Nicht erst, wenn etwas passiert ist

KURZ GESAGT!

_Kitas müssen Notfälle vorausschauend planen, nicht erst im Ernstfall handeln
_Klare Abläufe und regelmäßige Vorbereitung geben Teams Sicherheit
_Davor, Darin, Danach: Gutes Notfallmanagement umfasst Vorbereitung, akutes Handeln und Nachsorge

Große Aufregung! Noah fehlt. Seine Mutter steht aufgelöst im Flur der Kita, sie wollte ihren Sohn abholen, doch nun ist er unauffindbar. Das Elterngespräch mit Familie K. droht zu eskalieren, der Vater wird immer lauter und beleidigt die Erzieherin. Durch einen technischen Defekt gibt es einen Stromausfall, es ist unklar, wie lange er anhalten wird. Aus dem Abstellraum kriecht Rauch unter der Tür hervor.

All dies sind Situationen, deren Eintreffen vielleicht außergewöhnlich, aber nicht ausgeschlossen ist. Besser, man bereitet sich als Team auf Notfälle vor, noch ehe sie passieren, damit man im Fall des Falles weiß, was zu tun ist. „In einer Notfallsituation ist man ohnehin aufgeregt, und es fällt enorm schwer, planvoll und sicher zu handeln. Es regelt sich dann eben nicht ‚einfach so‘“, sagt auch Jessica Rehse von der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen, die zusammen mit Kolleginnen, Kollegen und externen Unterstützern einen Notfallordner für Kitas gestaltet hat. „Wenn ein Kitateam sich im Vorfeld bewusst mit möglichen Risiken und potenziell problematischen Situationen auseinandersetzt und gemeinsam überlegt, wie damit umgegangen werden kann, ist es im Ernstfall deutlich besser vorbereitet.“

Notfallpläne sind essenziell

Zu oft setzen sich die Kitateams mit dem Thema Notfälle jedoch erst auseinander, wenn es einen aktuellen Anlass gibt. Dabei, meint die Expertin, könne man das Thema recht niederschwellig und regelmäßig angehen, ohne gleich großen Aufwand betreiben zu müssen. „Statt das große Thema ‚Notfälle‘ im Block zu bearbeiten, kann man regelmäßig bei jeder oder jeder zweiten Teamsitzung über Sicherheit und Gesundheit sprechen.“ Sie schlägt vor, sich für den Anfang erst einmal ein einziges Thema vorzunehmen, das das Team als besonders problematisch ansieht. Ein konkretes Beispiel: Schwierige Elterngespräche kennen alle, also könnte eine Maßnahme sein, künftig nicht mehr allein in solche Gespräche zu gehen und sicherzustellen, dass der Raum von außen einsehbar ist. „Darüber muss man sich aber verständigen, es einmal festlegen – und schriftlich fixieren.“ Und so rät die Fachfrau dazu, das Thema „Notfälle und Notfallpläne“ systematisch anzugehen, inklusive Gefährdungsbeurteilungen und Unterweisungen. Grundsätzlich zuständig für die Implementierung eines Notfallmanagements sind der Träger einer Einrichtung und die Kitaleitung.

Man muss nicht bei null beginnen

Verschiedene Unfallkassen stellen Kitas zur Unterstützung Notfallordner oder -broschüren zur Verfügung, die einen hilfreichen Überblick über das geeignete Vorgehen in zentralen Notfallsituationen bieten. Darunter fallen etwa medizinische oder soziale Notfälle, Gewaltvorfälle, aber auch solche Notfälle, die durch Feuer, Unwetter oder technische Defekte verursacht wurden. „Es gibt darin viele Tipps und Hinweise – aber jede Einrichtung muss bezogen auf die vorhandenen Gegebenheiten vor Ort eigene Notfallpläne entwickeln“, betont Jessica Rehse die Notwendigkeit, dass sich Kitaleitung und Team intensiv und einrichtungsbezogen mit der Thematik auseinandersetzen. Vorge-fertigte Handlungsanleitungen müssten angepasst und regelmäßig aktualisiert werden.

