denn sie hilft dem Körper Vitamin D zu bilden, sorgt für einen gesunden Schlaf-Wach-Rhythmus und regelt unsere Körpertemperatur. Sie verleiht Energie und macht gute Laune. Sonne hat aber auch eine dunkle Seite: Zuviel UV-Strahlung schädigt meist unbemerkt Haut und Augen. Besonders Kinder, die gerne und viel im Freien spielen, sind gefährdet. Denn Kinderhaut ist dünner und empfindlicher als die Erwachsener, daher kann die UV-Strahlung tiefer eindringen und die hautbildenden Zellen besser erreichen. Die sogenannte Lichtschwiele, eine Verdickung der Hornhaut durch Sonneneinstrahlung, baut sich nur langsam auf und erreicht lediglich einen Schutzfaktor, der mit einem Lichtschutzfaktor von maximal 2,5 zu vergleichen ist. Auch Melanin, ein Farbstoff, der den schützenden Braunton der Haut erzeugt, kann bei Kindern noch nicht ausreichend produziert werden. Die Folge: Ihre Haut entzündet sich quasi sofort.

Und Hautschäden regenerieren nur äußerlich. Tatsächlich vergisst die Haut nichts. Jede Sonnendosis wird gespeichert und erhöht das Risiko, später im Leben an Hautkrebs zu erkranken.

KURZ GESAGT!

  • Kinderhaut braucht besonders viel Schutz vor Sonne
  • Kitas können mit einfachen Maßnahmen aktiven Sonnenschutz praktizieren
  • Kitas sind der geeignete Ort, um Kinder für das Thema Sonnenschutz zu gewinnen
  • Sonnensicheres Verhalten schon im Kindesalter schützt vor Gesundheitsschäden im Alter

Früh geschützt, lang genützt

Kitas können viel für aktiven Sonnenschutz tun. Maßnahmen reichen von der richtigen Gestaltung des Außengeländes mit vielen abgeschatteten Bereichen über die tägliche Abfrage des UV-Indexes im Online-Wetterbericht – Wetter-Apps sind besonders hilfreich – bis zur Information der Eltern über geeignete Kleidung und Sonnenmilch für die Kinder.

Daneben bietet sich die Möglichkeit, die Kinder zu Verbündeten in Sachen sonnensicheres Verhalten zu machen. Spiele, Experimente, Geschichten und Lieder können helfen, die Botschaft des Sonnenschutzes – kindgerecht verpackt – zu vermitteln. Und wir wissen nur zu gut: Sind Kinder erst einmal für eine Sache gewonnen, vertreten sie die gerne mit Nachdruck und fordern sie auch bei Erwachsenen ein. Mehr noch: Das Anliegen und das damit verknüpfte „gesunde“ Verhalten werden selbstverständlich und habe gute Chancen, bis ins Erwachsenenalter hinein fortzuwirken.

Sonnenschutzmaßnahmen in der Kita

Schatten hat Vorrang

Schattige Plätze zum Spielen bieten einfachen und guten Schutz in jeder Kita.

  • Spielbereiche auf dem Außengelände abschatten oder in den Schatten verlegen, z.B. unter:
    – Bäume
    – Sonnensegel oder Sonnenschirme
    – Vordächer
  • Zwischen 11 und 15 Uhr möglichst wenig in der Sonne aufhalten
  • UV-Index beachten. Denn: Je höher der UV-Index, desto größer die Sonnenbrand-Gefahr. Infos unter: www.bfs.de

Wichtig:

  • Für Kinder bis zu einem Jahr ist direkte Sonne tabu!
  • Wolken bieten trügerischen Schutz! Bei bedecktem Himmel dringen noch bis zu 80 Prozent der UV-Strahlung durch.

Kleidung schützt

Sonnengerechte Kleidung bedeckt möglichst viel vom Körper. Dazu gehören:

  • Kappe oder Tuch mit Schirm und Nackenschutz (Gesicht, Nacken und Ohren sind besonders empfindlich!)
  • Langarmiges Shirt oder T-Shirt
  • Möglichst lange Hose oder Rock
  • Schuhe, die den Fuß weitgehend bedecken, auch den Fußrücken und die Ferse
  • Eng gewebte und weit geschnittene Stoffe
  • Sonnenbrille

Wichtig:

  • Bei spezieller Sonnenschutzkleidung auf das Prüfsiegel „UV-Standard 801“ achten.
  • Bei Kindersonnenbrillen auf Bruchfestigkeit, „UV-Schutz 400“ und „EU-Norm 12312-1“ (vgl. Hinweisschild an der Brille) achten.

Zusätzlich: Sonnencreme nutzen

Alle unbedeckten Körperstellen mit Sonnenschutzmittel eincremen. Die Eltern cremen die Kinder vor der Kita ein. In der Kita wird nachgecremt.

  • Hohen Lichtschutzfaktor wählen (LSF 50)
  • Sonnencreme dick und gleichmäßig auftragen
  • Stirn, Ohren, Nase, Lippen, Kinn, Schultern und Fußrücken gründlich eincremen; sie sind „Sonnenterrassen“
  • Wasserfeste Sonnencreme ohne Duft und Konservierungsstoffe wählen

Pädagogische Angebote zum Thema Sonnenschutz

Hinweis: Ein kostenloses Exemplar der CD erhalten Kindertagesstätten bei ihrer Unfallkasse oder Berufsgenossenschaft

Weiterführende Informationen

Für weiterführende Informationen rund um das Thema Sonne und UV-Strahlung gibt es erklärende Videos im Internet:

Team-Arbeit

Partizipation ist ein Schlüssel zu Bildung in der AWO Kita „Kurt Pohle“ in Husum, Schleswig-Holstein. Die Rechte der Kinder sind seit 2012 in einer KiTa-Verfassung festgeschrieben, auch für die Eltern gibt es einen „Rechte- Katalog“, der über das gesetzliche Maß hinausgeht. „Nur für uns Mitarbeiter war nicht wirklich geklärt, welche Rechte, Pflichten und Möglichkeiten der Mitbestimmung wir haben“, sagt der Erzieher Mirko Avanzini. So war es nur logisch, für pädagogische Fachkräfte und Servicekräfte ebenfalls eine Verfassung aufzustellen.

Das Team und die Leitung haben die hausinterne Mitarbeiterverfassung gemeinsam nach dem Konzept „Die Kinderstube der Demokratie“ erarbeitet. Alle konnten ihre Themen einbringen und gemeinsam klären, wo das Team mitentscheidet.

Die Arbeit an der Verfassung war eine intensive Auseinandersetzung mit der pädagogischen Arbeit in der Kita: Wer sind wir? Wohin führt unser Weg? Wo wollen wir mitentscheiden und wo nicht? Dabei wurde auch geklärt, was die Leitung weiter allein entscheidet. „Dazu zählt unter anderem die Umsetzung von gesetzlichen Rahmenbedingungen und Trägervorgaben“, erzählt Anke Petersen, Leiterin der AWO-Einrichtung.

 

KURZ GESAGT!

  • Grundlage: gegenseitige Wertschätzung und Vertrauen zwischen Team und Leitung
  • Rechte, Pflichten und Möglichkeiten der Mitbestimmung des Teams klären
  • Bei Problemen gemeinsame Suche nach Lösungen
  • Hohe Identifikation mit Kita und bessere Arbeitsatmosphäre

 

Transparent und verlässlich

Die fertige Verfassung baut auf Information, Transparenz, Freiwilligkeit, Verlässlichkeit und individueller Begleitung auf. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben unter anderem das Recht, an der Gestaltung des Dienstplans mitzuwirken. Sie bestimmen bei Neueinstellungen mit – auch wenn eine neue Leitungskraft gesucht wird. Sie entscheiden über ein individuelles Eingewöhnungskonzept, wie das Kita-Budget verwendet wird oder wann sie selbst essen und trinken können. Dabei führen regelmäßige Reflexionen zur kontinuierlichen Weiterentwicklung der Verfassung. „Partizipation bringt viel Verantwortung für Team und Leitung mit sich“, so Anke Petersen.

Auch für Mirko Avanzini ist wichtig, dass er den pädagogischen Schwerpunkt seiner Aufgaben bestimmt. „Das motiviert mich sehr“, sagt der Erzieher. „Ich fühle mich wertgeschätzt und ernst genommen.“ Seine Leidenschaft sind Bewegungsangebote – hier liegt der Fokus seiner Arbeit. Eine echte Win-Win-Situation: Die Kinder und die Einrichtung profitieren von seinen Angeboten. Und die hohe Motivation wirkt sich positiv auf die Stimmung in dem 28-köpfigen Team aus.

Mirko Avanzini: „Ich fühle mich wertgeschätzt und ernst genommen.“

Anhörung bei Problemen

Zu den Rechten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählt auch die zeitnahe Anhörung bei Problemen. Anke Petersen berichtet von einer älteren Kollegin, die zunehmend mit körperlichen Beschwerden zu kämpfen hatte. „Das gesamte Team hat sich Lösungen überlegt“, sagt sie. Beispielsweise wurde ein elektrisch höhenverstellbarer Wickeltisch angeschafft. Das Ziel: den unterschiedlichen Bedürfnissen in allen Bereichen gerecht zu werden.

Gesundheitsbewusstes Verhalten vorleben

Vom Partizipationsprozess profitieren auch die Kinder: „Wir haben eine Vorbildfunktion beim Erlernen von widerstandsfähigem Verhalten“, so die Leiterin. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leben ein gesundheitsbewusstes Verhalten vor, indem sie offen ansprechen, was sie für ihre Arbeit und ihre Gesundheit benötigen.

Doch man darf sich nichts vormachen: „Entscheidungen brauchen bei uns Zeit“, sagt Anke Petersen. Die Prozesse in der Kita sind nicht einfach: Beschlüsse werden nicht durch Mehrheiten gefasst. Alle müssen einverstanden sein und die Ergebnisse umsetzen.

Wäre ein hierarchischer Führungsstil für die Leitungskraft nicht unkomplizierter? „Im Gegenteil“, so ihre Überzeugung. Für sie ist es einfacher, in einem Team zu arbeiten, wo sich alle aktiv einbringen und so die Identifikation mit der Kita leben. Grundlegende Voraussetzung dafür ist ein wertschätzender Umgang mit jedem im Team. „Ich muss sehr aufmerksam und beziehungsvoll sein, um Impulse geben zu können“, sagt Anke Petersen. Das beinhaltet Vertrauen und Wertschätzung auf beiden Seiten. „Ich muss gut zuhören, verstehen und erkennen, welche Unterstützung meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigen.“

Der vertrauensvolle Umgang mit jedem im Team ist zentral.

 

CHECKLISTE PARTIZIPATION

  • Sind Möglichkeiten der aktiven Beteiligung für Beschäftigte und Führungspersonen vorhanden?
  • Wissen die beteiligten Personen, woran Sie beteiligt werden?
  • Schaffe ich als Führungskraft die organisatorischen Voraussetzungen, um Beschäftigte von Beginn an aktiv einzubeziehen?
  • Ist die Beteiligung auf Augenhöhe und haben alle die gleichen Chancen, daran teilzuhaben?
  • Werden Maßnahmen gemeinsam abgeleitet und umgesetzt?
  • Wird eine zeitnahe und wertschätzende Rückmeldung gegeben, auch wenn Maßnahmen nicht umgesetzt werden können?

Beteiligung ist ein Handlungsfeld der DGUV-Kampagne kommmitmensch .

Mehr dazu unter:
www.kommmitmensch.de

 

„DIE KINDERSTUBE DER DEMOKRATIE“

ist ein Konzept für Partizipation in Kindertageseinrichtungen, das in Zusammen arbeit zwischen dem Institut für Partizipation und Bildung und zahlreichen Kitas entstanden ist.

Mehr unter:
www.partizipation-und-bildung.de

 

Einbeziehen heißt Wertschätzen

Dr. Diana Herrmann, Referentin Bildung und Gesundheit der DGUV und Mitglied des Redaktionsbeirats der KinderKinder:

Jeder der Beschäftigten ist Experte für seinen Bereich. Zudem sind die Beschäftigten motivierter, wenn ihre Meinung wertschätzend erfragt und berücksichtigt wird. Sie werden in die Ermittlung, Planung, Durchführung und Evaluation von Maßnahmen zu Sicherheit und Gesundheit einbezogen. Schließlich haben gemeinsam getroffene Entscheidungen die beste Chance, verwirklicht zu werden.

Die Kampagne kommmitmensch der DGUV skizziert folgende Merkmale der Partizipation:

Das Kita-Team

  • wird befragt (Mitarbeiterbefragungen),
    die Ergebnisse werden kommuniziert und daraus gemeinsam Maßnahmen entwickelt und umgesetzt,
  • wird aktiv an der Gefährdungsbeurteilung und der Gestaltung des Kita-Alltags beteiligt,
  • kann Verbesserungsvorschläge einbringen und erhält eine angemessene Rückmeldung,
  • ist eingeladen, sein Wissen und seine Ideen in Gesundheitszirkeln, Ideentreffen und anderen Arbeitsgruppen einzubringen.

Mehr zur Kampagne unter: www.kommmitmensch.de

Auf Augenhöhe

Was sind Naschis? Bonbons und Lollis – klar. Aber zählen Chips zu den Süßigkeiten? Und was ist mit Cornflakes? Vier Monate haben die Kinder der Kita „Hanna Lucas“ in Wedel immer wieder über Naschis diskutiert.

Partizipation ist die zentrale Säule des pädagogischen Konzepts der Einrichtung in Schleswig- Holstein. 85 Kinder besuchen „Hanna Lucas“, 20 davon die Krippe. Die Einrichtung arbeitet nach dem offenen Ansatz.

Die Rechte der Kinder sind in einer Verfassung festgeschrieben. Es gibt verschiedene Gremien, in die die Kinder ihre Themen einbringen, diskutieren und schließlich entscheiden. „Wir wollen, dass die Kinder lernen, sich ein eigenes Bild zu machen“, sagt Kita-Leiterin Andrea Rump. Sie sollen quer denken, ihre eigene Meinung entwickeln und vertreten. „Sie lernen, andere Meinungen zu akzeptieren und trotzdem Freunde zu bleiben.“

 

KURZ GESAGT!

  • Die Rechte der Kinder sind in einer Verfassung verankert
  • Kinder können bei den meisten Dingen mitentscheiden
  • Sie lernen, eine eigene Meinung zu entwickeln und zu vertreten
  • Die pädagogischen Fachkräfte müssen Macht abgeben

 

Beschwerdeverfahren

Die Süßigkeiten wurden durch eine Beschwerde zum Thema. Immer wieder brachten Kinder Leckereien mit in die Kita, aßen sie alleine oder mit Freunden. Das sorgte bei anderen für Unmut. Damit war der Weg in die Kinderkonferenzen vorgezeichnet. Hier besprechen die Kinder in ihren Bezugsgruppen einmal wöchentlich aktuelle Themen.

In der Kita diskutieren die Kinder nicht nur, ihre Entscheidungen werden auch umgesetzt. Zum Thema Naschis: Vor dem Kita-Restaurant hängt jetzt eine Liste mit Bildern all jener Leckereien, die per Kinder-Beschluss unter diesen Begriff fallen. Süßigkeiten dürfen noch mitgebracht werden – müssen aber wahlweise mit allen oder innerhalb der Bezugsgruppen an einem festgelegten Tag geteilt werden.

Wofür werden die 10.000 Euro ausgegeben?

Auch bei großen Projekten werden die Entscheidungen basisdemokratisch gefällt. In der „Orangen Gruppe“ tagt jetzt die Kinderkonferenz. Heute geht es um 10.000 Euro, die „Hanna Lucas“ als Preisgeld gewonnen hat: Die Einrichtung belegte beim „Deutschen Kita-Preis“ 2018 den zweiten Platz. In den vergangenen Monaten wurden Ideen gesammelt, was mit dem Geld passieren könnte. Erzieherinnen und Erzieher, Eltern und Kinder haben Vorschläge eingebracht. Heute werden in den Gruppen alle Ideen noch einmal vorgestellt und besprochen. Nächste Woche wollen die Kinder abstimmen, was mit dem Geld passiert.

Demokratie ist toll. Und furchtbar anstrengend. Für die Kinder. Für die pädagogischen Fachkräfte. Seit zehn Minuten sitzen alle auf ihren Stühlen. Müssen zuhören, nachdenken, mitreden. Mats hat eben aus dem Kindergartenrat berichtet. In dieses Gremium werden gewählte Vertreter aus jeder Bezugsgruppe entsandt. Der Rat entscheidet über Themen, die alle Bezugsgruppen betreffen. Ein Erzieher wollte, dass von einem Teil der 10.000 Euro jetzt sofort eine neue Wasserpumpe gekauft wird. Mats verkündet: „Wir kaufen noch keine Pumpe.“ Vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt.

Kompromisse aushandeln

Die Kinder werden in allen Belangen ernst genommen. Partizipation ist nicht ein Projekt innerhalb der Kita, sondern das Grundprinzip des Arbeitens. Hier sollen alle auf Augenhöhe agieren. Respektvoll miteinander umgehen. Kompromisse aushandeln. Es geht nicht darum, dass den Kindern alle Wünsche erfüllt werden. Sie müssen sich mit Fragen auseinandersetzen wie: Was ist machbar? Was ist für alle gut? Andrea Rump versteht Partizipation als gesellschaftlichen Auftrag. Es gibt nur ganz wenige Bereiche, in denen ohne die Kinder entschieden wird. „Sicherheit und Hygiene sind nicht verhandelbar.“

Viel Austausch mit den Eltern

Das Konzept der Kita hat sich über Jahre entwickelt. Gut kam es nicht überall an. In der Grundschule galten die „Hanna Lucas“-Kinder lange als „Revoluzzer“. Erst mit dem Wechsel der Schulleitung hat sich diese Haltung geändert. Auch mit den Eltern muss immer wieder viel gesprochen werden. Zum Beispiel: Ein Kind ist häufig erkältet, die Eltern wollen, dass es nur mit Mütze rausgeht. „Dann erklären wir den Eltern, dass wir einen anderen Weg gehen“, erklärt Andrea Rump. Mützen-Zwang gibt es nicht. Stattdessen sprechen die pädagogischen Fachkräfte das Kind immer wieder an, ob es draußen schwitzt oder friert. „Was können wir machen, damit dir nicht kalt ist“, könnte dann ein Erzieher zu dem Kind sagen.

Auch in Wedel gibt es Regeln, an die sich die Kinder halten müssen. Aber: In dieser Kita haben sie die Regeln mit aufgestellt. Wer im Außengelände der Krippenkinder wild tobt, muss den Bereich verlassen. Wer mit dem Puzzle spielt, muss es danach aufräumen, damit andere Kinder damit spielen können. „Wer sich nicht an die Regeln hält, kann sein Recht nicht in Anspruch nehmen“, sagt Andrea Rump. Aufgabe der Erzieherinnen und Erzieher sei es, auf die Kinder zuzugehen und zu fragen: Wie kann ich dir helfen, damit du die Regeln einhältst? „Erstaunlicherweise klappt das super.“

Auch schwierige Entscheidungen umsetzen

Nicht so gut klappt es bei der Einstellung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Da geraten wir oft an unsere Grenzen“, sagt Andrea Rump. „Die Arbeit hier hat viel mit Machtabgabe zu tun.“ Die Erzieherinnen und Erzieher müssen sich und ihre eigenen Ideen für pädagogisch sinnvolle Lösungen sehr zurücknehmen. Das gelingt nicht jedem, viele entscheiden sich dann doch für die Arbeit in einer anderen Einrichtung. Gleichzeitig gibt es beim bestehenden Team wenig Fluktuation. Viele sind schon seit zehn, 15 oder 20 Jahren dabei.

„Die Arbeit hier hat viel mit Machtabgabe zu tun“, sagt Andrea Rump.

Partizipation bedeutet natürlich, dass auch schwierige Entscheidungen der Kinder umgesetzt werden. Vor einiger Zeit sollte ein neues Klettergerüst angeschafft werden. Die Kinder entwickelten Ideen, malten Entwürfe. Es gab eine ganze Reihe an Vorschlägen, aus denen die Kinder auswählen konnten. „Favorit war lange ein feuerspuckendes Dinosauriergerüst, das sich bewegen kann“, erzählt Andrea Rump. Damals machte sich die Kita-Leiterin Sorgen, wie das realisierbar wäre. Die Kinder stimmten am Ende ganz konservativ ab. Das Klettergerüst, das heute im Außenbereich steht, ist fast langweilig normal.

Lange wollten die Kinder ein feuerspuckendes Dinosauriergerüst, das sich bewegen kann. Dann haben sie sich für dieses Klettergerüst entschieden.

 

WEITERE INFORMATIONEN

Broschüre „Qualitätsstandards für Beteiligung von Kindern und Jugendlichen“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unter:

www.bmfsfj.de > Service > Publikationen > Suchbegriff: Beteiligung von Kindern

Ratgeber „Partizipation von Kleinkindern“ des Kommunalverbands für Jugend und Soziales Baden-Württemberg unter:

www.kvjs.de > Suchbegriff: Partizipation von Kleinkindern

„Geborene Demokraten“

Partizipation bedeutet, dass jedes Kind eine Stimme hat. Es bedeutet aber auch, dass Kinder Verantwortung für die Gemeinschaft übernehmen müssen. Wie begeistert man Kinder dafür?

Man könnte fast sagen, dass Kinder geborene Demokraten sind. Die Forschungen von Michael Tomasello am Max-Planck-Institut in Leipzig zeigen, dass sie zunächst gar nicht anders können, als mit den Menschen in ihrem Umfeld zu kooperieren. Sie sind hilfsbereit und wollen sofort mitmachen, wenn Erwachsene den Tisch decken oder Ähnliches. In Beteiligungsprojekten erleben Fachkräfte auch, dass Kinder, die sich bei einer Mehrheitsentscheidung durchgesetzt haben, diese wieder infrage stellen, um nach einer neuen Lösung zu suchen, weil die anderen sonst ja traurig wären. Man muss sie gar nicht zur Verantwortlichkeit motivieren, man muss sie in der Regel nur lassen.

Sind die pädagogischen Fachkräfte auch so leicht für das Thema zu gewinnen?

Für die Erwachsenen ist das meist ein größerer Lernprozess als für die Kinder. Sie müssen Teile ihrer Macht an die Kinder abgeben, nur dann kann Partizipation funktionieren. Wenn Erwachsene dazu bereit sind und den Kindern Rechte geben, dann ist der erste und wichtigste Schritt einer Demokratisierung getan.

Und wenn Kitas sich dem Thema verschließen?

Inzwischen gibt es klare gesetzliche Vorgaben, Partizipation konzep tionell zu verankern. Deshalb müssen die Kitas sich bewegen. Trotzdem muss man jede einzelne Fachkraft dafür gewinnen – damit sie im Alltag tatsächlich umsetzt, was im Konzept steht. Da hilft es, Partizipation zunächst bei ausgewählten Themen zu erproben. Wenn pädagogische Fachkräfte erleben, wie kompetent die Kinder sich dann einbringen, überzeugt sie das zumeist.

Um Partizipation in einer Kita zu leben, braucht es doch sicher auch methodische Kompetenz …

Ja. Es geht nicht darum, die Kinder allein entscheiden und machen zu lassen. Die pädagogischen Fachkräfte müssen genau klären, worüber die Kinder mitentscheiden dürfen und worüber nicht. Und sie müssen die Beteiligungsprozesse auch angemessen gestalten. Es stellt sich immer die Frage, was jedes einzelne Kind braucht, um seine Rechte wahrnehmen zu können.

Wie verändert sich dadurch die Rolle der Erzieherinnen und Erzieher?

Sie sind nicht mehr diejenigen, die alles bestimmen. Das hat zur Folge, dass die Fachkräfte viele Dinge, die sie vorher alleine geregelt haben, nun mit den Kindern gemeinsam entscheiden und umsetzen. Wenn Partizipation in einer Kita wirklich gelebt wird, erhalten wir häufig die Rückmeldung, dass die Arbeit leichter und entspannter wird. Das hat damit zu tun, dass viele Machtkämpfe wegfallen und Kinder für sich und andere Verantwortung übernehmen.

Aber um einige Regeln kommen Kitas trotz allem nicht herum. Wie passt das zusammen: Regeln setzen und trotzdem Demokratie leben?

Demokratie ist ja nicht regellos. Die Frage ist eher: Wer darf denn welche Regeln setzen? Einige Einrichtungen geben nur noch wenige Kernregeln vor. Eine Kita nennt das ihre No-Gos. Das heißt in diesem Fall: keine Gewalt, kein Vandalismus und kein Kind darf ohne Genehmigung einer Fachkraft das Gelände der Einrichtung verlassen. Diesen Rahmen setzen die Erwachsenen auch durch. Alle anderen Regeln werden dort mit den Kindern gemeinsam entschieden.

Wo gerät die Partizipation an ihre Grenzen?

Es gibt zwei Grenzen. Die eine Grenze ist die der Gefährdung. Wenn Kinder sich oder andere durch ihr Tun und ihre Entscheidungen gefährden, sind Erwachsene gefordert, sie zu schützen. Die andere Grenze kann die Überforderung von Kindern sein. Fachkräfte dürfen Kindern keine Entscheidung zumuten, die sie noch nicht treffen können. Beispielsweise sollte Kindergartenkindern nicht die Entscheidung überlassen werden, wann sie ihre Haut vor der Sonne schützen. Sie sind damit überfordert, die Wirkungen von UV-Strahlung einzuschätzen, und würden sich gegebenenfalls selbst gefährden. Allerdings geht sehr viel mehr, als Erwachsene in aller Regel für möglich halten.

Wie macht man für die Kinder nachvollziehbar, was sie mitentscheiden dürfen und wo die Grenzen der Partizipation verlaufen?

Indem man es sichtbar macht. Man visualisiert Rechte und Regeln durch Symbole oder Fotos. Was nicht erlaubt ist, wird beispielsweise mit einem roten Kreuz gemarkert. Die Kinder verstehen sehr schnell, welche Rechte sie haben und welche Dinge die Erwachsenen entscheiden.

