Beim Kinderrechtepuzzle mitmachen!

UNICEF Deutschland und das Deutsche Kinderhilfswerk fordern ein stärkeres politisches Engagement für eine bessere und gerechtere Zukunft junger Menschen. Dafür gibt es zahlreiche Mitmachaktionen, bei denen auch Kita teilnehmen können.

#wiestarkwäredasdenn
Zum Beispiel beim Kinderrechtepuzzle zum Weltkindertag – „Jedes Kind braucht eine Zukunft! Sei ein Teil davon“. Das Aktionsangebot – ein Kinderrechtepuzzle mit großen Puzzlestücken aus Pappe – stellt am Weltkindertag die Kinderrechte in den Fokus. Insbesondere bietet es Kindern die Möglichkeit, die Bedeutung ihrer Rechte durch eigene gemalte Forderungen, Gedanken und Träume zu unterstreichen. Das aus vielen Einzelteilen entstehende große Kinderrechtepuzzle vereint damit die Gedanken und Wünsche von Menschen unterschiedlichen Alters.

Um den Forderungen der jungen Generation Nachdruck zu verleihen, können die Bilder der Kinder fotografieren und unter dem Aktions-Hashtag #wiestarkwäredasdenn in den sozialen Medien gepostet werden.

Mehr Informationen:
Weltkindertag 2023: Street-Art zum Weltkindertag | UNICEF

Neues Infoportal zu Kinderrechten

Vor mehr als 30 Jahren trat die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN) in Kraft. Zur besseren Umsetzung haben das Deutsche Kinderhilfswerk und der Verein Kinderfreundliche Kommunen im Internet ein Infoportal erstellt.

Zielgruppe des Portals sind zwar vor allem Verwaltungsmitarbeitende sowie politische Entscheidungsträgerinnen und -träger in den Kommunen, aber auch für Kita-Träger und Kita-Leitungen können die gesammelten Materialien des Internetauftritts Tipps und Anregungen liefern. Zu den Themen gehören beispielsweise „Empfehlungen zur Erstellung einer inklusionspädagogischen Konzeption für Kindertageseinrichtungen“ oder „Qualitätsstandards für Kinder- & Jugendbeteiligung“.

„Insbesondere den Kommunen kommt bei der Umsetzung der Kinderrechte eine wichtige Rolle zu, da ihre Aufgaben und ihr Handeln sich sehr oft direkt oder indirekt auf Kinder auswirken. Der Wissenstransfer unter den kommunalen Akteurinnen und Akteure ist allerdings bisher eher gering, obwohl kontinuierlich Materialien zum Thema entstehen. Das möchten wir mit dem neuen Infoportal ändern“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Zum Internetportal: https://kommunen.kinderrechte.de

Quelle: https://www.dkhw.de/presse/pressemitteilungen/presse-details/launch-des-infoportals-kinderrechte-in-kommunen-jetzt-breites-informationsangebot-zur-besseren-u/

„Wir haben adultistisches Verhalten verinnerlicht“

Ist adultistisches Verhalten nicht unvermeidlich? Erwachsene haben nun einmal mehr Erfahrung als Kinder und manche Dinge in der Kita laufen nicht, wenn die Erwachsenen keine klaren Ansagen machen.

Fea Finger: Solche Situationen gibt es natürlich. Die Frage ist: Wie verhalte ich mich dann? Wie formuliere ich das? Nehme ich mir die Zeit, es dem Kind zu erklären? Da ist oft die Sorge: Dann wartet meine Kollegin und hat kein Verständnis dafür. Deshalb meine ich, müsste sich ein Team viel mehr austauschen und sich auf eine grundsätzliche Haltung Kindern gegenüber verständigen, was dafür nötig ist, dass sie sich wohlfühlen. Mal ehrlich: Wie ginge es Ihnen, wenn Ihre Wünsche und Bedürfnisse regelmäßig als unwichtig und belanglos abgetan würden?

Wo kommt das adultistische Verhalten her?

Wir alle sind in adultistischen Strukturen sozialisiert worden. Wir hinterfragen das nicht, wir haben das verinnerlicht. Es ist im Grunde eine alltägliche, strukturelle Diskriminierungsform. Wir haben als Kinder gelernt: Wenn ich mal erwachsen bin, dann habe ICH das Sagen. Und das ist bei pädagogischen Fachkräften nicht anders. Manche sind in den Beruf gestartet mit der Idee, Kinder „erziehen“ zu wollen. Ziehen, also die Richtung vorgeben. Das muss man reflektieren und versuchen zu verstehen, an wie vielen Stellen sich ein erwachsener Mensch zurücknehmen muss, damit Kinder eigene Erfahrungen machen und dabei lernen können.

