Wie kann Medienerziehung in der Praxis gestaltet werden? Welche Projekte bieten sich für welche Altersklasse an? Eine ausführliche Übersicht dazu und viel mehr gibt der Medienkindergarten Wien: https://medienkindergarten.wien
Das Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz (IFP) in Bayern hat Kita-Apps unter die Lupe genommen und die Erfahrungen, wichtige Auswahlkriterien sowie Empfehlungen unter dem Stichwort „Fachpublikationen“ veröffentlicht: https://kurzelinks.de/l6sv
Viele praxisnahe und pädagogisch sinnvolle Beispiele zum Einsatz digitaler Medien in der Kita gibt es im Online-Kurs „Startchance kita.digital“: https://kurzelinks.de/vxat
Mitschnitt einer interessanten Veranstaltung zu „Digitale Medien in der frühkindlichen Bildung – politischer Auftrag und Umsetzung in der Praxis“: https://youtu.be/YCal66raZWo
Auf dem Deutschen Bildungsserver finden Sie Fachbeiträge, Videos, Podcasts, Studien und Textsammlungen zum Thema: https://kurzelinks.de/zhsc
Erstmals empfiehlt die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK), die digitale Medienbildung in die Rahmen- und Orientierungspläne aller Bundeländer aufzunehmen. Das Gutachten setzt interessante Impulse für eine breite gesellschaftliche Debatte. https://kurzelinks.de/xgf1
Haben Sie selbst Vorschläge? Gern nehmen wir sie in die Liste auf! Schreiben Sie uns: kinderkinder@dguv.de
Oft fühlen sich pädagogische Fachkräfte mit der berechtigten Forderung nach frühkindlicher Medienerziehung überfordert und lehnen eine Auseinandersetzung damit erst mal ab. Wie kann man diesen Vorbehalten begegnen?
Jasmin Block: Wir haben hier einen grundlegenden Paradigmenwechsel. Noch vor einigen Jahren hieß es, die Kita soll ein Schutzraum sein, wo digitale Medien nicht erwünscht sind. Heute heißt es, frühe digitale Medienbildung ist bedeutsam und wichtig. Da ist die Verunsicherung verständlich. Nach meiner Erfahrung kann der erste Schritt zu einer Öffnung über die mittelbaren pädagogischen Tätigkeiten gehen.
Was bedeutet das?
Die Erzieherinnen und Erzieher nutzen Tablets als Werkzeuge und Arbeitsmittel etwa für die Dokumentation oder Portfolio-Arbeit. Sie merken, dass digitale Geräte und Medien in der Kita positiv besetzt sein können. Der Sprung vom „Schutzraum Kita“ zur „digitalen Kita“ ist dann nicht so gewaltig, sondern erfolgt über einen Zwischenschritt.
Das heißt, die Fachkräfte nutzen digitale Geräte zunächst gar nicht im pädagogischen Kontext?
Genau. Und trotzdem befürchten manche Fachkräfte, dass sie ein schlechtes Vorbild sind, wenn sie hinter dem Tablet verschwinden, da viele Kinder das auch zu Hause erleben, wo es womöglich einen weniger reflektierten Umgang mit digitalen Medien gibt. Wir wissen ja, dass Kinder ungünstiges Mediennutzungsverhalten übernehmen. Dabei können die Fachkräfte ein hervorragendes Vorbild sein, indem sie das Tablet wieder weglegen, sobald die Aufgabe erledigt ist. Damit zeigen sie klare Alternativen zu einem hedonistischen Medienkonsum.
Vor einer pädagogischen Nutzung von Tablets und Co. muss sich das Kitateam gesamtheitlich darauf verständigen und ein Konzept dazu machen. Wie schafft man das?
Das Team sollte für sich klären: Was wollen wir und was auf keinen Fall? Was ist uns wichtig? Wo sehen wir Stolperfallen? Man muss nicht gleich alles wissen, sondern kann sich mit den Kindern gemeinsam auf den Weg machen und sich herantasten. Frühe Medienbildung hat verschiedene Komponenten, eine davon ist reflektiv. Das bedeutet, man greift die Medieninhalte auf, die Kinder zu Hause konsumieren, und spricht darüber. Das können auch diejenigen machen, die sich den direkten Umgang mit Tablet und Apps nicht zutrauen und das Thema skeptisch sehen. Teamfortbildungen sind hilfreich, da sie spezielle Bedürfnisse und Ansprüche der Kita berücksichtigen können. Es gibt kein allgemeingültiges Erfolgsrezept.
Werden sich alle Kitas mit diesem Thema auseinandersetzen müssen?
Ich denke schon. Die Fachöffentlichkeit ist sich einig, dass frühe digitale Medienbildung sein muss, um in unserer Lebenswirklichkeit gut gerüstet zu sein. Es ist an der Zeit, sich zu öffnen.