Aber machen Vorgaben und Regeln durch die pädagogischen Fachkräfte den Kita-Alltag nicht viel leichter?

Mir scheint das Gegenteil der Fall zu sein: Ich erlebe oft, dass es viel zu viele Regeln gibt und dass sich Fachkräfte gar nicht einig sind über die Regeln, die in ihrer Einrichtung gelten. Wenn eine Kollegin den Kindern etwas verbietet, was eine andere erlaubt, sorgt das nicht nur für Unmut im Team. Die Kinder sind dann zudem gezwungen, mit dieser manchmal schwer nachvollziehbaren Willkür umzugehen. Solch ein Umgang mit Regeln macht den Kita-Alltag eher anstrengender.

Wenn eine Kita Partizipation eingeführt hat und lebt, kann sie sich dann – überspitzt gesagt – entspannt zurücklehnen?

Nein. Wie jede Demokratie ist auch die kleine Demokratie in der Kita immer gefährdet. Die Kinder können sich allein nicht dagegen wehren, wenn Erwachsene die Macht wieder an sich reißen. Bei allem guten Willen setzt sich im Alltag – vor allem in Stresssituationen – häufig wieder die alte Gewohnheit durch, Entscheidungen kurzerhand ohne Kinderbeteiligung zu treffen.

Warum ist Partizipation in der Kita so wichtig?

Demokratie lernt man nur, wenn man Demokratie erlebt. Partizipation in der Kita ermöglicht dieses Erleben. Und wenn man Kinder beteiligt, lernen sie ganz nebenbei noch eine ganze Menge. Ein weiteres Argument ist der Schutz von Kindern. Dürfen Kinder mitentscheiden und mithandeln, werden sie nicht nur stark und selbstbewusst. Sie erfahren so auch, dass Erwachsene nicht immer alles wissen und richtig machen, und dass es gut ist, wenn sie sagen, dass Erwachsene etwas Falsches tun.

Interview mit Rüdiger Hansen, Dipl.-Sozialpädagoge und Vorstand des Instituts für Partizipation und Bildung in Kiel. Er ist Experte für die Beteiligung von Kindern in Kindertageseinrichtungen.

Das Team im Dialog

Heute ist pädagogischer Tag in der Kita „Weidenkätzchen“ in Berlin. Das zwölfköpfige Team geht der Frage nach, welchen Stellenwert Sicherheit und Gesundheit in ihrer Kita haben. Zunächst wird in zwei Gruppen gearbeitet: Sechs Erzieherinnen sitzen im Raum der Krippenkinder zusammen. Alle sind konzentriert bei der Sache. Argumente fliegen hin und her, kurz herrscht konzentriertes Schweigen, zwischendurch wird auch gescherzt.

Bei ihren Diskussionen arbeiten die Erzieherinnen mit den sogenannten kommmitmensch-Dialogen. Diese neuen Arbeitsmaterialien hat die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) im Rahmen der Präventionskampagne kommmitmensch entwickelt (siehe Box). Mit ihrer Hilfe können die pädagogischen Fachkräfte ermitteln, wie Sicherheit und Gesundheit in ihrer Einrichtung verankert sind. Der Kita-Leiterin Annett Meyer liegt das Thema sehr am Herzen. „Mir ist wichtig, dass sich alle im Team einbringen. Die Anregungen und Lösungsideen von jedem einzelnen sind gefragt.“

 

KURZ GESAGT!

  • Stellenwert von Sicherheit und Gesundheit in der Kita ermitteln
  • Im Dialog Probleme ausmachen und Lösungen erarbeiten
  • Themen der Materialien: Führung, Kommunikation, Beteiligung, Fehlerkultur, Betriebsklima sowie Sicherheit und Gesundheit

 

Karten regen zum Gespräch an

Die Erzieherinnen in den Krippenräumen haben sich das Thema Fehlerkultur innerhalb des Teams vorgenommen. Fehlerkultur ist eines von sechs Themen, zu denen es Dialog-Materialien gibt. Eine zweite Gruppe in der Kita „Weidenkätzchen“ beschäftigt sich derweil mit dem Thema Kommunikation.

Im Krippenraum gehen Karten von Hand zu Hand. Eine Erzieherin liest gerade vor: „… gefährliche Situationen werden heruntergespielt oder sogar vertuscht. So gefährlich war es ja gar nicht …“ Auf fünf Dialog-Karten finden sich unterschiedliche Situationen und Möglichkeiten, wie in einer Kita mit Fehlern umgegangen werden kann. Diese Beispiele reichen von einem besonders schlechten Umgang mit Fehlern bis zu einem besonders vorbildlichen Verhalten. Über die Karten – so die Idee dahinter – sollen die pädagogischen Fachkräfte über die eigene Fehlerkultur ins Gespräch kommen. Ziel ist es, im gemeinsamen Austausch mögliche Probleme aufzudecken, Handlungsbedarf zu erkennen und neue Lösungswege zu erarbeiten.

Auf den Dialog-Karten finden sich unterschiedliche Möglichkeiten für den Umgang mit Fehlern.

An einem Plakat versuchen die Erzieherinnen jetzt für die verschiedenen Möglichkeiten des Umgangs mit Fehlern Beispiele aus der Praxis zu finden. Die Karte, die eben vorgelesen wurde, steht für einen gleichgültigen Umgang mit Fehlern. „Zu Gleichgültigkeit passen wir nicht“, kommentiert eine Erzieherin schließlich.

Fehler als Chance

Dafür finden sich schnell Beispiele für ein umsichtiges Verhalten, bei der Fehler als Chance für Verbesserungen gesehen werden: Es gab Zeiten, da stand auf dem Wagen mit dem Frühstücksgeschirr die große Teekanne ganz vorne. Ein falscher Griff der Krippenkinder genügte und der ganze Tee kippte auf den Boden. „Der Boden war gefährlich glatt und wir mussten lange putzen“, erinnert sich eine Erzieherin. Damals wurde über das Problem gesprochen und eine Lösung gefunden: Heute steht die große Kanne außer Reichweite der Kinder.

„Ich glaube, wir gehen schon sehr vorausschauend mit Gefahren um und versuchen aus Fehlern zu lernen“, so das Fazit einer Erzieherin nach der Arbeit mit den kommmitmensch-Dialogen. Eine andere ergänzt: „Es ist gut, dass wir über kritische Dinge sprechen können.“ Die Leiterin Annett Meyer versteht die neuen Arbeitsmaterialien vor allem als Chance: „Wir können damit den Fokus auf ein Thema lenken und hinterfragen, wo wir stehen.“ Denn natürlich kann man sich immer noch verbessern. So fallen den Pädagoginnen sowohl zum Thema Kommunikation als auch zu Fehlerkultur weitere kleine Maßnahmen ein, die den Umgang miteinander und dabei auch mit Fehlern noch konstruktiver und wertschätzender gestalten können.

 

kommmitmensch-Dialoge

Die kommmitmensch-Dialoge sind Arbeitsmaterialien der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, mit denen ermittelt werden kann, welchen Stellenwert Sicherheit und Gesundheit in einer Kita haben.

Ziel ist es, gemeinsam Verbesserungsmöglichkeiten zu erarbeiten.

Es gibt Karten zu den Themen Führung, Kommunikation, Beteili-gung, Fehlerkultur, Betriebsklima sowie Sicherheit und Gesundheit.

Die Arbeitsmaterialien können beim zuständigen Unfall-versicherungsträger angefordert werden.

Mehr zur Präventionskampagne und den Arbeitsmaterialien finden Sie unter: www.kommmitmensch.de
> Toolbox > kommmitmensch-Dialoge

 

Allergien gegen Nüsse & Co

Paul darf keine Erdnüsse essen, Alissa keine Äpfel, Timur keinen Weizen und Emma darf keine Kuhmilch trinken. Die Listen in den Kitas werden immer länger, welche Kinder welche Nahrungsmittel nicht vertragen. „Gefühlt treten Unverträglichkeiten immer häufiger auf“, sagt Sonja Fahmy, Ernährungswissenschaftlerin von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. „Damit müssen die Einrichtungen umgehen.“

Dabei ist zu unterscheiden, ob es sich um eine Unverträglichkeit oder eine Allergie handelt. Reagiert ein Kind zum Beispiel empfindlich auf Laktose, kann es nach dem Verzehr von Milcheis unter Bauchschmerzen oder Durchfall leiden. Das sei unangenehm, betont die Ernährungs beraterin, allerdings nicht mit einer Lebensmittelallergie zu vergleichen. „Die Situation kann unter Umständen lebensbedrohlich sein.“ Bei einer Allergie bildet der Körper gegen bestimmte Produkte Antikörper und löst eine Immunreaktion aus. Es kann passieren, dass das Kind keine Luft mehr bekommt oder der Kreislauf versagt. „Es müssen sofort Gegenmaßnahmen ergriffen werden“, betont Sonja Fahmy.

Viele Sonderregelungen

Schätzungen zufolge leiden etwa vier Prozent der Kinder bis zu einem Alter von 17 Jahren unter einer Lebensmittelallergie, wie es in einer Broschüre der DGE heißt. Doch in Kitas gibt es teilweise für jedes fünfte Kind eine Sonderregelung beim Speiseplan. Der Grund: Oft handele es sich um falsche Vermutungen der Eltern, berichtet die Ernährungswissenschaftlerin. Deshalb gilt der Rat, dass die Kitas ein Attest verlangen. Egal, ob Unverträglichkeit oder Allergie: Hilfreich ist eine klare Diagnose vom Arzt. „Das ist wichtig, damit die Kitas sicher planen können“, betont Sonja Fahmy.

Sicherheit gibt es vor allem, wenn die Kita sich alle erforderlichen Informationen von den Eltern einholt. Schon im Aufnahmegespräch sollte nach Unverträglichkeiten gefragt werden. Gemeinsam mit den Eltern gilt es, konkrete Handlungsweisen zu besprechen und schriftlich festzuhalten. Alle Erzieherinnen und Erzieher müssen informiert werden, ebenso Küche und Caterer. Letztere natürlich anonymisiert. Die Liste muss gut sichtbar aufgehängt werden, damit auch Vertretungskräfte genau Bescheid wissen. Außerdem brauchen die Kitas einen Notfallplan für den Ernstfall. „Das gibt Sicherheit, sowohl den Mitarbeitern als auch den Eltern“, so Sonja Fahmy.

 

WEITERE INFOS

Qualitätsstandard der Deutschen Gesellschaft für Ernährung für die Verpflegung in Kitas, Kapitel 2: Lebensmittelunverträglichkeiten
www.fitkid-aktion.de > DGE-Qualitätsstandard

Deutscher Allergie- und Asthmabund
www.daab.de/ernaehrung/lebensmittelallergie/

Deutsche Zöliakie Gesellschaft
www.dzg-online.de

Ernährungstipps zu Nahrungsmittelallergien und Intoleranzen
www.ernaehrung.de

Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
www.aktionsplan-allergien.de

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
www.kindergesundheit-info.de

 

Checkliste für Kinder mit Lebensmittelunverträglichkeit (PDF zum Download, 456 KB)

Zusammen stark

Hoch oben auf dem Klettergerüst steht Pablo und schreit. Er ist verzweifelt, weiß nicht mehr, wie er runterkommt. Ein anderer Tag, eine andere Situation: Safia bricht in Tränen aus, als ihre Mama sie das erste Mal in der Kita allein lässt. Es gibt viele Dinge, die Kindern Angst machen können. Auch in der Rasselgruppe der Kita „Familienzentrum Ludwig-Uhland-Straße“ war die Angst irgendwann Thema Nummer eins.

Die Kinder sprachen viel über ihre Ängste. Sie merkten, dass die anderen auch verschiedene Situationen und Dinge als bedrohlich empfanden. Durch den Austausch mit den anderen konnten sie so ihre eigenen Gefühle besser einordnen. Dabei ging es zuerst um Ängste, die den Kindern im Alltag begegneten. „Für uns war klar, dass wir daraus ein Projekt entwickeln können. Denn Angst betrifft alle“, erklärt Edith Kepper, Erzieherin in der Rasselgruppe. „Es ist wichtig, dass die Kinder sich damit auseinandersetzen.“

 

KURZ GESAGT!

  • Wichtige Themen der Kinder werden in Projekten bearbeitet
  • Pädagogische Fachkräfte wecken den Forscherdrang der Kinder
  • Kinder können Erfahrungen teilen und Ängste einordnen
  • Zusammenhalt der Kinder wird gefördert

 

Forscherdrang wecken

Projektarbeit ist in der Kita fester Bestandteil des pädagogischen Konzeptes. Ob „Schreibwerkstatt“, „Kräfte messen“ oder „Wenn ich groß bin, dann …“: Die Kinder beschäftigen sich in ihren Gruppen immer mit einem Thema, das sie aktuell bewegt. Dann fertigen sie mit ihren Erzieherinnen und Erziehern als Erstes eine Wissenslandkarte an, in der sie festhalten, was sie bereits über das Thema wissen.

Die Erzieherinnen und Erzieher gestalten das Projekt so, dass der Forscherdrang der Kinder geweckt wird. Mit Erfolg: Die Kinder sind begeistert mit dabei, wenn es darum geht, Dinge zu hinterfragen und Neues zu entdecken. In täglichen Runden reflektieren sie gemeinsam das Erlebte des Vortages und planen den neuen Tag. Am Ende der Projektzeit werden Fragen wie „Was haben wir heute erforscht?“ und „Was haben wir gelernt?“ besprochen.

Bei dem Projekt „Die Sache mit der Angst“ sprachen die Kinder viel über ihre Gefühle und fragten sich, was Angst überhaupt ist. Sie thematisierten, wovor sie sich im Alltag fürchteten. Sie erzählten von Albträumen, Streit der Eltern oder dem Verlust eines geliebten Spielzeugs. Dabei gaben die Kinder stets die Richtung an, sie bestimmten wie das Projekt ablief.

Wie wichtig das Thema ist, zeigte sich sehr schnell: Nach und nach kamen weitere Kinder aus anderen Gruppen dazu, die auch über ihre Ängste sprechen wollten. So auch die Kinder einer Flüchtlingsfamilie, die seit einigen Monaten die Einrichtung besuchten. Sie sprachen über ihre Erlebnisse und Ängste auf der Flucht und wie sehr sie ihre Heimat vermissten. „Sie erzählten und malten Bilder wie alle anderen Kinder auch. Nur war ihre Dimension der Angst eine ganz andere“, erklärt die Erzieherin.

Unterstützung durch Psychologin

Eine Besonderheit der Einrichtung ist, dass sie mit einer Psychologin zusammenarbeitet. Sie ist vor allem für die präventive Entwicklungsberatung da und unterstützt bei Bedarf Eltern, Kinder und pädagogische Fachkräfte. Sie wird von der Stadt finanziert und steht allen Einrichtungen in Maintal zur Verfügung. „Die Zusammenarbeit von Kitas mit einer Psychologin haben wir uns in Finnland abgeguckt und das große Glück, dass die Stadt hinter der Idee steht“, so Gabriele Steltner-Merz, Leiterin der Einrichtung. Ihr ist der Austausch mit Kitas in anderen Ländern wichtig: Einflüsse und Ansätze fließen in die Arbeit mit ein. So stammt die Idee für ihre Projektarbeit aus Italien.

Die Kinder haben einen engeren Kontakt untereinander geknüpft.

Durch das Projekt „Die Sache mit der Angst“ konnten die Kinder nicht nur ihre Erlebnisse teilen und ihre Ängste einordnen. Es hat ihnen auch die Auseinandersetzung damit erleichtert und ein Stück weit beim Überwinden der Ängste geholfen. „Die Kinder haben einen engeren Kontakt untereinander geknüpft“, sagt Edith Kepper. Ganz nebenbei haben die Flüchtlingskinder beim vielen Reden ihre Sprachkenntnisse verbessert.

 

KITA DES JAHRES 2018

Das „Familienzentrum Ludwig-Uhland-Straße“ ist Sieger des deutschen Kita-Preises 2018. 140 Kinder im Alter von drei bis zehn Jahren besuchen die Einrichtung im hessischen Maintal. In seiner Laudatio lobte Jury-Mitglied Prof. Dr. Wassilios E. Fthenakis den modernen, sozialintegrativen Bildungsansatz und das Einbinden von kultureller Vielfalt in das Konzept der Einrichtung.

Mehr zum deutschen Kita-Preis unter:
www.deutscher-kita-preis.de

Auf anderen Wegen

Frage: Wie sind pädagogische Fachkräfte und Kinder bei Ausflügen versichert?

Antwort: Die Kinder und die Beschäftigten der Kita sind bei Ausflügen gesetzlich unfallversichert – egal, ob es sich dabei um einen Waldtag, den Besuch im Zoo, einen Laternenumzug oder die Abschlussübernachtung in der Kita handelt. Das gilt auch, wenn die Veranstaltung außerhalb der normalen Öffnungszeiten stattfindet.

Frage: Was bedeutet es für den Versicherungsschutz, wenn die Fahrt zum Veranstaltungsort im Auto der Eltern, mit den Eltern auf dem Fahrrad oder im Bus zurückgelegt wird?

Antwort: Die Kita-Kinder und die pädagogischen Fachkräfte sind auf dem Weg zu Veranstaltungen gesetzlich unfallversichert, wenn diese von der Einrichtung veranstaltet und betreut werden. Das gilt unabhängig davon, ob Kinder und pädagogische Fachkräfte zu Fuß, mit ihren Rollern oder Fahrrädern, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder in Fahrgemeinschaften der Eltern unterwegs sind.

Frage: Wie sind Begleitpersonen, also beispielsweise Eltern, bei Ausflügen oder Übernachtungen versichert?

Antwort: Die Kita kann geeignete Personen – beispielsweise Eltern, Großeltern oder erwachsene Geschwister – mit dem Transport und der Beaufsichtigung der Kinder beauftragen. Dann sind diese auf dem Weg zur Veranstaltung und während der Veranstaltung auch gesetzlich unfallversichert.

Frage: Müssen die Begleitpersonen schriftlich beauftragt werden oder reicht ein mündlicher Auftrag?

Antwort: Ein mündlicher Auftrag durch die Kita reicht. Trotzdem empfehlen wir, den Auftrag schriftlich festzuhalten. Das ist vor allem wichtig, wenn Verletzte erst Monate nach einem Unfall zum Arzt gehen. Dann kann sich unter Umständen niemand mehr erinnern, dass die verletzte Person beauftragt war.

Frage: Welche Schäden übernimmt die gesetzliche Unfallversicherung?

Antwort: In all diesen Fällen sind Personenschäden versichert, also wenn sich ein Kind oder eine Betreuungsperson verletzt. Nicht versichert sind Sachschäden – bis auf eine Ausnahme: Die Versicherung gilt auch bei der Beschädigung oder dem Verlust eines medizinischen Hilfsmittels, wie beispielsweise einer Brille oder eines Hörgeräts, wenn sie am Körper getragen werden.

Die Antworten gab Dirk Astheimer von der Unfallkasse Baden-Württemberg

Forschen und die Welt entdecken

„Nur wer hinfällt, steht auch wieder auf. Das lernen die Kinder in unserer Kinderbaustelle. Hier dürfen sie mit Naturmaterialien spielen. Da werden Steine mit Matsch verklebt oder auf Brettern rumgehämmert. Schon die Unterdreijährigen sollen forschen und die Welt entdecken. Die Kinder erleben natürlich auch Misserfolge, aber sie wachsen daran. Sie lernen dabei ihre eigenen Grenzen kennen und können Gefahren besser einschätzen. Sie sammeln Erfahrungen, wir sind nur Begleitpersonen. Etwas selbst zu meistern, ist für die Entwicklung und ein gesundes Selbstvertrauen der Kinder unverzichtbar. Das kommt sehr gut an. Die Kinder sind ehrgeizig und finden es schön, dass ihr ‚Nein!‘ von uns akzeptiert wird.“

Die Leitung – Schlüssel zur Gesundheit

Lärm, Zeitdruck, Personalmangel, ungeeignetes Mobiliar: Derartige Belastungen können bei Leitungskräften in Kitas zu physischen und psychischen Beanspruchungen und Erkrankungen führen. Wenn der Alltag gesundheitsgerecht gestaltet wird, können diese negativen Auswirkungen solcher Belastungen verringert werden. Dabei hat die Kita-Leitung eine Vorbild- und Schlüsselfunktion: Wer führt, prägt den Stellenwert von Sicherheit und Gesundheit in der Kita entscheidend. Denn die Leitung gestaltet die organisatorischen, inhaltlichen und mentalen Voraussetzungen, um Sicherheit und Gesundheit als zentrale Werte in der Kita zu verankern. Damit ihr dies gelingt, sollte eine Kita-Leitung gesundheitsorientiert handeln.

Ein solches gesundheitsorientiertes Leitungshandeln zielt darauf ab, Krankheiten und Unfälle zu verhüten sowie die Sicherheit und Gesundheit bei den Beschäftigten und Kindern zu fördern. Dafür kümmert sich die Kita-Leitung nicht nur um die klassischen Themen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung, wie die Organisation der Ersten Hilfe in der Kita. Sie fördert auch die Gesundheitsressourcen ihres Teams. Dazu gehört beispielsweise die Förderung der Gesundheitskompetenz oder eines positiven Selbstwertgefühls der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, damit diese den Belastungen im Kita-Alltag angemessen begegnen können.

Die Gestaltung einer sicheren und gesunden Kita gelingt der Leitung nicht im Alleingang. Für eine erfolgreiche Arbeit muss sie den Träger, das Kita-Team sowie die Eltern und gegebenenfalls die Kinder mit einbeziehen.

Zu einem gesundheitsorientierten Leitungshandeln gehören insbesondere:

  • eine offene Kommunikation
  • die Beteiligung der Beschäftigten und Eltern an Entscheidungen und Prozessen
  • eine konstruktive Fehlerkultur
  • die Stärkung eines wertschätzenden Klimas

Die aktuelle Präventionskampagne kommmitmensch der DGUV liefert Anregungen für deren praktische Umsetzung im Kita-Alltag (siehe Infografik). Einer Leitungskraft, die gesundheitsorientiert handelt, gelingt es leichter, Unsicherheiten und Missverständnisse zu verringern und somit unnötigen Fehlbelastungen im Kita-Team vorzubeugen. Schließlich stärkt sie auch das Wohlbefinden und Vertrauen innerhalb des Kita-Teams sowie das Bewusstsein für Sicherheit und Gesundheit bei den Beschäftigten, Kindern und Eltern.

 

INFOMATERIAL

DGUV-Fachkonzept
„Frühe Bildung mit Sicherheit und Gesundheit fördern“.
DGUV Information 202-100.

Broschüre „Gute gesunde Kita“:
www.unfallkasse-nrw.de
> Service > Medien > Suchbegriff: „Gute gesunde Kita“

Broschüre „Gesundheit am Arbeitsplatz Kita“:
www.unfallkasse-nrw.de
> Service > Medien > Suchbegriff: „Gesundheit am Arbeitsplatz Kita“

Wenig Zündstoff für Konflikte

Das Quiz fürs Sommerfest will Erzieherin Heike Ehret eigentlich schon längst fertig haben. Aber irgendwas kommt immer dazwischen. Deshalb schiebt ihre Kollegin sie kurzerhand aus dem Gruppenraum: „Ich übernehme hier für dich. Geh du doch einfach hoch in den Personalraum.“ Ein typischer Vorgang in der Kita im hessischen Nordheim: Egal, ob kurz-fristig ein Frühdienst gesucht wird oder jemand länger bleiben muss – stets melden sich gleich mehrere Personen freiwillig. Für Heike Ehret ist der Grund ganz klar: „Die Stimmung im Team passt.“ Sie selbst fährt jeden Tag gerne zur Kita. „Alle fühlen sich wohl.“

 

KURZ GESAGT!

  • Klare Strukturen sparen Zeit und Nerven
  • Das Team einbeziehen, Verantwortung übertragen
  • Regelmäßige Fortbildungen steigern die Motivation

 

Klare Abläufe festlegen

Wie gelingt so etwas? Birgit Uhrig, die Leiterin der Kita, zeigt auf sechs pinke Ordner, die sich im Holzregal in ihrem Büro aneinanderreihen: „Das macht’s.“ Die Einrichtung sei top in der Qualitätsentwicklung. So gut wie
alle Abläufe sind detailliert festgeschrieben, auf DIN-A4-Seiten getippt und in Klarsichtfolien abgeheftet. Wie läuft der Laternenumzug ab? Was gehört ins Portfolio? Wie funktioniert die Anmeldung? Die Antworten auf alle großen und kleinen Fragen im Kita-Alltag finden sich in den Ordnern. „So fühlen wir uns sicher in dem, was wir tun“, sagt die Leiterin. Die Ordner helfen bei einem gut gelebten Alltag. Ihre Mitarbeiterin Heike Ehret ergänzt: „Durch das Festschreiben haben wir klare Abläufe. Nicht Wischiwaschi.“

Das Team spart dadurch bei organisatorischen Dingen viel Zeit. So können sich die Erzieherinnen mehr um die Kinder kümmern, mit pädagogischen Themen beschäftigen und „Das entlastet sehr“, sagt Birgit Uhrig. Was zum Beispiel fürs Sommerfest eingekauft werden muss, sei in fünf Minuten abgehakt. Früher hätten sie in Teamsitzungen immer erst alte Protokolle rausgekramt, überlegt, was damals besprochen wurde. Jetzt reicht ein Blick aufs Papier, ein Anruf beim Getränkehändler – und fertig. „Das geht ruck-zuck“, betont die Pädagogin.

Keine Grundsatzdiskussionen

Ein weiterer Vorteil der guten Organisation: „Es gibt weniger Zündstoff für Konflikte“, sagt Birgit Uhrig. So müsse in Teamsitzungen nicht alles zum hundertsten Mal besprochen werden. Immer wieder neue Grundsatzdiskussionen in der großen Runde könnten ziemlich anstrengend sein, pflichtet Heike Ehret bei. Statt dessen wird vieles an Kleingruppen delegiert und so Partizipation gelebt. Die Kolleginnen setzen sich beispielsweise zusammen und überlegen, wie eine Kinderkonferenz am besten abläuft oder was zum Frühstück aufgetischt wird. Das Ergebnis wird schriftlich für den Rest des Teams festgehalten. Die Leiterin korrigiert die Texte nicht, verbessert keine Kommas. Das ist für Birgit Uhrig eine Frage von Respekt und Vertrauen. „Wenn ich ihnen die Aufgabe gebe, traue ich sie ihnen auch zu“, betont die Pädagogin.

