Psychische Belastung der Kinder durch die Pandemie

Die Studie eines Forscherteams am Universitätklinikum Hamburg-Eppendorf zeigt, dass die psychische Belastung der Kinder und Jugendlichen deutlich höher ist als vor der Pandemie. Besonders betroffen sind Kinder und Jugendliche aus sozial-ökonomisch benachteiligten Familien. Im Laufe des Befragungszeitraums (Dezember 2020 bis Februar 2022) hat sich die psychische Belastung allerdings zumindest leicht verbessert. Derzeit wird die vierte Folgebefragung vom Herbst 2022 ausgewertet.

Die 3. Befragung zeigte, dass Kinder sich wieder mehr bewegen, weniger online sind, auch Verhaltensauffälligkeiten wie Ängstlichkeit und Depressivität haben sich leicht reduziert. Insgesamt hat sich die Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen erkennbar verbessert. Psychosomatische Beschwerden bewegten sich auf vergleichbarem Niveau.

Die Forschenden vermuten, dass besonders Kinder aus stabilen Familienverhältnissen die Folgen werden gut bewältigen können. Dennoch tragen Kinder und Jugendliche noch immer (zum Teil schwer) an der Last der Pandemie. Das gilt besonders für Kinder, die schon vor der Pandemie belastet waren oder deren Eltern unter einer psychischen Belastung leiden. Die Forschenden empfehlen Strategien und zielgerichtete, niedrigschwellige Programme im Bereich Prävention und Gesundheitsförderung zu entwickeln, um diese Nachteile kompensieren zu können.

Mehr Informationen dazu auf der Webseite der COPSY-Studie.

Hilfe bei traumatischen Erlebnissen

Mal angenommen, ein Vater beleidigt eine Erzieherin lautstark, baut sich drohend vor ihr auf, drängt sie in eine Ecke, bereit zuzuschlagen. Nach der Situation bricht die Erzieherin zusammen. Die Kolleginnen und Kollegen kümmern sich rührend. Wie kann ihr aber darüber hinaus geholfen werden?

Auch psychische Belastungen durch einen solchen Vorfall können als Arbeitsunfall gelten. Die Betroffene sollte sich deshalb an einen Durchgangsarzt (D-Arzt) oder eine -ärztin wenden. Deren Adressen sind in der Kita bekannt. D-Ärzte können dann ärztliche oder psychologische Psychotherapeuten und -therapeutinnen in das berufsgenossenschaftliche Heilverfahren einbinden und das sogenannte Psychotherapeutenverfahren der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) in Gang setzen. Darüber bekommt die betroffene Person schnelle psychologische Hilfe, meist innerhalb einer Woche. Voraussetzung ist natürlich ein Hinweis der Betroffenen auf eine psychische Beeinträchtigung oder Traumatisierung – entweder direkt beim Unfallversicherungsträger oder aber beim D-Arzt. Einige Unfallversicherungsträger, etwa die BGW, bieten auch eine telefonisch-psychologische Beratung mit speziell geschulten Psychotherapeutinnen oder -therapeuten an. Da sollte man sich bei seinem zuständigen Unfallversicherungsträger erkundigen, ob er dies ebenfalls anbietet. Ziel ist immer, einer Entstehung und Chronifizierung von psychischen Belastungen vorzubeugen.

Muss bei jedem Vorfall eine Unfallanzeige erfolgen?

Hier muss man immer den Einzelfall ansehen. Nicht jede verbale Attacke oder Drohgebärde wird als Arbeitsunfall gewertet werden können. Grundsätzlich ist es aber sinnvoll, jeden Vorfall zumindest zu dokumentieren, indem man beispielsweise eine Notiz im Verbandbuch macht. So hat man es direkt greifbar, sollte sich herausstellen, dass eine Situation doch nachwirkt. Es ist ja denkbar und nachvollziehbar, dass jemand zunächst davon ausgeht, allein klarzukommen, und sich erst nach einiger Zeit zeigt, dass die Belastung zu groß ist. Dann kann immer noch eine Kontaktaufnahme zum Unfallversicherungsträger erfolgen und der Verbandbucheintrag dient als Beleg dafür, was wann passiert ist.

Wie kann man sich die Beratung vorstellen?

