Da staunst du Bauklötze!

KURZ GESAGT!

_Eine Kita kann von berufsfremdem Fachwissen profitieren

_Der Träger und die Leitung müssen auf die Qualitätssicherung achten

_Offene Haltung des Teams erleichtert Neuzugängen den Einstieg

Patrick Lethen kennt eine Reihe von Jungs, die für das Malen wenig Begeisterung aufbringen. Um sie im gestalterisch-handwerklichen Bereich zu bilden, hat sich der Mitarbeiter der AWO-Kita Grünauer Straße in Monheim etwas Besonderes ausgedacht: Er trennte einen Bereich des Bauraums ab und richtete ihn als Werkstatt für kaputtes Holzspielzeug ein. Dafür hatte er eine Idee. „Jungs, wir brauchen ein Schild“, sagte er zu den Kindern. „Damit alle wissen, dass das hier unsere Werkstatt ist.“ Der Erfolg gab ihm recht. „Sie glauben gar nicht, wie schnell die Kinder plötzlich die Stifte in der Hand hatten und gemalt haben.“ 

Es geht eben nichts über gute Motivation. Lethen selbst ist ebenso motiviert, was sein Engagement in der Kita angeht. Ursprünglich war er als Maler tätig, zuvor hatte er Elektriker gelernt und schon für das Rote Kreuz in der Küche gearbeitet und Rettungswagen gefahren – die personifizierte Multiprofessionalität sozusagen. Dann kam der Arbeitsunfall, der sein Berufsleben veränderte. In seinen alten Job konnte er nicht mehr zurückkehren.  Stattdessen orientierte er sich neu, machte eine Umschulung im sozialen Bereich und sammelte erste Erfahrungen in einem Jugendhilfezentrum.

Von der Aushilfs- zur Ergänzungskraft

Seine berufliche Heimat fand er, als er die Stellenausschreibung seines jetzigen Arbeitgebers entdeckte. Patrick Lethen bewarb sich, wurde eingeladen, hospitierte. Daraus sind nun mehr als zwei Jahre geworden.

Als Aushilfskraft außerhalb des Personalschlüssels fing er an und fühlte sich vom ersten Tag an als vollwertiges Mitglied des Teams. Er brachte sein Know-how ein, indem er mit den Kindern malte und zeichnete oder indem er mit ihnen mit Holz- und Legosteinen oder auf einem Leuchttisch mit Glasbausteinen baute. Inzwischen hat er sich weiterqualifiziert und ist vom zuständigen Landschaftsverband Rheinland (LVR) als pädagogische Ergänzungskraft anerkannt worden. „Ich freue mich, dass ich die Kolleginnen und Kollegen nun auch bei Aufgaben wie Elterngesprächen oder Dokumentationen unterstützen kann“, sagt er. 

Kreative Wege aus dem Fachkräftemangel

Geholfen hat der glückliche Zufall, dass die AWO-Kita Grünauer Straße damals nach kreativen Wegen aus dem Fachkräftemangel suchte und anfing, sich mit dem Thema Multiprofessionalität zu beschäftigen. Naheliegend wären Fachkräfte aus den Bereichen Psychologie, Heil- und Sozialpädagogik, Logopädie oder Physiotherapie, wie sie auch in anderen Kitas arbeiten. Stattdessen wurde es in Patrick Lethen ein Mann aus einem handwerklichen Beruf. „Wir arbeiten mit unseren 110 Kindern in einem offenen Gruppenkonzept und haben verschiedene Bildungsbereiche, zum Beispiel einen Bauraum und ein Malatelier“, erklärt Kitaleiterin Mareike Rosenow-Büch. „Wir schauen genau hin, welche Menschen mit einer anderen Ausbildung uns bereichern können.“ Man würde sich nicht wahllos als Notlösung für Personen aus anderen Berufen öffnen. „Die Qualität unserer Arbeit soll ja erhalten bleiben.“ Im Idealfall verbessert sie sich sogar.

Klar, anfangs stellen Neuzugänge eine zusätzliche Belastung für die pädagogischen Fachkräfte dar. „Es ist aber nicht nur für uns, sondern auch für die Quereinsteiger herausfordernd“, sagt Mareike Rosenow-Büch. „Man braucht schon die Bereitschaft, es unbedingt machen zu wollen. Unser Träger bietet aber sehr gute Fortbildungen für den Einstieg an“, sagt die Kitaleiterin. Noch dazu sei das Team in einem bunten Stadtteil Monheims ebenfalls sehr bunt und offen – was auch auf die Eltern zutreffe. Die positive Grundhaltung sei ein wesentlicher Faktor, um Neuzugängen das Ankommen zu erleichtern.