Die Integration von digitalen Medien wie Tablets, Smartphones und Internet in die bestehenden Konzepte der frühkindlichen Bildungsarbeit ist unabdingbar. Denn Kinder haben das Recht auf ein gutes Aufwachsen und Bildung sowie auf Schutz und Partizipation in der digitalen Welt (vgl. UN-Kinderrechtskonvention, kinderrechte.digital). Schon 2017 hat die Kultusministerkonferenz die Kompetenzen in der digitalen Welt als vierte Kulturtechnik – neben Lesen, Schreiben und Rechnen – festgehalten und sieht sie als Voraussetzung für die gesellschaftliche Teilhabe. Ziel der frühen Medienförderung ist das medienkompetente, medienmündige Kind. Das bedeutet aber, dass Kinder selbstverständlich das Handwerkszeug benötigen, um diese Kompetenzen zu erwerben und eine reflektierte Haltung entwickeln zu können.
Frühzeitiges Erlernen der Fertigkeiten notwendig
Voraussetzung dafür ist, dass Kinder den praktischen Umgang mit informationstechnischen Geräten erlernen, die bereits heute ihren Alltag prägen. Sie müssen demnach lernen, wie diese Geräte verwendet werden, wie sie funktionieren. Sie erwerben so die Kompetenz, Medien zweckbestimmt und kreativ zu nutzen und damit eigene Werke zu erstellen.
KURZ GESAGT!
_Medienbildung – auch digitale – ist ein Kinderrecht
_Kitas haben hier einen klaren Bildungsauftrag
_Bestehende Konzepte können digital sinnvoll ergänzt werden
Die Kindertageseinrichtungen sollten dabei als Chance zur begleitenden Medienerziehung gesehen werden. Sie sind der erste professionelle Bildungsort der Kinder zur Entwicklung von Kompetenzen für die digitale Welt – neben vielen weiteren Kompetenzen in anderen Bildungsbereichen – und als solchen sollten sich Kitas auch begreifen. Die Förderung von Medienkompetenz bei den Kindern beginnt – ganz ohne direkte Mediennutzung – bereits mit Gesprächen über deren Medienerlebnisse und -erfahrungen.
Digitale Medien gemeinsam mit den Kindern entdecken
Digitale Medien eignen sich etwa für die Portfolioarbeit mit den Kindern, um ihre Entwicklung partizipativ zu dokumentieren. Wird das Tablet im Alltag mit einem geeigneten Programm genutzt, lernen die Kinder dieses Medium zum einen als Arbeitsinstrument kennen und merken, dass Geräte für einen Zweck und eine bestimmte Zeit genutzt, danach aber auch wieder weggelegt werden. Zum anderen erfahren Kinder aber auch durch Absprachen mit den pädagogischen Fachkräften, dass sie das Recht am eigenen Bild haben und bei der Frage, was in ihrem persönlichen Portfolio dokumentiert werden soll, eine Stimme haben und mitbestimmen können. Dabei sind Datenschutzfragen im Team (mit dem Träger und eventuell auch mit den Eltern) vor der digitalen Portfolio-Arbeit abzuklären. In diesem Szenario wird Medienkompetenz „en passant“ vermittelt, ohne dass Kinder das Tablet selbst nutzen. Doch natürlich gibt es auch bereichernde Möglichkeiten, wie Kinder selbst aktiv werden und digitale Medien kreativ einsetzen.
Bei der Diskussion um digitale Medien in der Kita ist die Devise wichtig: Ersatz ist Quatsch! Es geht in der Kindertageseinrichtung darum, bestehende Konzepte und Angebote sinnvoll mit digitalen Elementen anzureichern. So kann der Entstehung einer digitalen Kluft entgegengewirkt werden. Denn Bildungschancengerechtigkeit brauchen wir auch in der digitalen Welt. Dafür ist eine Integration von digitalen Medien in Kindertagesstätten unbedingt erforderlich.
Denkbare Einsatzmöglichkeiten in der pädagogischen Arbeit mit den Kindern sind:
gemeinsames Forschen und Dokumentieren
(z. B. mit digitalem Mikroskop und Endoskop-Kamera und der App Book Creator oder BookTraps)
digitale Bilderbücher lesen (Tipps dazu auf lesenmit.app der Stiftung Lesen) und gemeinsam entwickeln (z. B. Kibunet)
Bilderbücher in mehreren Sprachen vorlesen / lesen lassen (z. B. Polylino)
Partizipation der Kinder bei der pädagogischen Dokumentation (z. B. Kitalino)
kreatives Gestalten mit Medien: gemeinsame Entwicklung von digitalen Bilderbüchern oder Fotogeschichten; gemeinsame Filmprojekte (Stop- Motion-Filme, Filme über die Kindertageseinrichtung oder ein Projekt); gemeinsame Hörspielproduktion
In der evangelischen Kita Oberlin in Berlin-Steglitz wird gematscht, gespielt, getobt, gebastelt und gern in Bücher aus der Kitabibliothek geschaut, die von den Kindern selbst verwaltet wird. Digitale Medien werden dort eingesetzt, wo es sinnvoll ist – etwa im Bilderbuchkino, bei dem die Kindergruppe gemeinsam ein Buch über den Beamer betrachtet, oder wenn die Fachkräfte auf Tablets etwas im Internet recherchieren. Kitaleiterin Silke Glückstein meint: „In der frühen Kindheit wird der Grundstein für die Medienmündigkeit gelegt. Gleichzeitig sind auch Greifen und Begreifen zentrale Erfahrungen der kindlichen Entwicklung. Das Buch ist ein altersgerechtes geeignetes Medium, das haptische Erfahrungen ermöglicht und etwa durch das Zeigen die Koordination von Hand und Auge fördert.“
Digitale Medienzeiten für Vier- bis Sechsjährige sollten sich nach der Empfehlung von Medienfachleuten auf höchstens eine halbe Stunde am Tag beschränken. Auch deshalb setzt sie in ihrer Kita auf analoge Bildungs- und Spielangebote. Silke Glückstein weiß, dass viele der Eltern die Medienzeiten ihrer Kinder bereits gut im Blick haben.