Davor, darin, danach

„Es geht beim Notfallmanagement um mehr, als sich zu überlegen, wie man sich in einer brenzligen Situation adäquat verhält“, ergänzt Jessica Rehse. Das sei natürlich sehr wichtig, um Handlungssicherheit zu erlangen. „Auch deshalb werden zum Beispiel Feueralarm- und Evakuierungsübungen durchgeführt.“ Ebenso bedeutend sei jedoch, wie man möglichen Schaden von vornherein abwenden könne. Was also ist technisch, baulich, organisatorisch oder personell nötig, um Notfälle zu verhindern? Bei manchen Themen könne und sollte man auch (externe) Fachleute zurate ziehen, etwa den betriebsärztlichen Dienst, die Fachkraft für Arbeitssicherheit, die Polizei und die Feuerwehr. „Aber unterschätzen Sie auch nicht das Wissen eines Hausmeisters!“, sagt die Expertin der Unfallkasse. „Hausmeister können Ihnen direkt sagen, wo der Haupthahn zum Absperren von Wasser und Gas ist und wo sich der Hauptsicherungskasten befindet.“ Selbstverständlich gehört zu einem vollständigen Notfallmanagement auch, wie eine erlebte Notfallsituation im Nachgang aufgearbeitet wird. Diesen Dreiklang aus „Davor, Darin und Danach“ fasst man unter den Fachbegriffen Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention zusammen. Dazu sagt Jessica Rehse: „Ob psychologi-sche Unterstützung für Betroffene, Gespräche, Anpassung des Konzepts an das Erlebte oder auch nur die Unfallanzeige – all das gehört dazu. Nicht zuletzt aus Gründen der Fürsorge.“

Weitere Informationen

Einen Notfallordner bietet beispielsweise die Unfallkasse NRW an, auch die Unfallkasse Berlin hat eine Broschüre im Angebot. Kitas in Thüringen können eine Broschüre beim Bildungsministerium anfordern. Die Bezugsadressen finden Sie unter:
www.kinderkinder.dguv.de/notfallmanagement

„So – er lebt jetzt wieder!“

KURZ GESAGT!

_Der Kurs beinhaltet Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Erwachsenen und bei Kindern
_Der Fokus liegt auf realistischen Kita-Szenarien
_Die Fachkräfte erhalten alltagstaugliche Tipps

„Das ist so eklig.“ Janine verzieht das Gesicht, als sie die Plastikhandschuhe überstreift. Mit Einmalhandschuhen Kinder wickeln – für die Erzieherin kein Problem. „Die haben die richtige Größe und bestehen aus einem anderen Material“, sagt Janine. Aber die Vinylhandschuhe in Standardgröße aus dem Verbandkasten? Die sind zu groß, fühlen sich seltsam an und richtig greifen kann sie damit auch nicht. Und jetzt soll sie damit auch noch einen Verband anlegen. Denn das ist die erste Aufgabe, die DRK-Ausbilderin Esther Stoffregen den 16 Teilnehmenden im Kurs „Erste Hilfe in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für Kinder“ stellt: Blutungen stoppen.

Druckverbände anlegen will geübt sein

Zwölf pädagogische Fachkräfte haben in Fuldatal beim Kurs in der Kita Weddel ein Heimspiel, vier sind in der benachbarten Kita Hummelnest tätig. Da finden sich die Teams für die Gruppenarbeiten schnell zusammen. Alle simulieren nun eine blutende Verletzung an verschiedenen Körperpartien. Auch vier stark blutende Wunden sind dabei, fiktive versteht sich. Die kleine Wunde an der Nase ist schnell versorgt. „Es geht mir schon viel besser“, lacht Anett, der nun ein kleines Pflaster quer über der Nase klebt. Die Stimmung ist gut, Berührungsängste gibt’s im eingespielten Team keine. Die Fachkräfte sind eifrig dabei, Pflaster zu kleben und Mullbinden um Köpfe, Arme, Beine, Schultern und Hüften zu wickeln. 

Als alle fertig sind, folgt die Bestandsaufnahme. „Ich mag es nicht, wenn jemand in meinem Kurs Gliedmaßen verliert oder bewusstlos wird“, scherzt Esther Stoffregen und deutet auf den Druckverband an Fahimas Arm. Der ist zwar nicht schief, aber deutlich zu fest gewickelt und schnürt ihr so die Blutzufuhr ab. „Wenn es stark blutet, muss eine Ader beschädigt sein“, führt Stoffregen aus. Dann gibt die Rotkreuzdozentin ein einleuchtendes Beispiel: „Ist an einem Strohhalm seitlich ein Loch, kann ich daraus nicht mehr trinken. Erst dann wieder, wenn ich das Loch mit einem Finger abdecke. Aber ich darf den Strohhalm dabei nicht zusammenpressen, sonst kommt auch nichts mehr durch.“ Wie an Fahimas Arm, der nun wieder vom Druckverband befreit ist. Faustregel für alle Verbände: Man muss noch einen Finger darunterschieben können, dann ist er nicht zu fest.