Alle fünf Jahre kommt eine externe Gutachterin mit einer Checkliste vorbei, führt Gespräche und prüft die Qualitätsentwicklung des Hauses. Dafür erhält die „Evangelische Kindertagesstätte Nordheim“ das Gütesiegel der Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder e. V. (BETA). Viele Einrichtungen schreckten davor zurück, sich damit noch mehr Arbeit aufzuhalsen, berichtet Birgit Uhrig. Dabei gelte es nur, einmal aufzuschreiben, was man tagtäglich tut – und warum. „Gut ist es, kontinuierlich dranzubleiben.“

Zeitplan bei Sitzungen

Zum Erfolgsrezept dieser Kita gehört: Alles ist klar strukturiert. So gibt es bei den Teamsitzungen einen Zeitplan, der mit Filzstift ans Flipboard geschrieben wird. Fünf Minuten am Anfang schwätzen ist in Ordnung. Aber danach achtet Birgit Uhrig strikt darauf, dass niemand abschweift. Mit dem Ergebnis: „Wir sind sehr effektiv.“

Ein Erfolgsrezept der Kita: Alles ist klar strukturiert. Dadurch verlaufen auch die Teambesprechungen sehr effektiv.

Klare Strukturen bestimmen hier auch die Dienstpläne. Alle haben jede Woche die gleichen Arbeitszeiten. Auch dafür gilt: Bloß keine Zeit verschwenden – und Stress vermeiden. Viele Kitas hätten wechselnde Dienstpläne, berichtet Birgit Uhrig. „Das kostet die Leitung viel Zeit.“ In der Einrichtung in Biblis sind die Dienstzeiten so verteilt, dass alle damit zufrieden sind. „Das passt immer“, so die Leiterin. „Erstaunlicherweise.“ Anderswo, fügt Heike Ehret hinzu, gebe es oft Zoff, wer welche Dienste hat. „Dadurch werden viele Kräfte verbraucht. Das hat Auswirkungen auf die Stimmung im Team.“ Meist hätten jene das Nachsehen, die am wenigsten „Nein!“ sagen könnten. Das sorge für Unmut. Gerechtigkeit wird in der Kita großgeschrieben.

Der Blick von außen ist wichtig

Gut geplant werden in der Kita die Fort- und Weiterbildungen. In der Regel nimmt jeder einmal pro Jahr an einem Seminar teil. „Der Blick von außen ist wichtig“, findet die Leiterin. Einmal aus der Einrichtung rausgehen und neue Impulse ins Team einbringen. Sie hat die Erfahrung gemacht: „Fortbildungen fördern die Motivation.“ Wenn sie selbst ein interessantes Angebot entdeckt, fragt sie ihr Team: Wer hat Bedarf, was braucht die Einrichtung und welche Person hat entsprechende Interessen? Dabei achtet Birgit Uhrig darauf, wer an der Reihe ist.

Der Leiterin ist wichtig, dass jeder im Team seine Stärken einbringen kann. „Dann machen alle die Arbeit mit Freude“, so die Erfahrung der 57-Jährigen. „Eine Kollegin zum Beispiel wandert leidenschaftlich gerne. In der Kita geht sie regelmäßig raus, spaziert mit den Kindern durch Felder – und freut sich mit ihnen zusammen über jeden Käfer.“

Gute Stimmung im Team

Zur guten Stimmung im Team tragen auch Aktivitäten jenseits des Kita-Alltags bei: Zweimal pro Jahr gehen alle zusammen ins Restaurant. Außerdem gibt es zwei Partys in der Kita. Jeder bringt Kuchen oder Salat mit, die Erzieherinnen drehen die Musik auf und tanzen in der Küche. Es gilt die Regel: Wer als Letztes nach Hause geht, räumt vorher auf. „Das funktioniert wunderbar“, sagt Birgit Uhrig. Dafür gibt es am Montagmorgen ein dickes Lob.

 

WEITERE INFORMATIONEN

Gute, gesunde Führung ist ein Handlungsfeld der DGUV-Kampagne kommmitmensch. Mehr dazu unter:
www.kommmitmensch.de
> Handlungsfelder > Führung

Experten für die eigene Sache

Die Fehlzeiten aufgrund von psychischen Erkrankungen haben stark zugenommen. Woran liegt das?

Zunächst haben sich die Belastungen selbst verändert – an Stelle körperlicher Belastungen sind vielfach psychische getreten. Ein weiterer Grund ist, dass sich auch die Diagnostik der Ärzte verändert hat. Heute gibt es ein Bewusstsein, dass körperliche Beschwerden wie Rückenschmerzen ihre Ursache auch in psychischen Belastungen haben können.

Wie haben sich die Belastungen in den Kitas verändert?

Die Altersspanne der zu betreuenden Kinder und auch die Lärmbelastung haben zugenommen. Sicher ist auch der Anspruch der Eltern ein anderer. Außerdem sind die Betreuungszeiten länger geworden. Je länger Kinder in der Kita sind, desto stärker müssen die pädagogischen Fachkräfte Aufgaben der Eltern in der Erziehung übernehmen. Das ist anstrengend für die Kinder und damit auch für die Fachkräfte. Es gibt zudem Entwicklungen, die die psychischen Belastungen verstärken. Dazu gehört das relativ hohe Durchschnittsalter der Erzieherinnen und Erzieher in vielen Kitas – man steckt viele Belastungen als junger Mensch einfach besser weg.

Gibt es in Kitas auch Faktoren, die sich positiv auf die seelische Gesundheit auswirken?

Eine der großen Ressourcen für die psychische Gesundheit sind die vielen Möglichkeiten der Mitgestaltung in der Kita. Wenn man ein hohes Maß solcher Freiheitsgrade im Beruf hat, wirkt sehr viel oder anstrengende Arbeit weniger belastend. Ein positiver Faktor ist auch das Gefühl der Selbstwirksamkeit: Erzieherinnen und Erzieher können die Entwicklung der Kinder direkt beeinflussen.

Psychische Belastungen sind viel schwerer greifbar als körperliche …

Das stimmt. Ein guter Einstieg in das Thema psychische Belastungen ist die Gefährdungsbeurteilung.

Die Gefährdungsbeurteilung ist für viele Verantwortliche immer noch ein Schreckgespenst. Können Sie den Leitungskräften da ein bisschen die Sorge nehmen?

Die Idee der Gefährdungsbeurteilung ist, dass man damit den Arbeitsplatz kontinuierlich verbessert. Im ersten Schritt ermittelt man die Gefährdung und gesundheitliche Belastung und beurteilt, welche davon besonders relevant sind. Dann überlegt man, mit welchen Maßnahmen diese Gefährdungen und Belastungen reduziert werden können. Im nächsten Schritt werden die Maßnahmen umgesetzt und ihre Wirksamkeit immer wieder überprüft. Wenn sich die Rahmenbedingungen bei der Arbeit ändern, aktualisiert man die Gefährdungsbeurteilung.

Wie können die Leitungskräfte ganz konkret vorgehen?

Bei einem kleinen Kita-Team reicht es völlig, wenn sich das Team zusammensetzt – vielleicht gemeinsam mit jemandem vom T räger. Dann wird systematisch überlegt, welche Gefährdungen und Belastungen es in dieser Kita gibt – einschließlich der psychischen Belastungen. Partizipation ist hier ganz wichtig. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die Experten für ihre eigenen Belange. Wenn sie bei der Suche nach den Problemen und den Lösungen einbezogen werden, sind Maßnahmen einfacher und praktikabler umsetzbar und ihre Akzeptanz ist höher.

Und wie tastet sich die Leitungskraft am besten an das Thema psychische Belastungen heran?

Sie kann mit Themen wie Lärm einsteigen und sich schrittweise möglichen Tabuthemen wie Führung oder Spannungen im Team nähern. Leitung und Team schauen sich beispielsweise die Arbeitsumgebung an. Ist in der Kita der Lärmpegel sehr hoch und woran liegt das? Gibt es Pausenräume? Pausen in Kitas werden nicht als Entlastung gesehen, wenn es keine Möglichkeit zum Rückzug gibt. Dann die Arbeitsorganisation: Welche Arbeitsz eiten gibt es? Muss jemand aus dem Team vielleicht eigene Kinder abholen? Dann kommt man zu Fragen wie: Klappt die Zusammenarbeit innerhalb der Teams, zwischen Team und Träger, mit Hauswirtschaftskräften?

Können Sie Beispiele nennen, wie Leitungskräfte die psychischen Belastungen im Team reduzieren?

Gerade bei der internen Organisation hat die Kita-Leitung viele Möglichkeiten. Beispielsweise kann man bei den Abholzeiten einer Person den „Abholdienst“ übertragen, die die Kinder an die Eltern übergibt. Die Leitungskraft sollte bei den Dienstplänen die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter berücksichtigen. Wenn Spannungen im Team bestehen, gibt es die Möglichkeit einer Mediation, bei schwierigen Kindern die einer Supervision. Wichtig sind immer Lösungen, die alle als gerecht empfinden und mittragen. Dazu muss die Leitung dem Team die Gründe für ihre Entscheidungen kommunizieren.

Was können die Erzieherinnen und Erzieher selbst tun?

Sie müssen die Gefährdungsbeurteilung als Chance erkennen, ihre Arbeitsplätze sicherer und gesünder zu machen. Sie sollten daher an dem Prozess aktiv und konstruktiv mitarbeiten. Das bedeutet, dass sie sich selbst Gedanken machen, wie ihr Arbeitsplatz verbessert werden kann. Dabei sollte allen klar sein: Dinge brauchen Zeit. Man kann nicht alle Belastungen zugleich angehen.

 

INTERVIEW MIT …

Dr. Torsten Kunz
Er ist Präventionsleiter der Unfallkasse Hessen und seit 1999 Mitglied im Redaktionsbeirat der KinderKinder.

 

 

GEFÄHRDUNGSBEURTEILUNG

Online-Gefährdungsbeurteilung für Kindertagesstätten:
www.bgw-online.de/gefaehrdungsbeurteilung-kita

Handlungshilfe für Gefährdungsbeurteilung in Kitas: www.sichere-kita.de > Leitung > Gefährdungsbeurteilung

Kita-Box „Auf geht’s … zur gesunden Kita im Dialog“:
www.uk-nord.de > Webcode: P00633

Broschüre „Gefährdungsbeurteilung in Kindertageseinrichtungen“: www.kita.ukh.de > Informationen > Handlungshilfe zur Gefährdungsbeurteilung in Kindertageseinrichtungen

Plötzlich Führungskraft

Teamführung, Konfliktvermittlung, Fortbildungen organisieren, Kommunikation mit dem Träger, Öffentlichkeitsarbeit: Die Aufgabenliste von Führungskräften in Kitas ist lang. Doch die Zeit, die hierfür im Kita-Alltag zur Verfügung steht, ist knapp. Oft müssen diese Aufgaben parallel zum pädagogischen Arbeiten in der Gruppe erledigt werden.

KURZ GESAGT!

  • Der Schritt aus dem Team zur Leitungskraft ist groß
  • Leitungsaufgaben müssen häufig „nebenher“ erledigt werden
  • Wichtig: ein gutes Zeitmanagement
  • Fortbildungen helfen, den Anforderungen gerecht zu werden

Mehr als die Hälfte der Kita-Leitungskräfte ist zusätzlich als Gruppenleitung tätig. Das geht aus den Daten der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik hervor. Die Leitung wird also gewissermaßen „nebenbei“ erledigt. Wer Pech hat, muss sogar komplett ohne Freistellung klarkommen.

Leider werden angehende Erzieherinnen oder Erzieher in ihrer Ausbildung kaum auf künftige Leitungspositionen vorbereitet. Und wer jahrelang in einem Kita-Team gearbeitet hat, ohne tieferen Einblick in die zahlreichen Führungsaufgaben erhalten zu haben, kann sich mit der Übernahme der Leitung erst einmal schwertun. Oft ist die neue Position mit einer Doppelrolle verbunden, in der kollegiales Verhalten und Führungsverantwortung in Einklang gebracht werden müssen.

Um die Herausforderung besser zu bewältigen, kann eine Fortbildung hilfreich sein. Dabei lassen sich Themen wie die Reflektion des beruflichen Selbstverständnisses, Betriebs- und Personalführung sowie Kommunikation gut vertiefen. Außerdem bieten Fortbildungen die Gelegenheit, sich mit anderen auszutauschen.

„Zwischen allen Stühlen“

 

INTERVIEW MIT …
Dr. Cornelia Becker
Sie ist im „Evangelischen Landesverband – Tageseinrichtungen für Kinder in Württemberg e. V.“ für Qualitätsmanagement in der Kita und die Leitungsqualifizierung zuständig.

Foto: Ev. Landesverband – Tageseinrichtungen für Kinder in Württemberg e. V.

Frau Dr. Becker, mit welchen Problemen werden Sie in den Fortbildungen am häufigsten konfrontiert?

Neben dem Problem, dass in der Regel zu wenig Zeit für Führungsaufgaben zur Verfügung steht, ist die ungewohnte Doppelrolle oft schwer zu erfüllen. Einerseits fühlen sich die neuen L eitungskräfte als Teil des Kollegiums, andererseits müssen sie sich durchsetzen können. Viele der Frauen – ein Großteil der Kita-Leitungen ist ja weiblich besetzt – haben ein starkes Harmoniebedürfnis. Es fällt ihnen manchmal schwer, klare Anweisungen zu geben oder die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen zu kontrollieren. Sie sitzen dann zwischen allen Stühlen.

Können Sie dieses Problem lösen?

Wir versuchen es! Zum einen, indem wir uns mehr mit dem beruflichen Selbstverständnis der Teilnehmenden auseinandersetzen. Zum anderen dadurch, dass wir mit Hilfe von Planspielen schwierige Situationen einüben: Wie führe ich ein Konfliktgespräch? Oder wie vertrete ich die Interessen der Einrichtung gegenüber Gremien wie etwa einem Gemeinderat? Die Fähigkeiten, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dabei erwerben, steigern in der Regel oft deren Selbstbewusstsein. Das erleichtert vielen schon die Arbeit.

Was ist das Wichtigste, das die Teilnehmenden in ihren Arbeitsalltag mitnehmen können?

Das ist individuell verschieden. Viele optimieren ihr Zeitmanagement und lernen, mehr zu delegieren. Das schafft schon mal „Luft“, sich mit anderen Themen zu beschäftigen. Außerdem arbeiten wir mit einem Coachingkonzept, bei dem sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gegenseitig im Alltag beraten. Das ist vielleicht das Wichtigste – sich auch langfristig immer wieder zu unterstützen.

 

Sich bewegen heißt, sich entfalten

„Setzt euch bitte in den Kreis, wir wollen anfangen“, Erzieherin Juvi Schubert klatscht in die Hände und ruft die Kinder zusammen, die barfuß im Mehrzweckraum herumtoben. In der Kneipp-Kita „Pfiffikus“ im brandenburgischen Petershagen findet täglich eine Spiel- und Bewegungsstunde nach dem Hengstenberg-Konzept statt. Freitag ist für die Kinder der Gruppe 5 „Hengstenberg-Tag“. Maximal acht Jungen und Mädchen können mitmachen.

„Wir beginnen jede Stunde damit, uns an fünf Regeln zu erinnern“, erklärt Juvi Schubert. Die Kinder zählen auf

  • Wir turnen barfuß.
  • Je Gerät ein Kind.
  • Nicht motzen und meckern.
  • Nicht schubsen und drängeln.
  • Jeder bestimmt sein Tempo selbst.

Dann entscheiden sie, was sie spielen möchten und welche Materialien gemeinsam aufgebaut werden. „Manchmal verwandelt sich der Raum in einen Dschungel, in dem sich wilde ,Tiere‘ auf dem Boden unter den kleinen Holzhockern hindurchschlängeln“, sagt Juvi Schubert. Heute bauen sie eine Berglandschaft aus Leitern, einem Rutschbrett und verschiedenen Bodenelementen auf. Und schon klettern, balancieren und krabbeln die Kinder im Raum umher.

 

KURZ GESAGT!

  • Hengstenberg-Materialien laden zum Ausprobieren ein
  • Die Kinder sollen selbstständig agieren
  • Sie lernen, ihre Fähigkeiten und Grenzen einzuschätzen
  • Bewegung und Vertrauen werden geschult

 

Die Kita „Pfiffikus“ hat 2015 an einem Projekt der Unfallkasse Brandenburg teilgenommen, bei dem ausgewählte Kitas die Hengstenberg-Materialien ein Jahr lang ausprobieren und später übernehmen konnten. Die Erzieherinnen und Erzieher wurden entsprechend geschult, beobachteten die Kinder in ihrem Spiel, fertigten Entwicklungsdokumentationen an und reflektierten sich selbst und ihre Arbeit. „Wir haben unter anderem gelernt, die Kinder machen zu lassen und nicht immer gleich ins Spielgeschehen einzugreifen“, erinnert sich Juvi Schubert.

Trotzdem fällt ihr genau das manchmal schwer. Zum Beispiel, als ein Junge sich nicht traut, die Leiter ganz oben zu über steigen. Er kehrt immer wieder um und klettert zurück. Schließlich balanciert er über die Stange neben der Leiter und erreicht so auf eigene Weise die nächste Station. „Wir neigen dazu, die Kinder behüten zu wollen und ihnen bei der Lösung ihrer Probleme behilflich zu sein. Oder wir spornen sie zu Leistungen an, zu denen sie vielleicht noch gar nicht bereit sind“, so die Erzieherin selbstkritisch. Kleine Unfälle können passieren und werden mit den Kindern besprochen. „Wenn sie wissen, warum etwas schiefgeht, können sie besser mit Gefahren umgehen.“ Bei dem Konzept geht es darum, die Mädchen und Jungen so selbstständig wie möglich agieren zu lassen. Dabei bekommt jedes Kind die Zeit, die es für seine Entwicklung braucht.

 

ELFRIEDE HENGSTENBERG

Die Berliner Gymnastiklehrerin Elfriede Hengstenberg (1892–1992) entwickelte in den 1920er Jahren eine Bewegungspädagogik, die Kinder ganzheitlich in ihrer Lebenswirklichkeit wahrnimmt. Dabei leben die Kinder mit Hilfe von einfachen Holzgeräten ihre Experimentierfreude aus und beschäftigen sich selbstständig mit den Materialien. Im freien Spiel sollen sie sich aus eigenem Antrieb ent wickeln und reifen.

 

Grenzen besser einschätzen

Eine Viertelstunde vor dem Ende der Stunde beendet Juvi Schubert die Spielzeit und alle räumen gemeinsam auf. Danach gibt es noch eine Schlussrunde. Die Kinder erzählen, was ihnen gefallen und was nicht so gut geklappt hat.

Ein wichtiger Grundsatz der Hengstenberg-Stunde: Die Kinder werden nicht zum Nachahmen vorgegebener Übungen animiert, sondern probieren sich selbst mit Hilfe der Materialien aus. Das Konzept geht auf die Gymnastiklehrerin und Pädagogin Elfriede Hengstenberg zurück. Demnach ist Bewegung im freien Spiel ein wichtiger Baustein für die psychomotorische Entwicklung der Kinder.

„Sich bewegen heißt, sich zu entfalten“, bringt es Kita-Leiterin Beatrice Smith auf den Punkt. Die Kinder setzen sich mit ihrer Umwelt auseinander und lernen gleichzeitig, sich selbst in ihren Fähigkeiten und ihren Grenzen besser einzuschätzen. In der Kita „Pfiffikus“ fällt immer wieder auf, dass auch die Entwicklung im sozialen und sprachlichen Bereich dadurch positiv beeinflusst wird. „Sie lernen sich abzusprechen, dürfen nicht drängeln und müssen manchmal wirklich Geduld haben“, erklärt Beatrice Smith.

Da sich Kinder in ihrem Alltag immer weniger gefahrlos frei bewegen können, werden Spielstunden wie die in der Kita „Pfiffikus“ immer wichtiger. Denn aus Bewegungsmangel können Probleme wie Bewegungs- und Verhaltensauffälligkeiten sowie Konzentrations- und Wahrnehmungsstörungen entstehen. Beim gemeinsamen Spiel in der Hengstenberg-Stunde kann ein bisschen von dem nachgeholt werden, was im bewegungsarmen Kinderalltag fehlt: Die Freude an der Bewegung und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten!

 

DAS SPIELMATERIAL

Klassische Hengstenberg-Materialien sind zum Beispiel Leitern, Hocker, Matten, Rutsch- und Wackelbretter und Bodenelemente, wie Vierkant- oder Kippelhölzer. Alle Materialien sind aus Holz. Es gibt sehr große Geräte, wie das Fünfstangenklettergerät. Die Bodenelemente sind klein und flexibler einsetzbar. Alle haben einen hohen Aufforderungscharakter: Sie laden zum Bauen, Klettern, Balancieren und Kriechen ein.

 

BUCHTIPP

Michael Peter Fuchs: „Hengstenberg Spiel- und Bewegungspädagogik“ (2018). Herder Verlag, 20 €

Die Haltung ändern

Die Welt im Bonner Kinderhaus „Am Zwergenwald“ ist seit einer Weile eine andere geworden: Die Kita hat jetzt höhenverstellbare Tische bekommen, dazu Bodenstühle mit Rückenlehnen und Wickeltische mit Treppen. Die 90 Kinder nutzen nun eine breite Palette verschieden hoher Sitzgelegenheiten von der Bank bis zum Treppenhochstuhl. So können auch sie ihren Beitrag leisten und Größenunterschiede überwinden.

Der Essensraum ist wie ein Restaurant angelegt, mit Tischgruppen in unterschiedlichen Höhen und mit rollenden Erzieherinnenstühlen samt flexiblen Lehnen. „Die Kolleginnen fahren einfach zum Nebentisch und passen sich in der Höhe an jede Situation an“, sagt Iris Ohm, die Leiterin der Kita. Auch Schränke und Regale stehen auf Rollen, sodass ein Raum leicht verändert und mehr Platz geschaffen werden kann. „Früher saßen wir auf kleinen Kinderstühlen“, sagt Iris Ohm. „Nun kommen uns die Kinder beim Ausgleich von Höhenunterschieden entgegen.“ Gesundheitliche Probleme der 13 Kolleginnen und Kollegen wie Knie-, Rücken- und Kopfschmerzen seien deutlich zurückgegangen, das Wohlbefinden spürbar gestiegen: weniger Schmerzen, mehr Ruhe, mehr Gelassenheit.

 

KURZ GESAGT!

  • Höhenverstellbare Möbel verringern körperliche Belastungen
  • Die Kinder kommen den pädagogischen Fachkräften entgegen
  • Bücken, Knien und Heben wird vermieden
  • Die Folge: weniger Schmerzen, mehr Gelassenheit

 

Kita-Leitungen befragt

Einen wichtigen Impuls für die kleine Revolution im „Zwergenwald“ hat das Projekt ErgoKita des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) und von universitären Instituten in Darmstadt und Frankfurt gesetzt: Expertinnen und Experten aus der Projektgruppe untersuchten über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren physische und psychische Belastungen im Kita-Alltag. 265 Kita-Leitungen wurden zur Beanspruchung von Körperregionen, zum Mobiliar ihrer Kitas und zu Arbeitsbedingungen befragt.

In 24 ausgewählten Kitas wurden gesundheitliche Beschwerden erfasst sowie Belastungen des Muskel-Skelett-Systems gemessen. In neun Kitas wurden Videos von Arbeitsabläufen gedreht. Schließlich entstanden Präventionsideen, um die Lage im Job buchstäblich zu entspannen: ergonomisches Mobiliar, Änderungen der Alltagsorganisation und Tipps zum gesünderen Verhalten. In sechs Kitas wurden gemeinsam mit den Beschäftigten neue Möbel ausgewählt, ausprobiert und ausgewertet – begleitet von Verhaltens- und Ergonomie-Schulungen.

Gesundheit der Beschäftigten im Blick

Die Ergebnisse flossen in die Realisierung der bundesweit ersten Musterkita „Kinderplanet“ in Neuwied in Rheinland-Pfalz ein. Parallel entstanden Schulungsmaterialien und Handlungshilfen zur gesundheitsgerechten Kita-Gestaltung, Checklisten zur Gefährdungsvermeidung und Lehrmodule für die Berufsausbildung. „In Kitas sollte nicht nur die Gesundheit der Kinder, sondern auch die Gesundheit der Beschäftigten in den Blick genommen werden“, betont DGUV-Arbeitsschutzexpertin Angelika Hauke. „Wenn ergonomisches Mobiliar bereitsteht und vom pädagogischen Personal genutzt wird, können Belastungen vermindert werden.“

Auch die Tagesstätte „St. Anna“ in St. Augustin war am Projekt ErgoKita beteiligt. „Weil Kinder heute viel mehr Zeit in der Kita verbringen und auch mit drei oder vier Jahren noch gewickelt werden, nehmen Rückenprobleme allgemein zu“, erklärt Kita-Leiterin Barbara Els. Das Personal versuchte früher viel öfter durch ständiges Bücken, Knien, Hocken und Heben die Größenunterschiede auszugleichen. Die Folgen: Belastungen der Wirbelsäule, Verspannungen in Schultern und Nacken und immer wieder Kopfschmerzen.

Das hat sich durch das Projekt ErgoKita deutlich geändert: Fächertische mit drei Ebenen zogen in die Kita St. Anna ein, dazu Rollhocker, Kniesitzkissen und neue Erzieherinnenstühle. In der Garderobe können sich Kinder nun auf unterschiedliche Sitzbänke stellen, um sich bei Bedarf beim Anziehen helfen zu lassen.