KURZ GESAGT!
Auch das Angucken von Bilderbüchern ist ein Schritt zur Medienmündigkeit
Abwägen: Kann das Bildungsziel nur durch digitale Medien erreicht werden?
Initiative „ECHT DABEI“ unterstützt Kitas mit
Fortbildungen sowie Angeboten für Eltern und Kinder
Unterstützung durch Initiative „ECHT DABEI“
Es ist aber immer sinnvoll, sich zu diesen Themen durch Fachleute auf den aktuellen Stand bringen zu lassen. Dafür hat sich die Einrichtung Unterstützung durch die Initiative „ECHT DABEI“ geholt. Diese sieht neben den Chancen auch die Risiken der digitalen Mediennutzung, die, befördert durch die Pandemie, auch bei den Jüngsten stark gestiegen ist. Stephanie Stalter vom Projektbüro: „Wir möchten Orientierung geben und die Fachkräfte darin bestärken, bei der Entscheidung ‚analog versus digital‘ stärker abzuwägen.“ Sie plädiert dafür, dabei immer den Blick auf das Kind und seinen Entwicklungsstand zu haben.
Die Initiative bietet Kitas und Grundschulen eine Fortbildung für pädagogische Fachkräfte an. Denn oft gibt es auch in Bildungseinrichtungen mehr Fragen als Antworten zu diesem komplexen Thema. Das Team von Silke Glückstein wurde von einem „ECHT DABEI“-Coach an zwei Tagen geschult – dabei ging es etwa um Ressourcen und Fähigkeiten, die Kinder brauchen, um im digitalen Zeitalter gesund groß zu werden, und um den altersgerechten Umgang mit Medien.
Hilfreich für die Praxis waren die aufgezeigten Beispiele, wie die medienpädagogische Arbeit mit Kindern konkret gestaltet und die Eltern miteinbezogen werden können. „Außerdem kamen die Kinder in den Genuss eines spannenden Mitmachtheaters“, berichtet die Kitaleiterin. Zusätzlich stand ein Online-Elternabend auf dem Programm. All dies war für die Einrichtung dank der BKK-Förderung kostenlos.
Medienbildung geht auch analog
„ECHT DABEI“ ist ein bundesweites Präventionsprogramm, das von den Betriebskrankenkassen gefördert wird. Erste Anlaufstelle für die Fachkräfte ist das Servicebüro. Die zertifizierten, regional tätigen „ECHT DABEI“-Coaches gehen dann in die Einrichtungen vor Ort. Stalter erklärt, das Ziel sei keineswegs, digitale Medien aus den Kitas und Grundschulen zu verbannen, sondern neue Impulse dafür zu geben, das, was in Einrichtungen bereits zur Förderung der Medienmündigkeit getan wird, bewusster zu tun. „Wir sind kritisch-reflektiert“, fasst Stalter die Haltung zusammen. „Es geht uns um das Bildungs- oder Erziehungsziel, das erreicht werden soll. Die verschiedenen Medien sind dabei nur Hilfsmittel.“
Ob analog oder digital: Diese Einschätzung mit Blick auf den Entwicklungsstand der Kinder und die jeweilige Situation zu treffen, erfordert die Kernkompetenzen pädagogischer Fachkräfte. „Im Zweifel plädieren wir aber immer dafür, analogen Medien den Vorzug zu geben“, sagt die Projektleiterin und erklärt: „Medienbildung im Kindergarten kann vollständig analog erfolgen.“ Es gehöre schließlich deutlich mehr dazu, als ein Tablet bedienen zu können. Das Team der Kita Oberlin jedenfalls hat den Schwerpunkt auf analoge Medien gelegt und macht gute Erfahrungen damit.
ECHT DABEI
… ist ein Präventions- und Bildungsprogramm. Es richtet sich an Kindertageseinrichtungen und (Grund-)Schulen und hat zum Ziel, Medienrisiken und -problematiken vorzubeugen und Medienmündigkeit zu fördern. Hand in Hand damit geht die Vermittlung von Kompetenzen zur Medienbildung.
www.echt-dabei.de, E-Mail: info@echt-dabei.de,
telefonisch erreichbar Di–Fr, 9–12 Uhr unter der Nummer 0761 15 61 02 32