Manche Dinge muss eine Fachkraft entscheiden, etwa um das Kind zu schützen. Da stellt sich die Frage: Adultismus oder Fürsorge?

Worüber die Fachkraft auf jeden Fall entscheiden muss, ist der grundsätzliche Tagesablauf. Besonders im Krippenbereich werden Erwachsene vieles bestimmen müssen. Da gibt es aber individuell durchaus noch Spielräume und es kommt darauf an, wie ich es dem Kind vermittele, ohne es zu etwas zu zwingen, das es partout nicht möchte. Manche können mit zwei Jahren entscheiden, ob sie eine Windel möchten, andere können das nicht. Manche können in dem Alter sicher klettern, andere nicht. Manches ist auch tagesformabhängig. Die Fachkräfte sollten der Individualität jedes Kindes Rechnung tragen. Zur Frage, wann ist Fürsorge Adultismus? Wann ist Partizipation Überforderung? Darauf gibt es keine eindeutige, pauschale Antwort; es spielen zu viele Komponenten mit hinein.

Spätestens wenn Kinder in die Schule kommen, müssen sie sich an ganz viele Regeln halten. Wird das nicht schwierig für sie, wenn sie es in der Kita nicht üben?

Daraus spricht die Sorge, die Kinder nicht gut genug vorzubereiten. Tatsache ist aber: Die Kinder, die jetzt groß werden, brauchen in der Zukunft ganz andere Dinge und Kompetenzen als die Kinder, die wir einmal waren. Wir werden sie nicht auf alles vorbereiten können. Kitas sind aber keine Vorbereitungseinrichtungen für die Schule, sondern ein eigener Lebensabschnitt. Noch eine Kehrseite: Wir kommen von der Kita in die Schule und machen, was man uns sagt. Irgendwann sind wir erwachsen und sollen plötzlich selbst entscheiden. Alle erwarten, dass wir jetzt wissen, was für uns gut ist. Aber wir haben das nie gelernt. Das finde ich schwierig.


Sie sprechen davon, dass Adultismus eine strukturelle Diskriminierungsform ist. Warum?

Wir alle haben als Kinder erfahren: Es ist in Ordnung, eine bestimmte Gruppe von Menschen aufgrund willkürlicher Merk-male – etwa dem Alter – auszugrenzen, abzuwerten oder ihnen Rechte und Fähigkeiten abzusprechen. Das setzt sich unbewusst fort, weil dieses Verhalten internalisiert wurde.


Sie sagen, wir haben adultistisches Verhalten verinnerlicht. Wie kann man es dennoch erkennen und etwas dagegen machen?

Eine gute Frage ist dann: „Würde ich in dieser Situation auch mit einem erwachsenen Menschen so umgehen?“ oder noch besser: „Würde ich wollen, dass man mit mir so umgeht?“ Letztlich ist es eine Haltungsfrage. Wenn ich Kinder als eigenständige Persönlichkeiten akzeptiere, dann kann ich mich automatisch nicht mehr ganz so adultistisch verhalten. Veränderungen beginnen mit der Reflexion und erfolgen in kleinen Schritten.


Wie kann eine Fachkraft ihr Team für das Thema sensibilisieren?

Auch in kleinen Schritten. Nicht das ganze Team in den Blick nehmen, sondern die Kollegin, zu der ich einen guten Draht habe und mit der ich mich ohnehin viel austausche. In solchen Konstellationen geht das gut und von da ausgehend kann man den Kreis erweitern, es vielleicht in einer Teamsitzung aufgreifen und den Begriff „Macht“ als Aufhänger nehmen. Denn dadurch, dass die Erwachsenen in der Kita immer die Verantwortung tragen, haben sie natürlich auch eine gewisse Macht. Das im Team zu reflektieren und zu definieren ist sehr erhellend. Dann gilt es zu überlegen: Wie wollen wir in welchen Situationen mit den Kindern umgehen, wie viel Partizipation ist möglich und für uns machbar? Aber klar: Es ist ein Prozess.

Partizipation und Adultismus schließen sich aus?

Ja sicher. Partizipation ist in den meisten Bildungsplänen fest verankert. Es ist ein Kinderrecht. Es ist keine Frage von gutem Willen. Aber wenn ein Team überlegt, wie man das im Kita-Alltag umsetzen könnte, dann kommen diese ganzen eigenen Adultismuserfahrungen raus: „Ich dufte das auch nie“ oder: „Mir hat das auch nicht geschadet“.

