„Stärkt fürs ganze Leben“

Worauf kommt es besonders an?

Kurz gesagt: Bei der Eingewöhnung passiert sehr viel in sehr kurzer Zeit. Der Start in der Kita wird als Transitionserfahrung bezeichnet, also als große Veränderung. Das Kind muss die Trennung von den Eltern verkraften. Und parallel dazu muss es sich auch in einem völlig neuen sozialen Kontext zurechtfinden, seinen eigenen Platz in der Gruppe finden und sich an die Strukturen anpassen. Das erfordert eine emotionale Höchstleistung. Das Wichtigste ist, sich dafür genug Zeit zu nehmen.

Ist eine Eingewöhnung ohne Tränen überhaupt möglich?

Ziel sollte auf jeden Fall sein, dass die ersten Trennungen ohne Tränen ablaufen. Ein positiver Start ist extrem wichtig. Bedingung dafür ist, dass die Beziehung stabil ist und die Kinder sich sicher fühlen. Es ist nicht schlimm, wenn es auch mal ein paar Tränen gibt – aus Trennungskummer. Weil die Kinder ihre Eltern sehr lieb haben und sie vermissen. Sie sind kurz traurig, danach ist die Welt aber wieder in Ordnung. Voraussetzung ist, dass die Beziehung stabil ist – und sie wissen, dass jemand gut auf sie aufpasst. Was nicht passieren darf, ist Trennungsschmerz: Dabei lassen sich die Kinder kaum beruhigen, weinen laut oder wimmern leise.

Wie gelingt eine sanfte Eingewöhnung?

Oft liegt der Fokus sehr auf der Trennung. Dabei gilt es vor allem, erst eine Bindung aufzubauen. Die meisten Kinder mögen ihre Bezugsperson, spielen mit ihr und lassen sich auch mal auf den Arm nehmen. Das ist total wichtig, reicht aber oft nicht aus, um die Eltern gehen zu lassen. Das kann dazu führen, dass die erste Trennung negativ erlebt wird. Kinder haben eingespeichert, dass eine Bindungsperson in der Nähe sein muss. Deshalb sollte erst sichergestellt werden, dass das Kind die Fachkraft als Ersatz für die Eltern annimmt und sich von ihr trösten lässt. So findet ein Loslassen statt, wenn die Kinder bereit sind. Und wenn die Eltern bereit sind.

Was braucht es, um Bindung aufzubauen?

Viel Zeit. Eine Eingewöhnung dauert oft länger, als viele denken. In der Regel findet die erste Trennung am vierten Tag statt, das ist meistens viel zu früh. Eine gute stabile Eingewöhnung kann sechs bis acht Wochen dauern, manchmal länger. Doch es geht nicht darum, Eingewöhnungstage zu zählen, sondern Beziehungsmomente zu sammeln. Dafür kommt es darauf an, feinfühlig auf Signale zu achten. Ziel ist, dass das Kind von selbst die Kommunikation mit der Fachkraft sucht und freiwillig Körperkontakt zulässt. Eine Eingewöhnung erfordert von der Fachkraft unheimlich viel Engagement. Aber wer erst investiert, kann danach profitieren.

Mitunter heißt es, dass die Kinder sich mit der Eingewöhnung so schwertun, weil Mutter oder Vater nicht loslassen können. Welche Rolle spielen die Eltern?

Das stimmt manchmal auch. Einige Eltern sind noch nicht dazu bereit, ihr Kind abzugeben, oder haben eigene Erlebnisse nicht verarbeitet. Die Frage ist, wie die Fachkräfte damit am besten umgehen. Druck aufzubauen, hilft nicht weiter, sondern sorgt im Gegenteil für noch mehr Stress. Stattdessen gilt es zu schauen, welche Bedürfnisse noch nicht erfüllt sind. Vielleicht sind die Eltern nicht sicher, dass ihr Kind wirklich gut betreut wird. Wichtig ist, Vertrauen aufzubauen. Das lässt sich nicht erzwingen, sondern muss man spüren. Es braucht eine Willkommenskultur, damit sich Kinder und Eltern sicher fühlen.

In Kitas ist Personal häufig knapp und Zeit eng getaktet. Wie kann es da gelingen, sich so lange Zeit voll und ganz einem Kind zu widmen?