Die 16 Fachkräfte arbeiten seither viel öfter mit geradem Rücken. „Wir spüren klare Verbesserungen“, erzählt Barbara Els. „Die Haltung ist anders geworden – Krankschreibungen sind merklich zurückgegangen.“

 

RÜCKENFREUNDLICH ARBEITEN

  • Denken Sie ergonomisch: Viele Tätigkeiten können einfacher ausgeführt werden.
  • Entlasten Sie Ihren Rücken: Nicht alles muss getragen werden.
  • Machen Sie sich gerade: Haltung muss bewusst wahrgenommen werden.
  • Arbeiten Sie körpernah: Lasten sind leichter zu handhaben,
    je näher sie am Körper getragen werden.
  • Richten Sie Ihren Körper nach der Arbeitsrichtung aus:
    Eine gerade Arbeitsposition schont den Rücken.
  • Arbeiten Sie mit lockeren Gelenken: Gelenke müssen optimal belastet werden.
  • Gönnen Sie sich Abwechslung: Der bewusste Wechsel zwischen statischen und dynamischen Tätigkeiten tut gut.

Diese und weitere Infos und Tipps finden Sie in der kostenlosen BGW Broschüre „Rückengerecht arbeiten in der Kita“ unter: www.bgw-online.de
> Suchbegriff: BGW 07-00-130

 

DAS PROJEKT

Partner des Projekts ErgoKita sind das Institut für Arbeitswissenschaft der TU Darmstadt, das Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Goethe- Universität Frankfurt sowie das IFA.
Initiiert wurde das Projekt von den
Unfallkassen Hessen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sowie der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege.

Mehr zum Projekt unter: www.dguv.de > Webcode: d118468

Mit Taschenlampen auf Leuchtspur

Warum bin ich für Autofahrer schlecht erkennbar, wenn ich dunkle Kleidung trage? Wieso sind Warnwesten gelb gefärbt und warum leuchten sie in der Dunkelheit so gut? Solchen Fragen gehen die Kinder im „Montessori Kinderhaus“ in Troisdorf regelmäßig nach. Bei der Suche nach Antworten helfen einfache Experimente in der „Dunkelkammer“, beim „Lichtschlucker“ oder im „Schwarzlichttheater“. Dabei lernen die Kinder, dass Reflektoren Licht zurückwerfen oder Warnwesten den Kontrast zur Umgebung erhöhen und so besser sichtbar sind.

Die Idee dahinter: Erzieherinnen und Erzieher vermitteln beim spielerischen Erforschen die Grundlagen und die Motivation für sicheres Verhalten im Straßenverkehr.

 

KURZ GESAGT!

  • Kinder bewegen sich unbedarft im Straßenverkehr
  • Das Projekt „Kinder forschen zu Prävention“ schult die Gefahrenkompetenz
  • Spielerische Versuche sensibilisieren für Risiken
  • Grundlagen für sicheres Verhalten werden vermittelt

 

Kinder sind begeistert

Entwickelt wurde das Konzept für den Einsatz im Kita- und Schulalltag von der Unfallkasse Rheinland-Pfalz und dem Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA). Es gehört zum Projekt „Kinder forschen zu Prävention“ – die Sichtbarkeit im Straßenverkehr ist eines der Module.

Im Kinderhaus in Troisdorf sind die Kinder seit Längerem begeistert von den Experimenten. Das Präventionsprojekt wurde dort an die Montessori-Pädagogik angepasst und in den Kita-Alltag integriert. „Den Kindern stehen die Versuchsmaterialien immer frei zur Verfügung. Sie k önnen jederzeit damit forschen, wenn sie möchten“, erklärt Natascha Trommelen- Schnitzler. Für die Leiterin des Kinderhauses ist das Projekt eine gute Möglichkeit, die Entwicklung wichtiger Fähigkeiten zu unterstützen, die Kinder im Straßenverkehr benötigen.

Die Erfahrung der Kita-Leiterin ist: Kinder sind noch unbedarft im Straßenverkehr unterwegs. Oft erkennen sie Gefahren nicht. Außerdem fehlt ihnen die Aufmerksamkeit und Konzentration, um den Straßenverkehr sicher zu bewältigen.

Gut also, dass die Anregungen des Präventionsprojekts die Wahrnehmung der Kinder sensibilisieren. „Durch das eigene Erforschen und Erleben und die ständige Wiederholung lernen die Kinder am besten“, sagt die Pädagogin. Zum Beispiel wenn in einem geschlossenen Karton mit Guckloch zwei selbst gestaltete Pappfiguren verglichen werden: eine mit Warnweste, die andere in dunkler Alltagskleidung.

Workshop für pädagogische Fachkräfte

Im „Montessori Kinderhaus Troisdorf“ sind drei Erzieherinnen für „Kinder forschen zu Prävention“ zuständig. „Die Hälfte der Mitarbeiterinnen hat an einem eintägigen Präventions-Workshop beim IFA teilgenommen und die Forschungsideen kennengelernt. Der Rest ist aber ebenso begeistert“, sagt Trommelen-Schnitzler. Auch die Eltern befürworten das Projekt, das bereits positive Ergebnisse gebracht hat. Im Gespräch mit den Kindern bemerken die Erzieherinnen immer wieder, dass sich deren Bewusstsein und Wissen zur Sicherheit im Straßenverkehr entwickelt.

Auch in der Praxis wird die Veränderung deutlich: Bei der jüngsten Nachtwanderung leuchteten die Kinder ausdauernd mit ihren T aschenlampen in die Finsternis. Sie hielten nach Reflektoren Ausschau.

 

KINDER FORSCHEN ZU PRÄVENTION

„Kinder forschen zu Prävention“ ist ein gemeinsames Projekt der Unfallkasse Rheinland-Pfalz und des Instituts für Arbeitsschutz der DGUV.

Das Projekt umfasst bislang fünf Praxismodule mit Experimentierkarten, Vorlagen und Informationen.

Angelehnt an das Konzept der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ wird durch eigenständiges Erforschen die Gefahrenkompetenz der Kinder in verschiedenen Bereichen geschult. Neben Sichtbarkeit im Straßenverkehr sind Lärm, Hygiene und Hautschutz, Haushaltsgifte und Stolpern – Rutschen – Stürzen die zentralen Themen.

Mit den umfangreichen Informationen können interessierte pädagogische Fachkräfte sofort in das Projekt einsteigen. Erforderlich ist Alltagsmaterial, das in den meisten Kitas vorhanden ist.

Infos und Materialien zum Projekt unter:
www.dguv.de, Webcode: d104325 oder
www.ukrlp.de, Webcode: b1006

 

Jenseits der Öffnungszeiten

Alex Pistauer von der Unfallkasse Hessen im Gespräch mit KinderKinder

Frage: Es kommt immer wieder vor, dass Eltern ihre Kinder vor der offiziellen Öffnungszeit vor der Kita „abstellen“. Wer trägt in diesem Fall die Aufsichtspflicht?

Antwort: Kinder, die gebracht und alleine vor die verschlossene Tür gestellt werden, stehen noch nicht unter der Aufsicht der Erzieherinnen und Erzieher. Im Gegenteil – die Eltern verletzen sogar unter Umständen ihre eigene Aufsichtspflicht. Sind schon Beschäftigte anwesend und wird das Kind vor der Öffnungszeit eingelassen, hat die Kita die Aufsichtspflicht.

Frage: Wann endet die Aufsichtspflicht der Erzieherinnen und Erzieher?

Antwort: Generell endet die Aufsichtspflicht mit der Übergabe des Kindes an die Sorgeberechtigten (Eltern oder beauftragte Dritte). Nach der Übergabe werden die Erzieherinnen und Erzieher auch dann nicht wieder aufsichtspflichtig, wenn die Person, die das Kind abholt, dieses noch unbeaufsichtigt in der Kita spielen lässt, selbst wenn dies während der Öffnungszeit der Fall ist.

Frage: Nach der offiziellen Schließzeit wird ein Kind nicht abgeholt. Was können und dürfen die pädagogischen Fachkräfte tun?

Antwort: Die Sorgeberechtigten verletzen damit in erster Linie ihre vertraglichen Pflichten. Die Kita muss in diesem Fall aber trotzdem die Beaufsichtigung des Kindes übernehmen und sicherstellen. Gelingt es nicht, die Eltern telefonisch zu erreichen, und kann keine Fachkraft länger in der Kita bleiben, kann die Fachkraft das Kind mit nach Hause nehmen. Sie kann auch Eltern eines anderen Kindes anrufen und diesen das Kind übergeben, wenn die Eltern bereit sind, die Verantwortung zu übernehmen.

Frage: Die Mutter eines Kita-Kindes teilt mit, dass in Zukunft der 13-jährige Sohn seinen fünfjährigen Bruder nachmittags abholt. Ist das zulässig?

Antwort: Eltern oder die Sorgeberechtigten können auch eine dritte Person beauftragen, das Kind in die Kita zu bringen oder abzuholen. Dies sollte dem Kita-Personal mitgeteilt werden. Gibt der Träger keine andere Regelung vor, können die Eltern auch einen Geschwisterteil oder eine minderjährige Person beauftragen. Dann sollten sich die Fachkräfte von deren Eignung überzeugen.

Frage: Die Mutter eines sechsjährigen Kita-Kindes wünscht, dass ihr Sohn nachmittags alleine nach Hause geht. Dürfen die Erzieherinnen und Erzieher das erlauben?

Antwort: Auf den Wegen zwischen der Kita und dem häuslichen Bereich sind grundsätzlich die Sorgeberechtigten aufsichtspflichtig. Erklären diese, dass das Kind alleine den Heimweg antreten könne und nicht abgeholt werde, muss das Personal diese Entscheidung nicht überprüfen. Wenn jedoch erkennbar ist, dass das Kind auf dem Heimweg offensichtlich in eine hilflose Lage oder gar in Lebensgefahr gerät, dann darf es trotz entgegenstehender Erklärung der Sorgeberechtigten nicht alleine nach Hause geschickt werden.

 

Altersgemischte Teams

„Ich liebe unsere altersgemischten Tandem-Modelle! In jeder Gruppe arbeiten eine jüngere und eine ältere pädagogische Fachkraft. Die körperliche Kraft und die Energie der Jüngeren gepaart mit der Erfahrung und Disziplin der Älteren ergänzen sich optimal. Mein eigenes fortschreitendes Alter war der Anlass für mein Interesse an dieser Form des Arbeitens. Oft fängt es mit der eigenen Einsicht an, dass man sich im Alter verändert und sich dadurch auch die Arbeit verändern muss. Schritt für Schritt habe ich Schulungen besucht, einen eigenen Arbeitskreis mit gegründet und inzwischen gebe ich sogar selbst Fortbildungen zum alternsgerechten Arbeiten. Unabhängig vom Alter sehe ich aber immer die Persönlichkeit mit ihren Fähigkeiten, aber auch persönlichen Grenzen. Diese müssen wertgeschätzt und ohne Bewertung akzeptiert werden.“

Das Team einbeziehen, wo es geht …

Wichtig für die gute Führung einer Kita ist die Art und Weise, wie eine Leitungskraft ihre Entscheidungen trifft: Alleine im Büro oder zusammen mit dem Team? Es gilt die Regel: Wo es geht, sollte die Leitung immer die Mitarbeitenden einbeziehen. Und sei es nur, um sich beraten zu lassen. Klar gibt es Entscheidungen, die eine Leitungskraft allein treffen muss. Zum Beispiel bei institutionellen Zwängen. Meist ist das nicht der Fall. Eine umsichtige Leitung sollte immer überlegen, wo sie und das Team eigenen Handlungsspielraum haben. Gibt der Träger zum Beispiel ein Projekt zu einem bestimmten Thema vor, steht das Ob in der Regel nicht zur Debatte. Aber das Team kann beispielsweise entscheiden von wem, wie und wann das Projekt umgesetzt wird. Wenn die Leitung selbst anderer Meinung ist, sollte sie sich demokratisch zeigen – und die Entscheidung des Teams mittragen. Das stärkt die Motivation und trägt zu mehr Zufriedenheit bei.

Abenteuer Garten

Am großen Blecheimer herrscht reger Betrieb. „Zoe, Zoe, wir brauchen mehr!“, ruft ein kleiner Junge, während er seine Gießkanne an der Wasserstelle füllt. Dann flitzt er zurück zum Sand. Hier werden derweil Dämme aus Matsch errichtet. Die Kinder der Kita „Naturkinder St. Georg“ sind heute draußen – wie eigentlich jeden Tag. Kein Wunder, das Außengelände der Einrichtung im bayerischen Pöring ist etwas ganz Besonderes. Auf insgesamt 3.500 Quadratmetern – das entspricht etwa der Fläche von einem Fußballfeld – wurde ein naturnahes und abwechslungsreiches Gelände angelegt.

Der Sandbereich am Fuß eines kleinen Hügels gehört zum großen Außengelände der Kindergarten- und Hortkinder. Die Krippenkinder haben einen eigenen Bereich. Außerdem gibt es einen Nutzgarten, in dem die Kinder mit Hilfe der Erzieherinnen und Erzieher Radieschen sähen, Salatköpfe gießen oder Kartoffeln ernten. Insgesamt besuchen 124 Kinder im Alter von zwölf Monaten bis zehn Jahren die Einrichtung.

Die Kinder erleben fantasievolle Dinge in einem geschützten Raum.

KURZ GESAGT!

  • Natur spricht alle Sinne der Kinder an
  • Tipi, Stämme oder Findlinge als Spielgeräte
  • Kinder können ihre Grenzen testen und stark werden
  • Mehr Möglichkeiten für freies Spiel – weniger Konflikte

 

Alte Bäume spenden Schatten

Klassische Spielgeräte sind im Bereich der Großen die Ausnahme. Die Jungen und Mädchen klettern auf Bäume, reiten auf einem mit bunten Mosaiksteinen verzierten Steindrachen, spielen im großen Tipi Indianer oder lauschen am flackernden Lagerfeuer einem Märchen. „Die Kinder dürfen in einem geschützten Raum abenteuerliche und fantasievolle Dinge erleben“, sagt Gaby Lindinger, Leiterin der Kita. Ihr ist wichtig, dass die Kinder in der Natur mit allen Sinnen angesprochen werden.

Das Gelände ist in verschiedene Bereiche gegliedert, die durch Büsche voneinander abgetrennt sind. Schatten spenden vor allem große alte Bäume. Überall wachsen Naschpflanzen und duftende Kräuter. Einen freien Blick auf alle Kinder haben die Erzieherinnen und Erzieher bei Weitem nicht. „Das ist gewollt. Ich muss das als Erzieherin akzeptieren können“, sagt Gaby Lindinger. Zum pädagogischen Konzept der Kita gehört, dass die Kinder sich den Blicken der Erwachsenen entziehen und eigene Erfahrungen sammeln können. „Wir bieten mehr Möglichkeiten als Vorschriften.“ Die Kinder sollen ihre Grenzen austesten können und dabei stark und selbstbewusst werden. Die pädagogischen Fachkräfte der Einrichtung verstehen sich als Begleiter. Sie unterstützen die Kinder, wenn diese Hilfe brauchen.

 

SCHRITT FÜR SCHRITT ZUM NATÜRLICHEN UND SICHEREN AUSSENGELÄNDE

  • Vorab beraten lassen: beispielsweise durch eine Fachkraft für Arbeitssicherheit des Kita-Betreibers, Naturschutzbund, Natur-Fachplaner mit Erfahrung im Kitabereich
  • Zum Thema Sicherheit und Gesundheit beraten die Aufsichtspersonen der Unfallkassen
  • Möglichkeiten der Partizipation nutzen: Kinder befragen sowie Hausmeister, Mitarbeiter des Bauhofs und Eltern einbeziehen
  • Sponsoren suchen: beispielsweise Banken, Unternehmen aus der Region, regionale Fördertöpfe
  • Mitmachaktionen beim Bau: Eltern einbeziehen, lokale ehrenamtliche Aktionen wie Freiwilligentag nutzen

 

Die Sicherheit in dem naturnahen Außengelände wurde von Anfang an berücksichtigt. Wie bei den großen Findlingen am Rand des Sandbereichs. „Diese Steine eignen sich unter Sicherheitsaspekten hervorragend für Kitas“, sagt Holger Baumann, Aufsichtsperson der Kommunalen Unfallversicherung Bayern. Sie können gut beklettert werden – durch die runde Form ist die Verletzungsgefahr gering. Allerdings muss für dauerhafte Standsicherheit gesorgt werden – indem die großen Steine gegen Umfallen gesichert sind und daher gut befestigt, eingegraben oder auf ein Fundament gesetzt werden.

Die Bäume und Büsche werden regelmäßig gepflegt. „Weiden wachsen zum Beispiel sehr schnell und neigen dazu, zu verholzen: Bei falscher Schnitttechnik können sich gefährlich spitze Enden bilden“, erklärt Holger Baumann. „Sie sollten ebenso wie Ziersträucher nur mit Baum- oder Gartenscheren einzeln in Verzweigungen geschnitten werden.“ Eine Alternative zum Rückschnitt stellt das Einflechten langer Triebe in das vorhandene Weidenbauwerk dar. Außerdem muss auf eine kindgerechte Bepflanzung geachtet werden.

Tiere in die Hand nehmen und die Lebendigkeit spüren, ist wichtig. Die Kinder lernen Empathie.

Auch bei den individuell gestalteten Spielgeräten müssen Sicherheitsaspekte beachtet werden. „Bei dem bunten Drachen wurde genau darauf geachtet, dass keine Spitzen der Mosaiksteine herausschauen und alles gut verfugt ist“, erklärt die Aufsichtsperson. Natürlich muss das Kunstwerk auch intensiven Frost aushalten, sonst kann es zu scharfkantigen Abplatzungen kommen. Aspekte wie hindernisfreie Fallräume und ausreichend stoßdämpfende Böden wurden selbstverständlich überall berücksichtigt. Hier sind die Standards der Normen für Spielplatzgeräte sinngemäß anzuwenden. Nach der Fertig stellung neuer Geräte müssen diese durch Sachkundige geprüft werden. Außerdem wird der gesamte Außenspielbereich regelmäßig durch externe Spielplatzprüfer überprüft und bei Bedarf in Stand gehalten.

Das Wir-Gefühl stärken

Partizipation ist ein weiteres Thema, das bei der Gestaltung des Außengeländes eine wichtige Rolle spielt. Zu den neueren Elementen gehört ein Kletterparcours für die Hortkinder. „Wir haben zuerst mit den Kindern besprochen, was sie sich wünschen“, erzählt Gaby Lindinger. Aus deren Ideen wurde dann gemeinsam mit einem Schreiner das Gebilde aus Seilen, Kletter- und Balancierstämmen entwickelt. Beim Bau wiederum waren die Eltern mit dabei. „Dadurch wird das Wir-Gefühl gestärkt. Eltern und Kinder erleben diese Kita als ihre Kita“, beschreibt die Leiterin. „Sie sind stolz auf das Gebaute und fühlen sich verantwortlich.“

Nur wenig Verletzungen

Natürlich werden mit den Kindern auch immer wieder die Regeln besprochen. Auf welchen Baum darf ich klettern und wie hoch? Welche Früchte kann ich essen? Und wie gehe ich mit Käfern oder Ameisen um? Umwelterziehung beinhaltet auch den achtsamen Umgang mit Pflanzen und Tieren. „Die Kinder lernen Empathie. In die Hand nehmen und die Lebendigkeit spüren, ist wichtig.“

Durchs ganze Gelände ziehen sich verschlungene Pfade. Gerade starten zwei Mädchen zu einem atemlosen Rennen: den Hügel hinab, durch den Röhrentunnel, dann die Stein stufen hinauf und zurück zur Wasserpumpe. „Die Sturzgefahr bei geraden Wegen ist viel größer, weil die Kinder blindlings rennen“, sagt die Kita- Leiterin. „Bei uns müssen sie die Augen offen halten. Sie achten darauf, was auf dem Weg liegt.“ Entsprechend gibt es kaum Verletzungen. „Höchstens mal ein aufgeschlagenes Knie oder einen blauen Fleck.“

Rückzugsmöglichkeiten bieten

Auch im Hinblick auf lange Betreuungszeiten spielt das Außengelände eine wichtige Rolle. „Die Kinder brauchen dann Rückzugsräume und die finden sie hier im Garten“, sagt Gaby Lindinger. Kinder und pädagogische Fachkräfte profitieren außerdem von dem niedrigeren Lärmpegel im Freien. Es gibt mehr Platz, mehr Möglichkeiten, freie Spiele zu entwickeln – und sich auch mal aus dem Weg zu gehen. Dadurch entstehen weniger Konflikte.

Wie kommt eine Kita zu einem solch vielfältigen Gelände? „Das geht nur schrittweise. Sonst wäre das nicht zu schaffen“, sagt die Pädagogin. Weder finanziell noch hinsichtlich des Arbeitsaufwands. Der Außenbereich der „Naturkinder St. Georg“ ist im Laufe von 30 Jahren entstanden. Auch heute noch gibt es Bereiche, die nicht fertig sind und weiterentwickelt werden. „Kitas mit kleinerem Außengelände können sich einzelne Elemente abschauen“, empfiehlt Gaby Lindinger: große Baumstämme zum Balancieren oder kleine Hochbeete, die von den Kindern bepflanzt werden.

Hinter dem Sandbereich hat sich ein Mädchen in eine Schubkarre gelegt. Selbstvergessen liegt sie da, den Blick in Richtung Baumwipfel. „Sie ist ganz im Hier und Jetzt“, sagt Gaby Lindinger. „Ich glaube, sie ist glücklich.“

 

WEITERE INFORMATIONEN

Onlineportal der Unfallkasse NRW zum sicheren Außengelände:
www.sichere-kita.de

Die Broschüren „Naturnahe Spielräume“ sowie
„Außenspielflächen und Spielplatzgeräte“ sind unter
www.dguv.de > Webcode: d40086 zu finden.

Broschüre „Außengelände für Krippenkinder“ mit Informationen zur kindgerechten Bepflanzung unter: www.kita.ukh.de > Webcode: K676

Beratungsmappe „Natur rund um den Kinder-Garten“ mit Infos
zum naturnahen Außengelände. Kostenloser Download unter: www.nrw-stiftung.de, Suchbegriff: „Beratungsmappe“

Homepage des Vereins NaturGarten e. V. mit Infos zur naturnahen Gestaltung und Mitgliedsbetrieben: www.naturgarten.org

 

FACHTAGUNG
„Planung, Bau und Nutzung von naturnahen Spielräumen“ in der Kita „Naturkinder St. Georg“ Pöring, Veranstaltungstermin ist voraussichtlich Anfang Mai 2019, Organisator ist die „Bayerische Akademie Natur und Landschaftspflege. Mehr Infos und Anmeldung: www.anl.bayern.de > Veranstaltungen

BUCH
„Unser Kita-Garten – Naturnahe Spielräume gestalten“ von
Gaby Lindinger, Herder Verlag, 20 Euro, ISBN 978-3-451-37956-7.

Das große Krabbeln: Insektenhotels

Michael Godau,  Geograf und Naturpädagoge, Gelsenkirchen:

Wenn die Kinder Naturmaterialien sammeln, wird ihre Kreativität angeregt und beim Bauen ihre Motorik gefördert. Außerdem ist ein Insektenhotel sehr sinnstiftend. Die Kinder erschaffen einen Lebensraum, in dem sie immer wieder neue Dinge entdecken und beobachten können: Eier, aus denen sich Wildbienen entwickeln, Käfer, die sich zum Überwintern unter die Blätter graben – ständig passiert etwas. Daraus können sich spannende Projekte und Themen entwickeln. Zum Beispiel kann den Fragen: „Was machen Marienkäfer, wenn es ihnen zu kalt wird?“ oder „Wie viele Tage dauert es, bis aus der Larve eine Fliege wird?“ nachgegangen werden.

Großartiges Ambiente für die Kleinsten

Bedürfnisse von U3-Kindern

Das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit ist auch ein Grundbedürfnis von Krippenkindern. Dieses wird durch die Anwesenheit einer vertrauten Bindungsperson gestillt – in der Kita durch die Bezugserzieherin oder den Bezugserzieher – sowie eine vertraute Umgebung. Je jünger ein Kind ist, umso größer muss die räumliche Nähe zur Bindungsperson sein.

Gleichzeitig wächst bei Krippenkindern der Drang nach Bewegung
und die Welt mit allen Sinnen zu erkunden. Die Grob- und Feinmotorik entwickelt sich bei entsprechenden Anreizen und die Kinder erweitern ständig ihren Radius. Je mehr Möglichkeiten zur selbstgesteuerten Bewegung und eigenständigen Erkundung der Welt geboten werden, umso besser entfaltet sich die Intelligenz der Kinder.

 

KURZ GESAGT!

  • Ideal ist ein Außengelände neben dem Gruppenraum
  • Klare Abgrenzung zum Bereich der älteren Kinder
  • Altersgemäße Angebote für Babys, Krabbelkinder und Kleinkinder schaffen

 

Gestaltungsgrundlagen

Außenräume sind wichtige Lern- und Erfahrungsorte. Bei deren Gestaltung müssen sowohl die psychischen und körperlichen Bedürfnisse als auch Alter und Entwicklungsstand der Kinder berücksichtigt werden.

Pflanzen bieten nicht nur Spiel- und Erlebnismöglichkeiten, sie spenden auch zusätzlich Schatten. Dabei muss die Pflanzenauswahl aller dings unter ganz besonderen Sicherheitsaspekten erfolgen: Pflanzen mit erheblichem Giftpotenzial sowie stechende, brennende Pflanzen müssen aus dem Aufenthaltsbereich von Krippenkindern verbannt werden. Der Krippen-Außenbereich sollte direkt neben dem Gruppenraum gelegen sein. So können die Kinder aus der vertrauten Umgebung heraus beginnen, sich die Außenwelt zu erschließen. Im Idealfall wird der Krippenbereich in Aufenthaltsbereiche für Babys, Krabbelkinder und Kleinkinder gegliedert. Wenn diese Bereiche dennoch durchlässig gestaltet sind, können die jüngeren Kinder auch den Bereich der etwas Älteren in Anspruch nehmen. Die Jüngsten sollten ihren Ort möglichst nahe am Gebäude finden. Je älter die Kinder, desto größer kann der Abstand zum Gebäude sein. Grundsätzlich gilt: Je optimaler die Außenraumgestaltung auf die Arbeitsabläufe der Erzieherinnen und Erzieher abgestimmt ist, umso besser können die Jüngsten betreut werden.