Manche haben die Befürchtung, wenn man Kindern zu viele Wahlmöglichkeiten lässt und alles mit ihnen ausdiskutiert, landen wir wieder bei den antiautoritären Kinderläden der 70er Jahre.

Das sehe ich so nicht. Diese Befürchtung beruht, denke ich, auch auf dem internalisierten Adultismus und der Denke: Wenn wir den Kindern nicht genau vorgeben, wie es laufen muss, dann versinkt alles im Chaos. Es gibt ja Werte, die ich den Kindern vorlebe die sind nicht: Alle machen was sie wollen. Sondern: Ich nehme die Bedürfnisse des einzelnen Kindes wahr und gehe darauf ein. Das bedeutet eben nicht, jedem Wunsch nachzukommen, sondern ein Bedürfnis anzuerkennen. Dann spricht man darüber und tritt in eine Verhandlung ein. Und ja: Manchmal muss ich mich dem Kind anpassen. Manchmal ist es anstrengend. Aber wir sind immer noch sehr weit von Anarchie  und Chaos entfernt. Wir Erwachsenen haben immer die Verantwortung. Wenn etwas schief geht, können uns niemals damit herausreden, die Kinder hätten das so entschieden.

Sie geben Fortbildungen zu Adultismus. Was sind die häufigsten Anliegen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer?

Vielfach gehen die schon reflektiert mit diesem Thema um und wollen Hinweise, wie sie Adultismus erkennen, wie sie es gegenüber der anderen Person ansprechen können, ohne anzuecken. Adultismus zeigt sich ja oft in Situationen mit übergriffigem Verhalten. Viele bewegt auch der Wunsch, typische Situationen zu identifizieren, in denen sie sich adultistisch verhalten.

Typische adultische Redewendungen

  • Weil ich das sage!
  • Solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst, machst du, was ich will.
  • Wenn der Kuchen spricht, schweigen die Krümel.
  • Wenn du jetzt nicht…, dann…!
  • Dazu bist du noch zu klein.
  • Das kannst du noch nicht.
  • Das ist nichts für Kinder.
  • Das verstehst du noch nicht.

Digitale Medien als Bonus

Die Integration von digitalen Medien wie Tablets, Smartphones und Internet in die bestehenden Konzepte der frühkindlichen Bildungsarbeit ist unabdingbar. Denn Kinder haben das Recht auf ein gutes Aufwachsen und Bildung sowie auf Schutz und Partizipation in der digitalen Welt (vgl. UN-Kinderrechtskonvention, kinderrechte.digital). Schon 2017 hat die Kultusministerkonferenz die Kompetenzen in der digitalen Welt als vierte Kulturtechnik – neben Lesen, Schreiben und Rechnen – festgehalten und sieht sie als Voraussetzung für die gesellschaftliche Teilhabe. Ziel der frühen Medienförderung ist das medienkompetente, medienmündige Kind. Das bedeutet aber, dass Kinder selbstverständlich das Handwerkszeug benötigen, um diese Kompetenzen zu erwerben und eine reflektierte Haltung entwickeln zu können.

Frühzeitiges Erlernen der Fertigkeiten notwendig

Voraussetzung dafür ist, dass Kinder den praktischen Umgang mit informationstechnischen Geräten erlernen, die bereits heute ihren Alltag prägen. Sie müssen demnach lernen, wie diese Geräte verwendet werden, wie sie funktionieren. Sie erwerben so die Kompetenz, Medien zweckbestimmt und kreativ zu nutzen und damit eigene Werke zu erstellen.

KURZ GESAGT!

_Medienbildung – auch digitale – ist ein Kinderrecht

_Kitas haben hier einen klaren Bildungsauftrag

_Bestehende Konzepte können digital sinnvoll ergänzt werden

Die Kindertageseinrichtungen sollten dabei als Chance zur begleitenden Medienerziehung gesehen werden. Sie sind der erste professionelle Bildungsort der Kinder zur Entwicklung von Kompetenzen für die digitale Welt – neben vielen weiteren Kompetenzen in anderen Bildungsbereichen – und als solchen sollten sich Kitas auch begreifen. Die Förderung von Medienkompetenz bei den Kindern beginnt – ganz ohne direkte Mediennutzung – bereits mit Gesprächen über deren Medienerlebnisse und -erfahrungen.