Wenn sich Didaktik und Humor ergänzen

Einen Verband nach dem anderen begutachtet Esther Stoffregen, gibt dabei Tipps: „Verletzte mit starken Blutungen sollten liegen und der betroffene Körperteil über Herzhöhe hochlagern.“ Dann zeigt sie auf Susanne, deren Leistenverletzung ihre Kolleginnen mit einem Druckverband im Hüftbereich behandelt haben: „Dich hat man sogar stehen lassen.“ Die Runde lacht. Didaktik und Humor harmonieren eben prima. Didaktik und Praxisbeispiele ebenfalls. Und deshalb macht Esther Stoffregen vor, wie es einfach und richtig geht: ein Kopfverband für Lukas und ein Druckverband am Arm für Susanne. Abschließend noch ein Fingerkuppenpflaster für Fahima und ein Katzengesicht draufgemalt – den kleinen Kniff kann schließlich jede pädagogische Fachkraft im Kita-Alltag gut gebrauchen.

„Behaltet im Hinterkopf, dass ihr keine Verbände macht, um an Wettbewerben teilzunehmen“, fasst Stoffregen zusammen. Noch nie sei ein Rettungsdienst am Unfallort eingetroffen und habe die Schönheit eines Verbands gelobt. Der müsse nur drei wesentliche Bedingungen erfüllen: „Die Wunde muss steril abgedeckt sein. Der Verband muss halten. Niemand darf dadurch stranguliert werden.“ Diese drei Kriterien haben die Teilnehmenden unisono erfüllt. 

Wiederbelebung mit Besonderheiten

Der Kurs ist eine Mischung aus Erste-Hilfe-Maßnahmen für Erwachsene und für Kinder. Die Fachkräfte üben miteinander, was im Umgang mit Bewusstlosen zu tun ist: Ansprechen, Kopf überstrecken, Atmung überprüfen und – sofern normale Atmung vorliegt – die Person in die stabile Seitenlage bringen. Sie trainieren an einer Reanimationspuppe, wie sie eine Wiederbelebung durchführen, wenn eine Person nicht mehr normal atmet: 30-mal Herzdruckmassage (Tipp: Bei den gängigen Musikanbietern gibt es Playlists mit Songs für den richtigen Rhythmus) und zweimal Beatmung – so lange, bis der Rettungsdienst eintrifft und übernimmt. Sie lernen an einem Übungsgerät, wie sie einen Defibrillator richtig einsetzen.

So weit, so normal. Das Besondere am Kurs für Bildungs- und Betreuungseinrichtungen sind die Übungen mit Puppe „Junior“, die ein Kind im Vorschulalter darstellt, und mit einer Puppe im Babyalter. Der Unterschied zu Erwachsenen, die reanimiert werden müssen: „Bei Kindern sind es fast immer Probleme der Atemwege und nicht des Herzens“, erklärt Esther Stoffregen. „Deshalb fangen wir immer mit fünf Beatmungen an. Das kann einen Atemreflex auslösen, sodass das Kind wieder atmet.“ Ist das nicht der Fall, geht es im bekannten Rhythmus von 30 Herzdruckmassagen und zwei Beatmungen weiter.

Die Reanimation der Babypuppe kostete Renita und die anderen Erzieherinnen am meisten Überwindung.

Beim Baby kommen weitere Besonderheiten hinzu: Die Beatmung erfolgt durch Mund und Nase zugleich, der Kopf darf wegen der empfindlichen Luftröhre nicht überstreckt werden und die Herzdruckmassage erfolgt nicht mit zwei Händen (Erwachsene) oder einer Hand (reicht bei kleineren Kindern meist aus, um den nötigen Druck zu erzeugen), sondern nur mit dem ausgestreckten Zeige- und Mittelfinger einer Hand. 