Schutzraum, der nicht begrenzt

Krippenkinder brauchen einen geschützten Bereich, der vom Kindergartenbereich abgegrenzt ist. Diese Abgrenzung kann durch eine vielfältig gestaltete Landschaft, dichte Bepflanzung, einen Zaun oder eine mobile Abtrennung erfolgen. Damit dieser „Schutzraum der Krippe“ nicht begrenzend auf die Entwicklung der Kinder wirkt, sollten besonders bei der Gestaltung reiner Krippenaußengelände auch die jeweiligen Endaltersgruppen berücksichtigt werden. Schließlich müssen auch für fast Dreijährige angemessene Herausforderungen geboten werden – zum Beispiel eine Möglichkeit, in geringe Höhen zu klettern.

Altersangemessene Gestaltung

Babys im Alter von der Geburt bis circa neun Monate brauchen einen geschützten Bereich mit ansprechender Atmosphäre und „Ruhezonen“. Beschattungsmöglichkeiten zum Beispiel in Form von Markisen, Bäumen oder Sonnenschirmen sind genauso wichtig, wie ein ebener Boden, zum Beispiel aus Holz, auf dem die Babys sicher und bequem liegen oder krabbeln können.

Krabbelkinder im Alter von neun Monaten bis 1,5 Jahren sind oft leidenschaftliche Sammler und Entdecker. Unterschiedliche Bodenbeschaffenheiten sowie Naturmaterialien wie Erde, Blätter oder Äste bieten ein großes Erfahrungsfeld. Leichte Hügel am Randbereich, Findlinge, Spielpodeste – jeweils nicht höher als 20 Zentimeter – bieten erste Bewegungsanreize. Auch Wasser-Sand-Matsch-Anlagen sind für sie spannend.

Kleinkindern im Alter von eineinhalb bis drei Jahren sollten im Außengelände motorische Herausforderungen wie Hügel oder Baumstämme zum Balancieren angeboten werden. Auch Versteckmöglichkeiten hinter Sträuchern oder Höhlen sind für sie geeignet. Da die meisten Spielplatzgeräte erst für Kinder ab drei Jahren konzipiert sind, sind diese zu vernachlässigen.

 

SPIELPLATZGERÄTE

Es besteht kein generelles Verbot, Kinder unter drei Jahren auf Spielplatzgeräten für ältere Kinder (nach der Spielplatzgerätenorm DIN EN 1176 mit deutscher A-Abweichung) spielen zu lassen. Die Verantwortung für die Sicherheit der Krippenkinder muss in diesem Fall jedoch durch eine intensivierte Aufsicht wahrgenommen werden.

 

WEITERE INFOS

Im Kita-Portal der Unfallkasse Hessen ist unter www.kita.ukh.de > Webcode K676 die Broschüre „Außengelände für Krippenkinder“ zu finden.

Die Gestaltung der Außenspielfläche für unter Dreijährige ist
ein Thema der DGUV Information 202-093
„Die Jüngsten in Kindertageseinrichtungen sicher bilden und betreuen“. Download unter: publikationen.dguv.de > Webcode: 202-093

Wir wollen Spaß – aber sicher!

Holger Eckmann, Aufsichtsperson der Unfallkasse Baden- Württemberg. Er ist Mitglied im Sachgebiet Kindertagesstätten der DGUV und Experte in Fragen der Sicherheit von Kletterbaum, Rutsche und Co.

Kletterbaum oder Spielplatzgerät – was bevorzugen Sie als Sicherheits-Experte?

Das macht für mich keinen Unterschied. Die Anforderungen sind die gleichen. Ein naturnah gestaltetes Außengelände lässt sich meist genauso sicher gestalten wie ein Gelände mit Industrieprodukten. Bei einem Kletterbaum zum Beispiel kann man an der maximalen Kletterhöhe ein auffälliges Band anbringen, damit die Kinder wissen, dass sie nicht höher klettern dürfen. Vielleicht muss der eine oder andere Ast abgesägt werden, damit die Kinder sich nicht daran verfangen können. Oft brauchen Kinder aber gar keine vorkonfektionierten Geräte „von der Stange“ – sie bauen sich zum Beispiel aus Erde eine kleine Rutsche selbst – das macht den Kindern wahnsinnigen Spaß und sie lernen viel dabei.

Sie sagten, die Anforderungen sind an alle Spielplatzgeräte gleich. Was zeichnet ein sicheres Spielplatzgerät aus?

Um die wichtigsten Eckpunkte zu nennen: Das Gerät darf nur eine bestimmte Fallhöhe haben. Außerdem muss es stabil sein und es darf keine Fangstellen geben, an denen die Kinder hängen bleiben können. Ein Erwachsener muss das Kind herunterheben können, falls das Kind sich nicht mehr runter traut. Außerdem muss der Boden im Fallbereich weich genug sein.

Warum ist die Sicherheit bei Spielgeräten so wichtig?

Die Kinder dürfen sich beim Spielen auch mal blaue Flecken holen oder sich das Knie aufschürfen. Daraus ergeben sich wichtige Lernerfahrungen. Doch niemals sollte sich ein Kind beim Spielen ernsthaft verletzen können. Sind alle Geräte baulich einwandfrei und werden sie täglich per Sichtkontrolle geprüft, haben die Erzieherinnen und Erzieher bei Unfällen auch rechtlich nichts zu befürchten. Die baulichen Anforderungen sind wie Leitplanken. Aber innerhalb dieser ist die Straße ziemlich breit. Wenn alle technischen Anforderungen erfüllt sind, können die Erzieherinnen und Erzieher beruhigt die Aufsicht ausüben – und die Kinder können sich ungestört ausprobieren.

Welche Geräte sind für Sie ein „No-Go“?

Spitze, scharfkantige oder gesundheitsschädliche Produkte gehen gar nicht. Hochwertiges Material ohne Schadstoffe sollte Standard sein.

Worauf kommt es bei der Auswahl der Geräte an?

Die Mischung macht’s. Natürlich sollten Klassiker wie Rutsche, Schaukel und Klettermöglichkeit nicht fehlen. Am besten ist es, wenn die Bedürfnisse möglichst aller Altersklassen und Vorlieben der Kinder abgedeckt werden.

Wer ist für die Prüfung und Wartung der Geräte zuständig?

Das ist ein dreistufiges Prüfsystem – keine Angst, das ist nicht so kompliziert wie es sich anhört! Erstens: Die pädagogische Fachkraft oder der Hausmeister machen täglich eine Sichtkontrolle – hier wird nach augenscheinlichen Mängeln der Geräte geschaut. Zweitens: Alle ein bis drei Monate macht der ausgebildete Hausmeister oder eine andere sachkundige Person eine Funktionskontrolle – hier werden Funktion und Stabilität getestet. Drittens: Jährlich prüft ein Spielplatzprüfer oder ein externer Prüfer, ob noch alles gut ist – also ob das Fundament und die Gelenke noch stabil sind.

Was wünschen Sie sich in Sachen Spielplatzgeräte?

Ich wünsche mir, dass die Pädagoginnen und Pädagogen noch mehr in die Planung des Außengeländes einbezogen werden. Schließlich soll ein Kita-Außengelände nicht nur hübsch aussehen, sondern auch ins pädagogische Konzept passen. Träger, Planer und Erzieherinnen und Erzieher – die Sichtweisen von allen sollten beachtet werden und in die Planung mit einfließen.

 

WEITERE INFOS

Die Broschüre „Außenspielflächen und Spielplatzgeräte“ der DGUV ist zu finden unter publikationen.dguv.de
> Suchbegriff 202-022.

Das Portal „Sichere Kita“ bietet unter www.sichere-kita.de unter „A“ wie Außengelände ebenfalls viele Informationen.

Kinder brauchen Kinder

„Ich hab ein Freundebuch zum Geburtstag gekriegt!“, stolz präsentiert die vierjährige Maxima ihrer Kita-Gruppe ein rosa Buch mit Glitzeraufdruck. „Du bekommst es zuerst“, sagt sie und reicht es ihrer Freundin Selma. Die Reihenfolge in der Maxima ihr Büchlein weiterreicht, sagt etwas über die Bedeutung ihrer Freundinnen und Freunde aus: So kommen nach Selma erst die übrigen Mädchen an die Reihe. Später dürfen auch einzelne Jungen das Buch zum Ausfüllen mit nach Hause nehmen.

Dies ist ein Beispiel dafür, wie sich im gemeinschaftlichen Tun sowie im Bekunden von Freundschaft bereits in der Kita ein soziales Gefüge abbildet. Die Kinder entwickeln im Vergleich untereinander ihr eigenes Selbstbild und finden über Freundschaften ihre Rolle in der Gemeinschaft.

 

KURZ GESAGT

  • Über Freundschaften finden Kinder ihre Rolle in der Gemeinschaft
  • Freies Spiel eignet sich besonders zum Knüpfen von Freundschaften
  • Freundschaften können in gemeinsamen Projekten gefördert werden

 

Freunde als Verbündete

Die Pädagogin Dr. Margarete Blank-Mathieu beschreibt diesen Vorgang so: „Kinder spüren sehr bald, dass die eigene Person mit Hilfe einer Freundschaftsbeziehung an Bedeutung gewinnt.“ Kinder fühlen sich oft auf die Hilfe der Erwachsenen angewiesen und klein. Deshalb suchen sie sich Verbündete – die geben ihnen Selbstbewusstsein.

Das erklärt, warum nicht nur Kinder mit gleichen Interessen und Spielvorlieben Freundschaft schließen. Besonders beliebt sind auch jene, die sich gut durchsetzen können, beispielsweise ältere Kinder.

Außerdem sind Freundschaften zwischen Kindern desselben Geschlechts in der Kita besonders häufig anzutreffen. In gemeinsamen Projekten – wie zum Beispiel kleinen Theateraufführungen oder handwerklichen Projekten –, bei denen es weniger um die Geschlechtszugehörigkeit als um die gemeinsamen Interessen geht, können auch Freundschaften zwischen Mädchen und Jungen entstehen und gefördert werden.

Wie sich Freundschaft entwickelt

Bereits jüngere Kinder knüpfen auf der Suche nach einem Spielpartner gerne Kontakt zu Gleichaltrigen. Diese Spielfreundschaften entstehen meist spontan und bestehen oft nur kurz – etwa für einen Vormittag in der Sandkiste oder einen Kita-Ausflug lang.

Im freien Spiel können Kinder besonders gut Freundschaften schließen und gemeinsame Erfahrungen sammeln. Sie können Spielideen entwickeln, aushandeln und den Umgang mit Konflikten üben.

Frühestens im Alter von drei Jahren können Kinder dann erfahren, wie aus einer allmählich länger andauernden Spielfreundschaft eine emotional wichtige Beziehung wird. Dr. Margarete Blank-Mathieu: „Das ,Urvertrauen‘, das Kinder durch Erwachsene erfahren können, können sie nun auch bei Gleichaltrigen nachvollziehen. Sie fühlen sich zusammen mit dem Freund oder der Freundin stärker, durchsetzungsfähiger, kompetenter und ernst genommener. Es macht Spaß, etwas gemeinsam zu tun. Gemeinsame Erfahrungen festigen die Freundschaft.“

Voraussetzung für ein offenes Aufeinander- Zugehen von Kindern ist also nicht zuletzt, dass die Mädchen und Jungen Bindungen eingehen können und sich geborgen fühlen. Fällt es Kindern sehr schwer, Freundschaften einzugehen, sollten Erzieherinnen und Erzieher aktiv werden, etwa mit gemeinsamen Bastelaktionen, in denen sich die Kinder gegenseitig helfen müssen, oder indem sie ein Teamspiel anregen und „passende“ Kinder für die Teams auswählen.

Bei allen Bemühungen gilt jedoch: Freundschaften lassen sich auch bei Kindern nicht erzwingen!

 

WENN EINE FREUNDSCHAFT ENDET

Manchmal enden Kinderfreundschaften abrupt mit dem Schuleintritt oder durch einen Umzug. Die Trauer der Kinder um den verlorenen Freund oder den Verlust der Freundin sollte ernst genommen werden. Erzieherinnen und Erzieher können Kindern, welche die Kita verlassen, anbieten, später einmal zu Besuch zu kommen. Ein schönes Abschiedsgeschenk, etwa ein Fotoalbum mit Bildern aus der Kitagruppe, bestätigt noch einmal die Wertschätzung der Gruppe für das Kind. Kinder, die in der Kita zurückbleiben, sollten in der ersten Zeit mehr beschäftigt und getröstet werden, bis sie eine neue Freundschaft schließen.

Für Prävention begeistern

Mit dem Beginn des Schuljahres 2018/2019 starten die Unfallkassen ihre Kampagne kommmitmensch in den Bildungseinrichtungen. Über einen Zeitraum von zehn Jahren hinweg sollen Menschen in Kitas, Schulen und auch Betrieben dafür begeistert werden, Sicherheit und Gesundheit als zentrale Werte bei ihren Entscheidungen und Aktivitäten zu berücksichtigen.

 

KURZ GESAGT

  • DGUV-Kampagne kommmitmensch stellt Kultur der Prävention in den Mittelpunkt
  • Zielgruppe sind Menschen in Kitas, Schulen und Betrieben
  • Botschaft: Sicherheit und Gesundheit sind Werte für alle

 

Wie schon bei den bisherigen Kampagnen der Unfallkassen und Berufsgenossenschaften besteht kommmitmensch aus einer medialen Dachkampagne auf Bundesebene sowie aus den Trägerkampagnen, mit denen Bildungseinrichtungen und Betrieben praktische Unterstützung angeboten werden wird. Im Rahmen der Kampagne wurden und werden zahlreiche Materialien erarbeitet, um dort die Kultur der Prävention zu verbessern.

 

 

Die Kernbotschaft der Kampagne lautet:
„Sicherheit und Gesundheit sind Werte für alle Menschen, jede Organisation und die Gesellschaft. Sie sollen Gegenstand allen Handelns werden. Präventives Handeln ist lohnend und sinnstiftend.“

Diese Kernbotschaft wird im Rahmen von sechs konkreten Handlungsfeldern umgesetzt:

  • Führung
  • Information
  • Beteiligung (Partizipation)
  • Fehlerkultur
  • Betriebsklima
  • Sicherheit und Gesundheit (Prävention als integrierter Bestandteil aller Aufgaben)

Diese Handlungsfelder sind wichtig für die Leitung und das Team der Kita, da sie zentrale Bereiche für Veränderungen darstellen.

Führung

Beispiele für positive Aktivitäten in Kitas:

  • Führungsgrundsätze sind im Leitbild der Kita oder ihres Trägers verankert.
  • Das Führungsverhalten ist kooperativ, mitarbeiter- und mitwirkungsorientiert und damit gesundheitsfördernd.
  • Es gibt eine kontinuierliche Führungskräfteentwicklung.
  • Führungskräfte haben Vorbildfunktion und unterstützen ihr Team.

Kommunikation

Beispiele für positive betriebliche Aktivitäten in Kitas:

  • Es gibt Jahresgespräche für die Beschäftigten und regelmäßige Besprechungen.
  • Das Kommunikationsverhalten ist wertschätzend.
  • Die Kommunikationsbeziehungen sind vertrauensvoll.
  • Es existieren Möglichkeiten zum informellen Austausch.

Beteiligung

Beispiele für positive betriebliche Aktivitäten in Kitas:

  • Die Diagnose, Planung, Durchführung und Evaluation insbesondere von Maßnahmen zu Sicherheit und Gesundheit finden unter Beteiligung der Beschäftigten statt.
  • Es gibt Mitarbeiterbefragungen.
  • Die Gefährdungsbeurteilungen werden unter Beteiligung der Beschäftigten erstellt.

Fehlerkultur

Beispiele für positive betriebliche Aktivitäten in Kitas:

  • Aus Fehlern wird gelernt. Fehler werden reflektiert und
    zum Anlass genommen, Maßnahmen zur Verbesserung von Sicherheit und Gesundheit abzuleiten.
  • Auch kleine Unfälle werden erfasst und ausgewertet.
  • Es gibt kontinuierliche Verbesserungssysteme und -prozesse.

Betriebsklima

Beispiele für positive betriebliche Aktivitäten in Kitas:

  • Die gegenseitige Wertschätzung (Kollegialität) ist hoch.
  • Es gibt ein positives und verantwortliches Miteinander.
  • Es existieren Regeln der Zusammenarbeit.
  • Es werden gemeinsame Aktivitäten wie Betriebsfeste, Gesundheitstage oder Betriebssport organisiert.

Sicherheit und Gesundheit

(Prävention als integrierter Bestandteil aller Aufgaben) Beispiele für positive betriebliche Aktivitäten in Kitas:

  • Die Beschäftigten werden zu Sicherheit und Gesundheit qualifiziert.
  • Sicherheit und Gesundheit werden bei der Personal- und Organisationsentwicklung mitgedacht.
  • Ersthelfer, Sicherheitsbeauftragte, Brandschutzbeauftragte oder -helfer werden bei ihren Aufgaben unterstützt.

 

WEITERE INFOS

Mehr Informationen zur Kampagne sind
auf der Kampagnenhomepage
www.kommmitmensch.de zu finden.

Die Kita – ein sicherer Ort

Der Auslöser ist oft ein ungutes Gefühl. Eine Erzieherin oder ein Erzieher beobachtet in der Kita eine merkwürdige Situation oder stellt fest, dass sich ein Kind anders verhält als sonst. „Die pädagogischen Fachkräfte sind sehr nah dran an den Kindern“, sagt Inga Hansen vom PETZE-Institut für Gewaltprävention in Kiel. „Sie merken oft schnell, wenn etwas nicht stimmt.“ Doch beim Verdacht des sexuellen Missbrauchs ist die Verunsicherung groß.

 

KURZ GESAGT!

  • Jede Kita braucht ein Schutzkonzept
  • Es bietet den Kindern Sicherheit
  • Es hilft den pädagogischen Fachkräften, sich richtig zu verhalten
  • Fürs Konzept das Team und externe Experten hinzuziehen

 

Die rechtliche Seite ist klar: Seit 2012 schreibt das Bundeskinderschutzgesetz vor, dass alle Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen konkrete Schutzmaßnahmen ergreifen müssen. Das Ziel: Kitas und andere Betreuungseinrichtungen sollen ein sicherer Ort für Kinder sein. Eine Vorgabe ist die Erarbeitung von Schutzkonzepten. Diese sollen den pädagogischen Fachkräften dabei helfen, sich in solch schwierigen Situationen richtig zu verhalten.

Schutzkonzepte

Die Schutzkonzepte sind eine Konsequenz aus Missbrauchsskandalen in Institutionen wie der Odenwaldschule. Das Bundeskinderschutzgesetz verlangt, dass die Einrichtungen durch verschiedene Maßnahmen das Risiko senken, zum Tatort sexueller Gewalt zu werden. Zudem sollen Kitas bei dem Thema so kompetent sein, dass sie Kindern auch dann helfen können, wenn sie zum Beispiel in der Familie von Missbrauch betroffen sind.

Das achte Sozialgesetzbuch im Kinder- und Jugendhilfegesetz schreibt ebenfalls einen Handlungsauftrag bei Kindeswohlgefährdung fest. „Doch bei Schutzkonzepten geht es um sehr viel mehr“, betont Ulli Freund, Mitarbeiterin im Arbeitsstab des Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM). So spielt zum Beispiel die Prävention eine große Rolle. Und der Fokus liegt klar auf sexueller Gewalt. „Das ist sehr sinnvoll“, sagt Marlena Beckmann von der Beratungsstelle Wagemut in Flensburg. Im Gegensatz zu anderen Formen der Kindeswohlgefährdung – wie Vernachlässigung oder Misshandlung – habe sexueller Missbrauch eine ganz andere Dynamik. „So eine Tat ist in der Regel geplant. Das Vertrauen der Kinder wird missbraucht und sie werden oft unter Druck gesetzt, niemandem etwas zu verraten.“

Vorhandene Bausteine nutzen

Jede Kita braucht laut Bundeskinderschutzgesetz ihr eigenes Schutzkonzept. Die Fachleute raten erst einmal zu einer Bestandsaufnahme: Welche Kooperationen mit Fachberatungsstellen gibt es bereits, welche Präventionskonzepte? Viele Bausteine seien in den Kitas vorhanden, sagt Ulli Freund. Sie müssten nur zusammengesetzt und an der einen oder anderen Stelle verbessert werden. „Viele Einrichtungen sind schon recht weit.“

Dabei ist es ganz wichtig, dass das Team einbezogen werden muss. „So ein Schutzkonzept muss gelebt werden“, betont Marlena Beckmann. „Sonst besteht die Gefahr, dass es nur im Ordner im Regal landet.“ Beim Verhaltenskodex zum Beispiel gilt es, gemeinsam den Umgang mit Nähe und Distanz zu definieren. Ist es erlaubt, Kinder zu küssen? Sie nackt zu fotografieren? Türen beim Wickeln zu schließen? Ganz wichtig: Diese Regeln gelten für alle, auch für Frauen, sagt Inga Hansen von PETZE.  Meist würden vor allem männliche Erzieher misstrauisch beäugt. Ein Generalverdacht sei aber ebenso falsch, wie anzunehmen, es gebe keine weiblichen Täter.

Schutzkonzepte, erklärt Ulli Freund, machten Kitas sicherer und professioneller. Für alle Einrichtungen ist ratsam, sich Hilfe zu holen. Fachberatungsstellen wie PETZE und Wagemut bieten Unterstützung an. Die Fachleute sind überzeugt, dass sich der Aufwand lohnt. „Viele Kitas haben Angst, im Ernstfall nicht richtig zu reagieren“, sagt Inga Hansen. „Die Arbeit am Schutzkonzept erleben sie eher entlastend als belastend.“

 

DAS GEHÖRT INS SCHUTZKONZEPT:

Leitbild: Präventionsverantwortung festschreiben.
Verhaltenskodex: Wie viel Nähe ist erlaubt? Grenzen der Kinder respektieren, Regeln für risikoreiche Situationen festlegen.
Ansprechpartner für den Kinderschutz benennen.
Fortbildungen: Externe Referenten einladen, Angebote des Jugendamts nutzen.
Präventionsangebote für Kinder und Eltern: Im Kita-Alltag soll thematisiert und gelebt werden, dass ein Nein akzeptiert wird und Hilfeholen kein Petzen ist.
Partizipations- und Beschwerdeverfahren für Kinder: Kinder werden in Entscheidungen einbezogen und dürfen sagen, wenn ihnen etwas nicht gefällt. Das stärkt das Selbstbewusstsein.
Notfallplan: Besprechung im Team, Gespräch mit Kitaleitung bzw. Träger. Wann sind Jugendamt und Polizei einzuschalten?
Kooperationen mit externen Fachberatungsstellen, Jugendamt etc.

Beispiele:

  • Schutzkonzept der Kindertagesstätten der Gemeinde Henstedt- Ulzburg: www.henstedt-ulzburg.de, Suchbegriff: „Schutzkonzept der Kindertagesstätten“
  • Schutzkonzept der Kitas der Pestalozzi-Stiftung Hamburg: www.pestalozzi-kita.de > Leistungen

 

WEITERE INFOS

Initiative „Kein Raum für Missbrauch“
www.kein-raum-fuer-missbrauch.de

Auf der Homepage der Initiative des Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs gibt es unter anderem kostenlose Materialien für Kitas zu Schutzkonzepten.

Hilfetelefon Sexueller Missbrauch:
0800 / 22 55 530

Bundesweite, kostenfreie und anonyme Anlaufstelle für Betroffene von sexueller Gewalt, für Angehörige sowie Personen aus dem sozialen Umfeld von
Kindern, für Fachkräfte und für alle Interessierten.

Hilfeportal Sexueller Missbrauch
www.hilfeportal-missbrauch.de

Das Portal informiert Betroffene, ihre Angehörigen und andere Menschen, die sie unterstützen wollen. Die bundesweite Datenbank zeigt, wo es in der eigenen Region Hilfsangebote gibt.

Versicherungsschutz bei Festen und Veranstaltungen

Frage: In unserer Kita werden Fremdsprachenkurse, Malunterricht und musikalische Früherziehung angeboten. Besteht für die Kinder, die an Angeboten fremder Anbieter – aber in unseren Räumlichkeiten – teilnehmen, gesetzlicher Versicherungsschutz?

Antwort: Entscheidend ist, ob es sich hierbei um eine Veranstaltung handelt, die in den organisatorischen Verantwortungsbereich der Kita fällt oder in fremder Verantwortung durchgeführt wird. Denn: Die gesetzliche Unfallversicherung ist nur zuständig für Veranstaltungen, die im organisatorischen Verantwortungsbereich der Einrichtung durchgeführt werden.

Frage: Wir möchten in einem der Funktionsräume der Kita ein Englischangebot von einer amerikanisch sprechenden Mutter durchführen lassen. Veranstaltungszeitraum ist von 14 bis 15 Uhr. Es werden Kinder daran teilnehmen, deren Vertrag nur bis 14 Uhr gültig ist. Wie sind die Kinder dann versichert?

Antwort: Auch hier gilt: Wenn die Kita lediglich Räumlichkeiten für ein privat organisiertes Englischangebot zur Verfügung stellt, ist bei einem Unfall die jeweilige Krankenkasse des Kindes zuständig. Anders verhält es sich, wenn diese Veranstaltung als zusätzliches Angebot für die Kinder organisiert und in Verantwortung der Einrichtung durchgeführt wird. Dann sind die Kinder gesetzlich unfallversichert und es spielt keine Rolle, ob das Angebot während der üblichen Betreuungszeiten stattfindet oder erst danach. Dass das Angebot nicht von den Erzieherinnen und Erziehern der Kita, sondern von einer Mutter durchgeführt wird, hat auf den Versicherungsschutz keinen Einfluss.