Es geht erst mal darum, den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, das Erlebte mit Profis aufzuarbeiten. Dafür sind bis zu fünf probatorische Sitzungen angesetzt. Sie sind nicht verpflichtend, sondern nur ein niederschwelliges Angebot und dienen der Krisenintervention – unabhängig von Kausalitätsfragen. Danach wird der Bedarf an weiterer psychotherapeutischer Unterstützung geprüft. In der Regel finden die Sitzungen in einer Psychotherapiepraxis statt.

Was können Kitas im Vorfeld tun?

Sinnvoll ist eine Art Notfallplan. Damit ist es möglich, souverän und sicher zu agieren, sollte es einmal zu aggressiven oder gewalttätigen Vorfällen kommen, was ja zum Glück nicht sehr häufig ist. Es gibt dazu eine Vorlage aus der DGUV-Schrift „Gut vorbereitet für den Ernstfall“, die man für die eigene Einrichtung anpassen kann (siehe: www.dguv.de, Webcode: p206017).

Die Fragen beantwortete Helmut Tusk, Fachbereichsleiter Rehabilitation der Berufs­genossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), Bochum.

 

Ausführliche Online-Infos der BGW zu Hilfe nach Extremereignissen:
www.kurzelinks.de/extremerlebnis

sowie
Notfallplan – Gewalt und Aggression gegen Beschäftigte in Betreuungsberufen:
www.kurzelinks.de/notfallplan-aggression

Informationen zum Psychotherapeutenverfahren:
www.dguv.de, Webcode: p012733

 

Wie Sie psychischen Belastungen entgegenwirken

Personalmangel, Zeitknappheit, Konflikte mit Eltern – die meisten Träger und Kitaleitungen glauben zu wissen, wo bei ihren Beschäftigten der Schuh drückt. Weshalb sich also die Mühe machen, die psychischen Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung (GBU) aufzunehmen? Zum einen natürlich, weil es gesetzliche Pflicht ist. Und zum anderen, weil nur so aus Vermutungen Gewissheiten werden und sich dann geeignete Maßnahmen treffen lassen, die die Situation der pädagogischen Fachkräfte verbessern. Das trägt dazu bei, die Arbeit sicherer und gesünder zu gestalten und Ausfallzeiten zu verringern.

Eine GBU psychischer Belastungen zu erstellen, ist weniger aufwendig und bürokratisch, als viele befürchten. Zumal es von Unfallkassen und Berufsgenossenschaften speziell für Kitas nützliche Handlungshilfen gibt (siehe Kasten unten rechts). Diese können unkompliziert an die Bedingungen der eigenen Kita angepasst werden.

Sieben Schritte führen zu einer erfolgreichen GBU psychischer Belastungen:

1. Vorbereitung

Kitaleitungen, die vom Träger mit der Beurteilung und Dokumentation der Arbeitsbedingungen beauftragt wurden, sind nicht allein. Sie können und sollten die Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Sicherheitsbeauftragte, Betriebsärztinnen und -ärzte sowie die Personalvertretung miteinbeziehen. Methodisch gibt es nicht den einen, festgelegten Weg zur Ermittlung der psychischen Belastungen, sondern eine Vielzahl von Ansätzen. Teamsitzungen, Workshops und Vorgesetzten-Mitarbeiter-Gespräche bieten sich an. Vieles wird in Kitas auch schon gemacht – nur die schriftliche Dokumentation fehlt dann eigentlich noch zur GBU.

2. Gefährdungen und Belastungen ermitteln

Die oben genannten Handlungshilfen bilden eine übersichtliche Grundlage, um Gefährdungen und Belastungen richtig einschätzen zu können. Mit Prüflisten oder Fragebögen wird die Wahrnehmung verschiedener Situationen aus dem Arbeitsalltag systematisch erfasst: Wie wird der Lärm empfunden? Wie nehmen die Beschäftigten Teamsitzungen wahr? Wie ist das Arbeitsklima?
Beispiel: Kitaleiterin Frau Helmer hat bemerkt, dass ihr Team mit den Kindern immer öfter lieber im Gruppenraum bleibt, statt nach draußen zu gehen, auch wenn es nur ganz leicht nieselt. Sie will der Sache im Rahmen einer Teamsitzung auf den Grund gehen.