Für die 16 Fachkräfte geht es nun an die praktische Umsetzung. „Das merkst du im Handgelenk“, sagt Beate, die gerade „Junior“ wiederbelebt. „Wenn man das zehn Minuten lang machen muss, ist das schon heftig.“ Danach ist Susanne an der Reihe und pflichtet ihrer Kollegin bei: „Das ist echt anstrengend.“ Und nach einigen Durchgängen erklärt sie ihre Mission für erfolgreich beendet: „So – er lebt jetzt wieder!“ Für viele war aber die Reanimation des Babys die größte Herausforderung, auch wenn es sich nur um eine Puppe handelte. „Das hat mich viel Überwindung gekostet“, sagt Nicole. „Die Hemmschwelle war größer als bei den anderen Puppen.“

Zehn Minuten Wiederbelebung, bis der Rettungsdienst eintrifft? „Das ist echt anstrengend“, sagt Susanne.

Beim Stichwort „Bügelperle“ stöhnt die Runde auf

Erste Hilfe in typischen Kita-Szenarien spielt Esther Stoffregen ebenfalls sehr anschaulich mit den Fachkräften durch. Zum Beispiel: Was mache ich, wenn ein Kind einen Fremdkörper in der Nase hat? Als die DRK-Ausbilderin das Stichwort „Bügelperle“ nennt, stöhnt die Runde auf – das haben einige offensichtlich schon erlebt. „Nicht schnäuzen lassen!“, unterstreicht Esther Stoffregen. Denn Kinder würden vorher reflexartig tief durch die Nase einatmen. Dabei könne es passieren, dass die Bügelperle noch tiefer eindringe. Also: Ruhig bleiben und die Eltern anrufen. Denn die Situation sei nicht akut gefährlich und es sei Aufgabe der Eltern, den Fremdkörper aus der Nase zu bekommen – und sei es beim Hals-Nasen-Ohren-Arzt. „Wenn die Eltern nicht greifbar sind, muss jemand von euch den Rettungsdienst rufen und gegebenenfalls mit dem Kind ins Krankenhaus“, beschreibt Stoffregen das richtige Vorgehen.

Der Kurs deckt darüber hinaus eine breite Palette an Themen ab, die die pädagogischen Fachkräfte beschäftigen: Wie gehe ich mit Fremdkörpern in Augen und  Wunden um, wie mit Insektenstichen, wie mit Gelenk- und Knochenverletzungen? Aber auch: Welche Maßnahmen muss ich bei Verbrennungen und Verbrühungen ergreifen, bei einem Sonnenstich, bei einer Unterkühlung oder wenn ein Kind einen Gegenstand verschluckt hat? Die Antwort auf die Frage nach dem richtigen Verhalten bei einem Fieberkrampf fällt der Gruppe recht leicht. Denn Fieberkrämpfe ähneln epileptischen Anfällen – und in der Kita Weddel betreuen sie ein Kind mit Epilepsie, sie kennen sich also auch mit Notfallmedikation aus. „Bei einem Fieberkrampf sollte man das Kind nicht anfassen und es auskrampfen lassen“, sagt Lukas. Esther Stoffregen pflichtet dem Erzieher bei und ergänzt: „Wenn ihr es festhaltet, lauft ihr Gefahr, ihm den Arm zu brechen.“

Bei Bauchverletzungen ist Eile geboten

Heikel wird es bei Verletzungen im Bauchraum. „Die können wir ja nicht sehen. Ich würde sofort den Rettungsdienst rufen“, sagt Anett. Die Kursleiterin gibt ihr recht: „Und wenn ihr es nicht gesehen habt und ein anderes Kind erzählt, Jonathan habe Hannes in den Bauch getreten, müsst ihr aus der Situation erschließen, wie ernst es ist.“ Dann schärft sie den Teilnehmenden ein: „Besteht der Verdacht auf eine Bauchverletzung, muss es schnell gehen. Bei einem Milzriss kann man in wenigen Minuten verbluten.“ Die Hemmschwelle, den Rettungsdienst zu rufen, möge zwar hoch sein. „Aber wir spielen nicht mit dem Leben unserer Kinder.“

Esther Stoffregen freut sich darauf, die Fachkräfte zur nächsten Auffrischung in zwei Jahren wiederzusehen: „Ich hoffe ehrlich gesagt, dass ihr das Erlernte bis dahin nicht im Ernstfall anwenden müsst. Außer vielleicht das Fingerkuppenpflaster mit der Katze.“ Die Gruppe lacht – und verlässt die Kita in dem guten Gefühl, im Notfall Erste Hilfe leisten zu können.