Nach der Einarbeitung überwiegen die Vorteile

Spätestens nach der Einarbeitung überwiegen die Vorteile. Und die möchte Mareike Rosenow-Büch nicht mehr missen. Die Kitaleiterin hat schon weitere Ideen: Ein gelernter Koch oder eine Landschaftsgärtnerin seien für sie als Aushilfskräfte gut vorstellbar – wobei die Zahl der Quereinsteiger durch die Personalverordnung begrenzt sei. Ihr Fazit fällt aufgrund der gesammelten Erfahrungen auf jeden Fall positiv aus: „Aus meiner Sicht ist Multiprofessionalität eine große Chance für Kitas“, sagt Mareike Rosenow-Büch.

Bei Patrick Lethen muss sie sich da keine Sorgen machen. Es scheint, als habe er seinen Traumberuf gefunden. „Wir hatten im Sommer die Verabschiedung der Vorschulkinder, die ich seit zwei Jahren kenne. So etwas geht ans Herz“, sagt er. „Die Arbeit mit den Kindern kann man mit nichts vergleichen.“

Reife Leistung

KURZ GESAGT!

_Kitateams werden insgesamt älter

_Kitaleitungen müssen Bedarfen aller Rechnung tragen

_Von Maßnahmen profitie­ren auch die Jüngeren

Der demografische Wandel und der daraus resultierende Fachkräftemangel sind auch in den Kindertageseinrichtungen bereits deut­lich zu spüren. Die durchschnittliche Erzieherin ist knapp 42 Jahre alt – Tendenz steigend. Statistiken zeigen, dass bis zum Jahr 2030 etwa 120.000 pädagogische Fachkräfte in Rente ge­hen werden. Um die Prozessqualität der Einrich­tungen zu sichern, müssen Kitaleitungen und Träger – auch unabhängig vom Personalnot­stand – den älteren Beschäftigten in Kitas eine Arbeitsumgebung bieten, die deren Belange und Perspektiven berücksichtigt. Denn viele von ihnen wollen oder müssen bis zum Rentenalter arbeiten. Von einer solchen Personalentwick­lung profitieren jedoch nicht nur die Älteren, sondern das ganze Team – sowie folglich auch Kinder und deren Familien. Denn: Die Kinder werden immer jünger, ihre Betreuungsdauer ist deutlich länger als noch vor einigen Jahren. Sie sind auf gesunde, motivierte und ausreichend viele pädagogische Fachkräfte angewiesen.

Viele der Maßnahmen, die eine alternsgerechte Arbeitsumgebung schaffen, fallen unter das Schlagwort „Betriebliches Gesundheitsmanage­ment“. Dazu gehören natürlich ergonomisches Mobiliar, Lärmschutz und Rückzugsräume für die Beschäftigten sowie Angebote zur Gesundheits­förderung (z. B. Rückenschule oder Entspan­nungskurse) – Maßnahmen, die letztlich allen Beschäftigten zugutekommen, nicht nur den älteren. Darüber hinaus spielen auch die Orga­nisation der Arbeit sowie eine Präventionskultur, die sich durch einen ganzheitlichen Ansatz aus­zeichnet, eine wichtige Rolle.

Alle Altersklassen ein Gewinn fürs Team


Für die älteren Teammitglieder sind manche dieser Aspekte wichtiger als andere. Welche Faktoren für sie besonders belastend sind, erfahren die Kitaleitung und der Träger durch regelmäßige Befragungen des Personals. Die Antworten geben die Richtung vor. Dabei gilt es, die Potenziale der Einzelnen für das Team gewinnbringend einzusetzen. Vielleicht hat die 55-­Jährige Schwierigkeiten beim Heben und Tra­gen der Krabbelkinder. Digitale Medien sind ihr nicht geheuer, während die 20­jährige Kollegin davon schwärmt. Dagegen ist sie sehr erfah­ren im Führen schwieriger Elterngespräche und behält die Ruhe, wenn sich ein Kind verletzt.

Zusammen und mit guten Absprachen sind alle Altersklassen ein Gewinn fürs Team, nach dem Motto: „Die Jüngeren können schneller laufen, aber die Älteren kennen die Abkürzungen“, wie es die Leitung eines Hamburger Projekts zur alternsgerechten Arbeitsplatzgestaltung in Kitas ausdrückte.
(Michael Schaaf und Costanza Müller­Djalili in: Betriebliche Gesundheitsförderung für ältere Mitarbeitende, KiTa ND, 11/2012).