Die Rahmenbedingungen stellen definitiv eine Hürde dar. Aber viele Kitas organisieren die Eingewöhnungen schon sehr gut: Zum Beispiel nehmen sie nur alle vier Wochen ein neues Kind auf oder nutzen auch die Nachmittage. Vor allem kommt es auf die Haltung an. Da ist das gesamte Team gefordert. Um eine intensive Beziehung aufzubauen, muss sich eine Fachkraft nicht ausschließlich um ein einziges Kind kümmern. Die Balance zwischen individuellen Beziehungsmomenten und sie gut in den Alltag einzubinden, hilft den Kindern beim Ankommen.

Wie wirkt sich eine sanfte Eingewöhnung auf die Kinder aus?

Die Eingewöhnung ist oft die erste Transitionserfahrung. Wenn Kinder damit gute Erfahrungen machen, stärkt es ihre Resilienz. Sie haben eine emotionale Herausforderung erfolgreich gemeistert, wurden dabei gut unterstützt. Das sorgt für Zuversicht. Wenn andere große Veränderungen – wie Einschulung, Trennung der Eltern, Umzug oder Tod – anstehen, haben sie schon einen positiven Rucksack. Kurzum: Eine gute Eingewöhnung stärkt sie für den Rest des Lebens.

Die Fragen stellte Kathrin Hedtke

Kyrylo ist angekommen

Kyrylo ist ins Spiel vertieft. Immer wieder lässt er das Spielzeugauto die Rutsche runtersausen. Immer wieder bringt Maya es ihm zurück. Manchmal tauschen sie auch die Rollen. Ist nur fair. Die beiden stimmen sich miteinan­der ab. Das funktioniert ohne Worte. Muss es auch. Denn Kyrylo spricht kein Deutsch. Nur ein paar Monate ist es her, seit er mit seiner Mutter in Hamburg ankam. Raus aus dem Krieg in der Ukraine, rein in die Kita Steilshooper Allee.

KURZ GESAGT!

_Offen und vorurteilsfrei neuen Menschen und Situationen begegnen

_Sprachbarrieren sind für den Aufbau einer Bindung zum Kind nicht entscheidend

_Gesprächsbereitschaft signalisieren: ja – Gespräch suchen: nein

Die Sorgen der Erzieherinnen verfliegen schnell

Seine Bezugserzieherin Sarah Schulte hatte sich auf eine lange Eingewöhnung eingestellt. Schließlich kamen viele Faktoren zusammen: Fluchterfahrung, Trennung vom Vater, neues Land, neue Umgebung, neue Sprache. Kann so etwas spurlos an einem Kind vorbeigehen? Die Sorgen verflogen schnell. „Kyrylo hat das erstaunlich gut gemacht“, sagt die Erzieherin. „Er hat sich recht schnell von der Mutter gelöst.“ Stattdessen knüpfte er buchstäblich spielerisch Kontakt zu den anderen Kindern, „obwohl ihn keiner verstanden hat und er auch nicht viel ver­standen hat. Die Kinder nehmen aber alle so, wie sie sind.“ Mit Kyrylo gebe es kaum Konflikte: „Er hat eine hohe soziale Kompetenz.“ Und im Morgenkreis singt er schon die Lieder mit.

Kyrylo hat spielerisch Kontakt zu den anderen Kindern geknüpft.

Die gut vernetzte Kita Steilshooper Allee musste schnell reagieren, als die Nachricht der benach­barten Grundschule kam: Man habe ein Kind aus der Ukraine aufgenommen, die Mutter wohne in der Nachbarschaft und habe noch ein jüngeres Geschwisterkind: Kyrylo. „Das sind ‚Hoppla­-hopp‘-­Geschichten, auf die wir uns nicht lange einstellen können“, sagt Kitaleite­rin Maren Albers­-Witte. Glückliche Umstände halfen ein wenig: Die ukrainische Schwägerin von Kyrylos Mutter Tetiana wohnt seit 15 Jahren in Hamburg und fungierte am ersten Tag als Dol­metscherin. Außerdem hatte just an Kyrylos ers­tem Kitatag auch Erzieher Allanur Ashyrov aus Turkmenistan seinen ersten Arbeitstag. Rus­sisch können sowohl er als auch Kyrylo.

Erzieher Allanur Ashyrov kann sich auf Russisch mit dem vierjährigen Jungen aus der Ukraine unterhalten.

Integration: eine Frage der Haltung

Selbstverständlich war es nicht nur Zufall, dass die Eingewöhnung so gut funktionierte. Die Kita Steilshooper Allee gehört zu Hamburgs größ­tem Kitaträger, den Elbkindern, die mehr als 180 Kitas betreiben. Integration ist für die Kita eine Frage der Haltung. „Wir profitieren davon, dass wir seit 2006 Kinder mit Behinderungen n unserem Haus betreuen“, erklärt Maren Albers­-Witte. „Ein Kind kann vielleicht nicht laufen, ein Kind kann nicht sprechen, ein Kind schreit ständig – wir müssen uns immer auf die Situation einlassen.“

„Wichtiger als jede Fortbildung ist die innere Haltung“, sagt Erzieherin Sarah Schulte.