Kostenübernahme

Die Kostenübernahme für die „Erste-Hilfe-Schulung in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für Kinder“ ist bundesland-spezifisch geregelt und muss in der Regel im Vorfeld beim zuständigen Unfallversicherungsträger beantragt werden. Detaillierte Infos finden
Sie hier:
www.kinderkinder.dguv.de/kosten

Vorbereitet auf das, was hoffentlich nie eintritt

Zu Beginn eine ganz grundsätzliche Frage: Was ist ein Notfall, worauf sollten sich Kitas einstellen und wie sollten sie entsprechend vorsorgen?

Ganz allgemein gesprochen ist ein Notfall ein unvorhergesehenes Ereignis, bei dem Menschen, Sachen oder auch Tiere zu Schaden kommen können und man deshalb schnell handeln muss. Das beginnt bei Verletzungen, reicht über Gewaltsituationen bis hin zu Bränden oder Großschadensereignissen innerhalb und außerhalb der Kita. Das wiederum könnten eine Überschwemmung oder ein Stromausfall sein. Die Liste ist lang. Der Träger ist verpflichtet, ein Notfallmanagement zu implementieren. Das heißt, Einrichtungen müssen sich konkret überlegen, was im Falle eines Falles zu tun ist. 

Das gilt für alle Kitas, ganz gleich in welcher Trägerschaft?

Ja. Die Trägerlandschaft in Deutschland ist sehr bunt mit beispielsweise kommunalen Trägern, kirchlichen, die der freien Wohlfahrtspflege und Elternvereinen. Aber völlig unabhängig vom Träger: Ein Notfallmanagement muss vorhanden sein.

Sind die Einrichtungen damit nicht überfordert?

Sie können sich anhand von Vorlagen recht gut damit befassen. In Thüringen gibt es etwa den Notfallkalender, eine Handreichung sowie die Broschüre „Erste Hilfe am Kind“, die jeder Einrichtung zur Verfügung stehen. Auch andere Bundesländer haben ähnliche Angebote. Daran können sich Kitas orientieren und sie an ihre eigenen Rahmenbedingungen anpassen. Ohnehin sind die Einrichtungen – vielmehr auch hier wieder: die Träger – verpflichtet, Gefährdungsbeurteilungen vorzunehmen und anhand dieser solche etwaigen Notfallszenarien zu beurteilen.

Bei Fragen, die trotzdem unklar bleiben, unterstützen etwa die Fachaufsicht, Polizei, Feuerwehr, Fachkraft für Arbeitssicherheit, betriebsärztliche Dienste und Unfallkassen. In Thüringen gibt es zum Beispiel Checklisten zu Gefährdungsbeurteilungen in Kitas, andere Unfallkassen haben ähnliche Angebote. Für die Qualifikation und die Unterweisung der Beschäftigten ist im Übrigen ebenfalls der Träger verantwortlich.

Die Beschäftigten müssen zum Notfallmanagement unterwiesen werden?

Ja! Auf jeden Fall zu besonderen Aspekten des Notfallmanagements, zum Beispiel dem Verhalten im Brandfall. Und hier genügt auch keine theoretische Unterweisung, sondern es gilt, eine Evakuierungsübung durchzuführen, also den „Probealarm“ durchzuspielen.

Wann ist es Zeit, die angepassten Notfallpläne erneut anzupacken? Genügt es, die Angaben bei Bedarf zu aktualisieren?

Nein, es sollte einen regelmäßigen Turnus geben, in dem alles auf Aktualität und Sinnhaftigkeit überprüft wird. Vor allem müssen die Angaben immer dann aktualisiert werden, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, etwa die Konzeption, die Raumaufteilung, oder bauliche Veränderungen erfolgten. Gerade wenn Kleinkinder auf-genommen werden, sind größere Anpassungen und Ergänzungen der Pläne notwendig: Wie evakuiert man die Jüngsten? Das alles ist vorab zu berücksichtigen.

Gibt es bei Notfällen besondere Informationspflichten, denen die Kitaleitung nachkommen muss?