Dies bedeute nämlich gerade nicht, Schonräume für die Älteren zu schaffen und die Jungen dafür doppelt so viel arbeiten zu lassen, sondern gemeinsam Lösun­gen zu finden, wie sich jede und jeder Einzelne optimal einbringen könne. Das kollegiale Miteinander und die gegenseitige Wertschätzung sind darüber hinaus oft ungleich wichtiger als der durch den Träger finanzierte Yogakurs. Deshalb ist – wie so oft – gute Kommunikation der Schlüssel.

Im Gespräch bleiben


Das gilt besonders dann, wenn es erforderlich sein sollte, die Arbeitsorganisation alternsgerecht zu verän­dern, zum Beispiel wenn ältere Mitarbeiterinnen aus der Krippe in den Elementarbereich wechseln. Das gesamte Team muss bei diesen Veränderungsprozessen einge­bunden werden, damit nicht der Eindruck entsteht, es würden Sonderwünsche Einzelner erfüllt, während die anderen noch mehr aufgeladen bekommen.

Auch die Älteren sind gefordert, sich den neuen Realitä­ten zu stellen: Pädagogische Konzepte haben sich seit ihrer Ausbildung genauso gewandelt wie der Anspruch an frühkindliche Bildung. Dokumentationspflichten und Verwaltungsaufgaben haben zugenommen, (digitale) Medienbildung gehört zum Standard und die Eltern­kommunikation ist anspruchsvoller als noch vor Jahren. Regelmäßige Fort­ und Weiterbildungen helfen allen (!) Fachkräften, bei diesen Entwicklungen mitzuhalten. Für Kitaleitungen und Träger liegt im Ermöglichen des lebenslangen Lernens ein großes Potenzial.

Letztlich ist die alternsgerechte Gestaltung von Kita­-Arbeitsplätzen ein Werkzeug, um mit einem guten, ein­gespielten Team aus Alt und Jung die Herausforderun­gen der Zukunft zu meistern und erfahrenes Personal zu halten.

Mehr U3-Plätze – aber auch mehr Bedarf

Bei dem Versuch, die Qualität in Kitas zu verbessern, sind in den vergangenen zehn Jahren Fortschritte zu verzeichnen. Allerdings gibt es immer noch Herausforderungen, was die bedarfsgerechte Ausstattung mit Plätzen und einen angemessenen Personalschlüssel angeht. Zu diesen Ergebnissen kommt das Deutsche Jugendinstitut (DJI), dessen kürzlich veröffentlichter Analyse verschiedene Studien und Datenerhebungen zugrunde liegen.

Zwischen 2012 und 2021 hat sich die Quote der unter Dreijährigen, die in Kitas betreut werden, von 27,6 auf 34,4 Prozent erhöht, wie aus der Kinderbetreuungsstudie 2021 (KIBS) des DJI hervorgeht. Allerdings ist der Elternbedarf im gleichen Zeitraum von 39 auf 47 Prozent gestiegen – die Kluft zwischen Kitaplätzen und Bedarf hat sich somit sogar leicht vergrößert, obwohl mehr Kitaplätze geschaffen wurden.

Der Personal-Kind-Schlüssel hat sich trotz des Fachkräftemangels im vergangenen Jahrzehnt verbessert, die Investitionen einzelner Länder in Qualitätsverbesserungen würden sich auszahlen. Allerdings weist das DJI darauf hin, dass noch nicht geklärt ist, welche Rolle die Corona-Pandemie spielt, beispielsweise durch mögliche verzögerte Kita-Einstiege von Kindern. Diese kurzfristigen Effekte könnten schnell verpufft sein und stünden nicht mit Qualitätsverbesserungen in Kitas in Zusammenhang. In Gruppen von unter Dreijährigen kamen in Deutschland im Jahr 2021 statistisch genau vier Erzieherinnen oder Erzieher auf ein Kind. 2012 lag der Personal-Kind-Schlüssel noch bei 1:4,9. Bei den über Dreijährigen verbesserte sich der Personal-Kind-Schlüssel innerhalb des Zeitraums von zehn Jahren von 1:9,5 auf 1:8.

Quelle: https://www.dji.de/themen/kinderbetreuung/plaetze-und-personalschluessel.html