Frage: Unsere Hortkinder bringen manchmal ihre Freunde mit. Sind diese gesetzlich unfallversichert?

Antwort: Die Hortkinder werden regelmäßig aufgrund des mit den Sorgeberechtigten geschlossenen Betreuungsvertrages beaufsichtigt und betreut. Für diese Kinder besteht Versicherungsschutz. Freunde, die sie mitbringen, sind nicht gesetzlich unfallversichert.

Frage: Eine Familie möchte in unserer Kita einen privaten Kindergeburtstag feiern. Wir könnten die Räumlichkeiten am Wochenende zur Verfügung stellen. Sind die Kinder dann auch versichert?

Antwort: Private Feste, wie Kindergeburtstage, die in einer von den Eltern angemieteten Kita gefeiert werden, sind nicht gesetzlich unfallversichert. Denn hier trägt nicht die Kita-Leitung die organisatorische Verantwortung für die Betreuung der Kinder. Bei Unfällen mit Gesundheitsschäden ist also die Krankenversicherung der Kinder zuständig.

„Wir sind keine Maschinen“

„Pony, Therapiehunde, Schafe, Ziegen, Hühner und Reptilien – die vielen Tiere in unserer Kita bringen die Kinder wieder in Kontakt mit der Natur und zu dem, was uns als Menschen ausmacht. Zwischen den Kindern und Tieren gibt es eine besondere Verbindung ganz ohne Worte. Die Kinder suchen den Kontakt zu den Tieren und fühlen sich von ihnen angenommen. Bei ihnen trauen sich selbst aggressive Kinder, auch ihre Verletzlichkeit zu zeigen.

Unsere Therapiehündin Violetta zum Beispiel kommuniziert dann mit ihren Augen und der ganzen Körpersprache: ,Ich bin da für Dich. Es ist ok, wenn Du traurig oder wütend bist.‘ Ein tiefes Vertrauen und Verständnis füreinander entsteht. Das lässt die Kita-Kinder ruhiger, achtsamer und verständnisvoller werden.“

Gabriele Tietz ist Leiterin der Kita „Unsere kleine Farm“ mit tier- und naturpädagogischem Ansatz in Essen (www.stiftung-gl.de).

Es kann losgehen!

„Es muss nicht immer Tränen geben, wenn Mama oder Papa zum ersten Mal gehen.“ Martina Aretz, Leiterin der Kita Sonnenstrahl im nordrhein-westfälischen Selfkant, blickt auf 25 Jahre Erfahrung zurück. Sie weiß um die Bedeutung der Eingewöhnung für die Kinder: „Der Übergang in die Kita ist für alle Kinder eine wichtige und intensive Erfahrung. Wie sie diesen ersten Abnabelungsprozess von den Eltern erleben, ist jedoch individuell ganz verschieden.“ Ganz gleich, ob Kinder eher zurückhaltend oder forsch mit neuen Situationen umgehen, eine gut geplante Eingewöhnung erleichtert immer den Übergang.

Eingewöhnung nur mit Eltern

„Viele Kinder werden in einem Alter von ungefähr zwölf Monaten in die Kinderkrippe gebracht. Genau dann, wenn sie ,fremdeln‘“, sagt Anni Söntgerath, die als Diplom-Psychologin in der Qualifizierung pädagogischen Personals tätig ist. „Ihre Furcht vor fremden Personen oder vor einer unbekannten Umgebung können sie nur im Beisein der Eltern bewältigen.“ Deshalb sollten die Kinder in jedem Fall so lange von den Eltern oder einer anderen Bindungsperson begleitet werden, bis die Erzieherinnen und Erzieher dem Kind vertraut werden. Erst wenn sich das Kind bei „seiner“ Erzieherin oder „seinem“ Erzieher sicher und geborgen fühlt, werden die Eltern entbehrlich.

Übrigens: „Kinder fühlen sich ohne die elterliche Vertrautheit meist unwohl und unglücklich und erleiden nicht selten Vertrauensbrüche im Bezug zu ihren Eltern. Ihr Gefühl von Sicherheit in der Welt kann erheblich beeinträchtigt werden“, sagt Anni Söntgerath.

Kurz
gesagt!

  • Kinder brauchen mindestens eine feste Bezugsperson in der Kita
  • Keine Eingewöhnung ohne Eltern
  • Eltern und Kindern Verlustängste nehmen
  • Das Kind bestimmt das Tempo der Eingewöhnung

Keine Eingewöhnung gleicht der anderen: Manche Kinder zeigen sich dabei sehr mutig, andere hingegen weinen viel.

Schritt für Schritt in die Kita

Diese Erkenntnisse bestimmen auch die Eingewöhnungsphase in der Kita Sonnenstrahl. Hier erfolgt der Eintritt in die Kita oder Krippe – angelehnt an das Berliner Modell – schrittweise und gemeinsam mit einem Elternteil. Das Tempo der Eingewöhnung hängt vom jeweiligen Kind ab. Zunächst erkunden die Mädchen und Jungen gemeinsam mit Mama oder Papa stundenweise die neue Umgebung. Begleitet werden sie dabei von der für die Familie zuständigen Erzieherin. „Wir bestimmen in der Regel eine feste Ansprechpartnerin“, erläutert Kita-Leiterin Martina Aretz. Diese soll möglichst während der gesamten Eingewöhnungsphase für das Kind da sein und eine vertrauensvolle und verlässliche Beziehung zu ihm aufbauen. Eine zweite Erzieherin wird für den Notfall bestimmt – sollte die Ansprechpartnerin einmal erkranken oder für den Fall, dass die Chemie zwischen Kind und Erzieherin nicht stimmt. Je besser sich das Kind in der Kita einlebt, desto mehr ziehen sich die Eltern zurück.

„Gelingt die Eingewöhnung, hat das im Übrigen auch Einfluss auf spätere Übergänge“, sagt Psychologin Anni Söntgerath. Kinder, die einen guten Start in die Kita erleben, bewältigen oft auch den Schulanfang ohne größere Probleme. Das erklärt sie dadurch, dass Menschen von klein auf – bewusst oder unbewusst – ihre emotionalen Erfahrungen in Phasen des Übergangs speichern. So können auch Ängste bei späteren Übergängen erinnert werden. Fühlte sich das Kind hingegen sicher beim neugierigen Erkunden der fremden Lebenswelt, wird es auch später zuversichtlicher einem Neubeginn entgegensehen.

„Gelingt die Eingewöhnung, hat das im Übrigen auch Einfluss auf spätere Übergänge.“

Störungen vorbeugen

Doch nicht immer läuft alles glatt in der Eingewöhnungsphase. „Leider erleben wir häufig, dass Eltern unter enormem Zeit- und Erfolgsdruck stehen“, sagt Martina Aretz. Für viele Mütter und Väter ist an den Kita-Eintritt des Kindes die direkte Rückkehr an den Arbeitsplatz gekoppelt. Die Eingewöhnung soll deshalb vor allem schnell gelingen. Martina Aretz: „Diesen Druck spüren sowohl die Kinder als auch die Kolleginnen.“ In anderen Familien müssten sich die Eltern mit der Eingewöhnung der Kinder in die Kita auch selbst erst wieder an einen festen Tagesrhythmus und frühe Anfangszeiten gewöhnen. Wie wirkt die Kita solchen Problemen entgegen? „Wir informieren die Eltern schon vor Beginn der Eingewöhnung mit einem Flyer und in einem persönlichen Gespräch über deren Ablauf, unsere Zeiten und unsere Erwartungen an die Eltern“, sagt Martina Aretz. Zum Beispiel setzt die Kita Sonnenstrahl voraus, dass sich ein Elternteil genug Zeit – mindestens drei bis vier Wochen – für die Eingewöhnung nimmt und dass bei den Trennungsversuchen immer ein Elternteil erreichbar ist. „Nur so können wir dem Kind bei Bedarf versichern, dass Mama und Papa immer wiederkommen – wenn nötig auch ganz schnell.“

Gemeinsame Mahlzeiten fördern Nähe und Vertrauen zwischen Eingewöhnungskind und Bezugsperson.

Eltern für sich gewinnen

Auch intern setzt die Kita auf gute Planung: Gemeinsam wird geregelt, wer, wann, welches Kind eingewöhnt. „Natürlich wird auch mal jemand krank“, so Martina Aretz, „aber ein Blick auf die Urlaubsliste und die Ferienzeiten, erfolgt in jedem Fall, bevor jemand eine Eingewöhnung übernimmt.“

„Gut so!“, findet Diplom-Psychologin Anni Söntgerath. „Es reicht nicht, wenn eine Kita nach dem Motto ‚wir sind alle zuständig‘ handelt.“ Die Bedürfnisse des Kindes und seine Signale dürfen nicht ins Leere laufen, sondern müssen möglichst von einer ihm vertrauten Person wahrgenommen und beantwortet werden.

Außerdem empfiehlt Anni Söntgerath, dass diese Kontaktperson schon das vorbereitende Elterngespräch übernimmt. So kann sie von Anfang an eine vertrauensvolle Beziehung auch zu den Eltern herstellen. Und das zahle sich aus: „Sind die Eltern entspannt bei der Eingewöhnung, überträgt sich das in der Regel auch auf das Kind. Denn das orientiert sich ja am Verhalten seiner Bezugspersonen.“

Checkliste Eingewöhnung

  • Erstellen Sie einen Eingewöhnungsplan für alle neuen Kinder.
  • Wählen Sie den Zeitpunkt der Eingewöhnung gut – möglichst nicht direkt vor den Ferien.
  • Informieren Sie die Familien vor Beginn der Eingewöhnung über den Ablauf.
  • Stellen Sie klar, dass die Eltern Zeit für die Eingewöhnung mitbringen müssen.
  • Bitten Sie die Eltern, Ihnen wichtige Informationen zum Kind und zur familiären Situation zu geben.
  • Eine qualifizierte Bezugsperson aus der Kita kümmert sich dauerhaft um das Kind und die Eltern.
  • Die Eingewöhnung orientiert sich an den individuellen Bedürfnissen und am Tempo des Kindes.
  • Ermutigen Sie die Eltern, ihre Kinder loszulassen, und helfen Sie bei der schrittweisen Trennung.
  • Stellen Sie Eltern einen Ort in der Kita zur Verfügung, an dem sie sich während der Eingewöhnungszeiten aufhalten können.

 

Brücken bauen

Hanna weint. Es ist 8:45 Uhr an einem Dienstag in der Kita „Maria Hilf“ in Wiesbaden. Die Mutter spricht beruhigend auf das Mädchen ein. „Wollen wir die Hausschuhe anziehen?“ „Nein!“ „Wollen wir den Rucksack aufhängen?“ Nein!“ „Wollen wir in die Gruppe gehen?“ „Nein!“ Alles unter Tränen.

Hanaa besucht seit zwei Wochen die katholische Kita; inzwischen ist sie täglich einige Stunden ohne ihre Mutter hier. Die Bezugserzieherin setzt sich zu den beiden in den Flur und signalisiert, dass sie „da ist“, sich Zeit für das Mädchen und die Mutter nimmt. Sie versucht, das Kind abzuholen: „Basteln wir gleich einen Stern?“ „Nein!“

Die Trennung am Morgen ist für Mutter und Kind noch immer eine Herausforderung. „Einfach gehen, ohne mich umzudrehen – das ist das Schwierigste“, sagt die Mutter. Doch mit einem entschiedenen Abschied kann sie dem Mädchen helfen. „Für die Kinder ist Klarheit ganz wichtig“, sagt Ulli Diederich. Dazu gehört auch das feste Wissen: Die Mutter geht jetzt und Hanaa bleibt mit den Erzieherinnen in der Kita.

Die morgendliche Trennung von der Mutter fällt dem dreijährigen Mädchen gerade in den ersten Tagen schwer.

Ulli Diederich ist gemeinsam mit ihrer Kollegin Paulina Heinrich für eine Gruppe mit 20 Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren verantwortlich. Insgesamt werden in der Einrichtung 80 Kinder nach dem Situationsansatz betreut. Die Eingewöhnung erfolgt in Anlehnung an das Berliner Modell, allerdings mit gewissen Freiheiten. „Für uns stehen die Familie und das Kind im Mittelpunkt, wir schauen zuerst, was sie individuell brauchen“, sagt Illi Diederich.

Kurz
gesagt!

  • Ein klarer Abschied der Eltern hilft dem Kind
  • Feste Rituale geben Sicherheit
  • Dem Kind Partizipation ermöglichen
  • Regelmäßige Tür-und- Angel-Gespräche

 

Basis ist das Vertrauen der Eltern

Je besser die Eingewöhnung gelingt, so die Erfahrung der 58-Jährigen, desto besser verläuft später der Kita-Alltag für Kind, Eltern und pädagogische Fachkräfte. Basis für eine gute Eingewöhnung ist wiederum, dass die Eltern dem pädagogischen Fachpersonal vertrauen. „Das wirkt sich positiv auf das Kind aus“, so die Erzieherin. Deshalb vermittelt sie den Eltern von Anfang an die Botschaft: „Wir setzen alles daran, dass Ihr Kind und Sie sich bei uns wohlfühlen.“ Als erste vertrauensbildende Maßnahme dient ein ausführliches Erstgespräch mit den Eltern, gerne auch im häuslichen Umfeld der Familie. Dabei sollen möglichst viele Fragen geklärt und der Kita-Alltag transparent vermittelt werden.

Hanaa hat die Kita mit ihrer Mutter an einem Schnuppernachmittag in Ruhe kennengelernt. Erst dann begann die schrittweise Einführung in die Gruppe: an den ersten Tagen für etwa eine Stunde gemeinsam mit der Mutter. „Hanaas Mutter hat sich aktiv eingebracht“, erzählt Ulli Diederich. Sie habe vorgelesen und auch mit den anderen Kindern gespielt. „Dadurch hat sie für Hanaa eine Brücke zu den anderen Kindern gebaut.“ Das ist der optimale Fall.

Die erste Kontaktaufnahme zu den anderen Kindern gibt Hanaa wieder Kraft.

Telefonische Erreichbarkeit

Wie lang diese gemeinsame Phase dauert, ist individuell unterschiedlich. Manchmal müssen die pädagogischen Fachkräfte die Eltern auch zum nächsten Schritt ermutigen. Ihnen sagen: Jetzt ist Ihr Kind so weit, jetzt können Sie gehen, wenn Sie möchten.

„Wie gut der Abschied klappt, hängt davon ab, wie gut Eltern loslassen können“, sagt Ulli Diederich. Eltern können sich dann so oft sie es brauchen telefonisch erkundigen, wie es an diesem Tag läuft.

Hanaa wird – wie inzwischen jeden Morgen – in der Gruppe von der Mutter an die Erzieherin übergeben. „Ich gehe jetzt einkaufen“, sagt die 34-Jährige zu ihrer Tochter. „Danach hole ich dich wieder ab.“ Ulli Diederich setzt sich mit dem Mädchen an den Tisch, gemeinsam basteln sie einen Stern. Das ist eines der festen Rituale, die Hanaa während der Eingewöhnung Halt geben. Genauso wie das gelbe Stoff-Einhorn, dass das Kind von Zuhause mitbringt. Zu den festen Ankern gehört auch ein Ordner, in dem Fotos der Familie, von Hanaas erstem Tag in der Kita und ein selbstgemaltes Bild der großen Schwester aufbewahrt werden. „Das Portfolio bildet eine Verbindung zwischen ihrem Zuhause und hier“, sagt Ulli Diederich. Immer wieder schaut sie mit dem Kind die Seiten an. Aber auch in den Gesprächen während des Kita-Vormittags ist die Herkunftsfamilie allgegenwärtig. Gemeinsam blättern die Kinder durch einen Atlas. „Schaut mal, das ist Marokko“, sagt die Erzieherin. „Von dort kommt Hanaas Papa. Das ist ein schönes Land.“ Immer wieder wird dem Mädchen gezeigt: Wir schätzen dich, deine Familie, das, was du mitbringst. Und Hanaa sagt: „Mama ist einkaufen.“

Enge Beziehung zu zwei Erzieherinnen

Ohne die Mutter in der Gruppe hat sie nach kurzer Zeit zu weinen aufgehört, aus den vielen Neins! wurde ein erstes „Ja“. Jetzt ist Hanaa ganz in der Gruppe angekommen. Sie zeigt Paulina Heinrich, ihrer zweiten Bezugserzieherin, ein Eichhörnchen, isst mit gutem Appetit beim Frühstück und spielt dann mit einem Jungen auf dem Boden Murmeln. „Hanaa öffnet sich schon und macht gerne auch mal Quatsch“, sagt Paulina Heinrich.

Hanaa hat in der Eingewöhnungsphase zwei Bezugserzieherinnen. „Hanaa hat zu uns beiden eine gute Beziehung und das ist wichtig, falls eine Kollegin ausfällt“, sagt Paulina Heinrich.

Das Kind kann selbst mitbestimmen

Partizipation wird in der Kita „Maria Hilf“ groß geschrieben – und in ersten Ansätzen schon während der Eingewöhnung umgesetzt. Hanaa beispielsweise putzt sich leidenschaftlich gern die Zähne. Wenn sie während des Vormittags, mit bereits blitzsauberen Zähnen Lust bekommt, zur Zahnbürste zu greifen, unterstützen sie die Erzieherinnen. So wird Hanaa in dem Gefühl bestärkt, dass sie in der Kita selber bestimmen und gestalten kann. „Hanaa weiß sehr genau, was sie will“, freut sich Ulli Diederich.

Hanaa weiß genau, was sie will – Zähne putzen. Die Erzieherinnen unterstützen sie in ihrer Selbstbestimmtheit.

Für den guten Austausch mit den Eltern während der Eingewöhnung sorgen die zahlreichen Tür-und-Angel-Gespräche. Denn diese erleben ja nur das weinende Mädchen beim Bringen oder die strahlende Begrüßung beim Abholen. Deshalb berichten die Erzieherinnen von einem Splitter im Finger oder wie fröhlich das Kind heute mit anderen in der Puppenecke gespielt hat. Nach sechs Wochen Eingewöhnung findet ein ausführliches Gespräch mit den Eltern statt. „Wir haben festgestellt, dass für Hanaa feste Zeiten ganz wichtig sind“, erzählt Ulli Diederich. Deshalb wurde mit der Mutter in einem solchen Gespräch besprochen, dass die knapp Dreijährige jeden Tag zu festen Uhrzeiten g ebracht und geholt wird. Hanaas Mutter schätzt diesen Austausch: „Die Erzieherinnen holen einen da ab, wo man ist.“

Regelmäßiger Austausch über Probleme im Team

Nicht immer läuft es so reibungslos. Manchmal ist es schwieriger, das Kind oder die Eltern zu erreichen. „Dann fragen wir die Eltern: Was denken Sie, was dem Kind gut tut oder Ihnen beim Loslassen hilft?“, sagt Ulli Diederich. Es gibt aber auch Situationen, da reichen Elterngespräche nicht aus. „Ich habe schon Verhaltensauffälligkeiten erlebt, die ich nicht einordnen konnte“, erzählt die Erzieherin. Da haben die wöchentlichen Teambesprechungen geholfen, der Austausch mit den Kolleginnen und der Leitung. „Manchmal sehen andere mehr als man selbst.“ Wenn das auch nicht hilft, gibt es noch die Supervision. Aber das war in Verbindung mit einer Eingewöhnung bisher noch nicht erforderlich.

„Mama!“, jubelt Hanna inzwischen im Gruppenraum. Das Mädchen war mit den anderen Kindern so im Spiel versunken, dass es seine Mutter erst gar nicht bemerkt hat. Aber dann geht es stolz zusammen mit Mutter und Erzieherin zum Fenster: Dort hängt der Stern, den Hanna heute früh gebastelt hat.

 

WEITERE INFOS

Die Bindung zwischen Mutter und Kind kann einen Einfluss auf die Eingewöhnung in die Kita haben.

Nähere Infos zum Thema gibt es unter: www.kita-fachtexte.de

Die Gefühle besser im Griff

Die Erzieherin stellt eine Schüssel voll Nudeln auf den Tisch. Paul wird ganz hubbelig, will am liebsten sofort loslegen. Doch er greift nicht nach dem Löffel, sondern wartet ab. Er hat gelernt, dass erst alle Kinder ihre Teller füllen. Danach heißt es „Guten Appetit“. Und erst danach wird gegessen. Das Beispiel des Zweijährigen zeigt: Schon die Jüngsten verfügen über Fähigkeiten zur Selbstregulation.

Gefühlskontrolle fällt schwer

Doch meist fällt es ihnen noch schwer, ihre Gefühle zu kontrollieren. Greta heult laut los, weil sie die Knete haben will – und zwar sofort. Justus schleudert vor Wut das Auto in die Ecke, weil es immer vom Turm fällt. „Die Selbstregulation ist extrem wichtig für die Entwicklung der Kinder“, erklärt die Sport- und Neurowissenschaftlerin Sabine Kubesch vom Institut Bildung plus in Heidelberg. Diese Fähigkeit sei für den Lernerfolg später in Schule und Beruf wichtiger als Intelligenz. „Das Schöne ist“, fügt sie hinzu, „dass man die Selbstregulation im Alltag ständig fördern kann.“

Die Fähigkeiten zur Selbstregulation werden im Stirnhirn gesteuert. Dieser Bereich lerne und entwickle sich langsam, sagt die Neurowissenschaftlerin. Doch was dort einmal gespeichert sei, gehe nicht mehr verloren. Wie Schwimmen oder Radfahren. „Das nimmt man fürs ganze Leben mit.“ Die Selbstregulation werde im Alltag ständig trainiert. Gezielte Spiele, Übungen und Strategien könnten viel bewirken.„Bis zum Erwachsenwerden haben Kinder und Jugendliche unendlich viele solcher Übungsmöglichkeiten“, so Sabine Kubesch.

Kurz
gesagt!

  • Verschiedene Hirnregionen steuern die Selbstregulation
  • Umgang mit Gefühlen ist ein Lernprozess
  • Erzieherinnen und Erzieher können die Entwicklung fördern
  • Einmal Erlerntes geht nicht verloren

Hemmungen erwünscht

Bei der Selbstregulation, erklärt die Wissenschaftlerin, gehe es darum, Verhalten, Aufmerksamkeit und Emotionen bewusst zu regulieren. Dafür ist die sogenannte Inhibition wichtig, mit anderen Worten: sich hemmen können. Diese Fähigkeit können Erzieherinnen und Erzieher fördern. Zum Beispiel sollen die Kinder langsam bis zwölf zählen, bevor sie nach draußen stürmen. Oder warten, bis das letzte Körnchen der Sanduhr durchgerieselt ist. Auch ein Kinderspiel wie „Alle Vögel fliegen hoch“ bietet ein gutes Training, die Impulse zu regulieren. Kinder müssten lernen, ihre Aufmerksamkeit anhaltend zu steuern, so Sabine Kubesch. Egal, ob beim Puzzeln oder Zuhören.

Wichtige Voraussetzung für die Selbstregulation ist auch die kognitive Flexibilität. Also die Fähigkeit, sich auf neue Situationen einzustellen. Ein Beispiel: Wenn die Glocke zum Mittagessen läutet, hören die Kinder mit Spielen auf und beginnen mit dem Tischdecken. Oder nach dem Toben im Garten sind sie drinnen wieder leise. Eine bedeutende Rolle spielt auch das Arbeitsgedächtnis. Sprich, sich etwas einzuprägen – und mit der gespeicherten Information zu arbeiten. Bei den Jüngsten geht es erst einmal darum, sich eine Regel zu merken und daran zu halten. Auch Versteckspiele bieten sich an. Bei älteren Kindern ist Memory eine gute Übung. Oder ein Spiel wie „Ich packe meinen Koffer“, bei dem das Gedächtnis trainiert wird. Die Neurowissenschaftlerin sagt, dass sich anhand der Leistung des Arbeitsgedächtnisses einschätzen lässt, wie gut ein Kind später in Mathe oder Deutsch ist.

Erfolgsfaktor Selbstregulation

Doch Selbstregulation sei nicht nur wichtig für den Schulerfolg, betont Sabine Kubesch, sondern ebenso für die sozial-emotionale Entwicklung. Dadurch wird auch der Alltag in der Kita angenehmer. Die Kinder haben sich besser im Griff, können Konflikte leichter lösen. Das ist gut für alle. Übrigens auch für die Chancengleichheit, sagt die Wissenschaftlerin. Langzeitstudien zeigten, dass Kinder mit einer höheren Fähigkeit zur Selbstregulation als Erwachsene gesünder, zufriedener, beruflich erfolgreicher und weniger häufig straffällig werden. Und zwar unabhängig von sozialer Herkunft, Geschlecht oder Intelligenz.

 

 

WEITERE INFOS

Kubesch, S.(Hrsg.): Exekutive Funktionen und Selbstregulation.

Neurowissenschaftliche Grundlagen und Transfer in die pädagogische Praxis. Hogrefe Verlag. 39,95 Euro.

Liebers, A., Kubesch,
S., Hansen, S.: Die Drei aus Hirnschmalz.

In der Reihe gibt es Bilderbücher mit Geschichten, Wissensteil und Übungen. Verlag Bildung plus.

www.verlag-bildungplus.org

So läuft es (sich) gut

Frau Bockermann, immer wieder kommt die Frage nach speziellen Schuhen für Erzieherinnen und Erzieher auf. Gibt es diese?

Nein, die gibt es nicht. Für die besonderen Erfordernisse in der Kita sind allerdings nicht alle Schuhe gleich gut geeignet. Schließlich muss zum Beispiel in der Krippe oft auf dem Boden rumgekraucht und auch mal schnell gelaufen werden.

Crocs in der Kita – was halten Sie davon?

Nichts – sie sind genauso wie Flip-Flops völlig ungeeignet, weil sie dem Fuß keinerlei Halt geben und die Sohle nicht flexibel genug ist. Stiefel oder andere Schuhe mit langem Schaft sind für die Innenräume allerdings ebenso schlecht.