Wenn ein Kind so zu Schaden gekommen ist, dass eine medizinische Behandlung notwendig wurde, ist der zuständige gesetzliche Unfallversicherungsträger zu informieren – bestenfalls innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis. Bei Beschäftigten ist ein Unfall mit mehr als drei Tagen Arbeitsunfähigkeit anzuzeigen. Sehr schwere oder gar tödliche Unfälle sind unmittelbar zu melden. Darüber hinaus gibt es Fälle, in denen etwa das Jugendamt, die Polizei oder die Fachaufsicht zu unterrichten sind. Diese Informationen weiterzugeben, ist Aufgabe des Trägers, der in der Regel aber nicht vor Ort ist. In der Praxis koordiniert also die Kitaleitung die erforderlichen Maßnahmen in enger Absprache mit dem Träger und dem Team. Sollte die Leitung allerdings nicht greifbar sein, müssen die Fachkräfte trotzdem wissen, was zu tun ist. Auch die transparente und sachliche Kommunikation in Richtung Elternschaft ist ganz wichtig.

Wie geht es in der Regel nach einem Notfall weiter?

Das lässt sich pauschal nicht beantworten, es kommt auf den Einzelfall an. Wenn Fachkräfte oder Kinder ein schlimmes Ereignis miterleben, kann sie das allerdings aus der Bahn werfen und seelisch sehr belasten. Einige Unfallkassen bieten deshalb eine telefonisch-psychologische Beratung an, meist gibt es innerhalb weniger Tage bereits einen ersten Termin. Bevor man eine vergleichbare Beratung bei einer Therapeutin oder einem Therapeuten vor Ort bekommt, können mitunter Wochen oder gar Monate vergehen. Es lohnt sich also – am besten, bevor ein Notfall eintritt –, beim zuständigen Unfallversicherungsträger nachzufragen, ob es dort ein solches Angebot gibt.

Was ist Ihre Kernbotschaft an die Einrichtungen?

Es ist wichtig, sich ernsthaft auf Notfälle vorzubereiten, bevor sie eintreten – etwa durch Gefährdungsbeurteilungen und regelmäßige Unterweisungen oder Übungen. Es gibt zahlreiche Unterstützungsmöglichkeiten, die man nutzen kann und sollte. Die Informationen sind stets aktuell zu halten. Das hat einen entscheidenden positiven Nebeneffekt: Jedes Mal, wenn sich das Team mit diesen Themen beschäftigt, erlangt es mehr Sicherheit und wird handlungsfähiger, falls der Notfall tatsächlich eintritt. Was hoffentlich nicht passieren wird.

Die Fragen stellte Stefanie Richter.

TIPP

Kostenloses Material für Kitas zur Erstellung von Notfallplänen finden Sie hier. Es muss aber immer an die jeweilige Einrichtung angepasst werden.

Was Sie für Ihr Notfallmanagement brauchen

Speziell für Kitas gibt es Bei der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen einen dreiteiligen Notfallordner. Auf dieser Grundlage können (und sollen!) Träger und Führungskräfte das Notfallmanagement spezifisch für die eigene Einrichtung anpassen. Gleichzeitig kommen sie damit ihrer gesetzlichen Pflicht zur Implementierung eines Notfallmanagements nach. Das Material liegt ausschließlich digital als offenes Word-Dokument vor.

https://www.sichere-kita.de/leitung/organisation/notfallmanagement

Die Unfallkasse Thüringen hat zusammen mit anderen Akteuren eine Registerbroschüre zu Notfällen erarbeitet, die jede Kindertageseinrichtung in Thüringen bereits erhalten haben sollte. Ist das nicht der Fall, kann sie bei der Unfallkasse Thüringen bzw. dem Thüringischen Bildungsministerium angefordert werden. Die Broschüre ist ausschließlich für Einrichtungen in Thüringen erhältlich.
Mehr Informationen unter: https://bildung.thueringen.de/bildung/kindergarten/empfehlungen/notfallmanagement

Für Kitas in Berlin gibt es eine Broschüre „Verhalten in Notfällen“, die jedoch auch für Einrichtungen in anderen Bundesländern hilfreich ist. Zu finden ist sie als PDF-Download im Abschnitt „Erste Hilfe und Notfälle“ auf der Webseite der Unfallkasse Berlin: https://www.unfallkasse-berlin.de/sicherheit-und-gesundheitsschutz/kindertagesstaetten/broschueren-und-faltblaetter

Informationen der Unfallkasse Sachsen zu dem Thema gibt es unter:
https://www.uksachsen.de/sicherheit-gesundheit/notfallmanagement

Die Unfallkasse Hessen hat unter dem Suchbegriff „Notfallplan“ eine ganze Reihe von Informationsblättern im Angebot, die spezielle medizinische Notfälle in den Fokus nehmen, etwa Asthma und Epilepsie. https://www.ukh.de/medien