Außerdem habe das zu einem grundsätzlichen Perspektivenwechsel bei Erzieherinnen und Erziehern geführt, die einen guten Blick für die besonderen Fähigkei­ten und Talente aller Kinder entwickelt haben. Für die 135 Kinder in Steilshoop sind Inklusion und Integration völlig normal. Sie kennen es nicht anders. „Bei uns werden 22 Muttersprachen gesprochen“, führt Maren Albers­Witte aus. Eine davon spricht Kyrylo. „Für die Kinder ist das nichts Besonderes.“ Im Bewegungsraum, im Spiel mit Autos und auch bei Gesellschafts­spielen ist der Vierjährige aus der Ukraine in sei­nem Element. „Er hat eine unglaublich schnelle Auffassungsgabe“, hat Sarah Schulte festge­stellt. Also: Ich bin dran mit Würfeln, das ist meine Figur, da muss ich lang – los geht’s!

Ich bin dran mit Würfeln – los geht‘s! Seine schnelle Auffassungsgabe hat Kyrylo das Ankommen erleichtert.

Für Erzieherinnen und Erzieher ist es beim Auf­bau einer Bindung keine allzu große Hürde, wenn Kinder die Sprache nicht sprechen – bei Krippenkindern ist das auch der Fall. „Für mich ist es eher problematisch, wenn ich die Eltern nicht verstehe“, sagt Sarah Schulte.

Der imaginäre Rucksack

Soziale und kulturelle Hintergründe spielen beim Verständnis füreinander eine wichtige Rolle. „Für uns ist es immer spannend, wenn Familien neu zu uns kommen und wir ihre Vor­stellungen nicht kennen“, sagt Maren Albers­-Witte. Manche Eltern sind über Eingewöhnungs­konzepte erstaunt. Andere wundern sich, dass ihre Kinder mit vier Jahren noch nicht schreiben können, weil das in ihrem Land so üblich ist. „Alle tragen einen imaginären Rucksack und man bildet sich als Erzieherin oft ein zu wissen, was drin ist. Man weiß es aber nicht, man hat nur Vermutungen. Manchmal hat man damit recht, ganz oft aber auch nicht.“ Deshalb gehe es immer darum, sich der eigenen Vorurteile bewusst zu werden und diese auf den Prüfstand zu stellen. Neugierig zu sein und sich überra­schen zu lassen – das sei die beste Einstellung, um Menschen zu begegnen.

Schon 2015 machte die Kita Steilshooper Allee diese Erfahrung, als sie in Flüchtlingsunter­künfte ging und dort den syrischen Familien Hilfe anbot. „Wir haben gemerkt: Das war nett gemeint, aber nicht das, was die Eltern wollten. Die wollten Sicherheit, einen Arbeitsplatz und einen Deutschkurs“, sagt Maren Albers-­Witte. „Unsere Kernaufgabe ist es, den Kindern mit der Kita einen sicheren Ort anzubieten.“

Im Umgang mit den Kindern ist viel Fingerspit­zengefühl gefragt. Auf der einen Seite schafft die Kita einen Rahmen, in dem die Kinder von sich aus über ihre Erlebnisse reden kön­nen. In Hamburg haben sie 2015 zum Beispiel Bilderbücher angeschafft, die sich mit Flucht­geschichten auseinandersetzen. Über einen tra­gischen Unfall, bei dem ein Kind auf dem Weg zur Kita ums Leben gekommen war, sprachen sie im Morgenkreis. Die Kinder konnten zudem in ein ausliegendes Buch malen oder etwas einkleben, um das Unglück zu verarbeiten. Und manchmal kommt es ganz unvermittelt. Als es einmal Tomatensuppe gab, sagte ein Kind, das seine Mutter verloren hatte, zu Sarah Schulte: „Mama hat auch immer Tomatensuppe gekocht. Aber Papa kann das jetzt auch.“ An solchen bei­läufigen Kleinigkeiten merke man, dass gerade Gesprächsbedarf herrsche.