Welche Schuh-Art würden Sie stattdessen empfehlen?

Pauschal ist das schwer zu beantworten. Es gibt den perfekten Arbeitsschuh genauso wenig wie den perfekten Freizeitschuh. Der eine hat eine verkürzte Achillessehne und braucht einen leichten Absatz, der dann allerdings breit sein muss. Die andere trägt Sportschuhe einer bestimmten Marke, in denen sie sich am wohlsten fühlt.

Worauf kommt es bei Schuhen in der Kita an?

Sie sollten bequem und für den jeweiligen Arbeitsbereich geeignet sein. Dabei kommt es auch auf das Kita-Konzept und den Bodenbelag an: Beim offenen Konzept, wo vielleicht auch in einer Werkstatt gearbeitet wird, sind geschlossene Schuhe angezeigt. Im Bewegungsraum ist es wiederum wichtig, eine flexible, rutschsichere Sohle und maximal knöchelhohe Schuhe zu tragen. Bei mehreren Etagen ist darauf zu achten, dass die Treppe sicher genommen werden kann.

Was empfehlen Sie in Nassräumen oder im Speiseraum?

Wo es rutschig ist oder mit heißen Speisen und Getränken hantiert wird, sind die rutschsicheren Sohlen besonders wichtig.

Wer ist für die Auswahl der Schuhe verantwortlich?

Grundsätzlich ist die Auswahl der Schuhe jeder Erzieherin und jedem Erzieher selbst überlassen – schließlich werden auch keine Kosten dafür vom Arbeitgeber übernommen. Allerdings hat die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung die Möglichkeit festzulegen, welche Schuhe während der Arbeit nicht getragen werden dürfen – wie zum Beispiel Highheels, Flip-Flops oder Crocs. Grundsätzlich empfehle ich, bei diesem Thema unbedingt die Erzieherinnen und Erzieher zu beteiligen! Schließlich sind die Geschmäcker und Bedürfnisse unterschiedlich.

Welche Schuhe empfehlen Sie für Kinder?

Kinder haben noch speziellere Erfordernisse als Erzieherinnen und Erzieher: Je nach Alter und motorischen Fähigkeiten können Kinder ihre Schuhe nicht so einfach an- und ausziehen wie Erwachsene. Außerdem sind sie viel agiler – sie krabbeln, knien, sitzen auf dem Boden, laufen und springen. Die Schuhe müssen für alle Situationen möglichst gut funktionieren. Sie müssen genügend Halt geben und gleichzeitig flexibel genug sein, damit sie nicht drücken, wenn die Kinder knien, und damit die Kinder im Bewegungsraum die Bodeneigenschaften spüren können. Sie müssen vor Nässe im Nassbereich schützen und gleichzeitig sollen die Kinderfüße darin nicht so sehr schwitzen. Die Kinder müssen sich in ihren Schuhen wohlfühlen und mit ihnen sicher durch den Tag kommen. Wir brauchen also die „eierlegende Wollmilchsau“. Crocs und Flip-Flops sind auch für Kinder völlig ungeeignet.

 

KINDERFÜSSE…

…sind sind anatomisch anders als Erwachsenenfüße. So hat jedes Kleinkind einen lockeren, leichten Knickfuß. Das liegt an der Beinstellung, die sich verändert.

  • Gegen Ende des zweiten Lebensjahres wird aus dem O-Bein ein X-Bein.
  • Etwa im sechsten Lebensjahr stellt sich die Beinachse annähernd gerade ein und es kommt zu einer Aufrichtung des Fußes.
  • Auch in der Kita brauchen Kinderfüße so viel Flexibilität und Freiheit wie möglich. Statt eines klassischen Hausschuhs sind daher Anti-Rutsch- Socken oder Gymnastikschläppchen zu empfehlen.

 

TIPPS FÜR EINEN GUTEN SCHUH

  • An den Zehen auf Luft nach vorn achten – etwa eine Daumenbreite bis zur Schuhspitze ist ausreichend.
  • Die richtige Weite wählen: Der Schuh umschließt den Fuß seitlich, ohne ihn einzuengen.
  • Am besten lässt sich die Weite mit Schnürsenkeln oder Klettverschlüssen individuell regulieren.
  • Eine gute Wahl sind Schuhe mit einer gut profilierten Sohle.
  • Besonders wer viel steht oder geht, liegt mit flachen Schuhen goldrichtig.
  • Im Fersenbereich reduziert eine Dämpfung den Druck.
  • Eine anschmiegsame Innensohle sorgt dafür, dass der Fuß sich sein eigenes, passendes Bett schaffen kann.
  • Mehrere Paare im Wechsel tragen – das stimuliert die Füße.

Entspannung für die Ohren

Was haben Heavy-Metal-Musik und ein tropfender Wasserhahn gemeinsam? Beides kann – je nach persönlichem Empfinden – Lärm sein. Denn der ist laut Umweltministerium definiert als „jedes unerwünschte laute Geräusch“. Lärm hat also nicht nur mit dem messbaren Schallpegel, sondern auch mit persönlichem Empfinden zu tun.

Stressfaktor Lärm

Auch wenn der durchschnittlich gemessene Lärmpegel in Kitas keine dauerhaften Gehörschäden verursacht: Lärm ist einer der stärksten Stressfaktoren für pädagogische Fachkräfte in Kitas. Dies zeigt sich auch häufig in den vom Kita-Träger veranlassten Gefährdungsbeurteilungen. Dauerhafter Stress wirkt sich belastend auf Körper und Psyche aus – das Risiko für psychosomatische Beschwerden, Herz-Kreislauf- Erkrankungen, Tinnitus, aber auch häufige Infektionskrankheiten wie Erkältungen erhöht sich langfristig.

Lärm ist nicht nur ein Gesundheitsproblem. Er stört auch die Kommunikation in den Gruppen und reduziert die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit der Kinder. Die lärmbedingte schlechte Sprachverständlichkeit behindert das Lernen und somit die altersgerechte (Sprach-)Entwicklung insbesondere von Krippenkindern, Kindern mit Migrationshintergrund oder Aufmerksamkeitsschwierigkeiten.

 

Kurz
gesagt!

  • Lärm ist der größte Stressfaktor in der Kita
  • Entwicklung der Kinder kann beeinträchtigt werden
  • Mehr Ruhe durch technische, organisatorische und pädagogische Maßnahmen

 

Lärmprävention

Wie überall, wo Kinder gemeinsam lernen und spielen, wird es laute Momente geben. Dennoch ist gesundheitsschädlicher Dauerlärm kein unabwendbares Schicksal für Erzieherinnen und Erzieher. Es gibt viele Möglichkeiten, mehr Ruhe in die Kita zu bringen.

Technische Maßnahmen

  • fachgerechter Einbau von Akustikdecken und gegebenenfalls Wandabsorbern
  • Filz oder Teppichstücke für Unterseiten von Fensterbänken, Regalbrettern, Tischen und Stühlen oder für die Rückwände von freistehenden Schränken und Regalen
  • gummierte Tischdecken beim Mittagessen
  • Trittschalldämmung für erhöhte Spielebenen und ihre Zugänge
  • Teppiche in besonders lauten Bereichen wie Bauecken
  • mit Filz oder Teppichboden ausgelegte Spielzeugkisten
  • Bauklötze aus Schaumstoff
  • geräuscharme Bälle für Tischkicker oder Tischtennis
  • Schallschutztüren für Ruheräume

Die dargestellten technischen Veränderungen müssen Hand in Hand gehen mit organisatorischen und pädagogischen Maßnahmen.

Pädagogische und organisatorische Maßnahmen

  • statt mit lauter Stimme gegen den Lärm anzureden, Aufmerksamkeit herstellen und Ruhe abwarten
  • vereinbarte „Laut- und Leisezeit“ für Kinder
  • pädagogisch begleiteter Einsatz von Messgeräten mit optischer Anzeige wie zum Beispiel eine Lärmampel (einige Unfallversicherungsträger verleihen diese)
  • Einsatz von Ruhezeichen, Triangel oder Klangschale als Signal
  • Einbeziehung aller Räume für die Schaffung von Ruhe- und Rückzugsmöglichkeiten
  • laute Aktivitäten möglichst in schallisolierten Räumen
  • möglichst viele Aktivitäten im Freien
  • begrenzte Kinderzahl für bestimmte Bereiche
  • häufiges Arbeiten in Kleingruppen
  • keine Abholzeit in der Mittagszeit
  • in der Mittagszeit Umschaltung der Telefongespräche auf Anrufbeantworter
  • Entzerren der Essenszeiten nach Gruppen
  • die eigene Lautstärke hinterfragen
  • die Kinder einbeziehen und fragen, wann es ihnen zu laut ist

SPIELE, RITUALE UND REGELN

  • klare Grenzen setzen (zum Beispiel „Wir fallen uns nicht ins Wort“)
  • gemeinsam mit den Kindern Regeln erarbeiten und diese zusammen gestalterisch, zum Beispiel in Form von Bildern, darstellen
  • gemeinsame Gruppenarbeit zum Thema Lärm
  • Spiele wie „Schlafkönig“ oder „Schreikönig“
  • Einsatz von „Lärmdetektiven“
  • Rituale für den Raumwechsel: die Erzieherin/den Erzieher nachmachen, schleichen, Fingerspiele, Reim, singen
  • Gesten, Zeichen, akustische Signale vereinbaren: Erzählstein, „Mund zu, Ohren auf, pscht …“, Glocke, Triangel …

Darüber hinaus sollten sich Erzieherinnen und Erzieher zwischendurch immer mal wieder kurze Auszeiten zum Durchatmen nehmen. Gemeinsame Entspannungsübungen mit den Kindern stärken die Nerven von Groß und Klein.

 

WEITERE INFOS

Broschüre „Entspannung für alle Ohren“
www.uk-nord.de > Webcode P00423

Broschüre „Lärmprävention in Kindertagesstätten“
www.unfallkasse-nrw.de > Webcode S0248

Auswahl nach Augenmaß

Ein Kind ist vom Klettergerüst gestürzt und hat sich eine Schürfwunde zugezogen – nach so einem Unfall herrscht erstmal große Aufregung. Wenn nach den Erste-Hilfe-Maßnahmen entschieden wird, dass eine Ärztin oder ein Arzt aufgesucht werden muss, sind die Erzieherinnen und Erzieher oft unsicher bei der Wahl des passenden Transportmittels. „Aus Unsicherheit wird leider oft selbst bei Bagatellverletzungen der Rettungsdienst alarmiert, der dann möglicherweise für echte Notfälle nicht zur Verfügung steht“, erklärt Alex Pistauer von der Unfallkasse Hessen.

Alles ist möglich

Grundsätzlich sollte das Beförderungsmittel nach Art und Schwere der Verletzung angemessen gewählt werden. Bei Verletzungen wie kleineren Platz-, Kratz- und Schürfwunden, Prellungen oder Quetschungen können die Kinder zu Fuß, mit einem Privat-Pkw, öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Taxi zum Arzt oder ins Krankenhaus gebracht werden. All diese Beförderungsarten sind auch rechtlich zulässig. Nur nach schweren Unfällen oder bei Bewusstlosigkeit, stark blutenden Wunden oder Knochenbrüchen sollte der Notarzt gerufen werden. Eine gute Entscheidungshilfe bietet die Überlegung, welche Beförderungsart man für sein eigenes Kind wählen würde. Diese Entscheidung vereint die Interessen aller Beteiligten – des verletzten Kindes, des Unfallversicherungsträgers und der Allgemeinheit. Übrigens: Auch die stets erforderliche Begleitperson ist auf dem Weg zum Arzt oder zur Ärztin sowie ins Krankenhaus gesetzlich unfallversichert. Selbst wenn das falsche Transportmittel gewählt wurde, ist die Person, die die Entscheidung getroffen hat, für mögliche Folgeschäden beim Kind nicht haftbar.

Grundsätzlich sollte das Beförderungsmittel nach Art und Schwere der Verletzung angemessen gewählt werden.

Und die Kosten?

Sofern der Unfallversicherungsträger der Kita nicht sowieso Taxigutscheine zur Verfügung gestellt hat, erstattet er unabhängig vom Beförderungsmittel die Kosten für den Hin- und Rückweg für verletzte Kinder und in der Regel auch für eine Begleitperson.

Sonnige Zeiten

„Sonnenschutz gehört in unserer Kita fest zum pädagogischen Konzept. Auf unserem Außengelände stehen viele schattige Bäume, zusätzlich gibt es Pavillons. Im Eingangsbereich haben wir ‚UV-Wände‘ angebracht: Plakate mit Symbolen, die den Kinder zeigen, an welchem Tag sie eingecremt sein müssen, eine Mütze tragen oder Kleidung, die die Schultern bedeckt. Wir aktualisieren dafür regelmäßig den Aushang des UV-Index. Die Kinder waren gut für das Thema Sonnenschutz zu sensibilisieren. Um ihnen die Inhalte und die Bedeutung des Sonnenschutzes zu verdeutlichen, haben wir beispielsweise Puppen eingesetzt, deren Haut sich ohne Creme in der Sonne rot verfärbt. Da haben bereits die Zweijährigen ‚Aua Haut!‘ gesagt. Für die Eltern haben wir mit großem Erfolg einen Informationsnachmittag mit einer Hautärztin angeboten. Inzwischen erinnern die Kinder schon ihre Eltern an den Sonnenschutz.“

Wenn Eltern nicht loslassen können …

Martina Aretz, Leiterin der Kita Sonnenstrahl:

Da wird das Kind beim Abschiednehmen noch mal ganz besonders herzlich gedrückt und ihm mehrfach versichert, wie lieb die Mama es hat. Auch der gut gemeinte Rat: „Du musst nicht weinen, wenn ich gehe“, ist kontraproduktiv! Manchmal empfiehlt es sich, klammernden Eltern einen freundlichen „Schubs“ zu geben. Fordern Sie die Eltern zum Beispiel freundlich auf, in der Küche einen Kaffee zu holen und sich damit ins Foyer zu setzen. Versichern Sie ihnen, dass Sie sich melden, wenn das Kind nicht nach kurzer Zeit aufhört zu weinen.

Geben Sie den Eltern die Möglichkeit, sich telefonisch bei Ihnen rückzuversichern, wenn sie die Kita für mehrere Stunden verlassen. Geben Sie Auskunft: „Hören Sie, Ihr Kind weint nicht, es spielt hier ganz entspannt mit Bauklötzen.“

Versichern Sie den Eltern, dass diese auch weiterhin die wichtigste Bezugsperson für ihre Kinder bleiben. Überzeugen Sie sie davon, dass sie maßgeblich zum Erfolg der Eingewöhnung beitragen. Besonders dann, wenn sie Zuversicht und Unaufgeregtheit ausstrahlen!

Ayan kommt an

Ayan kniet im Sand, die Hände tief in den Boden gegraben. „Wir spielen Hände dreckig machen“, erklärt sie der Erzieherin strahlend. Dann widmet sich die Sechsjährige wieder dem Sand und ihren Freundinnen – eine stammt aus Syrien, eine aus Afghanistan. 65 Kinder besuchen die Kita „Am Wall“, jedes vierte ist mit seiner Familie nach Deutschland geflohen.

Ein hartes Stück Arbeit

Die Kita liegt im Zentrum von Alzey, einer kleinen Stadt in Rheinland-Pfalz. Vor zwei Jahren kamen innerhalb kürzester Zeit zwölf Flüchtlingskinder in die Einrichtung, weitere folgten. Die Kita stand damit vor einer großen Herausforderung. Die Arbeit in den Gruppen veränderte sich, genauso die Zusammenarbeit mit den Eltern. „Inzwischen funktioniert das richtig gut“, sagt Dennis Drippe, Leiter der evangelischen Kita. „Das war aber ein hartes Stück Arbeit, wir mussten da erst reinwachsen.“ Für ihn gibt es drei ganz wesentliche Faktoren für den Erfolg: Offenheit gegenüber Neuem, die sichtbare Wertschätzung von Vielfalt und den Abbau von Sprachbarrieren. „Natürlich funktioniert das nur, wenn das ganze Team eingebunden wird und mitzieht.“

Ayan ist eines der Flüchtlingskinder, die vor zwei Jahren „Am Wall“ ankamen. Sie stammt aus Aserbaidschan, ihre Muttersprache Azeri spricht hier niemand. „Am Anfang war das sehr schwierig“, erinnert sich Christiane Fell, ihre Bezugserzieherin. Ayan war sehr aggressiv, hat oft geschlagen, geschrien, geschubst. In dieser Phase widmeten die Erzieherinnen dem Mädchen besonders viel Zeit. Christiane Fell nahm Ayan an die Hand, um mit ihr das Frühstücksgeschirr aus dem Schrank zu holen. „Das ist ein Teller“, sagte sie und zeigte ihn dann. Viel reden mussten die Erzieherinnen auch mit den anderen Kindern, ihnen erklären, dass für Ayan vieles fremd und beängstigend ist. „Die Kinder verstehen, dass das Ayan wütend machen kann.“

Kurz
gesagt!

Wie die Integration von Flüchtlingskindern gelingen kann:

  • Das gesamte Kita-Team sollte mitziehen
  • Die Kooperation zwischen Eltern und pädagogischen Fachkräften ausbauen
  • Externe Kompetenzen nutzen (z. B. Sprachförderkräfte, Dolmetschende)
  • Zusätzliche finanzielle
    Mittel von Träger, Land oder Bund abrufen

Einer der pädagogischen Schwerpunkte der Kita „Am Wall“ ist die Sprachförderung. Reime, Fingerspiele und angeleitete Gesprächsrunden sind fest in den Alltag eingebettet. Eine qualifizierte Sprachförderkraft arbeitet mit Kleingruppen. Manches wird auch mit Händen und Füßen geklärt. Gleichzeitig haben die Herkunftssprachen der Kinder ihren festen Platz. „Ihre Muttersprache ist die Basis dafür, dass die Kinder gut Deutsch lernen“, so Dennis Drippe. Schon im Morgenkreis wird „Guten Tag, guten Tag“ in allen in der Gruppe vertretenen Sprachen gesungen – 16 sind es in der gesamten Kita. Besonders den Flüchtlingskindern bietet das Lied ein Stückchen sprachliche Heimat und Wertschätzung. „Sie sind stolz, wenn sie uns die richtige Aussprache beibringen können“, berichtet Christiane Fell.

Jedes vierte Kind in der Kita „Am Wall“ ist ein Flüchtling.

Sprachliche Barrieren abbauen

Etwa ein halbes Jahr verging, in dem Ayan zuerst langsam, dann immer schneller Deutsch lernte. „Heute muss sie nicht mehr schubsen, sondern kann: ,Lass das!‘ sagen“, erzählt Christiane Fell. Das Mädchen spricht nicht nur fließend Deutsch, sie kann sich mit ihren Freundinnen sogar auf Türkisch unterhalten. „Wir einigen uns je nach Situation auf die Sprache, die alle sprechen“, erklärt Christiane Fell. Beim Spiel im Sand kann das Türkisch sein, beim Essen am Tisch ist es Deutsch.

Die sprachlichen Barrieren werden in der Kita abgebaut – doch was ist mit Erfahrungen, die die Kinder auf der Flucht gemacht haben? „Meist wissen wir gar nicht, was die Kinder erlebt haben“, sagt Christiane Fell. Sie erlebt nur die Folgen: „Ein Kind versteckt sich bei lauten Geräuschen immer verängstigt in der Ecke.“ Dann nimmt sich die Erzieherin Zeit, versucht, das Kind wieder in den Alltag zurückzuholen, immer darauf bedacht, es nicht zu überfordern.

„Wir sind anfangs personell an unsere Grenzen gestoßen“, sagt Dennis Drippe. Auch in der Kita „Am Wall“ wollen und müssen die Erzieherinnen Zeit für alle Kinder haben – auch für jene ohne Fluchterfahrung. Schnell war klar: Die Arbeit ist nur mit zusätzlicher Unterstützung möglich. Seit vergangenem Jahr gehört ein Sozialarbeiter zum Team. Sergej Dmitriew arbeitet vor allem mit jenen Flüchtlingskindern und deren Familien, die besondere Aufmerksamkeit benötigen. In Kleingruppen geht er spielerisch auf sie ein und versucht, sie in die Gruppe zu integrieren.

Ein syrischer Bufti

Finanziert und fachlich begleitet wird die Stelle des Sozialarbeiters anteilig von der zuständigen Landeskirche, in diesem Fall die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, und vom Landkreis. „Es lohnt sich, gezielt nach Unterstützung für die Flüchtlingsarbeit zu fragen“, so die Erfahrung von Dennis Drippe. Gute Ansprechpartner sind neben den Trägern beispielsweise die Jugendämter oder die zuständigen Ministerien auf Landes- und Bundesebene.

Auf diesem Weg konnte die Kita dieses Jahr auch einen ganz besonderen Bundesfreiwilligendienstleistenden (Bufdi) für sich gewinnen: Taufik Alsaaid stammt aus Syrien, ist selbst nach Deutschland geflohen. Durch den Dienst erhält der junge Flüchtling eine Möglichkeit, seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Die Kinder aus dem arabischsprachigen Raum wiederum haben jemand, der nicht nur die Fluchterfahrung teilt, sondern auch ihre Muttersprache spricht. Gefördert wird dieses Modell durch das Bundesfamilienministerium.

Stärkung der sozialen Kompetenzen

Die Zusammenarbeit mit den Eltern spielt eine besonders wichtige Rolle für die Integration der Flüchtlingskinder. „Je wohlgesonnener die Eltern der Kita sind, desto schneller und besser funktioniert es mit den Kindern“, das erlebt Christiane Fell täglich in ihrer Arbeit. Deshalb nimmt sich Kita-Leiter Dennis Drippe schon im Anmeldungsgespräch viel Zeit, um das Konzept der Kita zu erklären. Bei Bedarf ist ein Dolmetscher mit dabei – ebenso wie später bei den Entwicklungsgesprächen. Dafür stellt der Landkreis entsprechende Mittel zur Verfügung. „Weltoffenheit und Toleranz sind für uns zentrale Werte, die hier gelebt und den Kindern vermittelt werden.“ Ein deutliches Signal an die Eltern ist auch ein Begrüßungs-Pult im Flur: Auf ihm steht in 16 Sprachen „Willkommen“. Mit freundlichen Worten und einem offenen Ohr nimmt eine der Erzieherinnen hier jeden Morgen die Eltern und Kinder in Empfang. Weitere Elemente der Erziehungspartnerschaft sind gemeinsame Feste wie ein interkulturelles Picknick oder das weihnachtliche Krippenspiel.

Auch die Kita „Am Wall“ stößt immer wieder an ihre Grenzen. „Für uns alle, Erzieher, Kinder und Eltern ist die tägliche pädagogische Gestaltung und Weiterentwicklung eine Herausforderung“, sagt Dennis Drippe. Doch die Zeit zurückdrehen, eine Kita ohne Flüchtlingskinder? Das wünscht sich Christiane Fell trotz aller Herausforderungen nicht. „Die Gruppen haben einen anderen Zusammenhalt bekommen, die sozialen Kompetenzen aller Kinder werden gestärkt.“ Das hilft ihr auch bei ihrer Arbeit als Erzieherin. „Und ich profitiere als Mensch. Mein Blick hat sich geöffnet.“

Die gute pädagogische Arbeit der Kita „Am Wall“ hat sich in Alzey herumgesprochen. „Einige Eltern entscheiden sich mittlerweile bewusst für uns“, sagt Dennis Drippe. „Sie schätzen die Weltoffenheit und Vielfalt, die hier gelebt werden.“

 

WEITERE INFOS

Flüchtlingskinder haben wie alle Kinder in Deutschland einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Hier gibt es Informationen und Praxishilfen für Kitas:
www.fruehe-chancen.de/themen/integration

 

SERVICE DER DGUV

Informationen für Kitas und Schulen zum Thema Flüchtlinge hat die Deutschen Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) auf folgender Seite zusammengestellt:
www.dguv.de/fluechtlinge

Plüschtier und Plastikauto ade

Der Abschied von Teddy & Co. fällt leicht: „Juhu“, rufen die Kinder, flitzen umher – und räumen eifrig alle Spielsachen aus den Holzschränken. Bausteine, Babypuppen, Bilderbücher, alles landet in braunen Umzugskartons. Die Kinder schleppen gemeinsam mit ihren Erzieherinnen die Pappkisten auf den Dachboden. Dort lagern sie sieben Wochen lang gut verschlossen. So lange ist im evangelischen Kindergarten „Die kleinen Hände“ im nordhessischen Ringgau spielzeugfreie Zeit angesagt.

Nach zwei Tagen macht sich Langeweile breit. Die Kinder stehen vor leeren Regalen und wissen nichts mit sich anzufangen. Kein Neuland für die Pädagoginnen. „Wir wussten, was auf uns zukommt“, sagt Kita-Leiterin Carina van der Willik. „Unsere Aufgabe ist es, das auszuhalten.“ Das lohnt sich: Nach drei, vier Tagen platzt der Knoten. „Da kommt richtig was ins Rollen“, berichtet sie. Die Kinder werden kreativ. Aus Ästen bauen sie im Garten ein Tipi und rollen in Kartons den Hang hinunter. „Jeden Tag entstehen verrücktere Sachen.“ Für alle eine tolle Erfahrung.

Kurz
gesagt!

  • Genug Zeit für die Vorbereitung einplanen
  • Durchführung im Frühling oder Sommer, damit die Kinder viel draußen spielen können
  • Kinder einbeziehen, gemeinsam Abschied vom Spielzeug nehmen
  • Alltagsgegenstände wie Kastanien oder Klopapierrollen bereithalten

 

„Spielzeug im Überfluss“

Der Hintergrund ist ernster. Im Alltag können sich viele Kinder kaum noch mit sich selbst beschäftigen, so die Erfahrung der Kita-Leiterin. Sie hätten Spielzeug im Überfluss, bräuchten ständig Animation. „Einige sind gefühlt immer auf der Flucht“, sagt sie. Das Team ist überzeugt: Eine Pause tut gut. „Back to the roots“, nennt van der Willik die spielzeugfreie Zeit. Nur Alltagsgegenstände sind erlaubt. Dazu gehört der Pappkarton, den die Kinder im Nu zur Eisdiele umbauen genauso wie die Klopapierrollen, durch die jetzt Kastanien kullern. Alle bemerken, dass die Kinder viel mehr miteinander reden. Und noch etwas fällt auf: Sonst eher stille Kinder geben mit tollen Ideen den Ton an.