3. Gefährdungen und Belastungen beurteilen

Um die Bewertungen der Beschäftigten schriftlich zu dokumentieren, sind die Handlungshilfen ebenfalls ein wichtiges Instrument. Beispielsweise können Fragebögen verwendet werden, bei deren Auswertung gut ersichtlich wird, in welchen Bereichen Handlungsbedarf besteht.
Beispiel: Auf Basis der Handlungshilfen fragt Frau Helmer in der Teamsitzung nach. Es stellt sich heraus, dass die Erzieherinnen und Erzieher das Anziehen der „Matschklamotten“ besonders stressig finden. Während die älteren Kinder längst in Hosen und Gummistiefel geschlüpft sind, benötigen die jüngeren Hilfe. Die Älteren langweilen sich, schwitzen, sind laut und ungeduldig. Das überträgt sich auf das pädagogische Fachpersonal, das sich um ältere und jüngere Kinder gleichzeitig kümmern muss. Die Folge: Hektik, Stress, schlechte Stimmung.

4. Maßnahmen festlegen

Auf Grundlage der GBU werden konkrete Maßnahmen festgelegt, um die erkannten Gefährdungen und Belastungen zu beseitigen.
Beispiel: Bei der Teamsitzung werden Vorschläge gemacht und schriftlich festgehalten: Die älteren Kinder sollen erst den jüngeren helfen, bevor sie sich selbst anziehen. Eine Erzieherin nimmt außerdem draußen die fertig angezogenen Kinder in Empfang, damit diese nicht warten müssen, bis die ganze Gruppe so weit ist.

5. Maßnahmen durchführen

Wenn die personellen Zuständigkeiten für die Umsetzung der Maßnahmen festgelegt und unter Berücksichtigung des Gefährdungsrisikos Prioritäten sowie Umsetzungsfristen gesetzt worden sind, werden die Maßnahmen umgesetzt.
Beispiel: Die Kinder, die ihre Matschklamotten schon tragen, gehen nach draußen, wo Frau Müller schon auf sie wartet. Frau Uzun und Jahrespraktikant Herr Schultze helfen gemeinsam mit den Vorschulkindern, die jüngeren Kinder anzuziehen.

6. Wirksamkeit überprüfen

Hat sich die Situation verbessert? Nach einem festgelegten Zeitraum wird das überprüft. In diesem Fall können die von der Änderung betroffenen Beschäftigten einfach dazu befragt werden.
Beispiel: Vier Wochen später fragt die Kitaleitung bei der Teamsitzung nach. Einhellige Meinung: Die Kinder sind leiser und nicht mehr so ungeduldig. Erzieherinnen und Erzieher fühlen sich weniger gestresst.

7. GBU fortschreiben

Die Gefährdungsbeurteilung muss in angemessenen Zeiträumen aktualisiert werden. Hierfür müssen Fristen festgelegt werden. Außerdem muss sie angepasst werden, wenn sich Gegebenheiten verändern (z. B. hohe personelle Fluktuation, neue Aufgabenverteilung im Team, vermehrtes Auftreten von Krankheitsfällen).
Beispiel: Teamsitzung ein Jahr später: Hat sich das Prozedere mit den Matschklamotten aus Sicht der Beschäftigten bewährt? Oder muss nachjustiert werden?

Eine Gefährdungsbeurteilung ist ein kontinuierlicher Prozess, der nicht nur den Status quo festigen, sondern die Gesundheit und Sicherheit in der Kita verbessern soll. Sie muss so dokumentiert werden, dass daraus die Beurteilung der Gefährdung, die festgelegten Maßnahmen und das Ergebnis ihrer Überprüfung hervor gehen. Das dient nicht nur der Rechtssicherheit, sondern auch als wertvolle Arbeitshilfe im Kita-Alltag.

 

GBU IM INTERNET

  • Infos, Handlungshilfen, Mitarbeiter- und Dokumentationsbögen zur GBU psychischer Belastungen hat die Unfallkasse Berlin speziell für Kitas zusammengestellt:
    www.kurzelinks.de/4boj
  • Ausführliche Informationen und Prüflisten zu einer Vielzahl von potenziellen Gefährdungen bietet die Unfallkasse NRW in der Broschüre „Gefährdungsbeurteilung für Kindertageseinrichtungen – Handlungshilfe“:
    www.kurzelinks.de/yfii
  • Übersichtliche Informationen zur „Gefährdungsbeurteilung in der Kinderbetreuung“ und Checklisten hält die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) bereit:
    www.kurzelinks.de/t0vz
  • Die Unfallkasse Rheinland-Pfalz erklärt die Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen in einem Video:
    www.kurzelinks.de/r4ar