Aber, und das ist die andere Seite: Kinder soll­ten nicht bedrängt werden, über ihre Erlebnisse zu sprechen. „Die Kinder entscheiden, wie weit es gehen soll“, stellt Erzieherin Sarah Schulte klar. Das machten sie deutlich, indem sie von sich aus das Thema wechseln würden.

Kita unterstützt die Familien

Keinesfalls stellen sie in Hamburg direkte Fra­gen, wie Maren Albers­-Witte veranschaulicht: „Jetzt erzähl doch mal: Seid ihr mit dem Schiff gefahren? War es schlimm?“ Damit würden die pädagogischen Fachkräfte ihren Aufgabenbe­reich verlassen. „Wenn wir das täten, würden wir unter Umständen ein Fass aufmachen, mit dem wir nicht umgehen können – wir wissen ja nicht, ob das Kind traumatisiert ist“, erläutert die Kitaleiterin. Die Aufarbeitung der Erlebnisse oder Traumata sei die Aufgabe von Fachleuten aus Psychiatrie oder Psychotherapie.

Wie die Kinder würden auch Eltern von sich aus auf die Kita zukommen, wenn sie Unterstützung bräuchten. Die Mutter von Kyrylo zum Beispiel hatte zunächst einen Rechtsanspruch auf fünf Stunden in der Kita, wollte aber die Betreuungs­zeit erhöhen, um einen Minijob antreten und einen Deutschkurs besuchen zu können. Die Kita half bei der Behördenangelegenheit – nun wird Kyrylo acht Stunden am Tag betreut. Über die Flucht aus der Ukraine weiß das Kitateam hingegen nicht viel: Die Heimatstadt Dnipro ist immer wieder Ziel von russischen Raketen­angriffen, der Vater noch dort. Alles andere wird Kyrylos Mutter Tetiana schon von sich aus erzählen – falls sie es möchte und wann sie es möchte. „Viele Sachen kommen, wenn die Fami­lien schon eine Weile da sind und eine stabile Bindung besteht“, weiß Maren Albers­-Witte aus Erfahrung.

„Jede Familie ist erst einmal eine Familie“, fasst Sarah Schulte zusammen. „Es sollte egal sein, was in dem imaginären Rucksack ist – wir wis­sen es ohnehin nicht.“ Fortbildungen könnten den Fachkräften zwar Rüstzeug im Umgang mit geflüchteten oder traumatisierten Kindern an die Hand geben. „Wichtiger als jede Fortbil­dung ist aber die innere Haltung.“ Also: keine Berührungsängste haben und offen sein. „Alle so annehmen, wie sie sind – das wird bei uns gelebt.“ So klappt’s auch mit der Integration.

Echt praktisch!

Tipps zur Integration aus der Ukraine geflüchteter Kinder haben wir Ihnen auf unserer Webseite zusammenge­stellt:

www.kinderkinder.dguv.de/krieg-in-der-ukraine/

Hasi muss mit

Frau Finger, eigentlich sind pädagogische Fachkräfte doch froh, wenn Eltern im Aufnahmegespräch die Frage nach einem Übergangsobjekt bejahen. Warum gibt es diesbezüglich trotzdem Redebedarf?

Fea Finger: Solange ein Kind noch in der Eingewöhnung ist, werden die Kuscheltiere, Schnul-lis oder was auch immer ein Kind als sein Übergangsobjekt auserkoren hat akzeptiert, weil ja bekannt ist, dass diese Gegenstände eine Art Brücke nach Hause schlagen. Sie machen für Kinder den Übergang in die außerfamiliäre Betreuung leichter. Aber nach ein paar Wochen heißt es oft: „Nun leg das doch mal weg. Das brauchst du doch jetzt nicht mehr.“ Oder die Eltern werden gebeten, dass der Hase oder das Kuscheltuch doch ab jetzt bitte zu Hause bleiben soll.

Und das kritisieren Sie?

Unbedingt. Aus Sicht des Kindes ist das Festhalten an einem Übergangsobjekt eine hervoragende Strategie, sich selbst zu regulieren, um Stress abzubauen. Festhalten ist da durchaus wörtlich gemeint. Man darf ja nicht vergessen, dass die Kinder nun viele Stunden von ihren primären Bezugspersonen getrennt sind, sich an viele neue Menschen und Abläufe gewöhnen müssen. Das ist eine große Herausforderung für so kleine Menschen und unvorstellbar anstrengend. Manches Kind sucht dann Halt beim Teddy, Schnuller oder dem Kuscheltuch, das so schön nach Geborgenheit, Schutz und Sicherheit duftet.

Aber die Aufforderung, das auch mal wegzulegen, weil es etwa beim Spielen behindert, die ist doch legitim?