Digitale Medien gemeinsam mit den Kindern entdecken

Digitale Medien eignen sich etwa für die Portfolioarbeit mit den Kindern, um ihre Entwicklung partizipativ zu dokumentieren. Wird das Tablet im Alltag mit einem geeigneten Programm genutzt, lernen die Kinder dieses Medium zum einen als Arbeitsinstrument kennen und merken, dass Geräte für einen Zweck und eine bestimmte Zeit genutzt, danach aber auch wieder weggelegt werden. Zum anderen erfahren Kinder aber auch durch Absprachen mit den pädagogischen Fachkräften, dass sie das Recht am eigenen Bild haben und bei der Frage, was in ihrem persönlichen Portfolio dokumentiert werden soll, eine Stimme haben und mitbestimmen können. Dabei sind Datenschutzfragen im Team (mit dem Träger und eventuell auch mit den Eltern) vor der digitalen Portfolio-Arbeit abzuklären. In diesem Szenario wird Medienkompetenz „en passant“ vermittelt, ohne dass Kinder das Tablet selbst nutzen. Doch natürlich gibt es auch bereichernde Möglichkeiten, wie Kinder selbst aktiv werden und digitale Medien kreativ einsetzen.

Bei der Diskussion um digitale Medien in der Kita ist die Devise wichtig: Ersatz ist Quatsch! Es geht in der Kindertageseinrichtung darum, bestehende Konzepte und Angebote sinnvoll mit digitalen Elementen anzureichern. So kann der Entstehung einer digitalen Kluft entgegengewirkt werden. Denn Bildungschancengerechtigkeit brauchen wir auch in der digitalen Welt. Dafür ist eine Integration von digitalen Medien in Kindertagesstätten unbedingt erforderlich.

Denkbare Einsatzmöglichkeiten in der pädagogischen Arbeit mit den Kindern sind:

  • gemeinsames Forschen und Dokumentieren
  • (z. B. mit digitalem Mikroskop und Endoskop-Kamera und der App Book Creator oder BookTraps)
  • digitale Bilderbücher lesen (Tipps dazu auf lesenmit.app der Stiftung Lesen) und gemeinsam entwickeln (z. B. Kibunet)
  • Bilderbücher in mehreren Sprachen vorlesen / lesen lassen (z. B. Polylino)
  • Partizipation der Kinder bei der pädagogischen Dokumentation (z. B. Kitalino)
  • kreatives Gestalten mit Medien: gemeinsame Entwicklung von digitalen Bilderbüchern oder Fotogeschichten; gemeinsame Filmprojekte (Stop- Motion-Filme, Filme über die Kindertageseinrichtung oder ein Projekt); gemeinsame Hörspielproduktion

Hinsehen, ernst nehmen, angehen

Die Krippengruppe ist gerade im Aufbruch. Das Fertigmachen der Kleinen hat Zeit und Nerven gekostet, aber jetzt sind alle bereit. Da bemerkt die Erzieherin, dass Paul eine volle Windel hat. Also führt sie den Kleinen seufzend zum Wickelbereich und macht ihn sauber. Als sie mit Paul zurück zu den anderen kommt, sagt die Erzieherin laut: „So, hier ist er wieder, der kleine Hosenscheißer, wegen dem ihr alle so lange warten musstet!“

Diese Szene schildert der Kinderrechtsexperte Jörg Maywald. „Das ist Gewalt“, sagt er, „dem Kind wird hier ein Schaden zugefügt, indem die Erzieherin es zutiefst beschämt. Es wird eindeutig eine Grenze überschritten.“ Doch wo genau verläuft diese Grenze? Welches Verhalten gegenüber Kindern ist gewaltvoll und verletzend? Maywald sieht da geringe Interpretationsspielräume. Gewalt gegen Kinder heißt für ihn im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention zum Beispiel, sie demütigen, auslachen, ausgrenzen, nicht trösten, ignorieren und bedrohen, aber auch körperliche Nähe und Distanz nicht ausbalancieren, sie schubsen, zum Essen, Schlafen oder Toilettengang zwingen, fixieren, ungefragt streicheln oder sie nicht angemessen beaufsichtigen. „In jeder Kindertagesstätte gibt es derlei Fehlverhalten und Gewalt durch pädagogische Fachkräfte“, macht Maywald klar. Wichtig sei, sich dieser Tatsache zu stellen und Vorfälle nicht zu banalisieren.

KURZ GESAGT!