Die Aktion Jugendschutz der Landesarbeitsstelle Bayern e.V. unterstützt seit 25 Jahren Kindergärten dabei, ihr Spielzeug wegzupacken. Im Kindesalter sei für die Prävention die Förderung von Lebenskompetenzen am wichtigsten, betont Geschäftsführerin Elisabeth Seifert. Durch Projekte wie die spielzeugfreie Zeit seien die Kinder später weniger anfällig für Suchtkrankheiten. Außerdem werde deren Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit gestärkt. Kinder bekämen Raum und Zeit, um sich selbst wahrzunehmen. Wichtig ist ihrer Meinung nach, dass sich die Kitas viel Zeit für die Vorbereitung nehmen und sowohl Eltern als auch Kinder gut einbinden. Seifert empfiehlt eine spielzeugfreie Zeit von mindestens drei Monaten. Ihre Erfahrung: „Alle brauchen Zeit, um sich darauf einzulassen.“ Für Erzieherinnen und Erzieher sei es eine Herausforderung, mit dem Rollenwechsel klarzukommen.

Alltagsgegenstände regen in der spielzeugfreien Zeit die Fantasie der Kinder an.

Rollenwechsel akzeptieren

Diese Erfahrung macht auch Claudia Biehl aus der Krippe in Ringgau. Als das Spielzeug weg ist, rennen und toben die Kleinen wild herum. Sie sei froh, dass sie sich im Team vorher so intensiv mit dem Konzept beschäftigt hätten. „Das gibt Sicherheit.“ Die Erzieherin nimmt sich zurück – und wartet ab, „ohne in Panik zu geraten“. Schnell legt sich die Unruhe. Die Kinder schieben einen leeren Geschirrwagen herum, entdecken im Garten kleine Käfer und Ameisen. „Sie sind viel offener für die kleinen Dinge“, erzählt Claudia Biehl, „weil sie nicht so abgelenkt sind.“

Als das Spielzeug nach sieben Wochen wieder ausgepackt wird, ist die Freude groß. Die Kleinsten stürzen sich auf die Knete, die Größeren stapeln sofort Bauklötze oder verkleiden sich als Prinzessin. Doch über die Hälfte der Spielsachen bleibt auf dem Dachboden. Es hat sich gezeigt, dass viele Puppen und Plastikautos niemand vermisst hat. Und für alle steht fest: „Das machen wir wieder!“

Nutzen für die pädagogische Arbeit

  • Kinder lernen, sich selbst besser wahrzunehmen
  • Sie kommen mehr ins Gespräch miteinander
  • Kinder werden selbst aktiv
  • Die Kreativität und Fantasie werden gefördert
  • Die Spielpartner wechseln öfter als sonst
  • Erfolgserlebnisse stärken das Selbstbewusstsein

 

WEITERE INFOS

Eine Einführung ins Thema bietet die Aktion Jugendschutz der Landesarbeitsstelle Bayern e.V. auf ihrer Homepage. Der gemeinnützige Verein erklärt die theoretischen Hintergründe und gibt praktische Tipps. Außerdem gibt es begleitende Materialien wie Film, Leitfaden, Frage- und Auswertungsbögen sowie Elterninfos.

Mehr unter: www.spielzeugfreierkindergarten.de

Die Mischung macht‘s

Wie fühlt man sich als einer der wenigen Männer in der Kita?

Mäx Nink: Ich sehe mich nicht als Exot und fühle mich auch nicht so. Wir sind alle Profis in der Kita – völlig egal, ob Mann oder Frau.

Josef Zeinali: Ich bin Teil des Teams, und nicht der Hahn im Korb.

Gehen Erzieher mit Kindern anders um als die Kolleginnen?

Mäx Nink: Nein, ich hoffe nicht. Die pädagogischen Standards sind schließlich die gleichen.

Josef Zeinali: Man kann nicht pauschal sagen, dass Männer anders drauf sind als Frauen. Das hat nichts mit dem Geschlecht, sondern mit dem Charakter zu tun.

Zu einem anderen Klischee: Rufen Kinder zum Streitschlichten eher Erzieher und zum Basteln eher Erzieherinnen zu Hilfe?

Mäx Nink: Aus meiner Erfahrung gehen Kinder bei Konflikten zu der Person, zu der sie ein gutes Vertrauensverhältnis haben. Und beim Basteln zu der Person, die das Angebot initiiert hat – ganz egal ob Erzieher oder Erzieherin.

Josef Zeinali: Ich lebe in einer Großfamilie. Dadurch ist mir Empathie und der offene Umgang mit Gefühlen total wichtig – gerade bei Jungs. Ich möchte ihnen vorleben, dass ein echter Mann kein gefühlloser Macho sein muss, um stark zu sein. Ich möchte den Kindern ein neues Männerbild vermitteln.

Gibt es Vorurteile der Eltern gegenüber Erziehern?

Mäx Nink: Bei manchen Eltern gibt es die Vorurteile. Es gibt Ängste aufgrund schlimmer Missbrauchsfälle in der Vergangenheit. Hier hilft nur, transparent zu arbeiten, um sich mit respektvollem Umgang mit Kindern und Eltern das Vertrauen „zu verdienen“ und zu zeigen, dass die Ängste unbegründet sind. Ich wickle zum Beispiel immer nur bei offener Tür und möglichst, wenn andere im Raum sind.

Josef Zeinali: Traurig, aber wahr. Teilweise hat man schon das Gefühl, als Mann in der Kita mit einem Bein im Gefängnis zu stehen. Man muss sich dieser Vorurteile einiger Eltern einfach bewusst sein und sich entsprechend verhalten.

Was bedeuten Männer in der Kita für das Team?

Mäx Nink: Ich habe in meiner 25-jährigen Tätigkeit als Erzieher schon oft gehört „endlich ein Mann im Team“. Auch wenn ich jetzt ein Klischee bediene: Männer schätzen öfter die direkte Kommunikation und klare Ansagen. Außerdem harmonisieren sie das Team. Grundsätzlich tut eine Mischung aus männlich und weiblich, alt und jung und verschiedenen Kulturen dem ganzen Team gut.

Josef Zeinali: Ich entspreche von der Art her nicht dem gängigen Männerbild. Ich bin sehr empathisch und zugänglich. Aber ich glaube trotzdem, dass wir Männer viele Sachen entspannter sehen als Frauen. Und diese Gelassenheit ist so wichtig für die Psyche. Ob nach der Arbeit einfach nur Kopfhörer aufziehen und Musik hören oder Joggen gehen – jeder muss seine eigene Methode finden, um runterzufahren.

Bei den Eltern stoßen die Erzieher Josef Zeinali (rechts) und Mäx Nink manchmal auf Vorurteile.

Was begeistert Sie an Ihrem Beruf?

Mäx Nink: Er ist extrem vielfältig und spannend. Mit unserer wichtigen Arbeit kann man die Welt ein kleines Stück besser machen, indem man zusammen mit den Eltern die Kinder zu aufgeschlossenen, kreativen und starken Persönlichkeiten heranzieht.
Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mir allerdings größere Räume, mehr und gut bezahltes Personal mit weniger Stunden wünschen. Dann wäre mein Beruf wirklich wieder mein Traumberuf.

Josef Zeinali: Es gibt bei der Arbeit mit Kindern zum Glück keine Routine. Man muss sich immer wieder auf neue Emotionen der Kinder und Situationen einlassen. Das ist auf der einen Seite unheimlich Energie zehrend, auf der anderen Seite lädt ein strahlendes Kind sofort alle Akkus wieder auf. Diese Lebensfreude der Kinder ist einfach total ansteckend.

Mäx Nink ist 45 Jahre alt und Erzieher in der katholischen Kita St. Bonifatius in Wiesbaden.

Josef Zeinali ist 27 Jahre alt und ebenfalls Erzieher in St. Bonifatius.

 

Achtung: Eis-Einbruch!

Wenn kleine Kinder ins Eis einbrechen, ist die Lage besonders dramatisch“, so Silvia Darmstädter vom Deutschen Feuerwehrverband. „Schließlich können sie meist noch nicht schwimmen und geraten im eiskalten Wasser schnell in Panik.“ Ein Zustand, der die Rettung des Kindes erschwert. Egal, wie und wo das Kind eingebrochen ist, die Expertin rät:

  1. Sofort den Notruf 112 wählen.
  2. Die anderen Kinder nicht unbeaufsichtigt lassen.
  3. Abwägen: „Was kann ich tun, ohne mich selbst oder andere in Gefahr zu bringen?“
    • Ist das Kind direkt am Ufer eingebrochen, sofort das Kind herausziehen. Achtung: Vollgesogene Winterkleidung ist sehr schwer. Bitten Sie möglichst andere Personen um Hilfe.
    • Wenn das Kind mitten im Gewässer eingebrochen ist und sie es nicht
      vom Ufer aus greifen können, keine überstürzte Rettungsaktion starten: Die wesentlich schwereren Erwachsenen laufen Gefahr, ebenfalls einzubrechen.
    • Ist das Kind in Ufernähe, flach aufs Eis legen und dem Kind einen dicken Ast oder einen zusammengerollten Mantel zuwerfen, damit es daran herausgezogen werden kann.
  4. Einem geretteten Kind, das „nur“ mit den Beinen eingebrochen ist, die nasse Hose ausziehen und es mit warmen Jacken bedecken. Wenn das gerettete Kind komplett nass ist, die Kleidung anlassen, und nur warme Kleidungs stücke drüberlegen, bis der Notarzt kommt.
  5. Niemals im Wasser tauchen, um Personen zu suchen.

Wichtig: Werden nicht offiziell freigegebene Eisflächen betreten, besteht Lebensgefahr! Es droht eine lebensgefährliche Unterkühlung und Ertrinken. Kinder haben bereits nach zwei Minuten im Wasser kaum noch eine Überlebenschance. Weisen Sie die Kinder auf diese Gefahr hin! Kinder sind besonders gefährdet, da sie die Tragfähigkeit der Eisdecke überschätzen. Auch wenn das Eis an Ufernähe fest erscheint, kann es wenige Meter weiter brüchig sein. Dies gilt vor allem bei fließenden Gewässern, durch Strömungen kommt es zu erheblichen Unterschieden der Eisdicke.

WEITERE INFOS

www.feuerwehrverband.de

 

Verständnis für das Anderssein

Die Karl Kübel Stiftung für Kind und Familie im hessischen Bensheim beschäftigt sich schon seit vielen Jahrzehnten mit der Integration anderer Kulturen in die deutsche Bildungslandschaft. Lange Zeit war das Thema nicht sonderlich gefragt, erzählt Vorstandsmitglied Daniela Kobelt Neuhaus. „Als vor drei Jahren so viele Flüchtlinge kamen, hat sich gezeigt, wie wichtig das Thema ist.“ Die Stiftung unterstützt Erzieherinnen und Erzieher unter anderem mit Beratungsangeboten. Daniela Kobelt Neuhaus kennt die Ängste der Kita-Teams. Einige Frauen beschäftigt beispielsweise die Frage, ob muslimische Männer ihnen die Hand geben und ihre Autorität in der Kita anerkennen. „Wichtig ist, dass ich selbst weiß, wie ich behandelt werden möchte und mir die eigenen Wertvorstellungen klar sind“, sagt Daniela Kobelt Neuhaus. Dass ließe sich dann auch gut vermitteln. In vielen Situationen wäre aber auch Kompromissbereitschaft notwendig.

Kurz
gesagt!

  • Den Eltern und Kindern Sicherheit vermitteln
  • Offenheit für das Unbekannte
  • Sprachbarrieren mit Hilfsmitteln wie Piktogrammen überwinden
  • Austausch im Team pflegen

Kulturelles Miteinander

Mit der Integration von Flüchtlingskindern wurde der Hort Kuntzehöhe weitgehend unvorbereitet konfrontiert. „Mein Team und ich wussten anfangs gar nicht, was auf uns zukommt“, sagt Jana Knüpfer. Sie leitet die Einrichtung im sächsischen Plauen. Eine der großen Fragen, die das Team damals bewegte: Wie wird das Miteinander mit Familien aus anderen Kulturen funktionieren? Heute weiß die Kita-Leiterin: Das Miteinander ist eine Bereicherung für alle. Ihr Hort beteiligt sich inzwischen an dem Projekt „Willkommenskitas“ der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS). Es gab Weiterbildungsangebote dazu, wie die Aufnahme von Flüchtlingskindern gelingen kann. Besonders wichtig: Den Eltern muss die Sicherheit vermittelt werden, dass ihre Kinder im Hort gut aufgehoben sind. Dass hier nach der Fluchterfahrung Normalität herrscht. Normalität – das bedeutet in einer Kita auch das Einhalten von Regeln. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Eltern unserer Flüchtlingskinder diese problemlos akzeptieren.“

Missverständnisse gehören dazu

Julia Schauer, die das Projekt Willkommenskitas in Sachsen koordiniert, hält Kultursensibilität für wichtig. Dabei ginge es nicht darum, dass Erzieherinnen und Erzieher zu Religionsexperten werden. Vielmehr sei Verständnis für das Anderssein wichtig. „Es hilft zum Beispiel, wenn ich weiß, was der Ramadan ist“, sagt sie. Während der Fastenzeit ist das Essen von Speisen nur nach Sonnenuntergang erlaubt. „Das verändert das Familienleben in diesen Wochen.“

Missverständnisse kommen natürlich vor. So ist das strikte Einhalten vorgegebener Uhrzeiten eben typisch deutsch. „Das Angeben von Zeitspannen hat sich in der Zusammenarbeit mit Eltern aus anderen Ländern bewährt“, erzählt Daniela Kobelt Neuhaus. Beim Essen, für viele Eltern mit Blick auf das Verbot von Schweinefleisch im Islam ein wichtiges Thema, ist es allerdings ganz einfach: Die individuellen Sonderregelungen sind Kitas schon längst geläufig.

Den Eltern muss vermittelt werden, dass die Kinder in der Kita gut aufgehoben sind. Wichtig auch: Klare Informationen zum Essen.

Keine Sonderbehandlung für Flüchtlingskinder

Gleich mehrere Kulturen kennt Volker Abdel Fattah aus eigener Erfahrung. Der Referent für Kinder- und Jugendhilfe im AWO Landesverband Sachsen hat einen ägyptischen Vater, seine Mutter ist Deutsche. Einen Teil seiner Kindheit verbrachte er in Ägypten. Als er später in Deutschland die Schule besuchte, konnte Abdel Fattah die deutsche Sprache zwar sprechen, aber nicht schreiben. Wenn er heute bundesweit in Seminaren vor Erzieherinnen und Erziehern vermittelt, wie wichtig Integration für ausländische Menschen ist, spricht er aus gelebter Überzeugung. „Das heißt aber eben nicht, dass Flüchtlingskinder und ihre Eltern eine Sonderbehandlung brauchen.“

Kleine Piktogramme können die Kommunikation erleichtern.

Er hat oft erlebt, dass sich Erzieherinnen und Erzieher große Sorgen machten. Am Ende finden sich meist einfache Lösungen. Die Sprachprobleme sind solch ein Beispiel. Viele Kitas bekommen Hilfe von Dolmetscherinnen und Dolmetschern. Einige Einrichtungen verwenden kleine Piktogramme, um die Kommunikation zu erleichtern: Da wird zum Beispiel den Eltern das Bild einer kurzen Hose gezeigt, wenn im Sommer entsprechende Wechselkleidung mitgebracht werden soll. „Ich gebe allerdings immer den Rat, den Eltern Briefe oder Formulare in Deutsch mitzugeben“, sagt Volker Abdel Fattah. Schließlich wollen viele Flüchtlinge die deutsche Sprache lernen. Die Erfahrung zeigt: Oft sind es die Flüchtlingsfamilien, die die Zettel als Erste ausgefüllt zurückbringen. „Es ist wichtig, auf die Kompetenz der Familien zu vertrauen.“

Elternpost: Oft sind es die Flüchtlingsfamilien, die die Zettel als Erste ausgefüllt zurückbringen.

Klare Grenzen setzen

Das Einlassen auf Unbekanntes hat allerdings Grenzen. Die sind immer dann gesetzt, wenn das Kindeswohl gefährdet ist. „Das ist bei deutschen Familien aber genauso“, sagt Julia Schauer von der DKJS. Eine Grenze ist auch erreicht, wenn die Erzieherinnen und Erzieher die eigene Gesundheit aus dem Blick verlieren. Gerade bei Schicksalen von Flüchtlingsfamilien müsste deshalb immer wieder reflektiert werden, was pädagogische Fachkräfte mit ihrer Arbeit beeinflussen können und was nicht. „Wenn es um Themen wie Abschiebung geht, ist das hart. Aber man darf emotional nicht alles an sich heranlassen“, sagt Schauer.

Auch deshalb sind Gespräche im Team notwendig. „Wir haben oft zusammengesessen und uns beraten“, schildert Hort-Leiterin Jana Knüpfer. Heute sind sie alle gelassener; die Ängste sind weg. Die Arbeit mit Flüchtlingskindern und deren Eltern ist im Hort Kuntzehöhe zur Normalität geworden.

 

 

WEITERE INFOS

Wissenswertes in 40 Sprachen zu Themen wie Kindergesundheit, Schutzimpfung oder Früherkennungsvorsorge bietet eine neue Homepage des Bundesministeriums für Gesundheit. Das Portal „Migration und Gesundheit“ findet sich unter:
www.migration-gesundheit.bund.de

Das Aufnahmegespräch

Monika Hess hat sie auch gespürt: die Angst vor den vermeintlich falschen Fragen. Den Respekt vor den Sprachbarrieren. Wenn sie heute an ihr erstes Aufnahmegespräch mit Eltern eines Flüchtlingskindes zurückdenkt, hat sie jedoch ein gutes Gefühl. „Es war leichter als ich dachte“, sagt sie. „Wichtig ist, dass wir den Familien offen begegnen.“ Willkommenskultur – das ist in der katholischen Kita St. Albertus im hessischen Bensheim, die sie leitet, nicht nur ein Wort. Schon beim ersten Gespräch sollen die Eltern erfahren, dass ihre Kinder und sie selbst hier gut aufgehoben sind. 

Unterstützung durch Integrationslotsen

Für das Gespräch zieht Monika Hess die Hilfe eines Integrationslotsen hinzu, der übersetzt. So könnten alle sicher sein, dass wichtige Informationen nicht verloren gehen. „Trotzdem will ich die Leute nicht mit Informationen zuschütten“, sagt sie. Deshalb konzentriert sie sich auf das Wesentliche: Wie der Tagesablauf in der Kita funktioniert, was es zu essen gibt und wann die Kinder gebracht und geholt werden können. Die gut 20 Seiten Formulare und Papiere, die sonst zu so einem Termin gehören, schiebt sie erst einmal beiseite. Es sei wichtiger, die Menschen emotional abzuholen, Vertrauen zu ihnen auf zubauen. Bürokratische Hürden sind da eher hinderlich.

Das Kind steht im Mittelpunkt

Obwohl Monika Hess weder drängt noch Informationen einfordert, erzählen viele Familien ganz automatisch im Gespräch von ihren Fluchterfahrungen. Die Pädagogin interessiert dabei besonders, was das Kind erlebt hat. Auf welche Traumata oder Ängste sich das Kita-Team eventuell einstellen müssen. „Welches Lieblingsspielzeug das Kind hat, eine klassische Frage im Aufnahmegespräch, ist für mich in diesem Fall zweitrangig.“

In der katholischen Einrichtung wird mit den Flüchtlingsfamilien von Anfang an offen über Religion gesprochen. „Wir vermitteln den Eltern und Kindern, dass wir ihre Religion schätzen.“ Je offener und interessierter das Kita-Team sei, desto leichter entwickle sich eine gute Beziehung zu den Familien. „Da ist es letztlich egal, woher jemand kommt.“

 

Klare Aufgabenübertragung – klarer Schutz

Welche Elternaktivitäten in der Kita stehen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung?

Steffen Glaubitz: Abgesichert sind vor allem Aufgaben, die eigentlich von den Erzieherinnen und Erziehern erfüllt werden müssen wie etwa das Beaufsichtigen der Kinder. Angesichts knapper Personalressourcen können Kitas diese Aufgaben bei besonderen Anlässen wie Festen oder Ausflügen nur schwer alleine bewältigen. Werden solche Aufgaben ausdrücklich an Eltern übertragen, stehen auch diese unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Sie werden wie Beschäftigte tätig, sodass ein Unfall infolge dieser Tätigkeit als Arbeitsunfall gilt.

Für welche Tätigkeiten greift sie nicht?

Steffen Glaubitz: Auch im Zusammenhang mit dem Kita-Besuch ihrer Kinder haben Eltern Aufsichtspflichten. Nicht jeder Handgriff, den eine Mutter in der Kita für ihr Kind tut, ist eine „Wie“- Beschäftigung, nur weil diese Tätigkeit auch eine Pflicht der Erzieher sein könnte. Das Kuchenbacken oder die bloße Teilnahme am Sommerfest beispielsweise sind nicht gesetzlich unfallversichert. Hier greift die Krankenversicherung der Eltern.

Unter welchen Voraussetzungen können Leistungen in Anspruch genommen werden?

Steffen Glaubitz: Die Tätigkeit muss weisungsgebunden ausgeübt werden. Und die Aufgabenübertragung muss eindeutig nachweisbar sein. Kita-Beschäftigte, die auf aktive Eltern setzen, sollten deshalb die getroffenen Absprachen zu Art und Umfang der Tätigkeit kurz und formlos schriftlich festhalten – beispielsweise in einem Helferplan.

Was sind typische Unfälle von ehrenamtlich tätigen Eltern?

Steffen Glaubitz: Zum Glück gibt es nur wenige solcher Unfälle. Das größte Risiko birgt der Weg. Aber man kann natürlich auch beim Ausflug oder beim Hindernislauf stolpern.

Welche Leistungen erbringt die gesetzliche Unfallversicherung?

Steffen Glaubitz: Die Leistungen umfassen das Spektrum, das bei Freizeitunfällen von Krankenkasse und Rentenversicherung getragen wird – von der Heilbehandlung über Geldersatzleistungen bis hin zu beruflichen Wiedereingliederungsmaßnahmen. Der Umfang der Leistungen kann aber im Einzelfall erheblich weiter sein, weil mehr als nur das Erforderliche geleistet wird. In der Unfallversicherung ist entscheidend, ob eine Leistung geeignet ist, die Wiedereingliederung und Rehabilitation zu fördern. Außerdem ist dadurch, dass alles aus einer Hand kommt, die Abwicklung für die Betroffenen einfacher.

Wie ist der formale Ablauf geregelt?

Steffen Glaubitz: Welcher Unfallversicherungsträger zuständig ist, wenn Eltern „wie Beschäftigte“ tätig werden, hängt von der Trägerschaft der Kita ab – bei kommunalen Kitas ist es die Unfallkasse, bei privaten Kitas die Berufsgenossenschaft. Für echte übertragene Ehrenämter, die im Bereich der Kitas eher selten vorkommen, kann im Einzelfall auch die Unfallkasse zuständig sein. Die Personalstelle der Einrichtung sollte den Unfall an den Versicherungsträger melden. Hilfreich ist, wenn die Behandlung gleich von dessen Durchgangsarzt durchgeführt wird. Der Verunfallte sollte in der Praxis darauf hinweisen, dass der Unfall im Rahmen einer ehrenamtlichen Tätigkeit in der Kita passiert ist. In der Folge nimmt der Mediziner – auch bei Privatpatienten – Kontakt mit der zuständigen Unfallkasse oder Berufsgenossenschaft auf und rechnet direkt mit dieser ab.

 

SERVICE

Broschüre „Feste und Gäste – Versicherungsschutz bei Kita-Festen und Ausflügen“: www.unfallkasse-berlin.de >Webcode: ukb137

„Feiern wir im Himmel Geburtstag?“

„Für mich ist die Trauerbegleitung von Kindern eine Herzensangelegenheit. Deshalb biete ich in unserer Kita Projekte dazu an. Dabei geht es nicht nur um Sterben und Tod – Kinder geraten öfter in Trauersituationen, als man denkt: Die beste Freundin zieht in eine andere Stadt oder die Eltern lassen sich scheiden. Ich möchte den Jungen und Mädchen dabei helfen, auf solche Ereignisse vorbereitet zu sein. Durch Projekte wie „Feiern wir im Himmel Geburtstag?“ sensibilisiere ich Kita-Kinder und deren Eltern für schwere Themen wie Tod, Sterben und Abschied nehmen. Dies darf nicht tabuisiert werden – all das gehört schließlich zum L eben dazu. Ein offener Umgang gibt schon in jungem Alter die Möglichkeit, Trauer und Abschiede besser zu verarbeiten. Das stärkt die Kinder und ihre psychische Gesundheit.“

 

Vertrauen und Toleranz sind die Basis für Integration

Sergej Dmitriew, Sozialarbeiter in der Kita „Am Wall“, Rheinland-Pfalz:

„Integration von Kita-Kindern gelingt nur, wenn uns auch die Eltern vertrauen und wir regelmäßig ins Gespräch kommen. Zum Glück ist das in unserer Kita der Fall. Ich erinnere mich an eine Situation, in der uns ein arabischer Vater empört angesprochen hat, weil die Straßenschuhe seines Sohnes – wie bei allen anderen Kindern – in der Flurgarderobe im Fach über seinem Namensschild standen. Das war für ihn eine Form der Respektlosigkeit. Er hat uns wie gesagt direkt darauf angesprochen und wir haben einfach die Schuhe seines Kindes nach unten auf den Boden gestellt. Für uns war das eine Kleinigkeit, die wir gerne geändert haben. Ohne Vertrauen und Toleranz hätte daraus ein schwerer kultureller Konflikt entstehen können.“