Das Kind hat ja in dem Moment ein Bedürfnis und dieses Bedürfnis muss gestillt werden. Bevor das nicht passiert, findet das Kind überhaupt nicht ins Spiel. Das konnte ich in meiner jahrelangen Praxis in verschiedenen Einrichtungen immer wieder beobachten. Die Kinder kooperieren, legen ihr Übergangsobjekt zur Seite – im schlimmsten Fall bekommen sie es auch weggenommen, weil die Erzieherin sich nicht viel dabei denkt – aber das Kind wird nicht spielen. Es wird vermutlich auch nicht weinen. Es wird versuchen, die Situation auszuhalten. Für die Beziehung zwischen der Fachkraft und dem Kind ist so etwas aber auf keinen Fall gut. Erst wenn diese gefestigt ist, sich das Kind sicher fühlt und richtig angekommen ist, wird es sein Übergangsobjekt von allein weglegen.

Wie lange kann das dauern?

Das kann ganz unterschiedlich sein. Wochen, Monate. Manche Kinder brauchen ihr Übergangsobjekt auch nur noch beim Ankommen und bei den Mikroübergängen, die gerade für die Kleinen oft eine Verunsicherung bedeuten.

Hat es etwas mit dem Alter zu tun, wachsen Kinder da raus?

Das würde ich nicht unbedingt sagen, es gibt auch Vier- oder Fünfjährige, die in bestimmten Situationen ihr Übergangsobjekt noch brauchen. Man sollte das durchaus mal positiv sehen: Die Kinder wissen, wie sie sich regulieren können! Das ist doch eine großartige Kompetenz!

Wohin mit den Teddys und Tüchern, wenn die Kinder sie gerade nicht brauchen oder etwa beim Essen wirklich im Weg sind?

Die Fachkraft kann dem Kind das Angebot machen, den Teddy auf ein Regal oder einen benachbarten Stuhl zu setzen – wichtig ist aus meiner Sicht, dass das Objekt im Machtbereich des Kindes bleibt und es jederzeit darauf Zugriff hat. Viele Kinder lassen sich darauf ein, manche aber nicht, da muss man sich dann eine andere Lösung überlegen. Weniger gut finde ich, wenn dem Kind gesagt wird: Wir tun das jetzt weg und du bekommst es dann später wieder. Das ist für Kinder nicht greifbar.

Ich stelle es mir schwierig vor zu unterscheiden, ob ein Kind sein Übergangsobjekt noch aus einem echten Bedürfnis dabei hat oder aus Gewohnheit und es auch gut im Eigentumsfach „warten“ könnte.

Wenn die Fachkraft eine gute Beziehung zu dem Kind hat, wird sie einschätzen können, was mit ihm gerade machbar ist und was nicht und womit es ihm gut geht. Der Prozess sollte ergebnisoffen sein. Aus meiner Sicht ist es adultistisch, einfach zu entscheiden: Das Kind hat das Bedürfnis jetzt gar nicht, also nehme ich ihm das Tuch, den Teddy oder den Schnulli weg. Punkt. Die Botschaft dahinter ist: Dein Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit ist nichts wert und ungerechtfertigt.

Kommt das vor?

Ja, sicher. Besonders wenn Kinder abgelenkt scheinen. Für die Kinder ist das trotzdem schrecklich. Oft geschieht es durchaus in guter Absicht. Etwa weil befürchtet wird, der Teddy könnte schmutzig werden oder verloren gehen. Aber ich habe noch nie erlebt, dass in der Kita etwas für immer verschwunden ist. Man sucht ja ständig irgendetwas. Und eigentlich findet sich alles wieder. Und was dreckig geworden ist, kann man meistens waschen.

Das Thema Hygiene ist doch sicher unter dem Aspekt Corona nochmals wichtiger geworden.

Ja, anfangs hieß es, dass möglichst wenige Gegenstände von zu Hause mit in die Kita gebracht werden dürfen, und wir haben sehr darauf geachtet. Wenn es ein Übergangsobjekt gab, dann sollte auch immer nur dieses eine mitgenommen werden und nicht noch etwas anderes. Inzwischen ist das alles wieder sehr locker geworden. Aber jede Einrichtung wird sich dazu Gedanken gemacht haben. Ich finde es wichtig, hinsichtlich echter Übergangsobjekte das Bedürfnis der Kinder in den Mittelpunkt zu stellen und eventuell bei der Hygiene Abstriche zu machen. Bei Corona sind bestimmt andere Aspekte entscheidender.