_Gewalt gegen Kinder hat mehrere Ursachen

_Gewaltschutzkonzepte bieten allen Orientierung und Sicherheit

_Kitaleitung ist in der Pflicht

Aber wie kommt es zu solchem Fehlverhalten? „Etwa 30 Prozent der Prozessqualität im Umgang mit Kindern lassen sich laut NUBBEK-Studie (www.dji.de/nubbek) auf strukturelle Faktoren zurückführen, der überwiegende Teil aber nicht“, sagt Maywald. Flapsig gesprochen hieße das, dass es sehr gut ausgestattete Einrichtungen gebe, die schlecht arbeiteten, während mangelhaft ausgestattete Einrichtungen hervorragende pädagogische Arbeit leisteten. „Selbst wenn nächsten Monat ein Geldsegen auf die Kitas niederginge, hätten wir damit die Probleme nicht gelöst.“

Maywald macht weitere wichtige Ursachen für individuelles Fehlverhalten aus: die Biografie einer pädagogischen Fachkraft inklusive ihrer Erziehungsvorstellungen, die Situation im Team sowie Defizite in der Ausbildung.

Erstaunlicherweise sind institutioneller Kinderschutz, Kinderrechte und feinfühliges Verhalten gegenüber Kindern nicht überall Teil des Ausbildungscurriculums. „Sehr viele Fachkräfte, die schon seit Jahren im Berufsleben sind, haben in ihrer Ausbildung nie etwas darüber gelernt.“ Der Experte sieht hier großen Nachholbedarf. Eine gute Möglichkeit für das gesamte Team sei dazu die Erarbeitung eines Gewalt- und Kinderschutzkonzepts. „Schutzkonzepte bieten den pädagogischen Fachkräften einen Zuwachs an Orientierung und Handlungssicherheit“, ist Maywald überzeugt (siehe Interview).

Die Kita­-Leitung ist in der Pflicht

Bei Fachkräften besteht häufig eine große Unsicherheit, wenn sie etwa Situationen beobachten, in denen es nach ihrem Empfinden zu Fehlverhalten von Kolleginnen oder Kollegen gegenüber Kindern kommt. Was ist dann zu tun, wie reagieren? Ein Schutzkonzept legt für pädagogische Schlüsselsituationen Fachstandards fest, die definieren, was angemessen ist, wann eine Grenze überschritten wird und wie eine Einrichtung damit umgeht. Komme es zu einer Grenzüberschreitung, so empfiehlt Jörg Maywald, könne die Fachkraft die Kollegin im Anschluss an die Situation in Ruhe darauf ansprechen und ihren Eindruck in Ich-Botschaften schildern. Oft führe der kollegiale Austausch schon dazu, dass die Fachkraft sich einsichtig zeige.

„Manchmal kommt eine solche Kritik aber nicht gut an und es wird konfrontativ. Dann ist es Leitungsaufgabe, eine Klärung herbeizuführen. Sie ist in der Verantwortung: sowohl für den Kinderschutz als auch für die Mitarbeiterfürsorge, damit niemand zu Unrecht beschuldigt wird.“ Die Leitung hat die Verpflichtung, Fälle von Beeinträchtigungen des Kindeswohls dem Träger zu melden, der wiederum eine Meldepflicht an das Landesjugendamt hat. „Somit kann es nicht nur ein Angebot der Leitung an das Team sein, solche Situationen bei ihr zur Sprache zu bringen, sondern eine Aufforderung“, verdeutlicht Jörg Maywald und betont, dass dies keineswegs als „Anschwärzen“ misszuverstehen sei. „Es geht nicht in erster Linie um Sanktionen, sondern darum, besser zu werden und sich dem Ideal der gewaltfreien Erziehung immer weiter anzunähern.“ Für das Beispiel vom Anfang hieße das etwa, dass die Erzieherin versteht, dass ihr Verhalten den Jungen verletzt hat, sie sich bei Paul aufrichtig entschuldigt und der Vorfall im Team aufgearbeitet wird.

Fehlverhalten gegenüber Kindern kommt vor. In jeder einzelnen Einrichtung. Deshalb gelte es, so der Kinderrechtler, zum Schutz der Kinder die entsprechenden professionellen Vorkehrungen zu treffen.

 

Gewalt gegen Kinder im Sinne der Kinderrechte

  • psychische / emotionale Misshandlung
    (z. B. Anschreien, Demütigen, Liebesentzug)
  • körperliche Misshandlung
    (z. B. Schlagen, Schütteln, Fixieren)
  • sexualisierte Gewalt, Vernachlässigung
    (das Ignorieren grundlegender körperlicher und seelischer Bedürfnisse)

Mehr Infos bei UNICEF: www.kurzelinks.de/unicef-was-ist-gewalt